Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 136 I 265



Urteilskopf

136 I 265

24. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S.
Politische Gemeinde Lindau gegen Kantonsrat und Regierungsrat des Kantons
Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_11/2010 vom 27. August 2010

Regeste

Art. 29 Abs. 2 und Art. 50 BV, Art. 85 KV/ZH, Art. 82 lit. b und Art. 89 BGG,
Art. 4 und 9 f. RPG; Rechtsmittel gegen den kantonalen Richtplan, Mitwirkung
der Gemeinde im Richtplanverfahren.
Anfechtung des kantonalen Richtplans durch die betroffene Gemeinde mit
Beschwerde gegen kantonale Erlasse (E. 1).
Autonomie der Zürcher Gemeinden im Bau- und Planungsrecht (E. 2).
Anspruch der Gemeinden auf Anhörung und Mitwirkung im Richtplanverfahren (E.
3.2). Der Kantonsrat verletzte das Mitwirkungsrecht der Gemeinde, weil er ihren
Einwand, der notwendige Bahnanschluss sei nicht während der gesamten Abbauzeit
der Kiesgrube gesichert, nicht prüfte (E. 3.3).

Sachverhalt ab Seite 266

BGE 136 I 265 S. 266

A. Am 24. November 2009 beschloss der Kantonsrat des Kantons Zürich eine
Teilrevision des kantonalen Richtplans zu den Bereichen Gewässer, Gefahren
sowie Ver- und Entsorgung. Im Kapitel 5.3, Materialgewinnung, setzte er unter
anderem neu eine Kiesgrube bei Tagelswangen in der Gemeinde Lindau fest. Die
Richtplanänderungen wurden im kantonalen Amtsblatt vom 4. Dezember 2009
publiziert.

B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, eventuell
subsidiärer Verfassungsbeschwerde, vom 11. Januar 2010 beantragt die politische
Gemeinde Lindau, der Beschluss des Kantonsrats vom 24. November 2009 sei
bezüglich der Festsetzung der Kiesgrube Tagelswangen aufzuheben. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
(Auszug)

Auszug aus den Erwägungen:

BGE 136 I 265 S. 267
Aus den Erwägungen:

1.

1.1 Angefochten ist der Entscheid des Kantonsparlaments über die Änderung des
kantonalen Richtplans (Art. 6 ff. RPG; SR 700). Ein Ausschlussgrund nach Art.
83 BGG liegt nicht vor. Die Festsetzung des Richtplans erfolgt durch den
Kantonsrat (§ 32 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes vom 7. September 1975 über die
Raumplanung und das öffentliche Baurecht [Planungs- und Baugesetz, PBG/ZH; LS
700.1]). Dabei kommen im Wesentlichen die Grundsätze des kantonalen
Rechtssetzungsverfahrens zur Anwendung. Der Richtplan unterliegt deshalb der
Beschwerde gegen einen kantonalen Erlass im Sinne von Art. 82 lit. b BGG
(REGINA KIENER, Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in:
Neue Bundesrechtspflege, Berner Tage für die juristische Praxis 2006, S. 240;
AEMISEGGER/SCHERRER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 39 zu
Art. 82 BGG; HEINZ AEMISEGGER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über die
Raumplanung, 2010, N. 29 zu Art. 34 RPG). Nach Art. 87 Abs. 1 BGG ist die
Beschwerde unmittelbar gegen den kantonalen Erlass zulässig, sofern kein
anderes Rechtsmittel ergriffen werden kann. Das Zürcher Recht sieht kein
Rechtsmittel gegen die Richtplanfestsetzung vor. Akte des Kantonsrats sind vom
Rekurs an eine kantonale Rechtsmittelinstanz ausdrücklich ausgenommen (§ 19
Abs. 2 lit. b des kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959
[VRG; LS 175.2]). Ausserdem kommt dem Richtplan insgesamt vorwiegend
politischer Charakter zu (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege, BBl 2001 4327). Auch aus diesem Grund kann der Beschluss
des Kantonsrats über die Richtplanfestsetzung beim Bundesgericht direkt
angefochten werden (Art. 86 Abs. 3 BGG; Urteil des Bundesgerichts 1C_101/2007
vom 26. Februar 2008 E. 1.4). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten ist somit grundsätzlich zulässig. Die eventualiter erhobene
subsidiäre Verfassungsbeschwerde kommt somit nicht zum Zug.

