Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 136 I 297



Urteilskopf

136 I 297

29. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. D. gegen
Familienausgleichskasse Zug (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten)
8C_133/2010 vom 31. August 2010

Regeste

Art. 4 Abs. 3 FamZG; Art. 7 Abs. 1 FamZV; Art. 8 Abs. 1 und 2 BV; Art. 3 Abs. 1
und Art. 26 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes
(KRK).
Art. 7 Abs. 1 FamZV, wonach keine Familienzulagen ausgerichtet werden für
Kinder mit Wohnsitz in einem Staat, mit welchem die Schweiz kein entsprechendes
Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat, hält sich im Rahmen von Art. 4
Abs. 3 FamZG (E. 4) und verletzt weder Art. 8 Abs. 1 und 2 BV (E. 6 und 7) noch
Art. 3 Abs. 1 und Art. 26 KRK (E. 8).

Sachverhalt ab Seite 298

BGE 136 I 297 S. 298

A. D. ist indischer Staatsangehöriger und arbeitet seit 1. August 2008 für die
X. AG. Seine drei Kinder leben bei ihrer Mutter in Indien. Mit Verfügung vom
12. September 2008 sprach ihm die Familienausgleichskasse Zug (nachfolgend:
FAK) gestützt auf das bis 31. Dezember 2008 in Kraft gewesene kantonale
Kinderzulagengesetz (KZG; BGS 832.71) monatliche Zulagen in der Höhe von
insgesamt Fr. 800.- zu. Am 19. Januar 2009, bestätigt mit Einspracheentscheid
vom 30. Juni 2009, lehnte die FAK einen Anspruch auf Familienzulagen ab dem 1.
Januar 2009 ab mit der Begründung, gemäss dem am 1. Januar 2009 in Kraft
getretenen Bundesgesetz vom 24. März 2006 über die Familienzulagen
(Familienzulagengesetz, FamZG; SR 836.2) würden für Kinder mit Wohnsitz in
einem ausländischen Staat nur dann Familienzulagen ausgerichtet, wenn dies in
einem zwischenstaatlichen Abkommen vorgeschrieben sei, was für Indien nicht
zutreffe.

B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug wies die dagegen erhobene Beschwerde
mit Entscheid vom 10. Dezember 2009 ab.

C. D. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem
Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid und die Verfügung der FAK vom
19. Januar 2009 aufzuheben (...). Eventualiter seien ihm ab 1. Januar 2009
kaufkraftbereinigte Familienzulagen auszurichten.
Die Vorinstanz, die FAK und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV)
schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2. Die FAK hat den Anspruch des Beschwerdeführers auf Familienzulagen gestützt
auf Art. 7 der Verordnung vom 31. Oktober 2007 über die Familienzulagen
(Familienzulagenverordnung, FamZV; SR 836.21) abgelehnt. Der Beschwerdeführer
macht geltend, diese Norm sei gesetzwidrig und willkürlich. Des Weiteren beruft
er sich auf das Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV) sowie das
Übereinkommen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes
(Kinderrechtskonvention, KRK; SR 0.107).

