Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 136 II 427



Urteilskopf

136 II 427

39. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. BP
Service Wollishofen und Mitb. gegen Staatssekretariat für Wirtschaft SECO
(Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_748/2009 vom 15. Juli 2010

Regeste

Art. 16 und 17 ArG; Art. 28 Abs. 3 ArGV 1; Art. 26 ArGV 2; Nachtarbeitsverbot;
Unzulässigkeit des Verkaufs von Detailhandelsartikeln in Tankstellenshops
zwischen 01.00 und 05.00 Uhr morgens.
Arbeitsgesetzliche Grundlagen zur Beschäftigung von Personal an Tankstellen in
der Nacht (E. 2). Abweichungen vom Nacht- und Sonntagsarbeitsverbot müssen
"unentbehrlich" sein und sollen im Interesse eines wirksamen
Arbeitnehmerschutzes die Ausnahme bilden (E. 3.2). Der Wunsch nach
Detailhandelsprodukten kann ausserhalb von nächtlichen Öffnungszeiten
befriedigt werden; es handelt sich dabei nicht um ein Angebot, an dem in der
Nacht ein im überwiegenden öffentlichen Interesse zu befriedigendes Bedürfnis
besteht (E. 3.3-3.6).

Sachverhalt ab Seite 428

BGE 136 II 427 S. 428

A. Die BP Service-Stellen Wollishofen, Wiedikon und Airport betreiben je eine
Tankstelle mit Bistro und Shop. In den Shops, die (inkl. Bistro) eine
Verkaufsfläche von rund 62 m^2 (Wollishofen), 44 m^2 (Wiedikon) bzw. 75 m^2
(Airport) ausmachen, werden Snacks, Süsswaren, Eiscreme, Getränke, Tiefkühl-
und Frischprodukte, Lebensmittel sowie Non-Food-Artikel (Karten, Bücher,
Zeitschriften und Tabak) verkauft. Die Service-Stellen sind rund um die Uhr
geöffnet (Wollishofen seit August 1999, Wiedikon seit Juli 1997, Airport seit
August 2003).

B. Am 26. März 2007 informierte das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO die
Erdölvereinigung, dass es aufgrund der geltenden Rechtslage nicht möglich sei,
die in der Stadt Zürich (...) geduldete Praxis des durchgehenden Betriebs von
Tankstellenshops während 24 Stunden an 365 Tagen pro Jahr aufrechtzuerhalten.
Für den Verkauf von Waren des alltäglichen Gebrauchs durch Tankstellenshops
bestehe kein besonderes Konsumbedürfnis, das eine Ausnahme vom grundsätzlichen
Verbot der Nachtarbeit rechtfertigen würde. Mit Gesuchen vom 23., 27. bzw. 29.
August 2007 beantragten die BP Service-Stellen Wiedikon, Wollishofen und
Airport dem SECO, ihnen zu bewilligen, Personal jeweils von Montag bis Sonntag
zwischen 01.00 Uhr und 05.00 Uhr auch für den Betrieb der Tankstellenshops zu
beschäftigen. Das Staatssekretariat wies die Gesuche am 16. Dezember 2008 ab;
im Sinne einer Übergangsregelung gestattete es den Gesuchstellerinnen (...)
unpräjudiziell, ihr Personal bis zum 30. Juni
BGE 136 II 427 S. 429
2009 in den Shops weiterzubeschäftigen. Nach Ablauf dieser Frist müssten die
Anforderungen des Arbeitsgesetzes bezüglich Öffnungszeiten strikte eingehalten
werden (...).

