Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 136 II 281



Urteilskopf

136 II 281

26. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Eheleute
A. und Mitb. gegen I. AG, Baudirektion und Regierungsrat des Kantons Zug
(Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_212/2009 / 1C_214/2009 vom 2. Juni 2010

Regeste

Art. 89 Abs. 1 und Art. 111 Abs. 1 BGG; Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG; Art. 11 Abs.
2 USG; Beschwerde- und Einspracheberechtigung von Anwohnern einer Deponie.
Personen, die an der Zufahrtsstrasse zur Deponie wohnen und den zusätzlichen
Lastwagenverkehr deutlich wahrnehmen können, sind befugt, Rechtsmittel gegen
das Vorhaben zu ergreifen. Gestützt auf das Vorsorgeprinzip ist eine
Erschliessungsachse zu wählen, die unter den Gesichtspunkten der Lärm- und
Luftbelastung, der Verkehrssicherheit und der Rücksichtnahme auf bestehende
Siedlungen zu möglichst wenig Beeinträchtigungen führt (E. 2.5.3). Der
zusätzliche Lastwagenverkehr verändert die Verkehrszusammensetzung und ist
deutlich wahrnehmbar, auch wenn sich der Beurteilungspegel rein rechnerisch um
weniger als 1 dB(A) erhöht (E. 2.5.4).

Sachverhalt ab Seite 282

BGE 136 II 281 S. 282
Die I. AG beabsichtigt, im Gebiet Stockeri, Gemeinde Risch, eine Deponie für
unverschmutztes Aushubmaterial zu errichten und zu betreiben. Zusammen mit
einem Zonierungsgesuch reichte sie beim Kanton Zug ein Gesuch um Erteilung der
Errichtungsbewilligung ein. Der Deponiebetrieb ist für eine Dauer von ca. acht
Jahren vorgesehen. Die Ablagerung soll etappenweise erfolgen. Nach Abschluss
der Deponiearbeiten soll die Fläche rekultiviert, ökologisch aufgewertet und
landwirtschaftlich genutzt werden. Die von der Deponie beanspruchte Fläche
liegt in der Landwirtschaftszone, welche von einer Landschaftsschutzzone
überlagert wird. Im kantonalen Richtplan des Jahres 2004 wurde im Gebiet
Stockeri ein Standort für eine Inertstoffdeponie (Aushubmaterial/Inertstoffe)
mit einem Volumen von 700'000 m^3 festgesetzt. Der Deponiestandort befindet
sich im BLN-Objekt 1309 "Zugersee" (vgl. Verordnung vom 10. August 1977 über
das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung
[VBLN; SR 451.11]).
Während der öffentlichen Auflage des Nutzungsplanungs- und Bewilligungsprojekts
gingen 121 Einsprachen ein.
Mit Verfügung vom 30. September 2008 erteilte die Baudirektion des Kantons Zug
die Errichtungsbewilligung für die Inertstoffdeponie. Die Bewilligung steht
unter dem Vorbehalt der Rechtskraft der kantonalen Nutzungszone "Stockeri" und
enthält verschiedene Auflagen und Bedingungen. Auf die Einsprachen "aus dem
Raum Buonas, Risch und Seefeld (Gemeinde Risch)" trat die Baudirektion "wegen
fehlendem Berührtsein und fehlendem schutzwürdigen Interesse" nicht ein.
BGE 136 II 281 S. 283
Mit Beschluss vom 30. September 2008 erliess der Regierungsrat des Kantons Zug
die kantonale Nutzungszone für Abfallanlagen "Stockeri". Er stellte fest, dass
die geplante Deponie umweltverträglich sei. Auf zahlreiche Einsprachen aus dem
Raum Buonas, Risch und Seefeld (Gemeinde Risch) trat er nicht ein. In
Gutheissung von Einsprachen aus dem Raum Meierskappel sowie der Einsprache des
Gemeinderats Meierskappel wies er die Baudirektion an, die
Errichtungsbewilligung mit einer Auflage zu versehen, die Erschliessung der
Deponie ohne Inanspruchnahme der Lendiswilerstrasse in der Gemeinde
Meierskappel festzulegen. Dieser Zonierungsbeschluss wurde gleichzeitig mit der
von der Baudirektion erteilten Deponiebewilligung eröffnet.
Gegen die Errichtungsbewilligung für die Deponie "Stockeri" und gegen die
kantonale Nutzungszone für Abfallanlagen "Stockeri" erhoben unter anderem acht
Personen bzw. Eheleute aus Risch Beschwerde beim Verwaltungsbericht des Kantons
Zug. Mit Urteil vom 31. März 2009 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerden
ab. Die Vorinstanzen hätten die Einspracheberechtigung der Beschwerdeführenden
zu Recht verneint.
Gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts führen mehrere Personen aus der
Gemeinde Risch beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten. Sie reichten zwei weitgehend identische Beschwerdeschriften
ein und beantragen, es sei festzustellen, dass sie einsprache- und
beschwerdelegitimiert seien. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 31. März
2009 sei aufzuheben.
Am 3. Mai 2010 führte eine Delegation des Bundesgerichts einen Augenschein bei
der geplanten Deponie durch.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
(Zusammenfassung)