1.2 Richtpläne unterliegen der Genehmigung durch den Bundesrat (Art. 11 RPG).
Für den Bund und die Nachbarkantone werden Richtpläne erst mit dieser
Genehmigung verbindlich (Art. 11 Abs. 2 RPG). Daraus ergibt sich e contrario,
dass die bundesrätliche Genehmigung im Bereich innerkantonaler Fragen
deklaratorisch wirkt. Insofern unterscheiden sich die Rechtswirkungen der
Genehmigung des Richtplans von jenen der Genehmigung eines Nutzungsplans (vgl.
Art. 26
BGE 136 I 265 S. 268
Abs. 3 RPG; BGE 135 II 22 E. 1.2.1 S. 24 mit Hinweisen). Die Kantone können den
innerkantonalen Teil des Richtplans schon vor der Genehmigung in Kraft treten
lassen (PIERRE TSCHANNEN, in: Kommentar zum Bundesgesetz über die Raumplanung,
Aemisegger und andere [Hrsg.], 2009, N. 36 zu Art. 11 und N. 19 zu Art. 10
RPG). Der Festsetzungsbeschluss des Kantonsrats ist für die Gemeinde ungeachtet
der Genehmigung des Richtplans durch den Bundesrat rechtlich verbindlich (Art.
9 Abs. 1 RPG und § 32 Abs. 1 PBG/ZH). Es liegt insoweit ein anfechtbarer
Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG vor (vgl. AEMISEGGER/SCHERRER, a.a.O., N.
38 zu Art. 82 BGG).

1.3 Richtpläne sind nach Art. 9 Abs. 1 RPG für Behörden verbindlich. Gemeinden,
die sich durch einen kantonalen Richtplan in ihrer Autonomie verletzt fühlen,
können ihn gestützt auf Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG vor dem Hintergrund der
bisherigen Rechtsprechung direkt und unter Umständen auch akzessorisch
anfechten (BGE 119 Ia 285 E. 3b S. 290 und E. 4a S. 293 f.; BGE 111 Ia 129 E.
3c und d S. 130 f.; KIENER, a.a.O., S. 240; AEMISEGGER/SCHERRER, a.a.O., N. 38
zu Art. 82 BGG; AEMISEGGER, a.a.O., N. 28 zu Art. 34 RPG). Die Gemeinde wird
durch die umstrittene Richtplanfestsetzung insbesondere als Trägerin der
kommunalen Richt- und Nutzungsplanung (§§ 31 f. und 45 PBG/ZH) sowie als
Baubewilligungsbehörde (§ 318 PBG/ZH) in ihren hoheitlichen Befugnissen
betroffen. Damit ist sie nach Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG berechtigt, unter
Berufung auf Art. 50 Abs. 1 BV und Art. 85 KV/ZH (SR 131.211) Beschwerde wegen
Verletzung der Gemeindeautonomie zu erheben (BGE 135 I 302 E. 1.1 S. 304 mit
Hinweisen). Ob ihr die beanspruchte Autonomie tatsächlich zukommt, ist eine
Frage der materiellen Beurteilung (BGE 135 I 43 E. 1.2 S. 45 mit Hinweisen).

1.4 Zudem kann sich die Beschwerdeführerin auf die allgemeinen
Legitimationsbestimmungen von Art. 89 Abs. 1 lit. b und c BGG berufen. Dieses
allgemeine Beschwerderecht ist grundsätzlich auf Privatpersonen zugeschnitten.
Gemeinwesen können es für sich in Anspruch nehmen, wenn sie durch die
angefochtene Verfügung gleich oder ähnlich wie Private betroffen sind (BGE 135
I 43 E. 1.3 S. 47; BGE 135 II 156 E. 3.1 S. 157; je mit Hinweisen). Nach der
Rechtsprechung kann jedoch ein Gemeinwesen auch zur Beschwerde legitimiert
sein, wenn es durch den angefochtenen Entscheid in seinen hoheitlichen
Befugnissen und Aufgaben berührt wird. Die Gemeinden sind mithin zur
Beschwerdeführung befugt, wenn sie als Gebietskorporationen öffentliche
Anliegen wie den Schutz der Einwohner zu
BGE 136 I 265 S. 269
vertreten haben und insofern durch Einwirkungen, welche von Bauten und Anlagen
ausgehen, in hoheitlichen Befugnissen betroffen werden (vgl. BGE 131 II 753 E.
4.3.3 S. 759 f.; BGE 124 II 293 E. 3b S. 304; BGE 123 II 371 E. 2c S. 374 f.;
mit zahlreichen Hinweisen). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall in
Bezug auf die Gemeinde Lindau erfüllt. Sie wehrt sich mit ihrer Beschwerde als
Trägerin der kommunalen Planungshoheit gegen die unerwünschten Auswirkungen,
die sich ihrer Meinung nach aus der angefochtenen Richtplanrevision ergeben.
Sie ist direkt durch den angefochtenen Beschluss berührt und hat ein
schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung (siehe auch Urteil
1A.25/2007 i.S. Kanton Thurgau gegen BAZL vom 11. Mai 2007 E. 1.2, nicht publ.
in: BGE 133 II 120).