C. Mit Urteil vom 7. Oktober 2009 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht auf
Beschwerde hin die entsprechenden Verfügungen des Staatssekretariats für
Wirtschaft: Die Nachtarbeit sei nach dem Bundesgesetz vom 13. März 1964 über
die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG; SR 822.11)
grundsätzlich verboten. Besondere Konsumbedürfnisse, die eine Abweichung
zuliessen, lägen nur vor, wenn bei "objektiver Sichtweise eine grosse Anzahl
Personen das Fehlen der fraglichen Waren und Dienstleistungen in der Nacht als
erheblichen Mangel empfinden würde". Das in den Tankstellenshops angebotene
herkömmliche Warensortiment des Detailhandels müsse nicht zwingend in der Nacht
erworben werden. (...)
Das Bundesgericht weist die von den BP Service-Stellen Wollishofen, Wiedikon
und Airport hiergegen eingereichte Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Auszug)

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Arbeitnehmende dürfen nicht ausserhalb der betrieblichen Tages- (06.00 bis
20.00 Uhr) und Abendarbeitszeit (20.00 bis 23.00 Uhr) beschäftigt werden (Art.
16 ArG). Ausnahmen sind mit Bewilligung möglich: Dauernde oder regelmässig
wiederkehrende Nachtarbeit wird vom Bundesamt gestattet, sofern sie aus
technischen oder wirtschaftlichen Gründen "unentbehrlich" erscheint;
vorübergehende Nachtarbeit wird durch die kantonale Behörde genehmigt, "sofern
ein dringendes Bedürfnis" nachgewiesen ist (Art. 17 Abs. 2, 3 und 5 ArG). Der
Bundesrat kann zudem bestimmte Gruppen von Betrieben und Arbeitnehmern durch
Verordnung generell ganz oder teilweise vom Nacht- und Sonntagsarbeitsverbot
ausnehmen und sie Sonderbestimmungen unterstellen, soweit ihm dies mit
Rücksicht auf ihre besonderen Verhältnisse notwendig erscheint (Art. 27 Abs. 1
ArG). Das hat er für die Betriebe der Beherbergung, der Bewirtung und der
Unterhaltung bzw. für solche, die der Versorgung des Gastgewerbes bei
besonderen Anlässen dienen (Art. 27 Abs. 2 lit. b ArG), sowie für Unternehmen
getan, welche die Versorgung von Fahrzeugen mit Betriebsstoffen oder ihre
Instandhaltung und Instandstellung
BGE 136 II 427 S. 430
bezwecken (Art. 27 Abs. 2 lit. h ArG). Die zuständige Behörde kann schliesslich
ausnahmsweise geringfügige Abweichungen von den Vorschriften des Gesetzes oder
einer Verordnung zulassen, wenn der Befolgung der gesetzlichen Vorschriften
"ausserordentliche Schwierigkeiten" entgegenstehen und das Einverständnis der
Mehrheit der beteiligten Arbeitnehmer oder deren Vertreter im Betrieb vorliegt
(Art. 28 ArG).

2.2 Nach Art. 4 der Verordnung 2 vom 10. Mai 2000 zum Arbeitsgesetz (ArGV 2,
Sonderbestimmungen für bestimmte Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmern und
Arbeitnehmerinnen; SR 822.112) darf der Arbeitgeber in Gastbetrieben
Arbeitnehmende ohne behördliche Bewilligung ganz oder teilweise auch nachts und
sonntags beschäftigen (Art. 23 Abs. 1 ArGV 2). Dasselbe gilt für Betriebe des
Autogewerbes, falls sie mit der Versorgung von Fahrzeugen mit Betriebsstoffen
sowie für die Aufrechterhaltung eines Pannen-, Abschlepp- und damit verbundenen
Reparaturdienstes beschäftigt sind (Art. 46 ArGV 2). In Kiosken und Betrieben
für Reisende darf das Personal nachts ohne Bewilligung lediglich bis 01.00 Uhr
eingesetzt werden (Art. 26 Abs. 2 ArGV 2). Als Betriebe für Reisende gelten
Verkaufsstellen und Dienstleistungsbetriebe an Bahnhöfen, Flughäfen, an anderen
Terminals des öffentlichen Verkehrs und in Grenzorten sowie "Tankstellenshops
auf Autobahnraststätten und an Hauptverkehrswegen mit starkem Reiseverkehr, die
ein Waren- und ein Dienstleistungsangebot führen, das überwiegend auf die
spezifischen Bedürfnisse der Reisenden ausgerichtet ist" (Art. 26 Abs. 4 ArGV
2).

