Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 136 II 291



Urteilskopf

136 II 291

27. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S.
Schweizer Casino Verband gegen X. und Eidgenössische Spielbankenkommission
(Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_694/2009 vom 20. Mai 2010

Regeste

Art. 106 BV; Art. 1, 2, 3, 4 und 48 SBG; Art. 51 und 60 VSBG; Art. 21 GSV;
Glücksspielcharakter von "Texas Hold'em"-Pokerturnieren.
Die Eidgenössische Spielbankenkommission ist befugt, darüber zu befinden, ob
ein bestimmtes Spiel als Glücksspiel in den Anwendungsbereich des
Spielbankengesetzes oder als Geschicklichkeits- oder Unterhaltungsspiel in den
Zuständigkeitsbereich der Kantone fällt (E. 3).
Bei den umstrittenen "Texas Hold'em"-Pokerturnieren handelt es sich um
"gemischte" Spiele, bei denen nicht erstellt ist, dass der
Geschicklichkeitsfaktor das Zufallselement der Kartenverteilung überwiegt;
entsprechende Turniere können deshalb nach Sinn und Zweck des
Spielbankengesetzes nur in Casinos öffentlich durchgeführt werden (E. 4 und 5).

Sachverhalt ab Seite 292

BGE 136 II 291 S. 292
Am 15. Oktober 2007 ersuchte X. die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK)
darum, gewisse von ihr angebotene Pokerturniere als Geschicklichkeitsspiele zu
qualifizieren, was die ESBK am 6. Dezember 2007 tat. Sie stellte in diesem und
23 weiteren Fällen fest, dass die geplanten "Texas Hold'em"-Turniere "unter
Vorbehalt anderer rechtlicher, insbesondere kantonalrechtlicher, Bestimmungen
und unter Vorbehalt anderer Auflagen" spielbankenrechtlich zulässig seien.
Hiergegen gelangten der Schweizer Casino Verband (SCV) und die Casino Zürichsee
AG an das Bundesverwaltungsgericht, welches am 18. März 2008 ihr Gesuch um
Erlass vorsorglicher Massnahmen abwies, was das Bundesgericht auf Beschwerde
gegen diesen Zwischenentscheid hin am 13. August 2008 als nicht
bundesrechtswidrig bezeichnete (Urteil 2C_309/2008). Am 30. Juni 2009 wies das
Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde in der Sache selber ab. Es begründete
seinen Entscheid im Wesentlichen damit, dass bei mehreren Dutzend gespielten
Händen die Geschicklichkeit des Einzelspielers bei den bewilligten "Texas
Hold'em"-Turnieren derart an Bedeutung gewinne, "dass die Vorinstanz im Rahmen
einer Gesamtwürdigung und des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums ohne
Verletzung von Bundesrecht" davon habe ausgehen dürfen, es handle sich dabei um
ein Geschicklichkeitsspiel, welches nicht in den Geltungsbereich des
Spielbankengesetzes falle. Die Turnierformate böten aufgrund ihrer Struktur den
Spielern genügend Möglichkeiten, "die Auswirkungen von Kartenzuteilungen mit
ungenügendem Erfolgspotential zu umgehen und damit den Glücksfaktor einzudämmen
bzw. zu limitieren".
Das Bundesgericht heisst die vom Schweizer Casino Verband hiergegen
eingereichte Beschwerde gut, hebt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auf
und weist das Gesuch von X. ab.
(Zusammenfassung)

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

3.

