Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 136 IV 20



Urteilskopf

136 IV 20

4. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Bundesamt für Justiz (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_381/2009 vom 13. Oktober 2009

Regeste

Art. 93 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 sowie Art. 84 BGG; Auslieferungshaft,
anfechtbarer Entscheid, besonders bedeutender Fall.
Ein Entscheid über die Auslieferungshaft stellt einen anfechtbaren
Zwischenentscheid dar (E. 1.1). Auch insoweit muss die Eintretensvoraussetzung
des besonders bedeutenden Falles gegeben sein. Diese wird bejaht, da sich eine
rechtliche Grundsatzfrage stellt (E. 1.2).

Regeste

Art. 10 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 3 BV, Art. 47 Abs. 1 lit. a und Abs. 2, Art. 49
Abs. 1 und Art. 50 Abs. 4 IRSG; Auslieferungshaft wegen Fluchtgefahr,
Verhältnismässigkeit, "Electronic Monitoring".
Die Fluchtgefahr wird im Lichte der strengen Rechtsprechung trotz Bindungen des
Verfolgten zur Schweiz bejaht (E. 2). Dessen elektronische Überwachung
("Electronic Monitoring") kommt als Ersatzmassnahme anstelle der
Auslieferungshaft in Betracht (E. 3.5).

Sachverhalt ab Seite 21

BGE 136 IV 20 S. 21

A. Am 30. März 2009 ersuchten die italienischen Behörden die Schweiz und andere
an das Schengener Informationssystem angeschlossene Staaten um die Inhaftierung
des italienischen Staatsangehörigen X. (geb. 1973) zwecks Auslieferung; dies
gestützt auf den Haftbefehl des Tribunale di Catania vom 2. Februar 2009 wegen
Beteiligung an einer kriminellen Organisation und Drogenhandels. X. wird
vorgeworfen, bis Ende September 2005 regelmässig erhebliche Mengen Haschisch
und Kokain von Basel nach Catania geliefert zu haben. Die Drogen seien in
Autobussen versteckt transportiert worden. Ebenso habe er für den Anbau von
Marihuana notwendige Gegenstände (Saatgut, Halogenlampen etc.) nach Catania
gesandt. Er sei einer der wichtigsten Lieferanten von Drogen aus dem Kreis
einer Gruppe mit internationalen Verbindungen gewesen.
Am 1. April 2009 teilten die schweizerischen Behörden den italienischen mit, X.
wohne in der Schweiz, und baten um Übermittlung des formellen
Auslieferungsersuchens.
Am 9. Juni 2009 ersuchte die italienische Botschaft in Bern formell um die
Auslieferung von X. für die ihm im Haftbefehl des Tribunale di Catania zur Last
gelegten Straftaten.
Am 14. Juli 2009 erliess das Bundesamt für Justiz einen
Auslieferungshaftbefehl.
Am 21. Juli 2009 wurde X. in der Schweiz festgenommen und in Auslieferungshaft
versetzt. Mit der vereinfachten Auslieferung erklärte er sich nicht
einverstanden.
Die von X. gegen den Auslieferungshaftbefehl erhobene Beschwerde wies das
Bundesstrafgericht (II. Beschwerdekammer) am 19. August 2009 ab. Es befand, es
bestehe Fluchtgefahr. Ausführungen zur Kollusionsgefahr erübrigten sich damit.
Die Fluchtgefahr könne durch Ersatzmassnahmen nicht hinreichend gebannt werden.

B. X. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, der Entscheid des Bundesstrafgerichts und der
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Aus lieferungshaftbefehl seien aufzuheben und der Beschwerdeführer,
eventualiter unter Anordnung geeigneter Ersatzmassnahmen, umgehend aus der
Auslieferungshaft zu entlassen. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
(Auszug)

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

1.

1.1 Gemäss Art. 93 Abs. 2 BGG sind auf dem Gebiet der internationalen
Rechtshilfe in Strafsachen Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.
Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide unter anderem über die
Auslieferungshaft, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind.
Gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist die Beschwerde gegen einen
Zwischenentscheid zulässig, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil
bewirken kann. Ein solcher Nachteil ist hier zu bejahen, da auch mit einem für
den Beschwerdeführer günstigen Endentscheid - der Ablehnung der Auslieferung -
der von ihm aufgrund der Auslieferungshaft erlittene Freiheitsentzug nicht mehr
rückgängig gemacht werden könnte.