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Gemäss Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG (SR 700) gewährleistet das kantonale Recht
gegen Nutzungspläne und raumplanerische Verfügungen (z.B. Baubewilligungen
gemäss Art. 22 RPG) die Legitimation mindestens im gleichen Umfang wie für die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht.
Ferner schreibt Art. 111 BGG die Einheit des Verfahrens vor: Wer zur
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Beschwerde an das Bundesgericht berechtigt ist, muss sich am Verfahren vor
allen kantonalen Vorinstanzen als Partei beteiligen können (Art. 111 Abs. 1
BGG); die unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts muss grundsätzlich
mindestens die Rügen nach den Art. 95-98 BGG prüfen können (Art. 111 Abs. 3
BGG). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die kantonalen Behörden die
Rechtsmittelbefugnis nicht enger fassen dürfen, als dies für die Beschwerde an
das Bundesgericht vorgesehen ist (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_379/2008
vom 12. Januar 2009 E. 3.2 mit Hinweisen). Zur Beurteilung, ob das
Verwaltungsgericht die Beschwerdeführer vom Rechtsmittel ausschliessen durfte,
ist im vorliegenden Fall die Beschwerdeberechtigung nach den Grundsätzen von
Art. 89 Abs. 1 BGG, welche mit denjenigen des bisherigen Art. 103 lit. a OG
übereinstimmen, zu prüfen. Sind die Beschwerdeführer befugt, gegen einen
Sachentscheid über das umstrittene Vorhaben beim Bundesgericht Beschwerde zu
führen, so müssen die Vorinstanzen auf ihr Rechtsmittel eintreten, soweit die
übrigen formellen Voraussetzungen erfüllt sind.

2.2 Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist nach Art. 89
Abs. 1 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat
oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a), durch den
angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist (lit. b) und ein
schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (lit. c).
Verlangt ist somit neben der formellen Beschwer, dass der Beschwerdeführer über
eine spezifische Beziehungsnähe zur Streitsache verfügt und einen praktischen
Nutzen aus der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids zieht. Die
Nähe der Beziehung zum Streitgegenstand muss bei Bauprojekten insbesondere in
räumlicher Hinsicht gegeben sein. Ein schutzwürdiges Interesse liegt vor, wenn
die tatsächliche oder rechtliche Situation des Beschwerdeführers durch den
Ausgang des Verfahrens beeinflusst werden kann (vgl. Botschaft vom 28. Februar
2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4236 Ziff. 2.3.1.2).
Die Voraussetzungen von Art. 89 Abs. 1 lit. b und c BGG hängen eng zusammen.
Insgesamt kann insoweit an die Grundsätze, die zur Legitimationspraxis bei der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Art. 103 lit. a OG entwickelt worden sind,
angeknüpft werden (BGE 133 II 400 E. 2.2 S. 404 f. mit Hinweisen).