3.1 Nach Art. 106 Abs. 1 BV ist die Gesetzgebung über Glücksspiele und
Lotterien Sache des Bundes. Für die Errichtung und den Betrieb einer Spielbank
ist eine Konzession erforderlich, bei deren
BGE 136 II 291 S. 293
Erteilung den "Gefahren des Glücksspiels" Rechnung zu tragen ist (Art. 106 Abs.
2 BV; vgl. das Urteil 2C_61/2008 vom 28. Juli 2008 E. 1 ["Swissmania II"]). Das
Bundesgesetz vom 18. Dezember 1998 über Glücksspiele und Spielbanken
(Spielbankengesetz, SBG; SR 935.52) regelt das Glücksspiel um Geld oder andere
geldwerte Vorteile (Art. 1 Abs. 1 SBG); vorbehalten bleiben die Vorschriften
des Bundesgesetzes betreffend die Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten
(Art. 1 Abs. 2 SBG). Das Spielbankengesetz ist der Grunderlass der
schweizerischen Glücksspielordnung und lex generalis zum Lotteriegesetz (vgl.
BGE 133 II 68 E. 3). Die Eidgenössische Spielbankenkommission hat die
Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu überwachen und die zu deren Vollzug
erforderlichen Verfügungen zu treffen (Art. 48 Abs. 1 SBG). Liegen Verletzungen
des Gesetzes oder sonstige Missstände vor, ordnet sie die Massnahmen an, die
ihr zur Herstellung des ordnungsgemässen Zustands und zur Beseitigung der
Mängel notwendig erscheinen (Art. 50 Abs. 1 SBG). Gestützt auf diese - zur
einheitlichen Durchsetzung des Bundesrechts weit gefasste - Zuständigkeit ist
sie befugt, generell die Unterstellung von Aktivitäten unter das Gesetz zu
prüfen und in diesem Sinn ein "Unterstellungsverfahren" durchzuführen. Da sie
allgemein darüber wachen muss, dass die "gesetzlichen Vorschriften" eingehalten
werden, ist die ihr übertragene Aufsicht nicht auf die Spielbanken beschränkt.
Zu ihrem Aufgabenbereich gehört auch die Abklärung der spielbankenrechtlichen
Relevanz anderer (Glücks-) Spiele, soweit deren Qualifikation umstritten ist
bzw. zu Kontroversen Anlass gibt (Urteile 2A.438/2004 vom 1. Dezember 2004 E.
3.1.1 ["Tactilo/Touchlot"]; 2C_442/2007 vom 19. November 2007 E. 2
["TropicalShop"]).

3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Spielbankenkommission sei nicht
berechtigt gewesen, den umstrittenen Qualifikationsentscheid zu treffen, da der
Verordnungsgeber für sie verbindlich "Poker" als Glücksspiel bewertet habe;
hiervon habe die ESBK nicht abweichen dürfen. Seine Argumentation ist nicht
zwingend: Gemäss Art. 3 Abs. 4 SBG erlässt der Bundesrat nach Anhören der
Kantone Vorschriften über die Abgrenzung zwischen Glücks- und
Geschicklichkeitsspielen. Er legt durch Verordnung fest, welche Spiele die
Spielbanken anbieten dürfen, wobei er die "international gebräuchlichen
Angebote" berücksichtigt (Art. 4 Abs. 2 SBG). Gestützt hierauf hat der
Bundesrat die Verordnung vom 24. September 2004 über Glücksspiele und
Spielbanken (Spielbankenverordnung, VSBG;
BGE 136 II 291 S. 294
SR 935.521) erlassen. Nach deren Art. 46 regelt das Eidgenössische Justiz- und
Polizeidepartement (EJPD), welche Arten von Tischspielen die Spielbanken
anbieten dürfen; es bestimmt zudem die für die Durchführung von
Glücksspielturnieren in Spielbanken geltenden Bedingungen (Art. 51 VSBG). Zwar
sieht Art. 21 Abs. 1 der Verordnung des EJPD vom 24. September 2004 über
Überwachungssysteme und Glücksspiele (Glücksspielverordnung, GSV; SR 935.
521.21) vor, dass die Spielbanken "Poker" (lit. g) bzw. "Casino Stud Poker"
(lit. h) als "Tischspiele" anbieten dürfen; hieraus kann aber nicht geschlossen
werden, dass sämtliche Formen von Poker notwendigerweise als Glücksspiele
gelten müssen. Nach Art. 60 VSBG kann die Spielbankenkommission, falls Zweifel
bestehen, auf Antrag oder von sich aus entscheiden, ob ein nicht
automatisiertes Spiel als Geschicklichkeits- oder als Glücksspiel zu
qualifizieren ist. Diese Regelung steht auf der gleichen Rechtssatzstufe wie
die Delegationsnorm von Art. 46 VSBG, wonach das Departement regelt, welche
Arten von Tischspielen in den Spielbanken angeboten werden dürfen.
Formellgesetzlich stützt sie sich direkt auf Art. 3 Abs. 4 SBG, welcher die
Abgrenzung von Glücks- und Geschicklichkeitsspielen betrifft, und nicht wie
Art. 46 VSBG lediglich auf Art. 4 Abs. 2 SBG, der als Grundlage dient, das
zulässige Spielangebot in Casinos zu bezeichnen.