3. Art. 4 Abs. 3 FamZG lautet:
"Für im Ausland wohnhafte Kinder regelt der Bundesrat die Voraussetzungen für
den Anspruch auf Familienzulagen. Deren Höhe richtet sich nach der Kaufkraft im
Wohnsitzstaat."
BGE 136 I 297 S. 299
("Pour les enfants vivant à l'étranger, le Conseil fédéral détermine les
conditions d'octroi des allocations. Le montant des allocations est établi en
fonction du pouvoir d'achat du pays de résidence."/ "Per i figli residenti
all'estero, il Consiglio federale disciplina le condizioni del diritto agli
assegni. L'importo degli assegni dipende dal potere d'acquisto nello Stato di
domicilio.")
Art. 7 Abs. 1 FamZV besagt:
"Für Kinder mit Wohnsitz im Ausland werden die Familienzulagen nur
ausgerichtet, soweit zwischenstaatliche Vereinbarungen das vorschreiben und
sofern:
a) nicht schon im Ausland ein Anspruch auf eine Familienzulage besteht;
b) der Anspruch in der Schweiz auf einer Erwerbstätigkeit beruht;
c) die Familienzulage für ein Kind bestimmt ist, zu dem ein Kindesverhältnis im
Sinne des Zivilgesetzbuches besteht (Art. 4 Abs. 1 Bst. a FamZG); und
d) das Kind das 16. Altersjahr noch nicht vollendet hat."
("Pour les enfants ayant leur domicile à l'étranger, les allocations familiales
ne sont versées que si une convention internationale le prévoit et à condition:
a. qu'aucun droit aux allocations familiales n'existe à l'étranger; b. que le
droit aux allocations en Suisse se fonde sur l'exercice d'une activité
lucrative; c. que l'allocation familiale soit due pour un enfant avec lequel
l'ayant droit a un lien de filiation en vertu du code civil (art. 4, al. 1,
let. a, LAFam), et d. que l'enfant n'ait pas atteint l'âge de 16 ans."/"Per i
figli residenti all'estero, gli assegni familiari sono versati unicamente nella
misura in cui lo prescrivono accordi internazionali e a condizione che: a. il
diritto ad un assegno familiare non sussista anche all'estero; b. il diritto in
Svizzera derivi da un'attività lucrativa; c. l'assegno familiare sia destinato
ad un figlio nei confronti del quale sussiste un rapporto di filiazione ai
sensi del Codice civile (art. 4 cpv. 1 lett. a LAFam); e d. il figlio non abbia
ancora compiuto il 16° anno d'età.")

4.

4.1 Die Auslegung des Gesetzes ist auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers
und die von ihm erkennbar getroffenen Wertentscheidungen auszurichten.
Ausgangspunkt der Auslegung einer Norm bildet ihr Wortlaut. Vom daraus
abgeleiteten Sinne ist jedoch abzuweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen,
dass der Gesetzgeber diesen nicht gewollt haben kann. Solche Gründe können sich
insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Norm, aus ihrem Zweck oder aus
dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben. Insoweit wird vom
historischen, teleologischen und systematischen Auslegungselement gesprochen.
Bei der Auslegung einer Norm sind daher neben dem Wortlaut diese herkömmlichen
BGE 136 I 297 S. 300
Auslegungselemente zu berücksichtigen (BGE 134 III 273 E. 4 S. 277 mit
Hinweisen).
Die Vorarbeiten sind für die Gesetzesinterpretation weder verbindlich noch für
die Auslegung unmittelbar entscheidend; denn ein Gesetz entfaltet ein
eigenständiges, vom Willen des Gesetzgebers unabhängiges Dasein, sobald es in
Kraft getreten ist. Insbesondere sind Äusserungen von Stellen oder Personen,
die bei der Vorbereitung mitgewirkt haben, nicht massgebend, wenn sie im
Gesetzestext nicht selber zum Ausdruck kommen. Das gilt selbst für Äusserungen,
die unwidersprochen geblieben sind. Als verbindlich für den Richter und die
Richterin können nur die Normen selber gelten, die von der gesetzgebenden
Behörde in der hierfür vorgesehenen Form erlassen worden sind. Das bedeutet nun
nicht, dass die Gesetzesmaterialien methodisch unbeachtlich wären; sie können
namentlich dann, wenn eine Bestimmung unklar ist oder verschiedene, einander
widersprechende Auslegungen zulässt, ein wertvolles Hilfsmittel sein, um den
Sinn der Norm zu erkennen und damit falsche Auslegungen zu vermeiden. Wo die
Materialien keine klare Antwort geben, sind sie als Auslegungshilfe nicht
dienlich. Insbesondere bei verhältnismässig jungen Gesetzen darf der Wille des
historischen Gesetzgebers nicht übergangen werden. Hat dieser Wille jedoch im
Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden, so ist er für die Auslegung nicht
entscheidend. Ist in der Gesetzesberatung insbesondere ein Antrag, das Gesetz
sei im Sinne einer nunmehr vertretenen Auslegungsmöglichkeit zu ergänzen,
ausdrücklich abgelehnt worden, dann darf diese Auslegungsmöglichkeit später
nicht in Betracht gezogen werden (BGE 134 V 170 E. 4.1 S. 174 mit Hinweisen).
Ausnahmebestimmungen sind weder restriktiv noch extensiv, sondern nach ihrem
Sinn und Zweck im Rahmen der allgemeinen Regelung auszulegen (BGE 130 V 229 E.
2.2 S. 233; BGE 118 Ia 175 E. 2d S. 179; BGE 117 Ib 114 E. 7c S. 121; BGE 114 V
298 E. 3e S. 302; je mit Hinweisen; vgl. BGE 131 V 279 E. 2.4 S. 285; BGE 130 V
472 E. 6.5.6 S. 478).