1.2 Auch gegen einen Zwischenentscheid ist die Beschwerde nur zulässig, wenn
ein besonders bedeutender Fall nach Art. 84 Abs. 1 BGG gegeben ist (BGE 133 IV
215 E. 1.2 S. 217; Urteil 1C_518/2008 vom 22. Dezember 2008 E. 1.1 f.).
Gemäss Art. 84 Abs. 2 BGG liegt ein besonders bedeutender Fall insbesondere
vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze
verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist. Wie
sich aus dem Wort "insbesondere" ergibt, umschreibt Art. 84 Abs. 2 BGG die
Voraussetzungen des besonders bedeutenden Falles nicht abschliessend. Ein
solcher Fall kann auch angenommen werden, wenn sich eine rechtliche
Grundsatzfrage stellt (BGE 133 IV 215 E. 1.2 S. 218 mit Hinweis). So verhält es
sich hier. Wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt, stellt sich die Frage,
ob - was die Vorinstanz verneint - das "Electronic Monitoring" als
Ersatzmassnahme für die Auslieferungshaft in Betracht kommt. Dazu hat sich das
Bundesgericht bisher nicht näher geäussert. Ist hier demnach eine rechtliche
Grundsatzfrage zu beantworten, ist der vorliegende Fall als besonders bedeutend
im Sinne von Art. 84 BGG einzustufen.
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1.3 Da die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen ebenfalls erfüllt sind, ist auf
die Beschwerde einzutreten.

2.

2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, es bestehe keine Fluchtgefahr.

2.2 Gemäss Art. 47 Abs. 1 IRSG (SR 351.1) erlässt das Bundesamt einen
Auslieferungshaftbefehl. Es kann davon absehen, namentlich wenn der Verfolgte
voraussichtlich sich der Auslieferung nicht entzieht und die Strafuntersuchung
nicht gefährdet (lit. a).
Nach der Rechtsprechung bildet die Verhaftung des Verfolgten während des
Auslieferungsverfahrens die Regel. Seine Freilassung kommt nur ausnahmsweise
und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Damit wird gewährleistet, dass
die Schweiz ihrer staatsvertraglichen Pflicht nachkommen kann, den Verfolgten
dem ersuchenden Staat zu übergeben, wenn die Auslieferung bewilligt wird (Art.
1 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 [EAUe; SR
0.353.1]). Bei der Auslieferungshaft gelten für die Freilassung strengere
Voraussetzungen als bei der Untersuchungshaft (BGE 130 II 306 E. 2.2 S. 309 f.;
BGE 117 IV 359 E. 2a S. 362; BGE 111 IV 108 E. 2 S. 109 f.; mit Hinweisen). In
der Praxis werden die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Freilassung des
Verfolgten aus der Auslieferungshaft selten bejaht (BGE 130 II 306 E. 2.4 f. S.
311 f. mit Hinweisen).
Im Urteil 8G.45/2001 vom 15. August 2001 bejahte das Bundesgericht Fluchtgefahr
bei einem Verfolgten, der seit 18 Jahren in der Schweiz lebte, über die
Niederlassungsbewilligung verfügte, mit einer Schweizerin verheiratet war und
mit ihr zwei Söhne im Alter von 3 und 8 Jahren hatte, welche beide Schweizer
Bürger waren und hier zur Schule gingen. Für das Bundesgericht ausschlaggebend
war insbesondere die Schwere der Tatvorwürfe und der Umstand, dass der
Verfolgte deshalb mit einer langen Freiheitsstrafe im ersuchenden Staat rechnen
musste. Den Einwand, der Verfolgte sei über die gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe
schon lange im Bild gewesen, erachtete das Bundesgericht nicht als
entscheidend, da sich erst mit dem Auslieferungshaftbefehl die Tatvorwürfe
konkretisiert hatten und damit auch die Möglichkeit der Auslieferung (E. 3a).
Ähnlich lag der Fall, über den das Bundesgericht im Urteil 8G.49/ 2002 vom 24.
Mai 2002 zu befinden hatte. Auch dort bejahte es die Fluchtgefahr. Es erwog,
diese werde noch erhöht wegen des v
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er gleichsweise jungen Alters des Verfolgten von 30 Jahren und seines guten
Gesundheitszustandes. Den Umstand, dass der Verfolgte vom im ersuchenden Staat
geführten Strafverfahren bereits Kenntnis hatte, erachtete das Bundesgericht
wiederum als unerheblich (E. 3b).