3.3 Art. 21 Abs. 1 GSV steht einem Unterstellungsverfahren durch die
Spielbankenkommission in Bezug auf gewisse Unterformen der dort genannten
Glücksspiele deshalb nicht entgegen. Dies ergibt sich auch aus Art. 21 Abs. 2
GSV, der vorsieht, dass die Einführung von Varianten der in Absatz 1 genannten
Spiele der Genehmigung der Kommission bedarf, was deren Rolle bei der
Abgrenzung von Glücks- und Geschicklichkeitsspielen unterstreicht. Die ESBK ist
als mit Fachleuten besetzte Aufsichtsbehörde zuständig, im Rahmen der
Gesetzgebung darüber zu befinden, ob und unter welchen Bedingungen ein
bestimmtes Spiel als Glücksspiel in den Anwendungsbereich des
Spielbankengesetzes oder als Geschicklichkeits- oder Unterhaltungsspiel bzw.
-gewerbe in den (subsidiären) Zuständigkeitsbereich der Kantone fällt. Sie ist
als Fachbehörde operativ für den Vollzug des Spielbankengesetzes verantwortlich
(Art. 48 ff. SBG; BBl 1997 III 145, 161 Ziff. 153.5). Der Gesetzgeber hat
bewusst darauf verzichtet, die entsprechenden Aufgaben der Verwaltung zu
übertragen. Der Grundauftrag der Kommission sei "sehr weit gefasst", wobei ihr
die Kompetenz erteilt werde, "die zum
BGE 136 II 291 S. 295
Vollzug des Gesetzes notwendigen Verfügungen zu erlassen". Die Kommission müsse
- so der Bundesrat - unabhängig arbeiten können, andernfalls sie in
"schwierigen und heiklen Situationen kaum in der Lage sein" werde, "neutral und
unabhängig auch unpopuläre Entscheide zu fällen, die für das Durchsetzen des
vorliegenden Gesetzes mitunter erforderlich sein werden und die gegebenenfalls
regionalwirtschaftliche und andere Interessen tangieren" könnten (vgl. BBl 1997
III 187 Ziff. 24). Die Qualifikation von Poker als in Casinos zulässiges
Glücksspiel durch den Verordnungsgeber beschränkt die Vollzugskompetenzen der
ESBK somit nicht; sie ist jedoch inhaltlich beim Qualifikationsentscheid selber
zu berücksichtigen (vgl. unten E. 5.3).

4. Glücksspiele sind Spiele, bei denen gegen Leistung eines Einsatzes ein
Geldgewinn oder ein anderer geldwerter Vorteil in Aussicht steht, der ganz oder
überwiegend vom Zufall abhängt (Art. 3 Abs. 1 SBG). Glücksspielautomaten sind
Geräte, die ein Glücksspiel anbieten, das im Wesentlichen automatisch abläuft
(Art. 3 Abs. 2 SBG). Geschicklichkeitsspielautomaten sind Geräte, die ein
Geschicklichkeitsspiel anbieten, das im Wesentlichen automatisch abläuft und
dessen Gewinn von der Geschicklichkeit des Spielers abhängt (Art. 3 Abs. 3
SBG). Das Spielbankengesetz bezweckt einen sicheren und transparenten
Spielbetrieb (Art. 2 Abs. 1 lit. a SBG). Es will zudem die Kriminalität und die
Geldwäscherei in oder durch Spielbanken verhindern (Art. 2 Abs. 1 lit. b SBG)
und den sozialschädlichen Auswirkungen des Spielbetriebs vorbeugen (Art. 2 Abs.
1 lit. c SBG). Gemäss der Botschaft zum Spielbankengesetz geht es darum, "das
Glücksspiel um Geld oder andere vermögenswerte Vorteile insgesamt zu erfassen
und es - unter Vorbehalt der Vorschriften des Lotteriegesetzes - grundsätzlich
auf konzessionierte Spielbanken zu konzentrieren" bzw. "sozial schädliche
Auswirkungen des Spielbetriebs nach Möglichkeit zu verhüten; u.a. durch
frühzeitige Erfassung gefährdeter Spieler und deren Fernhaltung vom
Spielbetrieb sowie durch ein Verbot aufdringlicher Werbung für Spielbanken"
(BBl 1997 III 156 f. Ziff. 152). Glücksspiele dürfen deshalb nur in
konzessionierten Spielbanken angeboten werden (Art. 4 Abs. 1 SBG), womit - so
der Bundesrat - das Glücksspiel um Geld oder andere vermögenswerte Vorteile "in
die konzessionierten Spielbanken gezwungen" werde. Das gelegentliche
Glücksspiel um Geld oder vermögenswerte Vorteile "im Familien- und
Freundeskreis" fällt nicht unter das Gesetz (BBl 1997 III 170 Ziff. 22; vgl.
auch die Antwort
BGE 136 II 291 S. 296
des Bundesrats auf die im Nationalrat am 3. März 2010 mit 94 gegen 76 Stimmen
angenommene Motion Reimann "Entkriminalisierung des privaten Pokerspiels"
[8.3060]).

5.

