Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 136 II 370



Urteilskopf

136 II 370

32. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. AG
gegen Kanton Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_374/2007 vom 7. Juni 2010

Regeste

Anfechtbarer Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Pflicht
zur Beurteilung innert angemessener Frist nach Art. 29 Abs. 1 BV; Durchführung
der altlastenrechtlichen Untersuchungen durch den Kanton gestützt auf Art. 32c
Abs. 3 USG.
Die Verpflichtung zur Durchführung einer altlastenrechtlichen
Detailuntersuchung ist für die Beschwerdeführerin mit einem nicht wieder
gutzumachenden Nachteil verbunden, da die Vorfinanzierung der
Untersuchungskosten den Konkurs der Pflichtigen zur Folge haben könnte. Ein
Eintreten ist zudem geboten, weil im kantonalen Verfahren die Pflicht zur
Beurteilung innert angemessener Frist verletzt wurde (E. 1).
Da der Kanton Inhaber eines grossen Teils des eventuell sanierungsbedürftigen
belasteten Standorts ist und ihm der Vollzug des Umweltrechts obliegt, hat er
selber die noch notwendigen Untersuchungen zu veranlassen. Anwendungsfall von
Art. 32c Abs. 3 USG, der die behördliche Ersatzvornahme regelt (E. 2).

Sachverhalt ab Seite 371

BGE 136 II 370 S. 371

A. Die X. AG ist Eigentümerin des früheren Grundstücks Kat.-Nr. 3524 (neu 4214)
in Obfelden. Für diese Parzelle besteht gemäss dem kantonalen Kataster ein
Altlastenverdacht. Dasselbe gilt für das Nachbargrundstück Kat.-Nr. 3525 im
Eigentum des Kantons Zürich. Das kantonale Amt für Abfall, Wasser, Energie und
Luft (AWEL) verpflichtete die X. AG am 5. März 2002 kostenfällig, die
Durchführung einer Altlasten-Detailuntersuchung ihres Grundstücks zu
veranlassen und dem Amt den entsprechenden Untersuchungsbericht bis spätestens
Ende Dezember 2002 vorzulegen.

B. Gegen diese Verfügung rekurrierte die Adressatin am 2. April 2002 beim
Regierungsrat, welcher am 23. August 2006 einen abweisenden Beschluss fasste,
soweit er darauf eintrat.

C. Daraufhin erhob die X. AG am 27. September 2006 Beschwerde beim kantonalen
Verwaltungsgericht. Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 19. September
2007 ab.

D. Mit Eingabe vom 29. Oktober 2007 erhebt die X. AG öffentlich- rechtliche
Beschwerde beim Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des angefochtenen
Urteils. Der Kanton Zürich sei zu verpflichten, ein umfassendes Überwachungs-
und eventuell Voruntersuchungs- und Sanierungskonzept für die Grundstücke
Kat.-Nrn. 3524 und 3525 in Obfelden auszuarbeiten und die Kosten dafür sowie
für allfällige vorzunehmende Voruntersuchungshandlungen vorzuschiessen.
Gleichzeitig ersucht die Beschwerdeführerin um Gewährung der aufschiebenden
Wirkung und stellt den Antrag, das bundesgerichtliche Verfahren vorläufig bis
Ende Juni 2008 zu sistieren; dies, nachdem die Parteien übereingekommen seien,
Gespräche mit dem Ziel einer gütlichen Einigung zu führen.
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E. Der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts
erkannte der Beschwerde mit Verfügung vom 22. November 2007 aufschiebende
Wirkung zu und setzte das bundesgerichtliche Verfahren vorläufig bis Ende Juni
2008 aus.
Auf zwei weitere Begehren der Beschwerdeführerin hin wurde die Sistierung des
bundesgerichtlichen Verfahrens bis Ende Juni 2009 verlängert. Nachdem die
Beschwerdeführerin nochmals um Sistierung ersucht hatte, die Baudirektion des
Kantons Zürich aber nicht von einer einvernehmlichen Lösung ausging, wurde das
Verfahren vor Bundesgericht mit Verfügung des Präsidenten der I.
öffentlich-rechtlichen Abteilung vom 23. Oktober 2009 wieder aufgenommen und
weiter instruiert.

F. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt das angefochtene Urteil
auf und weist die Angelegenheit zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an
das Verwaltungsgericht zurück.
(Zusammenfassung)

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

1.