4.2

4.2.1 Der Wortlaut von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 FamZG, wonach der Bundesrat für
Kinder im Ausland die Anspruchsvoraussetzungen regelt, deckt den Ausschluss von
Familienzulagen an Kinder mit Wohnsitz in einem Staat, mit welchem kein
Staatsvertrag besteht. Dies gilt auch für die französische und italienische
Fassung der Norm. Zu den Anspruchsvoraussetzungen im Sinne von Art. 4 Abs. 3
BGE 136 I 297 S. 301
Satz 1 FamZG gehört nicht bloss die Festsetzung der Höhe, wie sie in Satz 2
näher geregelt wird; vielmehr sind darunter auch weitere Umstände wie etwa die
Umschreibung der anspruchsbegründenden Kindesverhältnisse oder der
Altersgrenzen zu verstehen (vgl. lit. a-d von Art. 7 Abs. 1 FamZV). Es ist also
durchaus zulässig, dass der Bundesrat im Rahmen seiner Kompetenz als
Verordnungsgeber die Anspruchsvoraussetzungen so formuliert, dass unter
Umständen grundsätzlich kein Anspruch resultiert. Fraglich kann somit nur sein,
ob der anspruchsausschliessende Umstand sich im Rahmen der Delegation hält.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber dem Bundesrat einen grossen
Ermessensspielraum zugestanden hat (vgl. etwa BBl 2004 6887, 6902 f. Ziff.
3.2.2, sowie grundsätzlich zum Ermessen des Bundesrates im Bereich der
Leistungsverwaltung HÄFELIN/HALLER/KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht,
7. Aufl. 2008, Rz. 1873).

4.2.2 Nach Art. 2 FamZG liegt der Zweck der Familienzulagen im teilweisen
Ausgleich der finanziellen Belastung durch ein oder mehrere Kinder. Dies
spricht eher dafür, dass auch für Kinder mit Wohnsitz im Ausland ein Anspruch
auf eine (allenfalls kaufkraftbereinigte) Familienzulage bestehen soll, sofern
die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.

4.2.3 Aus systematischer Sicht ist massgebend, dass Satz 1 und Satz 2 des Art.
4 Abs. 3 FamZG unabhängig sind. Die Delegation an den Bundesrat, die
Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung bei Kindern mit Wohnsitz im Ausland
zu formulieren, war anfänglich noch mit dem Zusatz "... und die Höhe der
Zulagen" (BBl 1999 3220, 3254: Art. 3 Abs. 2 des Entwurfs) versehen resp. im
Rahmen des Zusatzberichts der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit
des Nationalrates vom 8. September 2004 mit "... sowie deren Höhe; ..." (BBl
2004 6887, 6928: Art. 4 Abs. 3 des Entwurfs) ergänzt. In der vom Gesetzgeber
verabschiedeten Form sind jedoch die beiden Teile (grundsätzliche Formulierung
der Anspruchsvoraussetzungen sowie Regelung der Anpassung an die Kaufkraft) in
zwei separaten Sätzen festgehalten, was nur dahingehend zu verstehen ist, dass
sich die Formulierung der Anspruchsvoraussetzungen nicht in der Regelung der
Höhe der Zulagen erschöpft. Wenn es dem Bundesrat nicht zustehen sollte, den
Anspruch in bestimmten Fällen in der Verordnung auch grundsätzlich
ausschliessen zu können und sich die Ermächtigung zur Regelung der Einzelheiten
auf die Höhe der Zulagen
BGE 136 I 297 S. 302
gemäss Satz 2 beschränken sollte, macht Satz 1 keinen Sinn und hätte vom
Gesetzgeber ersatzlos gestrichen werden müssen.