2.3 Unabhängig von der Natur des jeweiligen Betriebs ist eine Ausnahme vom
Nacht- und Sonntagsarbeitsverbot bei technischer und wirtschaftlicher
Unentbehrlichkeit möglich (Art. 17 ArG). Der wirtschaftlichen Unentbehrlichkeit
hat der Verordnungsgeber "die besonderen Konsumbedürfnisse" gleichgestellt,
"deren Befriedigung im öffentlichen Interesse liegt und nicht ohne Nacht- oder
Sonntagsarbeit möglich ist". Als solche gelten (a) "täglich notwendige und
unentbehrliche Waren oder Dienstleistungen, deren Fehlen von einem Grossteil
der Bevölkerung als wesentlicher Mangel empfunden würde", und (b) "bei denen
das Bedürfnis dauernd oder in der Nacht oder am Sonntag besonders hervortritt"
(Art. 28 Abs. 3 der Verordnung 1 vom 10. Mai 2000 zum Arbeitsgesetz [ArGV 1; SR
822.111]).
BGE 136 II 427 S. 431

3.

3.1 Das Bundesverwaltungsgericht ist gestützt auf diese Grundlagen zu Recht
davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerinnen keiner Spezialbewilligung
bedürfen, um Arbeitnehmende nachts für den Betrieb des Kaffeeshops bzw. des
Bistros sowie der Tankstelle einsetzen zu können. Anders verhält es sich
dagegen mit den eigentlichen Tankstellenshops - dies unabhängig davon, ob es
sich dabei vorliegend um Betriebe an Hauptverkehrswegen mit starkem
Reiseverkehr handelt oder nicht (Art. 26 Abs. 3 ArGV 2), da Streitgegenstand
ausschliesslich die Beschäftigung von Personal zwischen 01.00 und 05.00 Uhr
morgens bildet, wozu auf jeden Fall eine Ausnahmebewilligung des
Staatssekretariats für Wirtschaft erforderlich ist, nachdem in
Reisebedürfnisbetrieben nur bis 01.00 Uhr bewilligungslos gearbeitet werden
darf (Art. 26 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 ArGV 2).

3.2 Die Annahme, es bestünden an den in den Shops der Beschwerdeführerinnen
angebotenen Produkten keine besonderen Bedürfnisse, welche im Sinne von Art. 28
Abs. 3 ArGV 1 zwischen 01.00 und 05.00 Uhr zu befriedigen wären, verletzt kein
Bundesrecht: Das Arbeitsgesetz dient dem Arbeitnehmerschutz (vgl. Art. 110 Abs.
1 lit. a BV), insbesondere in gesundheitlicher und sozialer Hinsicht. Die
Bestimmungen über die Nachtarbeit sollen den mit dieser verbundenen
gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Belastungen der Arbeitnehmenden
Rechnung tragen (vgl. Urteil 2C_344/2008 vom 26. März 2009 E. 4.4 mit
Hinweisen; STÖCKLI/SOLTERMANN, in: Arbeitsgesetz, Geiser/von Kaenel/Wyler
[Hrsg.], 2005, N. 3 f. zu Art. 16 ArG). Es ist ihnen deshalb gerade auch dann
Nachachtung zu verschaffen, wenn die Marktgesetze für die Einführung von Nacht-
oder Sonntagsarbeit sprächen. Blosse Zweckmässigkeitsüberlegungen genügen
nicht, um das Nacht- oder Sonntagsarbeitsverbot aufzuweichen (Urteil 2C_344/
2008 vom 26. März 2009 E. 5 mit Hinweisen). Die Nacht- und Sonntagsarbeit muss
nach dem Gesetzestext "unentbehrlich" sein. Abweichungen von den entsprechenden
Verboten sollen im Interesse eines wirksamen Arbeitnehmerschutzes die Ausnahme
bilden (vgl. BGE 134 II 265 E. 5.5; BGE 116 Ib 270 E. 4b und 5, BGE 116 Ib 284
E. 4 f.; BGE 120 Ib 332 E. 5a S. 335; BGE 131 II 200 E. 6.3). Dies muss umso
mehr gelten, wenn der Verordnungsgeber - wie hier - einer Branche bereits eine
betriebsgruppenspezifische Ausnahme vom Nachtarbeitsverbot bis 01.00 Uhr
zugestanden hat (Art. 4 in Verbindung mit Art. 26 Abs. 1 und 4 ArGV 2), die
richterlich ausgedehnt werden soll.
BGE 136 II 427 S. 432