1.1 Das angefochtene Urteil stützt sich auf Umweltschutzrecht des Bundes. Es
betrifft eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit im Sinne von Art. 82 lit. a
BGG. Ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG liegt nicht vor. Die
Beschwerdeführerin ist Adressatin des angefochtenen Urteils und ist vom
angefochtenen Entscheid besonders berührt, da sie damit verpflichtet wird, eine
altlastenrechtliche Detailuntersuchung durchzuführen, was nach Art. 20 Abs. 1
der Altlasten- Verordnung vom 26. August 1998 (AltlV; SR 814.680) grundsätzlich
der Inhaberin oder dem Inhaber eines belasteten Standorts obliegt (vgl. Urteil
des Bundesgerichts 1C_126/2009 vom 20. August 2009 E. 2, in: URP 2010 S. 99).

1.2 Die in Art. 32c USG (SR 814.01) statuierte Pflicht der Kantone zur
Sanierung belasteter Standorte wird in der AltlV detaillierter geregelt. In
Art. 1 Abs. 2 AltlV sind die folgenden Verfahrensschritte vorgesehen: Die
Erfassung in einem Kataster (lit. a), die Beurteilung der Überwachungs- und
Sanierungsbedürftigkeit (lit. b), die Beurteilung der Ziele und der
Dringlichkeit der Sanierung (lit. c) sowie die Festlegung der Untersuchungs-,
Überwachungs- und Sanierungsmassnahmen (lit. d). Gemäss Art. 7 Abs. 1 AltlV
verlangt die Behörde für untersuchungsbedürftige Standorte aufgrund der
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Prioritätenordnung innert angemessener Frist die Durchführung einer
Voruntersuchung, die in der Regel aus einer historischen und einer technischen
Untersuchung besteht. Damit werden die für die Beurteilung der Überwachungs-
und Sanierungsbedürftigkeit erforderlichen Angaben ermittelt und im Hinblick
auf die Gefährdung der Umwelt bewertet. Erweist sich aufgrund dieser
Voruntersuchungen ein belasteter Standort als sanierungsbedürftig, wird in der
Folge eine Detailuntersuchung angeordnet, mittels welcher die Ziele und die
Dringlichkeit der Sanierung beurteilt werden sollen (Art. 14 f. AltlV). Weichen
die Untersuchungsergebnisse der Detailuntersuchung wesentlich von denjenigen
der Voruntersuchung ab, klärt die Behörde erneut ab, ob überhaupt ein
sanierungsbedürftiger Standort nach den Art. 9-12 AltlV vorliegt (Art. 14 Abs.
2 AltlV). Wird dagegen der Sanierungsbedarf bejaht, folgt die eigentliche
Sanierung gemäss Art. 16 ff. AltlV. Nach Art. 20 Abs. 1 AltlV sind die
Untersuchungs-, Überwachungs- und Sanierungsmassnahmen vom Inhaber oder von der
Inhaberin eines belasteten Standorts durchzuführen. Zur Durchführung der
Voruntersuchung, der Überwachungsmassnahmen oder der Detailuntersuchung kann
die Behörde Dritte verpflichten, wenn Grund zur Annahme besteht, dass diese die
Belastung des Standorts durch ihr Verhalten verursacht haben (Art. 20 Abs. 2
AltlV).

1.3 Nicht bestritten ist, dass die Beschwerdeführerin Inhaberin einer
belasteten Parzelle ist. Das Bundesgericht hat im Urteil 1C_126/2009 vom 20.
August 2009 in E. 4 (in: URP 2010 S. 99) eine Verpflichtung zur Durchführung
einer Voruntersuchung als Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG
qualifiziert. Aus dem in E. 1.2 aufgezeigten Verfahrensablauf zur Ermittlung
der Sanierungsbedürftigkeit wird deutlich, dass auch mit der Verpflichtung zur
Durchführung einer Detailuntersuchung noch kein abschliessender Entscheid über
die Sanierungspflicht bzw. die Sanierungsbedürftigkeit oder die Art der
Sanierung eines Standorts vorliegt. Wie im Urteil 1C_126/2009 ist das
angefochtene Urteil darum als Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG zu
qualifizieren.

1.4 Nach Art. 93 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde gegen selbstständig eröffnete
Vor- und Zwischenentscheide, welche nicht die Zuständigkeit oder den Ausstand
betreffen (Art. 92 BGG), zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden
Nachteil bewirken können (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde
sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand
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an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit.
b). Ist die Beschwerde aufgrund von Art. 93 Abs. 1 BGG nicht zulässig oder
wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und
Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit
sie sich auf dessen Inhalt auswirken (Art. 93 Abs. 3 BGG).