4.2.4 Die Frage, ob bei ausländischem Wohnsitz der Kinder unter Umständen gar
keine Zulagen geschuldet sind, wurde im Parlament nicht explizit erörtert.
Lediglich im Rahmen der Eintretensdebatte im Nationalrat gab es Voten, welche
sich kritisch zum Export von Familienzulagen äusserten (vgl. AB 2005 N 266,
Votum Scherrer, 269, Votum Parmelin, 276, Votum Engelberger, und 283, Votum
Keller). Hingegen war das Mass der Kaufkraftbereinigung Gegenstand
ausführlicher Diskussionen in beiden Räten (vgl. AB 2005 N 272, Votum Wäfler,
288 ff., 321 f. sowie AB 2005 S 714 f.). Im Rahmen der Referendumsabstimmung
vom 26. November 2006 hielt das BSV in dem auf seiner Homepage publizierten
Faktenblatt "Export von Familienzulagen" fest, in Staaten ausserhalb des
Anwendungsbereichs des Freizügigkeitsabkommens und ohne bilaterales
Sozialversicherungsabkommen würden die Familienzulagen nicht exportiert. Die
den Abstimmungsunterlagen beigelegte Broschüre des Bundesrates enthielt den
Hinweis, mit dem neuen Bundesgesetz ändere sich nichts Wesentliches in Bezug
auf Leistungen für Kinder mit Wohnsitz im Ausland. Diese Äusserung ist nicht
eindeutig, da es unter der Herrschaft der kantonalrechtlichen
Familienzulagenordnungen Kantone gab, welche auch bei ausländischem Wohnsitz
der Kinder eine volle Zulage gewährten (etwa der Kanton Zug sowie die Kantone
Uri, Obwalden, Solothurn, Basel-Stadt, Baselland, Appenzell Ausserrhoden,
Tessin und fast alle französischsprachigen Kantone), andere hingegen den Export
von Familienzulagen auf Länder mit Sozialversicherungsabkommen beschränkten (so
die zwei mit Abstand bevölkerungsreichsten Kantone Zürich und Bern, aber auch
die Kantone Luzern, Schaffhausen, Appenzell Innerrhoden und St. Gallen; vgl.
etwa BSV, Grundzüge der kantonalen Familienzulagen, Stand 1. Januar 2006, S. 8
f.); die grosse Mehrheit der Kantone unterschied bei ihrer Regelung der Zulagen
für Kinder mit ausländischem Wohnsitz - wie auch Art. 7 Abs. 1 FamZV - nicht
nach der Staatszugehörigkeit der erwerbstätigen Eltern (BSV, a.a.O., S. 8 f.).
Auch wenn sich aus den Materialien nicht der explizite Wille des Gesetzgebers
ergibt, den Export von Familienzulagen für Kinder mit Wohnsitz in Staaten ohne
Sozialversicherungsabkommen auszuschliessen, lässt sich auch nicht das
Gegenteil im Sinne des Beschwerdeführers (grundsätzlicher Anspruch auf
Familienzulagen für Kinder im Ausland mit blosser Anpassung an die Kaufkraft)
ableiten. Somit ist
BGE 136 I 297 S. 303
unter Berücksichtigung des grossen Ermessens des Bundesrates der Ausschluss
eines Anspruchs für Kinder mit Wohnsitz in Staaten ohne
Sozialversicherungsabkommen nicht zu beanstanden. Daran ändert auch die vom
Beschwerdeführer zitierte Aussage des damaligen Bundesrates Couchepin (AB 2005
N 321) nichts, da die vom Bundesrat favorisierte Fassung sich letztlich
gegenüber dem Minderheitsantrag Scherrer nicht durchzusetzen vermochte (AB 2005
N 322). Auch der vom Beschwerdeführer erwähnten Stellungnahme des Bundesrates
vom 28. Juni 2000 (BBl 2000 4784, 4788 Ziff. 4.2) und dem Zusatzbericht der
Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 8.
September 2004 (BBl 2004 6887, 6898 Ziff. 2.2.1) ist nicht zu entnehmen, dass
es dem Bundesrat verwehrt sein sollte, nebst der Anpassung an die Kaufkraft
weitere Anspruchsvoraussetzungen zu formulieren. Vielmehr lässt die Aussage im
Zusatzbericht (BBl 2004 6887, 6920 Ziff. 5.3: "Im Verhältnis zu Staaten, mit
denen die Schweiz kein Abkommen abgeschlossen hat, setzt der Bundesrat die
Anspruchsvoraussetzungen und die Höhe der Leistung fest.") vermuten, dass der
Bundesrat auch ermächtigt werden sollte, nebst der Anpassung an die Kaufkraft
("Höhe der Leistung") die Anspruchsvoraussetzungen allgemein und damit auch
anspruchsausschliessende Umstände zu formulieren (a.M. KIESER/REICHMUTH,
Bundesgesetz über die Familienzulagen, Praxiskommentar, 2010, N. 100 ff. zu
Art. 4 FamZG).