3.3 Das Staatssekretariat für Wirtschaft hat die Auslegung von Art. 28 Abs. 3
ArGV 1 in seinen Wegleitungen (Stand November 2007) in dem Sinn konkretisiert,
dass es sich bei den besonderen Bedürfnissen um Waren oder Dienstleistungen
handeln muss, die "wirklich täglich benötigt" werden. Könnten viele Leute am
Sonntag oder in der Nacht auf das Angebot verzichten, ohne dadurch einen Mangel
zu empfinden, so handle es sich nicht um "besondere" Konsumbedürfnisse im Sinne
von Art. 28 Abs. 3 ArGV 1. Daran ändere nichts, wenn kleinere Minderheiten sich
für die Notwendigkeit der einen oder anderen Dienstleistung einsetzten. Das
Konsumbedürfnis sei nur dann ein besonderes, wenn es über den ganzen Tag oder
die ganze Woche dauernd vorhanden sei oder es z.B. wegen des Freizeitverhaltens
der Bevölkerung gerade in der Nacht und an Sonntagen in besonderem Masse
hervortrete. Diese Konkretisierung hält sich materiell im Rahmen des Gesetzes,
der Verordnungen und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Nacht- und
Sonntagsarbeitsverbot, weshalb keine Veranlassung besteht, hier davon
abzuweichen (diesbezüglich kritisch, aber einschränkender: ROLAND A. MÜLLER,
Arbeitsgesetz, 2009, N. 2 zu Art. 17 Abs. 2 ArG S. 83).

3.4 Zwar mag für gewisse Interessengruppen ein Bedürfnis bestehen, auch
zwischen 01.00 und 05.00 Uhr in einem Tankstellenshop einer
Grossstadtagglomeration Detailhandelsprodukte kaufen zu können, die während der
normalen Öffnungszeiten nicht erworben wurden, doch handelt es sich dabei nicht
um ein Bedürfnis, dessen "Befriedigung im öffentlichen Interesse liegt und
nicht ohne Nacht- oder Sonntagsarbeit möglich" wäre. Die Grundbedürfnisse der
Reisenden nach Treibstoff sind abgedeckt, eine minimale Versorgung der
Kundschaft über das Bar- bzw. Bistroangebot sichergestellt. Der Wunsch nach
Tiefkühlprodukten, Reisekarten oder Grillkohle und entsprechenden Produkten
kann ausserhalb von nächtlichen Öffnungszeiten befriedigt werden. Es handelt
sich dabei nicht um Gegenstände, an denen gerade in der Nacht ein im
überwiegenden öffentlichen Interesse in unentbehrlicher Weise zu befriedigendes
Bedürfnis bestünde (vgl. das Urteil 2A.704/2005 vom 4. April 2006 E. 3.2.2). Es
ist auch Personen, die während der Nacht arbeiten, zumutbar, allfällige
Einkäufe vor 01.00 Uhr bzw. nach 05.00 Uhr zu tätigen. Dass Nachtschwärmer und
gewisse Reisende punktuell das über die Bar- bzw. das Bistroangebot
hinausgehende Sortiment der Beschwerdeführerinnen schätzen, was deren
Verkaufszahlen
BGE 136 II 427 S. 433
belegen, genügt nicht, um eine Ausnahme vom Grundsatz des Nachtarbeitsverbots
zu begründen. Mit der Vorinstanz ist ein öffentliches Interesse an der
Möglichkeit der Befriedigung von nicht lebenswichtigen Konsumbedürfnissen
zwischen 01.00 und 05.00 Uhr erst dann zu bejahen, wenn bei objektiver
Sichtweise eine grosse Anzahl Personen das Fehlen der fraglichen Waren und
Dienstleistungen in der Nacht als erheblichen Mangel empfinden würde. Es kann
dabei nicht, wie die Beschwerdeführerinnen vorschlagen, auf die Art der
Quartierbevölkerung (Vergnügungsbereich usw.) oder die Zusammensetzung der
Kundschaft ankommen, die tatsächlich zu den umstrittenen Zeiten Einkäufe aus
ihrem Shop-Sortiment tätigt. Die ausserordentlichen Öffnungszeiten schaffen
Konsumbedürfnisse, welche die nächtliche Kundschaft zwischen 01.00 und 05.00
Uhr zu den Betrieben der Beschwerdeführerinnen lenken, ohne dass daraus auf ein
besonderes Bedürfnis einer breiteren Öffentlichkeit am entsprechenden Sortiment
geschlossen werden kann.