1.5 Von vornherein nicht zur Anwendung gelangt Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG. Eine
Gutheissung der Beschwerde hätte keinen sofortigen Endentscheid zur Folge und
würde damit auch nicht einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein
weitläufiges Beweisverfahren ersparen. Die Durchführung der Detailuntersuchung
kann aber erhebliche Kosten mit sich bringen, und entsprechend ist
nachvollziehbar, dass sich die Beschwerdeführerin bereits zu einem frühen
Zeitpunkt gegen diese Kostenübernahme zur Wehr setzen will. Zwar bedeutet die
mit der Realleistungspflicht verbundene Pflicht zur Kostenbevorschussung noch
nicht, dass die Inhaberin diese Kosten letztlich zu tragen hat. Über die
endgültige Kostentragungspflicht wird in einem späteren Zeitpunkt gestützt auf
Art. 32d USG entschieden. Die finanzielle Lage der Beschwerdeführerin ist indes
gemäss der von ihr vorgelegten Bilanz bereits heute als kritisch zu bezeichnen.
Die Vorfinanzierung der Detailuntersuchung könnte den Konkurs der
Beschwerdeführerin zur Folge haben. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil
ist darum zu bejahen (anders im Urteil 1C_126/2009 des Bundesgerichts vom 20.
August 2009, wo der Kanton zur Realleistung verpflichtet wurde). Das Eintreten
rechtfertigt sich im vorliegenden Fall zudem, weil das Verwaltungsgericht dem
Kanton Zürich zu Recht eine Verletzung der in Art. 29 Abs. 1 BV verankerten
Pflicht auf Beurteilung innert angemessener Frist vorwirft. Mit Blick auf das
in Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK statuierte Gebot, im Rahmen eines
fairen Verfahrens innert angemessener Frist einen wirksamen Rechtsschutz zu
leisten (siehe BGE 136 II 165 E. 1.2.1 S. 170 mit Hinweisen), ist es geboten,
auf die Beschwerde einzutreten. Wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen, ist
die Beschwerde klarerweise gutzuheissen. Auch dieser Gesichtspunkt spricht
dafür, in Anwendung von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG auf die Beschwerde
einzutreten.

2.

2.1 Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung von Bundesrecht geltend. Aus
ihrer Sicht wäre der Kanton als Eigentümer des Nachbargrundstücks Nr. 3525 zur
Durchführung weiterer
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Untersuchungsmassnahmen verpflichtet. Die historische Untersuchung habe
ergeben, dass die Eigentümerin dieses Nachbargrundstücks und insbesondere die
Baugenossenschaft des eidgenössischen Personals von 1959 bis 1964 eine
Gasometertasse des ehemaligen Gaswerks als Lagerbehälter für Heizöl benutzt
habe. Mit Schreiben des Amtes für Gewässerschutz und Wasserbau vom 17. Mai 1966
sei der damaligen Eigentümerin untersagt worden, die Gasometertasse ohne Einbau
eines Stahltanks weiter zu benützen. Daraufhin sei zwar der Heizölumschlag
eingestellt, der Behälter jedoch nicht ordnungsgemäss stillgelegt worden. Die
im Jahr 1974 vorgenommenen Untersuchungen durch das kantonale Laboratorium
hätten in der Folge einen sehr hohen Verschmutzungsgrad des Erdreiches der
Parzelle Nr. 3525 im angrenzenden Bereich zum Grundstück der Beschwerdeführerin
ergeben. Der Untersuchungsbericht eines privaten Büros vom November 1974 zeige
auf, dass aus der Gasometertasse, welche als Öllagerbehälter benutzt worden
sei, eine beträchtliche Menge Mineralöl versickert sein müsse. Deshalb sei eine
Grobsanierung angeordnet worden, welche sich allerdings nur auf das Grundstück
Nr. 3525 bezogen habe. Die weiteren technischen Untersuchungen im Jahr 2001
hätten jedoch aufgezeigt, dass die Versickerung des ausgelaufenen Mineralöls
bis in die Nachbargrundstücke erfolgt sei. Davon betroffen sei auch die
Parzelle der Beschwerdeführerin. Es sei somit hinreichend klar dokumentiert,
dass das Grundstück des Kantons als hauptverantwortlicher Verursacher der
Verunreinigungen auf der Parzelle der Beschwerdeführerin zu betrachten sei.
Dennoch habe das Verwaltungsgericht es abgelehnt, den Kanton im Sinne von Art.
20 Abs. 2 AltlV und Art. 32c Abs. 1 USG zur alleinigen Durchführung weiterer
Massnahmen zu verpflichten.

