Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 136 I 167



Urteilskopf

136 I 167

15. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Verein
gegen Tierfabriken Schweiz VgT gegen SRG SSR idée suisse Schweizerische Radio-
und Fernsehgesellschaft (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_380/2009 vom 10. Dezember 2009

Regeste

Art. 10 EMRK; Art. 17 sowie Art. 93 Abs. 3-5 BV; Art. 4-6, 92, 94, 95 Abs. 3
lit. b und Art. 97 Abs. 2 lit. b RTVG; angeblich diskriminierende,
rechtswidrige Verweigerung des Zugangs zu den Programmen der SRG.
Medienrechtliche Verfassungsordnung (E. 2) und Übersicht über die
rundfunkrechtlichen Beschwerdearten (E. 3.1). Bestätigung der Rechtsprechung,
wonach nur ausnahmsweise ein "Recht auf Antenne" besteht. Ist im Zusammenhang
mit dem Zugang zum Programm eine Beeinträchtigung von verfassungs- oder
konventionsmässig geschützten Positionen Dritter nicht eindeutig
auszuschliessen, muss die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen
die entsprechenden Vorbringen - über die zeitlichen Vorgaben der
"Zeitraumbeschwerde" hinaus (E. 3.2) - im Rahmen einer "Zugangsbeschwerde"
prüfen (E. 3.3).

Sachverhalt ab Seite 168

BGE 136 I 167 S. 168
Der Verein gegen Tierfabriken (VgT) hat versucht, beim Bundesamt für
Kommunikation (BAKOM) und bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und
Fernsehen (UBI) eine Anordnung zu erwirken, dass das Schweizer Fernsehen die
"Fernseh-Zensur" gegen ihn einzustellen habe. Beide Instanzen sind auf seine
Eingabe nicht eingetreten. Die Unabhängige Beschwerdeinstanz begründete ihren
Entscheid vom 20. Februar 2009 im Wesentlichen damit, dass die Voraussetzungen
für eine Zugangsverweigerungsbeschwerde nicht erfüllt seien; als
Programmbeschwerde könne die Eingabe nicht entgegengenommen werden, da sie zu
allgemein gehalten sei und keinen Bezug auf den Inhalt einzelner Sendungen des
Schweizer Fernsehens nehme, welche in den letzten drei Monaten seit Einreichung
der Beanstandung bei der Ombudsstelle ausgestrahlt worden seien.
Der Verein gegen Tierfabriken beantragt mit Eingabe vom 8. Juni 2009, den
Nichteintretensentscheid der UBI aufzuheben und die Sache zu materieller
Behandlung an diese oder an das BAKOM zurückzuweisen; allenfalls soll das
Bundesgericht in der Sache selber entscheiden. Der VgT macht geltend, er werde
durch das Schweizer Fernsehen aus unsachlichen, politischen Motiven
diskriminiert, was seine Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit verletze.
Da es um eine "systematische, jahrelange Boykottpraxis" und nicht um ganz
bestimmte unterdrückte Sendungen gehe, sei es nicht sachgerecht, die
Prüfungsbefugnis auf drei Monate zu beschränken (vgl. Art. 92 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über Radio
BGE 136 I 167 S. 169
und Fernsehen [RTVG; SR 784.40]). Die UBI wäre - so der VgT - gehalten gewesen,
"die diesbezüglich bestehende Gesetzeslücke durch verfassungs- und
EMRK-konforme Auslegung bzw. durch Richterrecht zu schliessen".
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt, hebt
den angefochtenen Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und
Fernsehen vom 20. Februar 2009 auf und weist die Sache zu materiellem Entscheid
an diese zurück.
(Zusammenfassung)