2.3 Die Behauptung allein, jemand sei von den Folgen einer Baubewilligung
betroffen, genügt nicht, um die Beschwerdebefugnis zu begründen. Vielmehr muss
aufgrund des konkreten Sachverhalts das
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besondere Berührtsein und das schutzwürdige Interesse glaubhaft erscheinen.

2.3.1 Ein Kriterium für die Beurteilung der Beschwerdebefugnis ist die
räumliche Distanz des Nachbarn zum umstrittenen Bauvorhaben, wobei es nicht auf
abstrakt bestimmte Distanzwerte ankommt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_133/
2008 vom 6. Juni 2008 E. 2.4 mit Hinweisen). Das Beschwerderecht wird in der
Regel anerkannt, wenn der Bau oder Betrieb einer projektierten Anlage mit
Sicherheit oder grosser Wahrscheinlichkeit zu Immissionen führt und der
Beschwerdeführer durch diese - seien es Lärm-, Staub-, Erschütterungs-, Licht-
oder andere Einwirkungen - betroffen wird. Sind solche Beeinträchtigungen zu
erwarten, ändert auch der Umstand, dass eine grosse Anzahl von Personen
betroffen ist, nichts an der Beschwerdebefugnis. So hat das Bundesgericht schon
erkannt, dass bei grossflächigen Immissionen ein sehr weiter Kreis Betroffener
zur Beschwerdeführung legitimiert sein kann, zum Beispiel die Anwohner eines
Flughafens einschliesslich jener, die in der Verlängerung der Flugpisten wohnen
(d.h. im Bereich der An- und Abflugschneisen; BGE 125 II 293 E. 3a S. 303 f.),
oder all jene Personen, die von Schiesslärm betroffen sind, wenn sie den Lärm
deutlich hören können und dadurch in ihrer Ruhe gestört werden (BGE 133 II 181
E. 3.2.2 mit Hinweisen). In dicht besiedelten Gebieten kann somit grundsätzlich
sehr vielen Personen die Beschwerdelegitimation zukommen, ohne dass von einer
unzulässigen Popularbeschwerde gesprochen werden müsste (BGE 121 II 171 E. 2b
S. 174; BGE 121 II 176 E. 2b S. 178; BGE 120 Ib 378 E. 4d S. 388; BGE 110 Ib 99
E. 1c S. 102; Urteil des Bundesgerichts 1A.98/1994 vom 28. März 1995 E. 2b, in:
ZBl 96/1995 S. 528 f.).