1.5 Auf die im Übrigen form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde kann
eingetreten werden.

2.

2.1 Nach der Rechtsprechung sind Gemeinden in einem Sachbereich autonom, wenn
das kantonale Recht diesen nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder
teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ
erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt. Der geschützte Autonomiebereich kann
sich auf die Befugnis zum Erlass oder Vollzug eigener kommunaler Vorschriften
beziehen oder einen entsprechenden Spielraum bei der Anwendung kantonalen oder
eidgenössischen Rechts betreffen. Der Schutz der Gemeindeautonomie setzt eine
solche nicht in einem ganzen Aufgabengebiet, sondern lediglich im streitigen
Bereich voraus. Im Einzelnen ergibt sich der Umfang der kommunalen Autonomie
aus dem für den entsprechenden Bereich anwendbaren kantonalen Verfassungs- und
Gesetzesrecht (BGE 135 I 233 E. 2.2 S. 241 f.; BGE 129 I 290 E. 2.1 S. 294; je
mit Hinweisen).

2.2 Nach Art. 85 KV/ZH regeln die Gemeinden ihre Angelegenheiten selbstständig.
Das kantonale Recht gewährt ihnen möglichst weiten Handlungsspielraum. Der
Kanton berücksichtigt die möglichen Auswirkungen seines Handelns auf die
Gemeinden, die Städte und auf die Agglomerationen (Art. 85 Abs. 2 KV/ZH). Er
hört die Gemeinden rechtzeitig an (Art. 85 Abs. 3 KV/ZH). Verfassungsmässige
Schranken bei der Umschreibung der Gemeindeautonomie durch die kantonale
Gesetzgebung sind für den hier betroffenen Bereich nicht ersichtlich und auch
nicht vorgebracht. Die Autonomie der
BGE 136 I 265 S. 270
Beschwerdeführerin reicht deshalb so weit, als dies die kantonale Gesetzgebung
zum Planungs- und Baurecht zulässt. Wie das Bundesgericht mehrfach entschieden
hat, steht den Zürcher Gemeinden aufgrund von §§ 2 lit. c und 45 ff. PBG/ZH
insbesondere beim Erlass der Ortsplanung ein weiter Gestaltungsspielraum zu;
sie sind insoweit grundsätzlich autonom (BGE 119 Ia 285 E. 4b S. 295 mit
Hinweisen). Die Kantonsverfassung vom 27. Februar 2005 hat daran nichts
geändert (TOBIAS JAAG, in: Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung, 2007, N. 11
zu Art. 85 KV/ZH).

2.3 Eine in ihrer Autonomie betroffene Gemeinde kann unter anderem geltend
machen, die kantonale Behörde habe die Tragweite von verfassungsmässigen
Rechten missachtet. Sie kann sich auf das Willkürverbot und auf
Verfahrensgrundrechte berufen, soweit diese Vorbringen mit der behaupteten Rüge
der Autonomieverletzung in engem Zusammenhang stehen. Die Anwendung von
eidgenössischem und kantonalem Verfassungsrecht prüft das Bundesgericht mit
freier Kognition, die Handhabung von Gesetzes- und Verordnungsrecht unter dem
Gesichtswinkel des Willkürverbots. Das Bundesgericht auferlegt sich
Zurückhaltung, soweit die Beurteilung der Streitsache von einer Würdigung der
örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser
überblicken (BGE 135 I 302 E. 1.2 S. 305 mit Hinweisen).