4.3 Nach dem Gesagten sprechen im Rahmen der Auslegung der Norm der Wortlaut
sowie die Systematik für die Zulässigkeit von Art. 7 Abs. 1 FamZV, der Zweck
der Bestimmung spricht eher dagegen und den Materialien lässt sich nichts
entnehmen, was die Beschränkung auf Staaten mit Sozialversicherungsabkommen
unzulässig erscheinen lassen würde. Insgesamt erweist sich Art. 4 Abs. 3 FamZG
als hinreichende gesetzliche Grundlage für Art. 7 Abs. 1 FamZV.

5. Öffentliches Recht gilt grundsätzlich nur in dem Staate, der es erlässt. Es
untersteht somit dem Territorialprinzip. Ausserhalb seiner Grenzen kann es im
Sinne von Ausnahmen gelten, z.B. wo dies durch Staatsvertrag vereinbart ist
oder kraft Zulassung durch das ausländische Recht oder durch
Völkergewohnheitsrecht. Diese Überlegungen treffen auch auf das
Sozialversicherungsrecht zu (BGE 112 V 397 E. 1b S. 398; ALFRED MAURER,
Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1983, S. 202).
BGE 136 I 297 S. 304
Die Schweiz hat am 3. September 2009 mit der Republik Indien ein Abkommen über
die Sozialversicherungen abgeschlossen (BBl 2009 7641), welches noch der
Zustimmung durch das Parlament bedarf. Es ist somit noch nicht in Kraft und
gelangt im hier zu beurteilenden Fall auch deswegen nicht zur Anwendung, weil
die Bestimmungen des FamZG davon ohnehin nicht erfasst werden sollen (Art. 2
des Abkommens). Im Weiteren ist nicht ersichtlich, welches ausländische oder
Völkergewohnheitsrecht nebst dem schweizerischen Recht zu berücksichtigen wäre
(vgl. auch E. 8). Somit ist es in Anwendung des Territorialitätsprinzips
zulässig, im nationalen Recht den Export von Leistungen ins Ausland
auszuschliessen. Für die weitere Beurteilung der Sache ist demnach allein
schweizerisches Recht massgebend.

6.

6.1 Das Gebot der rechtsgleichen Behandlung (Art. 8 Abs. 1 BV) ist verletzt,
wenn ein Erlass hinsichtlich einer entscheidwesentlichen Tatsache rechtliche
Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden
Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn er Unterscheidungen unterlässt,
die sich auf Grund der Verhältnisse aufdrängen. Die Rechtsgleichheit ist
verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder
Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Die
Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu
regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten
unterschiedlich beantwortet werden, je nach den herrschenden Anschauungen und
Zeitverhältnissen. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des
Willkürverbots ein weiter Spielraum der Gestaltung, den das Bundesgericht nicht
durch eigene Gestaltungsvorstellungen schmälert (BGE 134 I 23 E. 9.1 S. 42 mit
Hinweisen).