3.5 Soweit sich die Beschwerdeführerinnen auf Zeitungsumfragen berufen, um
darzutun, dass die Bevölkerung die bisherigen Öffnungszeiten der
Tankstellenshops mit ihrem Angebot rund um die Uhr wünsche, womit das besondere
Konsumbedürfnis im Sinne von Art. 28 Abs. 3 ArGV 1 dargetan sei, übersehen sie,
dass den entsprechenden Umfragen kein wissenschaftlicher Wert zukommt. Die
Fragestellungen sind nicht weiter bekannt bzw. unpräzis und nicht
standardisiert; das berücksichtigte Panel ist im Übrigen nicht repräsentativ.
Gesetzesauslegung kann nicht über Internet-Abstimmungen erfolgen. Ergänzend
kann darauf hingewiesen werden, dass gemäss der Umfrage der
Beschwerdeführerinnen aus dem November 2009 insgesamt rund 75 % der Befragten
sich durch die Aufhebung der Möglichkeit des Kaufs von Lebensmitteln,
Kioskartikeln und Autozubehör an Sonntagen und nachts in ihrer Freiheit nicht
oder nur "etwas" eingeschränkt fühlen. Der Bundesgesetzgeber hat - gestützt auf
die Kritik, welche die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Handhabung des
Sonntagsarbeitsverbots an Bahnhöfen auslöste (vgl. BGE 123 II 317 ff. sowie die
Urteile 2A.255/2001 und 2A.256/2001 vom 22. März 2002) - eine Lockerung der
einschlägigen Vorschriften für Verkaufsstellen in Zentren des öffentlichen
Verkehrs, d.h. für Flughäfen und bestimmte grosse Bahnhöfe, beschlossen (Art.
27 Abs. 1^ter ArG [Fassung vom 8. Oktober 2004], sowie Art. 26a ArGV 2 mit
zugehöriger Verordnung des EVD vom 16. Juni 2006 [SR 822. 112.1]; BBl 2004 1621
ff.). Für die nicht unter diese Sonderregelung
BGE 136 II 427 S. 434
fallenden Betriebe beliess er es bewusst bei der bisherigen Regelung. Dieser
Wertungsentscheid kann nicht durch eine geltungszeitliche Auslegung korrigiert
werden. Im Falle der Gewährung der verlangten Ausnahmen wären solche auch
anderen Tankstellenshops, von denen es 1'200 im Land geben soll, einzuräumen,
was das Nachtarbeitsverbot aushöhlen und zu Marktverzerrungen führen würde.
Sollten sich die Bedürfnisse tatsächlich in der von den Beschwerdeführerinnen
dargelegten Weise gewandelt haben, wäre es wiederum am Gesetzgeber, die
verschiedenen auf dem Spiele stehenden Interessen (neu) gegeneinander abzuwägen
und die arbeitsgesetzlichen Regeln allenfalls anzupassen. Dies lehnt das
Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement bisher ab: Auf der politischen Ebene
habe sich der Bundesrat - so die Vorsteherin des EVD in einem Schreiben vom 1.
Dezember 2008 an die Erdölvereinigung - anlässlich der Revision des
Arbeitsgesetzes betreffend vier Sonntagsverkäufen dahin gehend geäussert, dass
in absehbarer Zeit "keine weiteren Liberalisierungsschritte bezüglich Nacht-
und Sonntagsarbeit in Angriff genommen würden", weshalb eine
Verordnungsrevision mit Bezug auf die Öffnungszeiten von Tankstellen-Shops
zurzeit "nicht opportun" erscheine (vgl. auch die Antwort des Bundesrats vom 8.
Juni 2009 zum Geschäft 09.5301 "Arbeitsplätze in Tankstellenshops nicht
gefährden").