2.4 Im vorliegenden Fall wird die Autonomie der Beschwerdeführerin nicht
dadurch tangiert, dass ein kommunaler Erlass im Genehmigungsverfahren oder eine
Verfügung der Gemeinde in Anwendung von kommunalem, kantonalem oder
eidgenössischem Recht in einem Rechtsmittelverfahren aufgehoben worden wäre.
Die Beschränkung beruht vielmehr auf einer im Verfahren der Richtplanung
ergangenen Anordnung des Kantonsrats (vgl. BGE 119 Ia 285 E. 4c S. 295 mit
Hinweisen). Nach der bundesgerichtlichen Praxis kann der kantonale Gesetzgeber
durch Gesetzesänderung die von ihm einmal gezogenen Schranken der Autonomie
nachträglich enger ziehen, solange nicht irgendwelche unmittelbar durch die
Verfassung gewährleisteten Befugnisse oder Anforderungen berührt werden.
Gleiches gilt für Autonomiebeschränkungen, die sich durch Erlass oder Änderung
der kantonalen Richtplanung ergeben (BGE 119 Ia 285 E. 4c S. 295 mit
Hinweisen). Wird eine Gemeinde in dieser Weise durch eine kantonale Anordnung
in ihrer Autonomie eingeschränkt, so kann sie insbesondere verlangen, dass die
kantonale Behörde in
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formeller Hinsicht ihre Befugnisse nicht überschreitet und korrekt vorgeht und
dass sie in materieller Hinsicht die kantonal- und bundesrechtlichen
Vorschriften im autonomen Bereich nicht verletzt. Sie kann insbesondere
vorbringen, der Eingriff in ihre Autonomie sei materiell rechtswidrig, etwa
weil die neue richtplanerische Anordnung den gesetzlichen Zweck des
Planungsinstrumentes verfehle (BGE 119 Ia 285 E. 4c S. 295 f. mit Hinweisen).

3. In der vorliegenden Angelegenheit ist die Festlegung eines neuen
Kiesabbaugebiets auf dem Gebiet der Gemeinde Lindau umstritten. Die Gemeinde
wird durch diese Festsetzung in ihrer Planungsfreiheit eingeschränkt. Nach §
44a Abs. 1 PBG/ZH werden für jene Flächen, die nach der Richtplanung für
Materialgewinnung oder -ablagerung vorgesehen sind, kantonale oder regionale
Gestaltungspläne festgesetzt. Die von der Richtplanfestsetzung betroffene
Fläche wird somit der Planungshoheit der Gemeinde entzogen. Diese geht auf die
kantonalen Behörden über, während den betroffenen Gemeinden ein Anhörungsrecht
verbleibt (§ 44a Abs. 4 PBG/ZH). Diese Einschränkung planungsrechtlicher
Entscheidungsbefugnisse stellt eine Beschränkung der Gemeindeautonomie,
insbesondere der kommunalen Planungshoheit, dar.

3.1 Die Beschwerdeführerin kritisiert in formeller Hinsicht, dass kein
genügendes Mitwirkungsverfahren stattgefunden habe. Sie macht geltend, der
Kantonsrat gehe aufgrund mangelhafter Sachverhaltsabklärungen fälschlicherweise
von einer Abbaudauer von 20 Jahren aus, während richtigerweise mit einer
Abbaudauer von 50 Jahren gerechnet werden müsse, wobei darin der Zeitaufwand
für die Endgestaltung nach erfolgtem Materialabbau nicht mitberücksichtigt sei.
Die Gemeinde habe mehrfach versucht, diesen Sachverhalt darzulegen, sei mit
diesem Anliegen vom Kantonsrat jedoch nicht angemessen zur Kenntnis genommen
worden. Darin liege eine Verletzung ihres Mitwirkungsanspruchs sowie des
Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Zudem habe der Kantonsrat
nicht berücksichtigt, dass der in der umstrittenen Richtplanfestsetzung
verlangte Gleisanschluss nur bis 2016 rechtlich verbindlich gesichert sei.
Diesbezüglich fehle die erforderliche Abstimmung der umstrittenen Festlegung im
Teilplan Ver- und Entsorgung mit dem Teilplan Verkehr. Aufgrund dieser Umstände
sei bei Wegfall der Erschliessung der Kiesgrube mit der Bahn eine Zunahme des
Lastwagenverkehrs im kommunalen Siedlungsgebiet zu befürchten.
BGE 136 I 265 S. 272