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Nach Art. 17 Abs. 1 BV ist die Freiheit von Presse, Radio und Fernsehen
sowie anderer Formen der öffentlichen fernmeldetechnischen Verbreitung von
Darbietungen und Informationen gewährleistet. Die Zensur ist verboten (Art. 17
Abs. 2 BV) und das Redaktionsgeheimnis garantiert (Art. 17 Abs. 3 BV). Ziel der
Verfassungsordnung ist ein möglichst offenes und freiheitliches Mediensystem (
BGE 135 II 296 E. 4.2.1, BGE 135 II 224 E. 2.2). Radio und Fernsehen sollen zur
Bildung und kulturellen Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und zur
Unterhaltung beitragen; sie berücksichtigen die Besonderheiten des Landes und
die Bedürfnisse der Kantone (vgl. Art. 93 Abs. 2 BV). Der verfassungsrechtliche
Leistungsauftrag gewährleistet im Rahmen der Rechtsordnung die Vielfalt des
Meinungsaustauschs bezüglich aller gesellschaftlich und individuell relevanter
Belange (BGE 135 II 296 E. 4.2.1 S. 304 mit Hinweisen, BGE 135 II 224 E.
3.2.3). Redaktionelle Sendungen mit Informationsgehalt sollen Tatsachen und
Ereignisse sachgerecht wiedergeben, sodass sich das Publikum eine eigene
Meinung bilden kann (vgl. Art. 4 Abs. 2 RTVG; BGE 134 I 2 E. 3.3.1). Die
konzessionierten Programme müssen in der Gesamtheit ihrer redaktionellen
Sendungen die Vielfalt der Ereignisse und Ansichten angemessen zum Ausdruck
bringen (vgl. Art. 4 Abs. 4 RTVG; BGE 134 I 2 E. 3.3.2). Die SRG verfügt als
Service-Public-Veranstalterin (vgl. Art. 23 RTVG) und Hauptbezügerin der
Empfangsgebühren (Art. 34 RTVG) von Gesetzes wegen über eine Konzession (vgl.
Art. 25 Abs. 1 RTVG). Sie soll im Rahmen des Programmauftrags im öffentlichen
Interesse zur freien Meinungsbildung des Publikums durch umfassende,
vielfältige und sachgerechte Information insbesondere über politische,
wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge, zur kulturellen Entfaltung und
Stärkung der kulturellen Werte des Landes
BGE 136 I 167 S. 170
sowie zur Bildung des Publikums und zur Unterhaltung beitragen (Art. 24 RTVG;
vgl. BGE 135 II 296 E. 2).

2.2 Ein aufsichtsrechtliches Eingreifen des Staates in den pluralistischen
Meinungsbildungsprozess setzt eine Interessenabwägung zwischen der Medien- bzw.
Programmfreiheit des Veranstalters einerseits und der Informationsfreiheit des
Publikums oder verfassungsmässiger Rechte Dritter andererseits voraus (BGE 135
II 296 E. 2.1 S. 300, BGE 135 II 224 E. 3.2.1 und 3.2.3; BGE 134 I 2 E. 3.2.2
S. 6; BGE 133 II 136 E. 5.1). Die jeweiligen Beschränkungen müssen gesetzlich
vorgesehen sein, einem legitimen Zweck dienen und in einer demokratischen
Gesellschaft erforderlich und verhältnismässig erscheinen (Art. 36 i.V.m. Art.
17 BV und Art. 10 Ziff. 2 EMRK; RHINOW/SCHEFER, Schweizerisches
Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2008, N. 1645 und 1650). Eingriffe in die
Rechtsstellung der (öffentlich-rechtlichen oder privaten) Programmveranstalter
dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Realisierung des Programmauftrags
und des pluralistischen Wettbewerbs der Meinungen in Staat und Gesellschaft
nötig erscheint (BGE 135 II 224 E. 2.2.1, BGE 135 II 296 E. 4.3 S. 306; BGE 134
I 2 E. 3.2.2 S. 6). Die verfassungsrechtlichen Garantien bzw. Art. 10 EMRK
verpflichten den Staat unter Umständen nicht nur dazu, bestimmte Eingriffe zu
unterlassen, sondern über eine direkte oder indirekte Drittwirkung der
Grundrechte allenfalls auch durch positive Massnahmen für deren Schutz und
Umsetzung in der Gesellschaft zu sorgen (vgl. Art. 35 BV; BGE 126 II 300 E. 5
S. 314 f.; BGE 120 Ib 142 E. 4 S. 148 f.; BGE 135 II 224 E. 3.2.1; BGE 136 I
158 E. 3.2; Urteil des EGMR Verein gegen Tierfabriken gegen Schweiz vom 30.
Juni 2009 § 78-82 [32772/02, nachstehend: VgT II]). Dabei ist jeweils ein
fairer Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen des bzw. der
Einzelnen unter sich sowie den Interessen der Öffentlichkeit anzustreben. Der
Umfang der Schutzpflicht variiert und muss den Schwierigkeiten Rechnung tragen,
moderne Gesellschaften unter Setzung angemessener Prioritäten
freiheitlich-verantwortungsvoll zu steuern; allfällige positive staatliche
Pflichten dürfen das Gemeinwesen zudem nicht übermässig belasten (vgl. Urteil
des EGMR VgT II § 81 ff.; CHRISTOPH GRABENWARTER, Europäische
Menschenrechtskonvention, 4. Aufl. 2009, S. 296 N. 54).