3.6 Entgegen den Einwänden der Beschwerdeführerinnen kann unter diesen
Umständen nicht gesagt werden, die Verweigerung der Ausnahmebewilligungen sei
unverhältnismässig: Zwar ist nachvollziehbar, dass sie wenig Verständnis dafür
zeigen, dass ihr Personal, welches für den Bistro- und Tankstellenbetrieb auf
Platz ist, zwischen 01.00 und 05.00 Uhr nicht auch das volle Shop-Sortiment
verkaufen darf; dabei handelt es sich aber um eine Konsequenz der bestehenden
gesetzlichen Regelung, die nicht auslegungsweise abgeändert werden kann (vgl.
BGE 134 II 265 E. 5.5; Urteile 2C_212/2008 vom 3. September 2008 E. 5.5 und 7
sowie 2C_206/2008 vom 13. August 2008 E. 4.5 und 5.3). Es ist an den
Beschwerdeführerinnen, darüber zu befinden, ob sie trotzdem an ihrem
24-Stunden-Betrieb festhalten wollen oder nicht. Ihre ökonomischen Überlegungen
rechtfertigen wegen der mit einer allfälligen Ausnahme verbundenen
präjudiziellen und wettbewerbsverzerrenden Wirkung nicht, von den gesetzlichen
Bestimmungen über das Nachtarbeitsverbot aus Gründen der Verhältnismässigkeit
abzuweichen. Es handelt sich bei der gerügten Inkonsequenz letztlich um eine
Folge ihres
BGE 136 II 427 S. 435
"Shop-im-Shop"-Systems, das dazu führt, dass je nach Angebot unterschiedliche
arbeitsgesetzliche Regeln zu beachten sind. Das Staatssekretariat für
Wirtschaft war auch nicht gehalten, die Ausnahmebewilligung gestützt auf Art.
28 ArG zu erteilen, kann bei einer Nachtarbeit zwischen 01.00 Uhr und 05.00 Uhr
doch nicht mehr von einer nur "geringfügigen" Abweichung von den entsprechenden
gesetzlichen Vorgaben gesprochen werden. Zwar sind gewisse Shop-Bereiche von
Autobahn-Raststätten ihrerseits rund um die Uhr geöffnet; die Situation der
Beschwerdeführerinnen an Hauptstrassen im Einzugsgebiet von Zürich ist mit
diesen, dem nationalen und internationalen Transitverkehr dienenden Betrieben
jedoch nicht vergleichbar. Auch aus dem Vertrauensprinzip können die
Beschwerdeführerinnen schliesslich nichts zu ihren Gunsten ableiten (vgl. BGE
131 II 627 E. 6.1 S. 636 f.; BGE 129 II 361 E. 7.1 S. 381; Urteile 2C_212/2008
vom 3. September 2008 E. 11 und 2A.704/2005 vom 4. April 2006 E. 4): Das
zuständige SECO hat die von ihnen praktizierte Nachtöffnung des Shop-Bereichs
nie bewilligt und den mit seinen Verfügungen verbundenen praktischen Problemen
mit einer angemessenen Übergangsregelung Rechnung getragen.