2.3.2 Wird die Einsprache- und Rechtsmittelbefugnis aus den Immissionen des
Zubringerverkehrs abgeleitet, so müssen diese für den Beschwerdeführer deutlich
wahrnehmbar sein, damit er zur Beschwerde legitimiert ist (BGE 113 Ib 225 E. 1c
S. 228 f.; BGE 110 Ib 99 E. 1c S. 102). In Grenzfällen besteht ein
Beurteilungsspielraum, bei dessen Ausübung einerseits eine kaum mehr zu
begrenzende Öffnung des Beschwerderechts zu vermeiden ist und andererseits die
Schranken auch nicht zu eng gezogen werden dürfen, um nicht die vom Gesetzgeber
gewollte Überprüfung der richtigen Rechtsanwendung in Fällen, in denen der
Beschwerdeführer ein aktuelles und schützenswertes Interesse besitzt,
auszuschliessen (BGE 112 Ib 154 E. 3 S. 159 mit Hinweis). Das Bundesgericht
prüft die Legitimationsvoraussetzungen in einer Gesamtwürdigung anhand der im
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konkreten Fall vorliegenden tatsächlichen Verhältnisse. Es stellt nicht
schematisch auf einzelne Kriterien (wie z.B. Distanz zum Vorhaben,
Sichtverbindung etc.) ab.
So hat das Bundesgericht die Beschwerdeberechtigung verneint in Bezug auf
Personen, die in einer Entfernung von rund 250 m bis 1,7 km vom an zentraler
Lage in der Innenstadt von Zürich geplanten Casinobetrieb wohnten, weil keine
deutlich wahrnehmbare zusätzliche Lärmimmissionen an den bereits vorbelasteten
Strassenabschnitten zu erwarten waren (Urteil des Bundesgerichts 1C_405/2008
vom 18. März 2009). In gleicher Weise wurde die Beschwerdelegitimation verneint
beim Zufahrtsverkehr zu einer Kiesgrube, weil sich das Grundstück der
Beschwerdeführerin in einem hinreichenden Abstand von 60 m zur Kieswerkstrasse
jenseits einer Böschung sowie eines kleinen Waldsaums befand, sodass die
Immissionen aus dem Kiesgrubenverkehr für sie nicht mehr deutlich wahrnehmbar
waren (Urteil des Bundesgerichts 1A.77/2000 vom 7. Februar 2001 E. 2d). In
Bezug auf Anwohner der Zufahrt zu einer Tongrube, in welcher eine
Inertstoffdeponie eingerichtet werden sollte, bejahte das Bundesgericht die
Einsprache- und Beschwerdeberechtigung (Urteil 1C_362/2008 vom 27. April 2009).
Ebenfalls bejaht wurde die Legitimation bei Personen, welche ungefähr einen
Kilometer vor der Einfahrt in ein Kiesgrubengelände wohnten, wenn während 40
bis 50 Jahren durchschnittlich mit 120 Hin- und Rückfahrten pro Tag zu rechnen
war (BGE 113 Ib 225 E. 1c S. 228 f.). Bei Lärmimmissionen des Verkehrs zu einem
regionalen Einkaufszentrum bezeichnete das Bundesgericht die Bejahung der
Legitimation bei einer Verkehrszunahme von 10 % als recht- und zweckmässig.
Dabei wurde davon ausgegangen, dass eine Steigerung des durchschnittlichen
täglichen Verkehrs (DTV) um 25 % zu einer Erhöhung des Verkehrslärmpegels um
1dB(A) führte und eine solche wahrgenommen werden könne (Urteil des
Bundesgerichts 1A.148/2005 vom 20. Dezember 2005 E. 3.5 f., in: ZBl 107/2006 S.
609; URP 2006 S. 144).

2.4 Die Beschwerdeführer leiten ihre Einsprache- und Beschwerdeberechtigung
nicht nur aus der nahen räumlichen Beziehung zum streitbetroffenen Vorhaben als
solchem ab, sondern insbesondere aus der wegen des Deponieverkehrs zu
erwartenden Zunahme des schweren Lastwagenverkehrs und den damit verbundenen
Immissionen an den betroffenen Strassenabschnitten. Als Anwohner seien sie von
der Zunahme des Lastwagenverkehrs in schutzwürdigen Interessen direkt und
stärker betroffen als die Allgemeinheit und somit zur Einsprache und Ergreifung
weiterer Rechtsmittel befugt.
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Auch das Verwaltungsgericht geht davon aus, die Beschwerdeführer von Risch
wohnten bezüglich der Erschliessung der geplanten Deponie an kritischen
Stellen, weil die zu ihren Liegenschaften führende Kantonsstrasse bisher
namentlich durch Lastwagen wenig befahren gewesen sei. Unter Berücksichtigung
des Deponieprojekts sei im Jahresdurchschnitt über 365 Tage beim Stotzenacker
neu mit einer Steigerung des DTV um 8.06 % zu rechnen bzw. mit einer Steigerung
pro Tag von bisher 670 Fahrzeugen um 60 Lastwagen. Auf der Strecke
Landhus-Stotzenacker sei eine Steigerung des DTV von 2.28 % bzw. eine
Steigerung pro Tag von bisher 2'500 Fahrzeugen um 57 Lastwagen zu erwarten.
Beim Stotzenacker ergebe sich eine Frequenz an 220 Betriebstagen mit je bloss 8
Betriebsstunden von täglich knapp 100 Fahrten bzw. von stündlich rund 12
Fahrten und beim Seefeld etwas weniger. Beim Strassenverkehrslärm sei die
Erhöhung des Beurteilungspegels um 1 dB(A) gerade noch wahrnehmbar. Diese
Zunahme entspreche einer Steigerung des durchschnittlichen täglichen
Verkehrsaufkommens um rund 25 %. Der prognostizierte Mehrverkehr liege unter 10
%.