5.1 Die von den Vorinstanzen als überwiegend durch Geschicklichkeit geprägt
beurteilten Turniere sehen in verschiedenen Formen "Texas Hold'em (No-Limit)
"-Spiele mit mindestens 22 und maximal 77 Spielern vor, wobei kein "Rebuy/Add
on" möglich ist ("Freeze out"), d.h. während des Turniers keine neuen Chips
gekauft werden können. Für eine Summe von Fr. 110.- bis Fr. 550.- (Buy-In)
erhält der einzelne Spieler 1'000 bzw. 2'000 Chips, mit denen er pokert. "Texas
Hold'em" wird mit 52 Karten gespielt, wobei es darum geht, mit zwei eigenen
(Hole Cards) und fünf nach und nach aufgedeckten gemeinschaftlichen Karten
(Board Cards) die beste Hand (Pokerblatt) zu bilden. Vor und während des
Aufdeckens der Karten wird jeweils gesetzt: Bei den sog. "Blinds" handelt es
sich um Einsätze, welche die ersten beiden Spieler links vom Geber (Dealer) in
jedem Fall zahlen müssen, bevor die Karten verteilt werden. Üblicherweise
zahlen die Spieler links vom Geber den "Small Blind" und den "Big Blind", wobei
der Einsatz des "Small Blinds" in der Regel der Hälfte des Einsatzes des "Big
Blinds" entspricht; beide steigen je nach Spiellevel zusehends an. Nachdem die
Mindesteinsätze auf dem Tisch liegen, erhalten alle Spieler vom Dealer ihre
zwei Karten. Je nachdem, wie die folgenden Spieler das Erfolgspotential ihrer
Karten und das Verhalten der Mitspieler einschätzen, können sie entweder
aussteigen ("fold"), mitgehen ("call") oder erhöhen ("raise"). Die 1. Setzrunde
("pre-flop betting round") ist beendet, wenn alle Mitspieler mindestens die
gleiche Menge Chips gesetzt oder den Ausstieg erklärt haben. Anschliessend
werden auf dem Tisch drei Karten offen ausgelegt ("Flop"), worauf eine weitere
Setzrunde folgt ("flop betting round"). Der Dealer legt eine vierte Karte offen
("Turn"), gefolgt von einer weiteren Setzrunde ("turn betting round"). Nun wird
die letzte und fünfte Gemeinschaftskarte aufgedeckt ("River"), worauf die noch
im Spiele stehenden Beteiligten erneut setzen ("river betting round").
Unmittelbar nach dem Ende dieser letzten Setzrunde werden die Karten aufgedeckt
und sämtliche gesetzten Chips ("Pot") gehen an den Spieler mit dem besten Blatt
von 5 Karten, welches aus den zwei eigenen und den fünf aufgedeckten Karten
gebildet werden kann. Ist vor dem "Showdown" nur noch ein Spieler übrig (alle
andern haben gepasst:
BGE 136 II 291 S. 297
"gefoldet"), gewinnt dieser den Pot, ohne dass er seine Karten offenlegen muss.
Beim Turnierspiel beginnt hierauf der nächste Durchgang, verliert ein Spieler
alle seine Chips, scheidet er aus dem Turnier aus. Aus der umgekehrten
Reihenfolge des Ausscheidens ergibt sich die Turnierliste. Die Gewinner teilen
sich die aus den Buy-Ins gebildete Geldsumme in einem nach der Teilnehmerzahl
abgestuften System auf.

5.2

5.2.1 Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, es handle sich dabei um ein
Spiel, das nicht ganz oder überwiegend vom Zufall abhänge, sondern weitgehend
durch die Geschicklichkeit des Spielers geprägt werde. Diese Einschätzung
überzeugt nicht: Die ESBK und das Bundesverwaltungsgericht haben sich bei ihrer
Beurteilung auf verschiedene Abgrenzungskriterien gestützt (Gewinnmöglichkeiten
bei Blindspiel, Lerneffekt, Unterhaltungswert usw.), welche das Bundesgericht
in seiner Praxis zu den automatisierten Spielen entwickelt hat; diese eignen
sich indessen nur beschränkt für die Abgrenzung von Tischspielen und tragen dem
Sinn und Zweck der Spielbankengesetzgebung in diesem Zusammenhang zu wenig
Rechnung. Das Pokern wird im Wesentlichen durch die Verteilung der Karten und
das auf nur beschränkten Kenntnissen (eigene und aufgedeckte Karten, allenfalls
Bluff) beruhende Setzverhalten der Gegenspieler, d.h. durch kaum
kontrollierbare, zufallsabhängige Faktoren bestimmt. Richtig ist, wie dies die
Vorinstanzen unterstrichen haben, dass Kenntnisse und Fertigkeiten des Spielers
den Ausgang mitbeeinflussen und dass ein einzelnes Turnier gesamthaft als Spiel
zu gelten hat, da die geldwerte Leistung zu dessen Beginn bezahlt wird und erst
nach Abschluss des Turniers feststeht, wer sich letztlich für einen der
Gewinnplätze qualifiziert. Zwar kann ein Spieler mit Taktik, mathematischen
Fähigkeiten, einem guten Gedächtnis, Konzentrationsfähigkeit, Lernfähigkeit,
schauspielerischem Talent, psychologischem Geschick und einer klugen
Risikoeinschätzung das Spiel in einem gewissen Mass zu seinen Gunsten
beeinflussen, doch bestehen keine definitiven Daten dazu, in welchem Umfang
diese Elemente tatsächlich den für den Spielausgang wesentlichen Zufall
überwiegen. Die Abklärungen und Testspiele der ESBK weisen nur darauf hin, dass
bei "Texas Hold'em"-Pokerturnieren nicht ausschliesslich Glück im Spiel ist,
sondern auch der Eignung und Fähigkeit sowie der Erfahrung der einzelnen
Spieler eine gewisse Bedeutung zukommt. Die Testserien der
Spielbankenkommission und ihre Hypothesen
BGE 136 II 291 S. 298
vermögen jedoch nicht zu belegen, dass diese Umstände das Zufallselement
überwiegen.