2.3 Die italienischen Behörden werfen dem Beschwerdeführer einen umfangreichen
Handel auch mit harten Drogen vor. Er muss damit im Falle eines Schuldspruchs
mit einer langen Freiheitsstrafe rechnen. Das italienische Gesetz droht für die
ihm zur Last gelegten Taten eine Strafe bis zu 30 Jahren an. Der
Beschwerdeführer ist mit 36 Jahren zudem noch vergleichsweise jung, was eine
Flucht eher als wahrscheinlich erscheinen lässt als bei jemandem in
fortgeschrittenem Alter. Mit Blick darauf durfte die Vorinstanz im Lichte der
angeführten restriktiven Rechtsprechung - insbesondere der Urteile 8G.45/2001
vom 15. August 2001 und 8G.49/2002 vom 24. Mai 2002 - die Fluchtgefahr bejahen,
auch wenn der Beschwerdeführer seit 1997 in der Schweiz wohnt, die
Niederlassungsbewilligung besitzt, seit 10 Jahren mit einer Schweizerin
verheiratet ist, mit ihr zwei gemeinsame Söhne im Alter von 2 und 9 Jahren
sowie hier eine Arbeitsstelle hat. Nicht zu beanstanden ist es ebenso, wenn die
Vorinstanz den Einwand, der Beschwerdeführer habe schon seit Langem vom gegen
ihn geführten Verfahren gewusst, als nicht entscheidend beurteilt hat. Es kann
dazu wiederum auf die dargelegte Rechtsprechung verwiesen werden. Erst mit dem
Auslieferungshaftbefehl haben sich die Tatvorwürfe und damit die Möglichkeit
der Auslieferung konkretisiert. Dass hier hinreichende Gründe für die
Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr allenfalls zu
verneinen wären, spielt keine Rolle, da nach dem Gesagten für die Freilassung
aus der Auslieferungshaft strengere Voraussetzungen gelten.

3.

3.1 Die Fluchtgefahr ist mit Blick auf die dargelegten Bindungen des
Beschwerdeführers an die Schweiz allerdings nicht derart ausgeprägt, dass - wie
das Bundesgericht dies etwa im Urteil 1A.170/1997 vom 10. Juni 1997 (E. 3d, in:
Pra 2000 Nr. 94 S. 566) annahm - von vornherein nicht mehr erörtert werden
müsste, ob sie nicht allenfalls mit Ersatzmassnahmen gebannt werden könnte.
Das Bundesgericht hat in mehreren Fällen die Freilassung des Verfolgten aus der
Auslieferungshaft unter Anordnung von Ersatzmassnahmen verfügt (Urteile 8G.66/
2000 vom 5. Dezember 2000 [Kaution von 1 Million Franken, Schriftensperre und
Meldepflicht]; G.69/ 1996 vom 8. August 1996 [Kaution von Fr. 25'000.-,
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Schriftensper re und Meldepflicht]; 1A.41/1995 vom 20. Februar 1995
[Schriftensperre und Meldepflicht] und G.55/1993 vom 22. Oktober 1993 [Kaution
von Fr. 300'000.-, Schriftensperre und Meldepflicht]). Im Fall, der dem Urteil
8G.66/2000 vom 5. Dezember 2000 zugrunde lag, ergriff der Verfolgte dann aber
trotz der hohen Kaution von 1 Million Franken die Flucht (vgl. Urteil 1A.106/
2001 vom 21. August 2001).

3.2 Die Vorinstanz erachtet im vorliegenden Fall Ersatzmassnahmen für die
Bannung der Fluchtgefahr als nicht ausreichend. Sie erwägt, der
Beschwerdeführer habe seine finanziellen Verhältnisse nicht hinreichend
dargetan und belegt. Ausserdem könne aufgrund des Tatverdachts auf
umfangreichen Drogenhandel nicht ausgeschlossen werden, dass er über
zusätzliche, geheimgehaltene finanzielle Mittel verfüge. Eine Haftentlassung
gegen Leistung einer Kaution könne bereits aus diesem Grund nicht in Erwägung
gezogen werden. Andere Ersatzmassnahmen wie die Hinterlegung von
Ausweisdokumenten oder eine Meldepflicht genügten ohne ausreichend hohe, den
finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers angemessene Kaution ohnehin
nicht. Die vom Beschwerdeführer sodann angesprochene elektronische Überwachung
("Electronic Monitoring") sei in einzelnen Kantonen versuchsweise als Form des
Strafvollzugs eingeführt worden. Von einer gesamtschweizerischen Einführung sei
bisher jedoch abgesehen worden. Im Rahmen der Auslieferungshaft sei die
elektronische Überwachung derzeit nicht vorgesehen und komme daher de lege lata
als Massnahme zur Hemmung der Fluchtgefahr ebenfalls nicht in Betracht.