3.

3.1 Das Bundesamt für Kommunikation wacht darüber, dass das Radio- und
Fernsehgesetz und die Ausführungsbestimmungen zu diesem, die Konzession sowie
die einschlägigen internationalen
BGE 136 I 167 S. 171
Übereinkommen eingehalten werden (Art. 86 Abs. 1 RTVG). Die Unabhängige
Beschwerdeinstanz prüft ihrerseits auf Beschwerde hin den Inhalt ausgestrahlter
redaktioneller Radio- und Fernsehsendungen schweizerischer Veranstalter (Art.
86 Abs. 5 RTVG). Sie stellt auf "Betroffenen-" (Art. 94 Abs. 1 RTVG) oder
"Popularbeschwerde" (Art. 94 Abs. 2 und 3 RTVG; vgl. BGE 135 II 43 E. 3 mit
Hinweisen) hin fest, ob angefochtene Sendungen rundfunkrechtliche Bestimmungen
über den Inhalt redaktioneller Beiträge verletzt haben (Art. 97 Abs. 2 lit. a
RTVG; "Programmbeschwerde") oder der Zugang zum Programm "in rechtswidriger
Weise" verweigert wurde (Art. 97 Abs. 2 lit. b RTVG; "Zugangsbeschwerde").
Anfechtungsobjekt der Programmbeschwerde bildet eine einzelne Sendung oder
mehrere Sendungen, wobei die erste nicht länger als drei Monate vor der letzten
zurückliegen darf und zwischen ihnen ein thematischer Zusammenhang bestehen
muss (vgl. Art. 92 Abs. 1 RTVG; BGE 123 II 115 E. 3a S. 121
["Zeitraumbeschwerde"]). Der Beschwerdeführer hat in seiner Eingabe jeweils
kurz darzulegen, (a) in welcher Hinsicht die beanstandete Sendung Bestimmungen
über den Inhalt redaktioneller Beiträge nach den Art. 4 (Mindestanforderungen
an den Programminhalt) oder 5 RTVG (Jugendgefährdende Sendungen) oder des für
die schweizerischen Programmveranstalter verbindlichen internationalen Rechts
verletzt bzw. (b) inwiefern sich die Verweigerung des Zugangs zum Programm als
rechtswidrig erweist (Art. 95 Abs. 3 RTVG).

3.2 Die UBI hat es vorliegend zu Recht abgelehnt, die Eingabe des
Beschwerdeführers als Programmbeschwerde zu behandeln:

3.2.1 Der VgT wandte sich nicht mit einer den bundesrechtlichen Anforderungen
genügenden Begründung gegen eine konkrete Sendung der SRG, sondern kritisierte
allgemein deren Verhalten ihm gegenüber, wofür er lediglich auf einzelne
Beiträge und von ihm der SRG angebotene Themen Bezug nahm, welche diese nicht
bereit gewesen sei, in der von ihm gewünschten (kritischen) Art in ihr Programm
einfliessen zu lassen. Zwar bildet das "Vielfaltsgebot" Teil des
Programmauftrags; es bezieht sich jedoch primär auf die Programme in ihrer
Gesamtheit und ist weitgehend programmatischer Natur (vgl. BGE 134 I 2 E. 3.3.2
S. 7; HERBERT BURKERT, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Ehrenzeller/
Mastronardi/Schweizer/Vallender [Hrsg.], 2. Aufl. 2008, N. 10 ff. zu Art. 93
BV; BBl 2003 1669). Einzig im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen ist es aus
staatspolitischen Gründen auch direkt im Rahmen einzelner Sendungen und
BGE 136 I 167 S. 172
Beiträge von Bedeutung (BGE 134 I 2 E. 3.3.2 S. 7 mit Hinweisen; vgl. ANDREAS
KLEY, Die Medien im neuen Verfassungsrecht, in: Die neue Bundesverfassung,
Ulrich Zimmerli [Hrsg.], 2000, S. 183 ff., dort S. 215).