5.2.2 In Deutschland werden bei einer ähnlichen gesetzlichen Definition wie in
der Schweiz (vgl. MARTIN BAHR, Glücks- und Gewinnspielrecht, Berlin 2007, S. 37
ff.) Pokerturniere der vorliegenden Art mehrheitlich als Glücksspiele
qualifiziert (vgl. MARK HARLAN, Texas Hold'em für Dummies, 2007, S. 39 f.), da
diese generell zufallsbezogen seien: Trotz der dem Pokerspiel eigenen
Möglichkeit, den Ausgang des Spiels durch geschicktes Taktieren zu
beeinflussen, hänge das Spiel nach wie vor davon ab, ob die zufällig erhaltenen
Karten geeignet seien, eine gewinnträchtige Pokerhand zu bilden. Der weitere
Spielverlauf werde dadurch bestimmt, dass jeder Mitspieler nur die eigenen und
- in der Variante "Texas Hold'em" - die aufgedeckten Gemeinschaftskarten kenne.
Dabei handle es sich insgesamt um so wenige Elemente, dass zuverlässige
Vorhersagen über die Qualität der Karten der Mitspieler bloss sehr beschränkt
möglich seien. Der Reiz des Spiels bestehe darin, aus dem Verhalten der übrigen
Beteiligten, insbesondere ihren Einsätzen, Vermutungen über die Qualität ihrer
Karten anzustellen, deren Richtigkeit weitere Zufallselemente beinhalte. Der
Erfolg eines Bluffs hänge massgeblich von den Reaktionen der Mitspieler und
damit ebenfalls vom Zufall ab. Dass mathematische Kenntnisse
(Wahrscheinlichkeitsrechnungen), strategisches Geschick und psychologische
Fähigkeiten für den Erfolg von Nutzen seien, ändere nichts daran, dass die
vorhandenen Zufallselemente die Fähigkeiten und Erfahrungen eines
Durchschnittsspielers für den Erfolg überwögen (statt vieler: Beschluss des OVG
Lüneburg vom 10. August 2009 im Verfahren 11 [ME 67/09 S. 4]; Beschluss des OVG
Berlin-Brandenburg vom 20. April 2009 [1 S 203.08] Rz. 7; Beschluss
Oberlandesgericht NRW vom 10. Juni 2008 [4 B 606/08] Rz. 15; abweichend: Urteil
des Landgerichts Karlsruhe vom 9. Januar 2009 [Ns 97 14968/07, 18 AK 127/08]).
Trotz teilweise kritischer Würdigung dieser Rechtsprechung in der Literatur
(HAMBACH/HETTICH/KRUIS, Verabschiedet sich Poker aus dem Glücksspielrecht?, in:
Medien und Recht, Internationale Edition, 2/2009 S. 41 ff. mit weiteren
Hinweisen; BERND HOLZNAGEL, Poker - Glücks- oder Geschicklichkeitsspiel?, in:
MultiMedia und Recht [MMR] 7/2008 S. 439 ff.; die Praxis eher verteidigend:
MEYER/HAYER, Poker - Glücksspiel mit Geschicklichkeitsanteil und
Suchtpotential, in: Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht [ZfWG] 2008 S.
153 ff., dort S. 160) hat die ESBK diese Überlegungen durch
BGE 136 II 291 S. 299
ihre nicht wissenschaftlich durchgeführte Testspielreihe nicht zu entkräften
vermocht.