2.2 Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) führt in seiner Vernehmlassung ans
Bundesgericht aus, es handle sich vorliegend um den typischen Fall eines
Betriebsstandorts mit verschiedenen wahrscheinlich kontaminierten
Teilbereichen. Im kantonalen Kataster der belasteten Standorte sei der
Betriebsstandort des ehemaligen Gaswerks auf den Parzellen Nrn. 4214 und 3525
aufgeführt. Die Parzelle Kat.-Nr. 3525 sei zudem als Unfallstandort Dorfstrasse
582 eingetragen. Zusätzlich fänden die Aktivitäten des Betriebs der
Beschwerdeführerin als Betriebsstandort Dorfstrasse 126 auf der Parzelle
Kat.-Nr. 4214 im Kataster Erwähnung. Gestützt auf die Aktenlage lasse sich
nicht mit Bestimmtheit feststellen, inwieweit die Belastungen auf dem
Grundstück Nr. 4214 vom Nachbargrundstück Nr. 3525 stammten.
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Insbesondere im Grenzbereich zwischen den beiden Parzellen sei eine
wechselseitige Belastung der Grundstücke durch den Gaswerkbetrieb und den
Heizölunfall möglich, da sich gerade im ungesättigten Bereich des Untergrunds
Schadstoffe auch gegen die Grundwasserfliessrichtung ausbreiten könnten. Nach
detaillierten Angaben zur Belastungssituation gelangt das BAFU zum Schluss, es
sei von verschiedenen potentiell kontaminierten Teilbereichen auszugehen,
welche mit grosser Wahrscheinlichkeit zumindest teilweise überlagert seien und
zu einem Stoffaustausch geführt hätten. Entgegen der Meinung der Vorinstanz
betrachtet das BAFU die im Kataster aufgeführten Standorte als einen belasteten
Standort im Sinne von Art. 2 Abs. 1 AltlV. Aufgrund von späteren Nutzungen auf
dem Standort seien zusätzliche Belastungen entstanden, weshalb die Eintragung
der einzelnen Belastungen im Kataster zulässig sei. Dies ändere jedoch nichts
daran, dass von einem einzigen belasteten Standort auszugehen sei. Die
Untersuchungen müssten darum den gesamten belasteten Standort erfassen, damit
eine sachgerechte Beurteilung vorgenommen werden könne. Inwiefern die Parzelle
Kat.-Nr. 3525 zum heutigen Zeitpunkt belastet sei, müsse im Rahmen dieser
Untersuchungen geprüft werden. Als Teilinhaber des belasteten Standorts kämen
sowohl die Beschwerdeführerin als auch der Kanton in Betracht, um die
Untersuchungen nach Art. 20 Abs. 1 AltlV vorzunehmen. Mit dem Vorgehen des
Kantons, zwei Einzelne zur verpflichten, ihre Parzellen separat zu untersuchen,
ist aber nach Auffassung des BAFU eine kostengünstige und sachgerechte
Beurteilung des belasteten Standorts nicht möglich.
Weiter gibt das BAFU zu bedenken, dass die historische Untersuchung von
Kat.-Nr. 4214 im Jahr 1997 und somit vor Inkrafttreten der AltlV durchgeführt
worden sei und den heutigen Anforderungen nicht ganz entspreche. Es fehlten
insbesondere technische Angaben zum Gaswerk, und die Lage der umweltrelevanten
Ammoniak- und Teerbecken sei unbekannt. Die technische Untersuchung aus dem
Jahr 2001 fokussiere sich auf die Belastung des Untergrunds von Kat.-Nr. 4214.
Die durchgeführten Grundwasseruntersuchungen erlaubten keine hinreichende
Beurteilung des Standorts, weil diese den unmittelbaren Abstrombereich nicht
abdecken würden. Damit stütze der Kanton seine Verfügung vom 5. März 2002 auf
ungenügende Voruntersuchungen. Aufgrund des lediglich vermuteten
Sanierungsbedarfs werde von den Eigentümern des ehemaligen Gaswerkareals eine
Detailuntersuchung verlangt. Zusammenfassend wäre es aus
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Sicht des BAFU angezeigt gewesen, eine einzige Inhaberin zur ergänzenden
Voruntersuchung des gesamten belasteten Standorts zu verpflichten.