3.2.2 Hierüber hinaus bildet die Einhaltung des Vielfaltsgebots regelmässig
Prüfungsgegenstand der Zeitraumbeschwerde (BGE 123 II 115 E. 3a S. 121); dies
indessen nicht voraussetzungslos: Das Programm eines Veranstalters kann im
Rahmen der Programmaufsicht nicht - wie vom Beschwerdeführer gewünscht - über
Jahre zurück infrage gestellt werden; der Gesetzgeber hat die entsprechende
Kontrollmöglichkeit bewusst und explizit auf drei Monate beschränkt (vgl.
ANDREAS KLEY, Beschwerde wegen verweigertem Programmzugang: Trojanisches Pferd
oder Ei des Kolumbus?, Medialex 2008 S. 15 ff., dort S. 22 f. [nachstehend:
Beschwerde]), was im Rahmen von Art. 10 in Verbindung mit Art. 13 EMRK bzw.
Art. 29a BV zulässig ist, da gegen jede Sendung unter Einhaltung der
gesetzlichen Vorgaben im Interesse des Publikums bereits wegen einer Verletzung
des Sachgerechtigkeitsgebots, d.h. wegen eines unsachlichen, in Verletzung
journalistischer Sorgfaltspflichten manipulativ bzw. einseitig wirkenden
Berichts, Beschwerde geführt werden kann (vgl. BGE 134 II 260 ff.) und eine
Prüfung des Programms auf seine Vielfältigkeit hin nur zeitlich beschränkt
wird.

3.2.3 Die rundfunkrechtliche Programmfreiheit des Veranstalters geht wegen des
mit einer zeitlich unbegrenzten nachträglichen Programmkontrolle verbundenen
Einschüchterungseffekts ("chilling effect": vgl. FRANZ ZELLER, Öffentliches
Medienrecht, Bern 2004, S. 112 ff.) dem Interesse des Beschwerdeführers vor,
über Jahre hinweg belegen zu können, in welchen Sendegefässen jeweils nicht
über ihn bzw. seine tierschützerische Sicht der Dinge berichtet wurde, obwohl
er dies gewünscht hätte. Der Gesetzgeber hat für solche Fälle die
Zugangsbeschwerde geschaffen, welche den Rechtsweg im Sinne von Art. 13 in
Verbindung mit Art. 10 EMRK bei einer glaubhaft gemachten diskriminierenden
Verweigerung des Zugangs zum Programm öffnet. Zwar nennt der VgT mehrere
Sendungen, die belegen sollen, dass er benachteiligt werde, doch gehen diese
bis auf das Jahr 2001 zurück und sind damals von ihm nicht oder erfolglos
beanstandet worden; sie können heute - auch unter dem Gesichtspunkt der
Schutzpflichten des Staates nach Art. 10 EMRK - nicht erneut zum Gegenstand
einer Programmbeschwerde gemacht werden.
BGE 136 I 167 S. 173

3.3 Hingegen hätte die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen
die Eingabe des Beschwerdeführers als Zugangsbeschwerde entgegennehmen müssen:

3.3.1 Als Ausfluss der Medien-, Programm- und Informationsfreiheit besteht -
auch nach der Praxis der Strassburger Organe (vgl. den Unzulässigkeitsentscheid
der EKMR Association mondiale pour l'Ecole Instrument de Paix gegen die Schweiz
vom 24. Februar 1995, in: VPB 59/1995 Nr. 144 S. 1044 ff.; BGE 123 II 402 E. 5
mit Hinweisen) - grundsätzlich kein "Recht auf Antenne", d.h. kein Anspruch
darauf, dass ein Veranstalter eine bestimmte Information oder Auffassung eines
Dritten gegen seinen Willen bzw. gegen sein redaktionelles Konzept ausstrahlen
muss (BGE 134 I 2 E. 3.2.1; BGE 127 I 84 E. 4b S. 88; BGE 125 II 624 E. 3a; BGE
123 II 402 E. 2b/cc und 3b; BGE 119 Ib 241 E. 4 S. 248, BGE 119 Ib 250 E. 3b S.
252; ROLF H. WEBER, Rundfunkrecht, 2008, N. 12 ff. zu Art. 6 RTVG; zu
Deutschland: Urteile des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 2378/03 und 2 BvR 1332
/02). Nach Art. 6 RTVG sind die Programmveranstalter, soweit das Bundesrecht
nichts anderes bestimmt, nicht an die Weisungen von eidgenössischen, kantonalen
oder kommunalen Behörden gebunden (Abs. 1). Sie sind in der Gestaltung,
namentlich in der Wahl der Themen, der inhaltlichen Bearbeitung und der
Darstellung ihrer Programme frei und tragen dafür die Verantwortung (Abs. 2).
Niemand kann von einem Programmveranstalter die Verbreitung bestimmter
Darbietungen und Informationen verlangen (Abs. 3). Dies gilt heute um so mehr,
als die SRG zwar nach wie vor über eine Sonderstellung in der schweizerischen
Rundfunklandschaft verfügt, jedoch nicht mehr als "Monopolmedium" gelten kann
(vgl. AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Bd. II, 2. Aufl.
2006, N. 592). Die neuen Technologieformen (Internet, Digitalfernsehen usw.)
erlauben dem Publikum, sich aus den unterschiedlichsten Quellen zu informieren;
gleichzeitig gestatten sie dem Einzelnen, sich im Rahmen einer Vielzahl von
Medien über die private Kommunikation hinaus Aufmerksamkeit in der
Öffentlichkeit zu verschaffen (vgl. HERBERT BURKERT, Die Unabhängige
Beschwerdeinstanz des Radio- und Fernsehgesetzes - Ansätze zu einer
informationsrechtlichen Betrachtung, in: Wirtschaftsrecht zu Beginn des 21.
Jahrhunderts, 2005, S. 859 ff.). Es kann deshalb zum Schutz vor Benachteiligung
beim Kampf um die öffentliche Aufmerksamkeit nur ausnahmsweise in die
Programmautonomie der einzelnen Veranstalter eingegriffen und ein
verfassungsrechtlicher Anspruch auf
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Zugang zu einem konkreten Radio- oder Fernsehprogramm anerkannt werden.