5.2.3 Zum gleichen Resultat wie die deutschen Gerichte ist gestützt auf ein
Fachgutachten auch der österreichische Verwaltungsgerichtshof gekommen: Die
Wahrscheinlichkeit, eine gewünschte bzw. erhoffte Kombination von zwei bzw.
fünf Karten zu erhalten, sei enorm klein. Auf der Basis dieser (geringen)
Wahrscheinlichkeiten seien die Einschätzungen über die (verdeckten) Karten der
Mitspieler vorzunehmen, weshalb bei "Texas Hold'em" der Zufallsfaktor
überwiege. Auch wenn ein Spieler allenfalls durch Bluffen selbst bei schlechten
Karten ein günstiges Spielergebnis erzielen könne und er seine spieltechnischen
Entscheidungen nicht nur von den mathematischen Wahrscheinlichkeiten abhängig
mache, welches Blatt seine Mitspieler durch die offen zugeteilten Karten haben
könnten, sondern sich auch von deren Verhalten während des Spiels leiten lasse,
stehe der Charakter als Glücksspiel doch im Vordergrund. Denn bei der "von der
Sachverständigen dargestellten ausgesprochen kleinen Wahrscheinlichkeit
hinsichtlich bestimmter Kombinationen entscheide letztlich tatsächlich
vorwiegend der Zufall in Form der den Mitspielern zugeteilten Karten über den
Ausgang des Spiels" (Urteil vom 8. September 2005 [2000/17/0201], Ziff. 2.3 S.
5 f.). Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Praxis jüngst bestätigt (Urteil vom
20. Oktober 2009 [2008/05/0045] S. 2).

5.3

5.3.1 Der Entscheid der Vorinstanzen unterschätzt die Bedeutung von Sinn und
Zweck der Spielbankengesetzgebung bei deren Auslegung: Poker bezeichnet
traditionellerweise eine Familie von Glücksspielen, die normalerweise mit
Pokerkarten des angloamerikanischen Blatts zu 52 Karten gespielt wird. Von
diesem klassischen Verständnis ist der Gesetzgeber ausgegangen, als er den
Bundesrat beauftragte, bei der Bestimmung der in den Casinos zulässigen
Glücksspiele, die diesbezüglich "international gebräuchlichen Angebote zu
berücksichtigen" (Art. 4 Abs. 2 SBG). Das EJPD hat dies in Art. 21 GSV getan,
wenn es dort das Pokerspiel als den Spielbanken gestattetes Tischspiel
bezeichnete. Dies schliesst für gewisse Spielformen eine andere Einschätzung
durch die Spielbankenkommission zwar nicht zwingend aus, doch muss sich diese
auf eine sichere Datenbasis stützen können, die es nahelegt, dass mit ihrem
entsprechenden (negativen) Qualifikationsentscheid die vom Gesetzgeber mit der
bundesrechtlichen Spielbankenregelung bezweckten
BGE 136 II 291 S. 300
Ziele nicht oder zumindest nicht grundlegend in Frage gestellt werden. Nur
soweit diese nicht oder nicht wesentlich gefährdet erscheinen, so dass die
subsidiären kantonalen Polizeikompetenzen zum Schutz der öffentlichen
Interessen genügen, kann - in Abweichung von einer historischen bzw.
teleologisch-systematischen - eine den neuen Umständen angepasste
geltungszeitliche Auslegung von Art. 3 Abs. 1 SBG überhaupt in Betracht fallen.