3.3 Der Beschwerdeführer wendet ein, die elektronische Überwachung sei als
Ersatzmassnahme zur Auslieferungshaft möglich. Die Auslieferungshaft stelle
einen unverhältnismässigen und damit verfassungswidrigen Eingriff in das Recht
der persönlichen Freiheit nach Art. 10 Abs. 2 BV dar.

3.4 Gemäss Art. 387 Abs. 4 lit. a StGB kann der Bundesrat versuchsweise und für
beschränkte Zeit neue Strafen und Massnahmen sowie neue Vollzugsformen
einführen oder gestatten (so bereits aArt. 397^bis Abs. 4 StGB). Gestützt
darauf bewilligte der Bundesrat verschiedenen Kantonen insbesondere,
Freiheitsstrafen von 20 Tagen bis zu einem Jahr in der Form des elektronisch
überwachten Vollzugs ausserhalb der Vollzugseinrichtung zu vollziehen. Mit
Beschluss vom 14. Dezember 2007 verlängerte der Bundesrat die Bewilligungen bis
zum 31. Dezember 2009 (BBl 2008 179). Die
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Versuche werden seit 1999 in den Kantonen Bern, Basel-Stadt, Basel-Landschaft,
Tessin, Waadt und Genf sowie seit 2003 auch im Kanton Solothurn durchgeführt
(Bundesamt für Justiz, Sektion Strafrecht, Elektronisch überwachter
Strafvollzug: Ein Überblick, Bericht vom Februar 2007, S. 1).
Das "Electronic Monitoring" sieht auch die voraussichtlich im Jahr 2011 in
Kraft tretende Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO;
BBl 2007 6977 ff.) vor. Gemäss Art. 237 StPO ordnet das zuständige Gericht
anstelle der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft eine oder mehrere mildere
Massnahmen an, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen (Abs. 1). Als
Ersatzmassnahme kommt namentlich die Auflage an den Beschuldigten in Betracht,
sich nur an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Haus aufzuhalten
(Abs. 2 lit. c). Das Gericht kann zur Überwachung von Ersatzmassnahmen den
Einsatz technischer Geräte und deren feste Verbindung mit der zu überwachenden
Person anordnen (Abs. 3).
Der Kanton Basel-Landschaft, wo der Beschwerdeführer inhaftiert ist und seinen
Wohnsitz hat, bezeichnet in § 79 Abs. 3 seiner Strafprozessordnung vom 3. Juni
1999 (StPO/BL; SGS 251) im Zusammenhang mit den Ersatzmassnahmen zur
Untersuchungshaft den Einsatz technischer Überwachungsgeräte einschliesslich
deren feste Verbindung mit der zu überwachenden Person bereits heute
ausdrücklich als zulässig.
Die Einhaltung von Hausarrest wird in der Schweiz mittels Überwachungsgeräten
der ersten Technologie-Generation kontrolliert, welche nach dem sog.
Aktivsystem funktionieren (JONAS PETER WEBER, Der elektronisch überwachte
Hausarrest und seine versuchsweise Einführung in der Schweiz, 2004, S. 210).
Dabei trägt der Überwachte einen plombierten Sender (Transmitter). Dieser
Sender gibt Signale an ein Empfangsgerät (Receiver) ab, welches sich in der
Wohnung des Überwachten befindet und die Signale über die Telefonleitung an den
Computer der Überwachungszentrale weitergibt. In der Zentrale werden die
eingegangenen Daten vom Computer mit den programmierten Soll-Daten des
Überwachten verglichen. Befindet sich der Überwachte nicht zu Hause, obwohl er
dort sein müsste, löst der Computer der Überwachungszentrale bei der
zuständigen Behörde - der Bewährungshilfe, der Polizei oder einem besonderen
Sicherheitsdienst - Alarm aus. Der Sender wird in der Regel mit einem
Plastikband oberhalb des Fussgelenks am Bein oder über dem Handgelenk am Arm
des Überwachten befestigt. Entsprechend spricht
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man von elektronischer Fussfessel oder elektronischem Armband. Damit der
Überwachte den Sender nicht unbemerkt entfernen kann, ist im Plastikband meist
ein Stromkreis eingebaut, dessen Durchtrennung eine Alarmmeldung an die
Überwachungszentrale auslöst (WEBER, a.a.O., S. 21).