2.3 Diesen Argumenten hält das AWEL entgegen, Grundlage für die ursprüngliche
Verfügung vom 5. März 2002 sei nicht der Kataster der belasteten Standorte
gewesen, sondern dessen Vorgänger, der weniger aussagekräftige
Altlastenverdachtsflächen-Kataster. In diesem Verzeichnis sei das hier zur
Diskussion stehende Gebiet als Deponie/Auffüllung und als Betriebsstandort
ausgeschieden gewesen. Das kantonale Amt stimmt mit dem BAFU insofern überein,
als sich nicht feststellen lasse, inwieweit die Belastungen auf dem Grundstück
der Beschwerdeführerin von demjenigen des Kantons herrührten. Festgestellt
werden könne aber, dass sich das Gaswerk hauptsächlich auf dem Grundstück der
Beschwerdeführerin befunden habe. Der Heizölunfall hingegen habe sich auf der
Parzelle des Kantons ereignet. Die bisherigen Untersuchungsergebnisse würden es
als unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass durch den Heizölunfall grössere
Belastungen auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin entstanden seien. Auch
nach Ansicht des AWEL sind die Angaben zum Gaswerkbetrieb und zu den Teergruben
lückenhaft. Insgesamt aber verteidigt das AWEL das kantonale Vorgehen damit,
dass die AltlV verschiedene Wege offenlasse, um schadstoffbelastete Flächen
abzugrenzen. Mit koordinierten Untersuchungen könne das gesamte belastete
Gebiet erfasst und altlastenrechtlich beurteilt werden. Es erscheine verfrüht,
sich auf einen einzigen Standort festlegen zu wollen.

2.4 Obwohl dem AWEL darin zuzustimmen ist, dass die AltlV verschiedene
Möglichkeiten vorsieht, um belastete Flächen zu definieren, und unbestritten
ist, dass die Beschwerdeführerin zumindest Inhaberin einer belasteten Parzelle
ist, gilt es zu beachten, dass sich ein belasteter Standort nicht an
Parzellengrenzen hält. Bilden mehrere Grundstücke einen belasteten Standort, so
ist es sachgerecht und im Sinne einer effizienten Altlastenbearbeitung, vorerst
einen Inhaber zu den notwendigen Untersuchungen zu verpflichten. Mit der
Trennung zwischen Realleistungs- und Kostentragungspflicht wollte der
Gesetzgeber eine rasche Gefahrenbeseitigung sicherstellen (dazu KARIN SCHERRER,
Handlungs- und Kostentragungspflichten bei der Altlastensanierung, 2005, S.
79). Dieser Gedanke spiegelt sich in den Art. 32c USG und Art. 20 Abs. 1 AltlV
wieder, wo in erster Linie die Handlungspflicht des Standortinhabers verankert
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ist. Wenn jedoch schon wegen der strittigen Handlungspflicht lange
Rechtsmittelverfahren den gesamten Sanierungsprozess verzögern, drängt sich
eine andere Lösung auf. Deshalb sieht Art. 32c Abs. 3 USG vor, dass die Kantone
die Untersuchung, Überwachung oder Sanierung belasteter Standorte selber
übernehmen oder Dritte damit beauftragen, wenn (lit. a) dies zur Abwehr einer
unmittelbar drohenden Einwirkung notwendig ist, (lit. b) der Pflichtige nicht
in der Lage ist, für die Durchführung der Massnahmen zu sorgen oder (lit. c)
wenn der Pflichtige trotz Mahnung und Fristansetzung untätig bleibt. Diese
Bestimmungen regeln im Grunde genommen die Voraussetzungen der sich unter
Umständen aufdrängenden behördlichen Ersatzvornahme. Sie sollen das Verfahren
beschleunigen und Gerichtsverfahren vermeiden (siehe BBl 2003 5045). Bei der im
vorliegenden Fall gegebenen Sachlage hätte es dem Kanton oblegen, die
notwendigen weiterführenden Untersuchungen selber zügig durchzuführen. Dies
scheint nicht zuletzt deswegen gerechtfertigt, weil der Kanton Inhaber einer
innerhalb des belasteten Standorts gelegenen Parzelle ist, einer Parzelle, die
aufgrund des bisherigen Kenntnisstands massgeblich zur Belastung beigetragen
haben dürfte. Zudem hat er das gesamte Untersuchungsverfahren - und damit
zusammenhängend auch das Sanierungsverfahren - verfassungsrechtlich unzulässig
verzögert. Der Kanton ist deshalb einerseits in seiner Stellung als
Verantwortlicher für die Umsetzung des Umweltschutzrechts und andererseits als
Inhaber eines grossen Teils des eventuell sanierungsbedürftigen belasteten
Standorts der richtige Akteur zur Vornahme der noch notwendigen, für den ganzen
Standort koordiniert durchzuführenden Untersuchungen.

2.5 Die Beschwerdeführerin ist in diesem Verfahren zur Mitwirkung und
insbesondere zur Duldung der Untersuchungsmassnahmen auf ihrem Grundstück
verpflichtet. Je nach Untersuchungsergebnis wird sie zudem später die auf sie
entfallenden Kosten nach Art. 32d USG zu übernehmen haben.