6.2 Das Bundesgericht hat in einem Fall, in welchem eine restriktive Norm
bezüglich der Ausrichtung von Familienzulagen für Kinder mit ausländischem
Wohnsitz nach kantonalem Recht strittig war, entschieden, aus dem Gebot der
Rechtsgleichheit lasse sich nicht ableiten, dass staatsvertraglich begründete
Sonderstellungen auf andere Staaten bzw. auf Angehörige anderer Staaten bei
entsprechenden objektiven Bedingungen ausgedehnt werden müssten (Urteil 2P.220/
2004 vom 15. September 2004 E. 2.4). Dies hat auch für den hier zu
beurteilenden Fall seine Geltung. Die unterschiedliche Beurteilung von
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Kinder in einem
BGE 136 I 297 S. 305
Staat Wohnsitz haben, mit welchem die Schweiz kein Sozialversicherungsabkommen
abgeschlossen hat, gegenüber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Kinder
in der Schweiz oder in einem Staat mit einem Sozialversicherungsabkommen mit
der Schweiz Wohnsitz haben, beruht auf einem sachlichen Grund. Denn infolge des
Sozialversicherungsabkommens besteht bei Letzteren eine besondere, nähere
Beziehung zur Schweiz (vgl. dazu E. 7.3 zum Begriff des Staatsvertrags). Anders
zu entscheiden würde auch bedeuten, dass bei Abschluss eines Staatsvertrags
zwischen der Schweiz und einem anderen Staat Personen, die lediglich Bezug zur
Schweiz und einem Drittstaat haben, gestützt auf eine unzulässige
Differenzierung nach Art. 8 Abs. 1 BV die im Staatsvertrag gewährten
Vergünstigungen ebenfalls beanspruchen könnten; diese Drittwirkung würde die
Tragweite eines Staatsvertrags, welcher nur die Vertragsparteien bindet (vgl.
ANDREAS R. ZIEGLER, Einführung in das Völkerrecht, 2006, Rz. 230),
offensichtlich sprengen.

7.

7.1 Gemäss Art. 8 Abs. 2 BV darf niemand diskriminiert werden, namentlich nicht
wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der
sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder
politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder
psychischen Behinderung. Eine Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person
ungleich behandelt wird allein auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Gruppe, welche historisch und in der gegenwärtigen sozialen
Wirklichkeit tendenziell ausgegrenzt oder als minderwertig behandelt wird.
Diese qualifizierte Form der Ungleichbehandlung führt zu einer Benachteiligung
eines Menschen, welche als Herabwürdigung oder Ausgrenzung einzustufen ist,
weil sie auf ein Unterscheidungsmerkmal abstellt, das einen wesentlichen und
nicht oder nur schwer aufgebbaren Bestandteil der Identität der betreffenden
Person bildet. Insofern beschlägt die Diskriminierung auch Aspekte der
Menschenwürde (Art. 7 BV). Das Diskriminierungsverbot des schweizerischen
Verfassungsrechts schliesst aber die Anknüpfung an ein verpöntes Merkmal nicht
absolut aus. Eine solche begründet zunächst lediglich den Verdacht einer
unzulässigen Differenzierung, der nur durch eine qualifizierte Rechtfertigung
umgestossen werden kann (BGE 134 I 56 E. 5.1 S. 61; BGE 130 I 352 E. 6.1.2 S.
357; BGE 129 I 392 E. 3.2.2 S. 397; je mit Hinweisen; vgl. BGE 134 I 105 E. 5
S. 108; BGE 134 II 249 E. 3.1 S. 252).
BGE 136 I 297 S. 306
Eine indirekte oder faktische Diskriminierung liegt vor, wenn eine Regelung,
die keine offensichtliche Benachteiligung spezifisch gegen Diskriminierung
geschützter Gruppen enthält, in ihren tatsächlichen Auswirkungen Angehörige
einer solchen Gruppe besonders stark benachteiligt, ohne dass dies sachlich
begründet wäre (BGE 126 II 377 E. 6c S. 393; Urteil 2P.77/2000 vom 30. November
2000 E. 4d; vgl. auch KIENER/KÄLIN, Grundrechte, 2007, S. 366 und MÜLLER/
SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 2008, S. 695).