2.5 Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) weist zutreffend darauf hin, dass die vom
Verwaltungsgericht genannten Erfahrungsregeln, zu welchen sich auch das
Bundesgericht geäussert hat (s. E. 2.3.2), für Situationen mit gleich
bleibender Verkehrszusammensetzung gelten. Beim vorliegend zu beurteilenden
Deponieverkehr ändere sich auf den betroffenen Strassen die
Verkehrszusammensetzung, weil ausschliesslich der Lastwagen-Anteil zunehme. Die
Lärmemissionen eines Lastwagens entsprächen denjenigen von 10 bis 15
Personenwagen. Zudem ändere sich durch den erhöhten Schwerverkehrsanteil die
akustische Qualität des Verkehrsgeräusches. Diese Veränderung sei wahrnehmbar,
selbst wenn die Erhöhung des Beurteilungspegels unter 1 dB(A) liege. Die vom
Verwaltungsgericht genannten Erfahrungsregeln seien deshalb im vorliegenden
Zusammenhang nicht anwendbar.

2.5.1 Der bundesgerichtliche Augenschein hat gezeigt, dass die Kantonsstrasse,
von welcher die Deponiezufahrt abzweigt und an welcher ein Teil der
Beschwerdeführer wohnt, heute kaum von Lastwagen befahren wird. Der
Schwerverkehr zwischen Rotkreuz und Küssnacht a.R. wird im Wesentlichen über
die Autobahn N 4 abgewickelt. Der Deponiebetrieb hängt zu einem beträchtlichen
Teil von der Lieferung des Deponieguts über die Kantonsstrasse
(Küssnachterstrasse) ab. Gemäss dem Umweltverträglichkeitsbericht (Kapitel 4.3
BGE 136 II 281 S. 288
Verkehrsgrundlagen), welcher den vorinstanzlichen Entscheiden zugrunde liegt,
sollten über 90 % der Anlieferungen von Süden (Autobahnausfahrt Küssnacht a.R.)
her erfolgen. Die Zufahrt aus Süden war via Kantonsstrasse, die Wegfahrt via
Lendiswilerstrasse vorgesehen. Die übrigen 10 % der Fahrten wären Richtung Nord
über die Kantonsstrasse Holzhäusern-Risch erfolgt. Der Regierungsrat Zug
entschied am 30. September 2008 im Rahmen des Rechtsmittel- und
Genehmigungsverfahrens, dass die Erschliessung ohne Inanspruchnahme der
Lendiswilerstrasse in Meierskappel (Gemeindestrasse) festzulegen sei, weil
diese Strasse den gesetzlichen Anforderungen nicht entspreche. Nach dem
genannten Entscheid des Regierungsrats muss die Deponiebetreiberin die
Lieferanten verpflichten, die Deponie auf dem kürzesten Weg vom übergeordneten
Verkehrsnetz anzufahren und die Wegfahrt ebenso zu gestalten. Danach würden
weiterhin rund 90 % des Deponieverkehrs von bzw. nach Süden erfolgen, und zwar
einzig über die Kantonsstrasse, nachdem die Lendiswilerstrasse nicht mehr zur
Verfügung steht.