3.3.2 Das Bundesgericht hat für politische Radio- und Fernsehsendungen bzw. für
Sendungen im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen betont, dass die verschiedenen
Parteien und Kandidaten bei der Zulassung zum Programm rechtsgleich zu
behandeln sind. Allfällige Ungleichbehandlungen müssen sich auf sachliche,
nicht diskriminierende Gründe stützen. Im Vorfeld von Abstimmungen und Wahlen
ist dem Gebot der Chancengleichheit, der Neutralität des Staates, der
rechtsgleichen Verwirklichung der Wahl- und Abstimmungsfreiheit, dem
Diskriminierungsverbot und dem Minderheitenschutz Rechnung zu tragen (vgl.
MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 496; KLEY, Die
Medien im neuen Verfassungsrecht, a.a.O., S. 217 f.). Hierüber hinaus kann sich
die Verpflichtung, einen Zugang zum Programm zu gewähren, aber auch aus dem
Rechtsgleichheitsgebot oder dem Willkürverbot ergeben (MÜLLER/SCHEFER, a.a.O.,
S. 497). Der Gesetzgeber hat zur verfahrensrechtlichen Umsetzung solcher
Pflichten die Möglichkeit der Zugangsbeschwerde an die UBI geschaffen (vgl.
KLEY, Beschwerde, a.a.O., S. 16 ff.). Der Bundesrat hielt in der Botschaft zum
RTVG fest, dass damit ein "wirksamer Rechtsschutz" in verfassungs- und
konventionsrechtlicher Hinsicht gewährleistet werde (BBl 2003 1670); neu
erfasse das Verfahren der Programmaufsicht nicht bloss ausgestrahlte Sendungen,
"sondern auch Streitigkeiten um den Zugang zum Programm". Da solche Fragen
regelmässig das Programmschaffen "im engsten Sinne" beträfen, sei es
sachgerecht, "sie im gleichen Verfahren wie Beanstandungen redaktioneller
Sendungen", d.h. durch die UBI, behandeln zu lassen. Zwar ergebe sich aus dem
RTVG selber kein Anspruch auf Zugang Dritter zum Programm, doch könne eine
Verweigerung des Zugangs zu redaktionellen Gefässen oder zum Werbeteil
ausnahmsweise unter dem Blickwinkel der Verfassung oder der Europäischen
Menschenrechtskonvention problematisch erscheinen; dem solle mit der neuen
Rügemöglichkeit der rechtswidrigen Verweigerung des Programmzugangs Rechnung
getragen werden, wobei die "ablehnende Haltung des Programmveranstalters"
jedoch nur "in seltenen Ausnahmefällen als rechtswidrig einzustufen sein" werde
(BBl 2003 1741). Die Unabhängigkeit und die Programmautonomie der Veranstalter
sollen somit nur zur Durchsetzung besonders wichtiger, grundrechtlicher
Ansprüche beschränkt werden (so auch KLEY, Beschwerde, a.a.O., S. 21).
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3.3.3 Anfechtungsobjekt der Zugangsbeschwerde bildet die Ablehnung eines
Begehrens um Zugang zum Programm (vgl. Art. 92 Abs. 1 RTVG; KLEY, Beschwerde,
a.a.O., S. 23); diese setzt in aller Regel voraus, dass der Veranstalter einem
entsprechenden Gesuch ausdrücklich keine Folge gibt. Einladungen zu
Medienveranstaltungen und ähnlichen Anlässen, die der Veranstalter nicht weiter
berücksichtigt, genügen hierfür nicht. Die entsprechende Weigerung kann sich
jedoch auch - wie hier - aus einem konkludenten Verhalten im Gesamtzusammenhang
bzw. aus der Vernehmlassung des Veranstalters zuhanden der Ombudsstelle
ergeben. Der beschwerdeführende Verein machte aufgrund verschiedener Umstände
geltend, er werde durch die SRG systematisch diskriminiert. Diese lehne es ohne
sachlichen Grund ab, über irgendwelche Themen zu berichten, die ihn bzw. seine
Aktivitäten beträfen oder mit diesen im Zusammenhang stünden. Zwar nehme das
Fernsehen tierschutzrechtliche Probleme auf, dabei werde er jedoch immer wieder
von der Berichterstattung ausgeschlossen; diesbezüglich bestehe eine
entsprechende Anweisung seitens des Chefredaktors, was die SRG bestreitet.
Aufgrund der vorliegenden Unterlagen kann die Frage der behaupteten
Verfassungs- bzw. Konventionswidrigkeit der Zugangsverweigerung nicht
abschliessend beurteilt und eine Diskriminierung nicht von vornherein
ausgeschlossen werden.

3.3.4 Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen hätte sich
deshalb nicht darauf beschränken dürfen, festzustellen, dass auf die
Zugangsverweigerungsbeschwerde "mangels eines genügenden Anfechtungsobjekts"
nicht eingetreten werde. Sie hätte vielmehr unter Berücksichtigung der
Begründungs- und Mitwirkungspflichten des Beschwerdeführers im Rahmen der
Untersuchungsmaxime materiell prüfen müssen, ob die SRG tatsächlich in
verfassungs- bzw. konventionswidriger Weise den Beschwerdeführer diskriminiert
hat oder nicht. Die Möglichkeit der Zugangsbeschwerde wurde hierfür geschaffen;
ist im Zusammenhang mit dem Zugang zum Programm eines Veranstalters aufgrund
von Indizien eine Beeinträchtigung von verfassungs- oder konventionsmässig
geschützten Positionen Dritter nicht klar auszuschliessen, muss eine
entsprechende Eingabe an die Hand genommen und materiell geprüft werden; die
Zugangsbeschwerde darf in diesem Fall nicht, wie das die Vorinstanz hier getan
hat, über eine zu grosse Formstrenge von vornherein für unzulässig erklärt und
die Zugangsbeschwerdemöglichkeit mit einem entsprechenden Prozessurteil
BGE 136 I 167 S. 176
faktisch ihres Inhalts entleert werden. Der angefochtene Entscheid ist deshalb
aufzuheben und die Sache zur Prüfung der angeblich verfassungs- bzw.
konventionswidrigen Zugangsverweigerung an die UBI zurückzuweisen.