5.3.2 Aus der bundesrätlichen Botschaft - welche im Parlament diesbezüglich
unbestritten blieb - ergibt sich, dass im Rahmen der Bundeskompetenz das
Glücksspiel um Geld oder andere vermögenswerte Vorteile "insgesamt" erfasst und
auf die konzessionierten Spielbanken "konzentriert" werden sollte. Damit wollte
der Gesetzgeber einen sicheren, überwachten Spielbetrieb gewährleisten, die
organisierte Kriminalität und die Geldwäscherei im Umfeld von Geldspielen
verhindern und sozial schädlichen Auswirkungen des Spielbetriebs nach
Möglichkeit vorbeugen. Mit der Übertragung der Kompetenzen einer bestimmten
Form von Poker auf die Kantone würden diese Vorgaben praktisch vereitelt und
die Kantone verpflichtet, in Abweichung vom SBG eigene fachkundige
Bewilligungs- und Überwachungsstrukturen aufzubauen oder das öffentliche
Anbieten entsprechender Geldturniere ausserhalb von Casinos ganz zu verbieten.
Die durch das Spielbankengesetz im öffentlichen Interesse angestrebte
Vereinheitlichung und Bereinigung der Glücksspiellandschaft auf Ebene des
Bundes würde dadurch - im schlimmsten Fall - zugunsten von 26 kantonalen
Regelungen rückgängig gemacht. Zu Recht weist der Beschwerdeführer darauf hin,
dass der Gesetzgeber im Gegensatz hierzu die Rahmenbedingungen des
Geldspielmarktes vielmehr gerade so setzen wollte, "dass für alle Beteiligten
stabile und berechenbare Verhältnisse entstehen und die Schutzziele des
Gesetzes optimal erreicht werden können" (so BBl 1997 III 157 Ziff. 152). Die
von der ESBK mit ihrer Praxis vorgenommene Öffnung ist hiermit unvereinbar: Die
Einstufung von gewissen Pokerformen als Geschicklichkeitsspiel ohne klare
wissenschaftliche Grundlage bzw. ohne einen (neuen) gesetzgeberischen Entscheid
führt zu einer unkontrollierten Öffnung des Marktes für private Anbieter von
öffentlichen Geldspielen und einer Zunahme der Spielanreize ausserhalb des
kontrollierten und bundesrechtlich regulierten Rahmens.

5.3.3 Richtig ist, dass sich die Frage, wann der gegen Leistung eines Einsatzes
in Aussicht gestellte Geldgewinn oder andere
BGE 136 II 291 S. 301
geldwerte Vorteil ganz oder überwiegend vom Zufall und wann in hinreichendem
Masse von der Geschicklichkeit eines Spielers abhängt, nicht aufgrund eines
einzigen Kriteriums entscheiden lässt und die Einschätzung auf einer
Gesamtwürdigung beruhen muss. Eine scharfe Trennung zwischen Glücks- und
Geschicklichkeitsspiel ist meist nicht möglich, da der Ausgang eines Spiels
bzw. der Entscheid über den Geldgewinn regelmässig von verschiedenen, durch den
Spieler in unterschiedlichem Masse beeinflussbaren Faktoren abhängt (BGE 131 II
680 E. 5.2.1 "Gemischte Spiele"). Im vorliegenden Zusammenhang haben die
Vorinstanzen in Anlehnung an die Kriterien zur Abgrenzung von Spielautomaten
zwar zahlreiche Aspekte geprüft, indessen gerade das gesetzlich vorgegebene
Hauptkriterium zu wenig gewichtet: Nach Art. 60 Abs. 2 VSBG soll die Kommission
bei ihrem Entscheid über die Natur des nicht automatisierten Spiels darauf
abstellen, "ob sich ein Spiel zum Glücksspiel eignet oder leicht zum
Glücksspiel verwenden lässt". Dies ist im Lichte der Schutzzwecke des
Spielbankengesetzes beim öffentlichen Anbieten von "Texas Hold'em"-Turnieren
der Fall, auch wenn bei der Turnierform ohne "Rebuy" der Geschicklichkeit eine
grössere Bedeutung zukommen mag als bei den "Cash Games". In der Literatur wird
aufgrund allgemeinpsychologischer Phänomene wie "Kontrollillusion" und
"flexibler Attribution von Gewinn- und Verlusterlebnissen" in Verbindung mit
der Detailanalyse des Spielablaufs angenommen, dass Poker auch in der
Turnierform als ein Glücksspiel (mit Geschicklichkeitsanteilen) anzusehen sei;
die verfügbaren Befunde wiesen zudem darauf hin, dass vom Pokerspiel
grundsätzlich erhebliche Suchtgefahren ausgingen. Auch wenn das Suchtpotential
von öffentlich zugänglichen Pokerturnieren mit Einsatz- und
Gewinnbeschränkungen für sich genommen als "gering" eingestuft werden könne,
führe es doch gewisse Zielgruppen "unter dem Deckmantel eines harmlosen
Freizeitvergnügens" an das (unkontrollierte) Pokerspiel heran, weshalb die
"Erkenntnisse für die Notwendigkeit einer transparenten Regulierung des
Pokermarktes" sprächen (so MEYER/ HAYER, a.a.O., S. 160). Mit dem Entscheid der
ESBK wird ein transparent regulierter Pokermarkt vereitelt, ohne dass hierfür
ein hinreichender sachlicher Grund spräche.