3.2 Die rechtzeitige Anhörung der Gemeinden in Bereichen, die zu einer
Beschränkung der Gemeindeautonomie führen können, wird in Art. 85 Abs. 3 KV/ZH
ausdrücklich vorgeschrieben. Der Mitwirkungsanspruch der Gemeinden im
Richtplanverfahren ist auch in Art. 10 Abs. 2 RPG erwähnt. Dieser Anspruch geht
weiter als die Mitwirkung der Bevölkerung nach Art. 4 Abs. 2 RPG (s. hierzu BGE
135 II 286 E. 4 S. 290 ff. mit Hinweisen). Verlangt wird eine bevorzugte
Beteiligung der betroffenen Gemeinden. Soweit Gemeinden wie im Kanton Zürich
mit raumwirksamen Aufgaben betraut sind, muss der Kanton mindestens
sicherstellen, dass sie ihre Interessen selber formulieren, in den
Planungsprozess frühzeitig eingeben und vor den zuständigen kantonalen Behörden
selber vertreten können (TSCHANNEN, a.a.O., N. 7 zu Art. 10 RPG; WALDMANN/
HÄNNI, Raumplanungsgesetz, 2006, Rz. 5 zu Art. 10 RPG).
Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt sich zudem insbesondere das Recht
der Betroffenen, sich vor Erlass eines Entscheids zur Sache zu äussern,
erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit
erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher
Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern,
wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen. Der Anspruch auf
rechtliches Gehör umfasst als Mitwirkungsrecht somit alle Befugnisse, die einer
Partei einzuräumen sind, damit sie in einem Verfahren ihren Standpunkt wirksam
zur Geltung bringen kann (BGE 135 II 286 E. 5.1 S. 293; BGE 132 II 485 E. 3.2
S. 494; BGE 127 I 54 E. 2b S. 56; BGE 117 Ia 262 E. 4b S. 268; je mit
Hinweisen).
Solche Mitwirkungsrechte sind den Gemeinden in Bezug auf
Richtplanfestsetzungen, die auf eine Beschränkung ihrer Autonomie in der
Raumplanung ausgerichtet sind, umfassend zu gewähren. Die Stellungnahmen sind
in einem Zeitpunkt einzuholen, in welchem sie noch in die Entscheidungen
einfliessen können. Zwar besteht kein Anspruch der Gemeinden, dass ihre
Vorschläge tatsächlich berücksichtigt werden. Die kantonale Behörde hat sich
jedoch mit den Vorschlägen der Gemeinden - wie der übrigen
Vernehmlassungsteilnehmer - auseinanderzusetzen und zu begründen, weshalb sie
nicht berücksichtigt werden (JAAG, a.a.O., N. 22 f. zu Art. 85 KV/ZH).

3.3 Die umstrittene Richtplanfestsetzung betrifft die Gemeinde konkret in ihrer
planerischen Entscheidungsfreiheit und Entwicklungsmöglichkeit. Die
Realisierung des Kiesabbaus setzt nach dem Wort laut der umstrittenen
Festsetzung einen Anschluss an die Bahngeleise voraus, welcher nach den Akten
mittels Vereinbarung mit den SBB nur bis ins Jahr 2016 gesichert ist. Für den
weiteren Kiesabbau, dessen Dauer im Richtplan nicht näher festgelegt wird,
steht nicht fest, ob der Gleisanschluss weiterbenutzt werden kann. Insbesondere
wurde der Teilplan Verkehr des Richtplans nicht an die hier umstrittene
Änderung des Teilplans Ver- und Entsorgung angepasst. Die Gemeinde Lindau macht
zu Recht geltend, sie sei zu einer entscheidenden Besprechung des Kantons mit
den SBB und dem Kiesabbau-Unternehmen nicht beigezogen worden und sie sei mit
ihrem Argument, der Abtransport mit der Bahn sei nach 2016 nicht gesichert,
nicht gehört worden. Selbst wenn die Sachverhaltsdarstellung der kantonalen
Behörden zutreffen sollte, nach welcher der Kiesabbau 20 und nicht 50 Jahre,
d.h. lediglich von 2012 bis ca. 2032 dauern werde, so ergibt sich für die Jahre
2017 bis ca. 2032 in Bezug auf den Gleisanschluss für die Kiesgrube
offensichtlich ein Koordinationsbedarf in Bezug auf die Weiterentwicklung der
Bahninfrastruktur, welchem der Kantonsrat mit dem angefochtenen Beschluss keine
Rechnung trägt. Er hat sich mit dem möglichen Fehlen des Bahnanschlusses
während eines erheblichen Teils der Kiesabbaudauer nicht auseinandergesetzt und
die diesbezüglichen Einwände der Gemeinde gegen die Festsetzung des
Kiesabbaugebiets nicht entkräftet. Darin liegt eine Missachtung der
Mitwirkungsrechte der Gemeinde im Richtplanungsverfahren. Die Beschwerde ist
somit gutzuheissen und die Richtplanfestsetzung in Bezug auf die umstrittene
Kiesgrube aufzuheben.