7.2 Da nicht auf Grund eines nach Art. 8 Abs. 2 BV verpönten Merkmals (wie etwa
Herkunft oder Rasse) zwischen verschiedenen Kategorien von Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern unterschieden wird (Urteile 2P.290/2003 vom 12. Mai 2004 E.
4.3.4 und 2P.77/2000 vom 30. November 2000 E. 4c), liegt keine
verfassungswidrige Diskriminierung vor. Die Staatszugehörigkeit der
erwerbstätigen Eltern spielt keine Rolle. Massgebendes Unterscheidungsmerkmal
ist vielmehr der ausländische Wohnsitz des Kindes resp. das fehlende
Sozialversicherungsabkommen mit seinem Wohnsitzstaat (vgl. dazu auch E. 5).

7.3 Zu prüfen bleibt eine indirekte (faktische) Diskriminierung im Sinne von
Art. 8 Abs. 2 BV. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 8 Abs. 2 BV anders
als das Verbot der Geschlechterdiskriminierung (Art. 8 Abs. 3 BV) keinen
Anspruch auf Herstellung der faktischen Gleichheit gewährleistet (Urteil 2P.77/
2000 vom 30. November 2000 E. 4b und 4d).
Staatsverträge sind völkerrechtliche Vereinbarungen zwischen zwei oder mehreren
ausländischen Staaten oder anderen Völkerrechtssubjekten, die durch
übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommen und zwischen den
Vertragsparteien Rechte und Pflichten begründen (PIERRE TSCHANNEN, Staatsrecht
der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2. Aufl. 2007, § 47 Rz. 1; HÄFELIN/
HALLER/KELLER, a.a.O., Rz. 1892; ZIEGLER, a.a.O., Rz. 173; KÄLIN/EPINEY/CARONI/
KÜNZLI, Völkerrecht - Eine Einführung, 2006, S. 17). Die Staatsvertragsparteien
gewähren sich darin Rechte und Vergünstigungen, die über das ohne den
Staatsvertrag Geltende hinausgehen. Dabei wird in der Regel Gegenrecht gehalten
und beide Seiten profitieren von den Vergünstigungen.
Im hier strittigen Fall haben die Kinder ihren Wohnsitz in Indien und es
besteht kein Staatsvertrag zwischen den beiden Ländern (vgl. E. 5). Es wird
weder geltend gemacht noch kann gesagt werden, der
BGE 136 I 297 S. 307
bisherige Verzicht auf einen solchen Vertrag und damit auf gegenseitige
Begünstigung habe die Herabsetzung oder Ausgrenzung einer sozialen Gruppe zum
Ziel. Es liegt vielmehr ein ernsthafter und sachlicher Grund für die
Unterscheidung vor. Demnach nimmt Art. 7 Abs. 1 FamZV keine unzulässige
Differenzierung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 BV vor.

7.4 Soweit der Beschwerdeführer sich auf eine faktische Diskriminierung beruft,
weil es ihm als Inder - im Gegensatz zu einem Schweizer, einer Schweizerin -
aus fremdenpolizeilichen Gründen verwehrt sei, seine Kinder in die Schweiz zu
bringen, fällt dies nicht unter das Diskriminierungsverbot im Sinne von Art. 8
Abs. 2 BV, sondern ist unter dem Blickwinkel des - vom Beschwerdeführer nicht
explizit angerufenen - allgemeinen Gleichbehandlungsgebots von Art. 8 Abs. 1 BV
zu prüfen (vgl. auch MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 714, KIENER/KÄLIN, a.a.O., S.
361). Daher genügt ein sachlicher Grund als Rechtfertigung für die gerügte
Differenzierung (BGE 129 I 392 E. 3.2.3 S. 398; MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 655
ff. und KIENER/KÄLIN, a.a.O., S. 347 f.). Das Bundesgericht hat
verschiedentlich eine Differenzierung auf Grund der Staatszugehörigkeit bei
Sachverhalten, die an den fremdenpolizeilichen Status anknüpfen, als zulässig
erachtet (vgl. etwa Urteil 1P.526/2008 vom 16. Oktober 2006 E. 3, wonach es
zulässig ist, die Vollzugsform der gemeinnützigen Arbeit Schweizern und
Ausländern mit Aufenthaltsbewilligung vorzubehalten, oder MÜLLER/SCHEFER,
a.a.O., S. 716, wonach es zulässig ist, nur Ausländer ohne
Niederlassungsbewilligung der Quellensteuer zu unterstellen). Vorliegend ist
nicht der fremdenpolizeiliche Status allein ausschlaggebend für die
unterschiedliche Behandlung, sondern der fremdenpolizeiliche Status in
Verbindung mit dem fehlenden Staatsvertrag: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
welche über denselben fremdenpolizeilichen Status wie der Beschwerdeführer
verfügen, erhalten Familienzulagen, auch wenn ihnen der Familiennachzug
gestützt auf diesen Status verwehrt ist, sofern sie aus einem Land kommen, mit
welchem die Schweiz ein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat. Eine
Differenzierung infolge (Nicht-)Vorliegens eines Staatsvertrages stellt jedoch
einen sachlichen Grund dar und ist damit zulässig (vgl. E. 6.2).