3.5 Ist der Verfolgte nicht hafterstehungsfähig oder rechtfertigen es andere
Gründe, so kann das Bundesamt gemäss Art. 47 Abs. 2 IRSG anstelle der Haft
andere Massnahmen zu seiner Sicherung anordnen. Diese Bestimmung bildet die
Grundlage für die Anordnung milderer Ersatzmassnahmen anstelle der
Auslieferungshaft (BGE 117 IV 359 E. 1a S. 360; Urteile 1A.170/1997 vom 10.
Juni 1997 E. 3d, in: Pra 2000 Nr. 94 S. 566; G.69/1996 vom 8. August 1996 E.
8b). Sie spricht in der Mehrzahl von "anderen Massnahmen" und ist offen
formuliert, enthält also keine abschliessende Aufzählung in Betracht kommender
Ersatzmassnahmen. Gemäss Art. 50 Abs. 4 IRSG gelten im Übrigen für die
Haftentlassung sinngemäss Art. 53-60 BStP (SR 312.0). Diese Bestimmungen regeln
ausschliesslich die Kaution. Nach der Rechtsprechung sind gleichwohl weitere
Ersatzmassnahmen möglich, auch wenn dafür keine ausdrückliche gesetzliche
Grundlage besteht. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Grundsatz der
Verhältnismässigkeit (BGE 133 I 27 E. 3.2 S. 29 f. mit Hinweisen). Dieser
Grundsatz ist auch bei der Auslieferungshaft zu berücksichtigen. Diese stellt
wie die Untersuchungshaft einen Eingriff in das Grundrecht der persönlichen
Freiheit nach Art. 10 Abs. 2 BV dar. Gemäss Art. 36 Abs. 3 BV müssen
Einschränkungen von Grundrechten verhältnismässig sein. Kann der Zweck der
Auslieferungshaft durch weniger einschneidende Massnahmen erreicht werden, ist
die Haft unverhältnismässig und damit verfassungswidrig.
Lässt demnach das Rechtshilfegesetz Raum für die Anordnung des "Electronic
Monitoring" als Ersatzmassnahme zur Auslieferungshaft und ist der Einsatz einer
milderen Ersatzmassnahme verfassungsrechtlich geboten, sofern damit der Zweck
der Auslieferungshaft ebenso erreicht werden kann, ist die Auffassung der
Vorinstanz abzulehnen, das "Electronic Monitoring" komme de lege lata nicht in
Frage, weil es im Auslieferungsrecht nicht vorgesehen sei. Dass das "Electronic
Monitoring" weder im Rechtshilfe- noch im Bundesgesetz über die
Bundesstrafrechtspflege ausdrücklich erwähnt wird, überrascht im Übrigen nicht,
da man es bei Erlass dieser Gesetze noch nicht kannte.
BGE 136 IV 20 S. 28
Gemäss Art. 49 Abs. 1 IRSG ist der Vollzug der Verfügungen nach Art. 47 IRSG -
also unter anderem von Ersatzmassnahmen nach Art. 47 Abs. 2 IRSG - Sache der
kantonalen Behörden, hier des Kantons Basel-Landschaft. Dieser praktiziert -
wie dargelegt - das "Electronic Monitoring" seit 10 Jahren im Rahmen der
Versuche im Bereich des Strafvollzugs. Ausserdem sieht er das "Electronic
Monitoring" als Ersatzmassnahme für Untersuchungshaft in seiner
Strafprozessordnung ebenfalls seit 10 Jahren vor. Die notwendigen technischen
Einrichtungen und das entsprechende Fachwissen sind dort also vorhanden.

3.6 Die vorliegende Sache ist schon deshalb nicht spruchreif, weil sich die
Vorinstanz nicht dazu geäussert hat, ob Kollusionsgefahr gegeben sei. Die
Angelegenheit wird in Anwendung von Art. 107 Abs. 2 BGG an die Vorinstanz
zurückgewiesen. Diese wird nochmals dazu Stellung zu nehmen haben, ob die
Fluchtgefahr mit Ersatzmassnahmen hinreichend gebannt werden kann. Dabei wird
sie davon auszugehen haben, dass das "Electronic Monitoring" als
Ersatzmassnahme in Betracht kommt. Sollte die Vorinstanz zum Schluss kommen,
Ersatzmassnahmen reichten insoweit aus, führte dies noch nicht zur
Haftentlassung. Gemäss Art. 47 Abs. 1 lit. a IRSG kann von der
Auslieferungshaft abgesehen werden, wenn der Verfolgte voraussichtlich sich der
Auslieferung nicht entzieht und die Strafuntersuchung nicht gefährdet. Beide
Voraussetzungen müssen kumulativ gegeben sein (BGE 130 II 306 E. 2.3.1 S. 310;
BGE 111 IV 108 E. 3b S. 111). Die Haftentlassung käme somit nur in Frage, wenn
keine Kollusionsgefahr bestünde bzw. diese durch mildere Ersatzmassnahmen
gebannt werden könnte.