5.3.4 Entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein solcher
nicht im "Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit" und dem Argument gesehen
werden, dass nicht alle Spiele, die sozialschädliche Auswirkungen haben
könnten, automatisch als
BGE 136 II 291 S. 302
Glücksspiele qualifiziert werden dürften: Sinn und Zweck der gesetzlichen
Regelung sind bei jeder Auslegung von grundlegender Bedeutung und müssen bei
den offenen Formulierungen zur Abgrenzung von Glücks- und
Geschicklichkeitsspielen vorab berücksichtigt werden - dies gilt umso mehr,
wenn wie hier eine Form eines international als Glücksspiel bekannten
Tischspiels aus der Bundesaufsicht entlassen werden soll, wobei mangels
effizienter Kontrollmöglichkeiten eine relativ grosse Gefahr besteht, dass in
leichter Abweichung von dem von der ESBK vorgegebenen Spielrahmen ausserhalb
von Casinos im Glücksspielbereich gepokert wird. Die Begründung des
Bundesverwaltungsgerichts überzeugt auch insofern nicht, als es darauf
hinweist, dass die ESBK den Aspekten des Sozialschutzes durch "strenge
technische Kriterien" Rechnung getragen habe. Die entsprechenden Vorgaben sind
ohne Fachstrukturen durch die Kantone nicht sinnvoll kontrollierbar, was dafür
spricht, nicht einzelne Spielformen eines Glücksspiels ohne Not aus dem
bundesgesetzlichen Schutzdispositiv zu lösen und dessen Wirksamkeit durch nur
schwer praktikable Abgrenzungskriterien zu belasten. Letztlich zweifelt auch
die Vorinstanz an der Richtigkeit ihres Entscheids, wenn sie ausführt, dass
Turnierformate der vorliegenden Art mit Buy-Ins bis zu Fr. 500.- unter dem
Aspekt des Sozialschutzes, um den es gehe, "nicht als alarmierend" erschienen,
dies aber anders sein könnte, "wenn die Pokerturnierveranstalter Spiele
mehrmals pro Woche anböten", was inzwischen - auch mit Blick auf die Anzahl der
bereits ergangenen Qualifikationsverfügungen - der Fall ist. Die Argumentation
übersieht zudem, dass der Sozialschutz nur eines der vom Gesetzgeber
angestrebten Ziele war; das Glücksspiel soll unter fairen, kontrollierten und
überprüfbaren Bedingungen (Manipulation von Karten, Täuschungen,
Kriminalitätsbekämpfung usw.) betrieben und die Geldwäscherei bekämpft werden.
Wenig überzeugend erscheint der angefochtene Entscheid auch insofern, als er
ausdrücklich vorsieht, dass die Vorinstanz ihre Checkliste im Hinblick auf
künftige Qualifikationsentscheide überarbeiten und ihre Praxis gegebenenfalls
regelmässig überprüfen müsse; dies führt notwendigerweise zu
Rechtsungleichheiten und Rechtsunsicherheiten, die durch den Erlass des
Spielbankengesetzes gerade verhindert werden sollten. Der Verweis auf
Jassturniere, die ebenfalls als Glücksspiele gelten müssten, weil bei der
Kartenzuteilung "eine gewisse Glückskomponente" bestehe, geht insofern an der
Sache vorbei, als die Geschicklichkeit das Glück überwiegen muss, d.h. nicht
jede
BGE 136 II 291 S. 303
Zufallskomponente ein Spiel automatisch zum Glücksspiel macht, und bei der
Bezeichnung der Glücksspiele auch auf das begriffliche Vorverständnis des
Gesetzgebers zurückgegriffen werden darf. Nicht öffentliche Pokerturniere von
"Texas Hold'em" um Geld oder eine geldwerte Leistung im Freundes- oder
Familienkreis sind ebenso zulässig wie entsprechende Jassturniere; nur im
Rahmen von Casinos kann jedoch gewerblich bzw. öffentlich gepokert werden.

6.

6.1 Die Beschwerde ist somit gutzuheissen, der angefochtene Entscheid, weil
bundesrechtswidrig, aufzuheben und das von der Beschwerdegegnerin an die ESBK
gerichtete Gesuch abzuweisen. Wie das Bundesgericht bereits in seinem Urteil
vom 13. August 2008 festgestellt hat, haben alle Organisatoren von "Texas
Hold'em"-Pokerturnieren diese auf "eigenes Risiko" hin lanciert. Sollten sich
gestützt darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht keine vorsorglichen
Massnahmen getroffen und die ESBK weitere mit dem vorliegenden Urteil
unvereinbare Feststellungsverfügungen erlassen hat, bereits gewisse öffentliche
Spielstrukturen herausgebildet haben (professionelle Organisation von
Turnieren, Gründung von Gesellschaften, Investitionen usw.), müssen diese - wie
damals als Konsequenz einer allfälligen Gutheissung der Beschwerde in Aussicht
gestellt - rückgängig gemacht werden (Urteil 2C_309/2008 vom 13. August 2008 E.
5.3.4).