8.

8.1 Eine Beschwerde wegen Verletzung von Staatsvertragsrecht (vgl. Art. 95 lit.
b BGG) setzt voraus, dass die staatsvertragliche Bestimmung, deren Verletzung
gerügt wird, direkt anwendbar
BGE 136 I 297 S. 308
(self-executing) ist. Dies trifft zu, wenn die Bestimmung inhaltlich
hinreichend bestimmt und klar ist, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides
zu bilden. Die Norm muss mithin justiziabel sein, d.h. es müssen die Rechte und
Pflichten des Einzelnen umschrieben und der Adressat der Norm die
rechtsanwendenden Behörden sein. Wie es sich damit verhält, ist von den
rechtsanwendenden Behörden zu bestimmen (BGE 133 I 286 E. 3.2 S. 291 mit
Hinweis).

8.2 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 KRK, gemäss
welchem bei allen Massnahmen, die Kinder betreffen, ungeachtet ob sie von
öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten,
Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, das Wohl des
Kindes ein vorrangig zu berücksichtigender Gesichtspunkt ist. Diese Norm wird
vom Bundesgericht im Rahmen seiner Rechtsprechung zwar miteinbezogen, doch kann
der Beschwerdeführer daraus keinen Leistungsanspruch ableiten. Art. 3 Abs. 1
KRK statuiert die vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls bei allen
staatlichen Massnahmen. Dabei handelt es sich um einen Leitgedanken, eine
Interpretationsmaxime, die bei Erlass und Auslegung der Gesetze zu beachten ist
(BBl 1994 V 1, 26; Stephan Wolf, Die UNO-Konvention über die Rechte des Kindes
und ihre Umsetzung in das schweizerische Kindesrecht, ZBJV 134/1998 S. 113,
118). Allerdings ermöglicht Abs. 1 lediglich die vorrangige, nicht aber die
ausschlaggebende resp. ausschliessliche Massgeblichkeit des Kindeswohls,
sondern andere Interessen der Sorgeberechtigten und des Staates sind
mitzuberücksichtigen (WOLF, a.a.O., S. 119). Insofern ist nicht zu beanstanden,
dass sich der Bundesrat auch von anderen Überlegungen als dem Kindeswohl leiten
liess. Soweit der Beschwerdeführer Art. 26 KRK anspricht, hat das Bundesgericht
unter Verweis auf die Rechtsprechung des damaligen Eidg. Versicherungsgerichts
festgestellt, dass diese Norm nicht direkt anwendbar (non self-executing) ist
(Urteil 8C_295/2008 vom 22. November 2008 E. 4.2 mit Hinweisen). Schliesslich
ist in diesem Zusammenhang auch fraglich, ob ein Staat gestützt auf die KRK
angehalten werden kann, den Verpflichtungen aus der KRK auch für Kinder
nachzukommen, welche sich nicht in seinem Staatsgebiet aufhalten, sondern in
die Zuständigkeit eines Staates fallen, der die KRK nicht einmal unterzeichnet
hat.