2.5.2 In Abweichung von diesem nach dem Umweltverträglichkeitsbericht
wahrscheinlichen Verkehrsablauf spricht sich der Regierungsrat für eine
Aufteilung des Lastwagenverkehrs auf drei Achsen aus: Vor dem Hintergrund, dass
der Hauptanteil des Deponieguts aus dem nördlichen Teil des Einzugsgebiets
stamme, wo sich rund 81 % der Bevölkerung und der Arbeitsplätze befinden, soll
sich der Deponieverkehr nach Ansicht des Regierungsrats gleichmässig auf zwei
Achsen von Norden und eine Achse von Süden aufteilen. Zur Verfügung stehen von
Norden her ab Autobahnanschluss Rotkreuz die Route Holzhäusern-Buonas-Risch und
die Route Rotkreuz-Meierskappel-Risch. Von Süden wird die Deponie ab
Autobahnanschluss Küssnacht a.R. über die Kantonsstrasse Richtung Risch
erreicht. Das ergäbe für jede dieser Routen einen Anteil am gesamten
Lastwagenverkehr von etwa 30 % (je 7'150 Fahrten pro Jahr). Für diese
Verkehrsverteilung spreche, dass der überwiegende Teil des Deponieguts aus dem
Nordteil des Einzugsgebiets stamme. Für Lastwagen aus diesem Gebiet würde der
Umweg von 5 km über die Autobahnausfahrt Küssnacht a.R. Mehrkosten von ca. Fr.
40.- pro Fahrt bedeuten (Schwerverkehrsabgabe und LKW-Mehrbenützung). Dies
führe bei einer voraussichtlichen Betriebsdauer von acht Jahren zu Zusatzkosten
von insgesamt 5,75 Mio. Franken. Es sei somit aus wirtschaftlichen Gründen
angezeigt, die erwähnten kürzeren Zufahrtsrouten von Norden her zu wählen. Ein
Verkehrsanteil aus Süden von
BGE 136 II 281 S. 289
wesentlich über 30 % erscheine somit als unwahrscheinlich. Da sich der Verkehr
auf die drei beschriebenen Achsen gleichmässig verteile, sei auch keine
relevante zusätzliche Belastung der Anwohner zu erwarten.

2.5.3 Diese Ausführungen des Regierungsrats im bundesgerichtlichen Verfahren
sind nicht mit dem Umweltverträglichkeitsbericht, der zum Deponievorhaben
ausgearbeitet wurde, vereinbar. Dieser Bericht geht von einem Verkehrsanteil
von Süden her in der Grössenordnung von 90 % aus. Die Feststellungen im
Umweltverträglichkeitsbericht liegen auch den vorinstanzlichen Entscheiden
zugrunde, soweit sie nicht - wie hinsichtlich der Benutzung der
Lendiswilerstrasse - im Laufe des Verfahrens geändert wurden. Die Darlegungen
des Regierungsrats zur gleichmässigen Aufteilung des Verkehrs auf drei Achsen
finden in den Projektunterlagen keine Stütze. Die Erschliessung über die
Kantonsstrasse und den Autobahnanschluss Küssnacht a.R. gewährleistet im
Vergleich zu den beiden anderen Achsen die direkteste und sicherste Verbindung
zum übergeordneten Strassennetz. Sie führt unter den Gesichtspunkten der Lärm-
und Luftbelastung, der Verkehrssicherheit und der Rücksichtnahme auf bestehende
Siedlungen zu deutlich weniger Beeinträchtigungen als die anderen vom
Regierungsrat genannten Erschliessungsachsen. Es ist somit im Hinblick auf das
in Art. 11 Abs. 2 USG (SR 814.01) verankerte Vorsorgeprinzip bundesrechtlich
geboten, den Deponieverkehr im Wesentlichen über den Autobahnanschluss
Küssnacht a.R. abzuwickeln. Diese Erkenntnis liegt zu Recht auch dem
Umweltverträglichkeitsbericht zugrunde. Eine gleichmässige Aufteilung der
strassenmässigen Erschliessung auf drei Achsen, wovon zwei wegen ihrer Lage im
Siedlungsgebiet von Meierskappel, Rotkreuz und Buonas/Risch für die Aufnahme
des Deponieverkehrs nicht geeignet sind, ist mit dem Bundesumweltschutzrecht
nicht vereinbar. Die Deponiebetreiberin wird deshalb im weiteren Verfahren auch
verpflichtet werden müssen, die Zu- und Wegfahrten im Wesentlichen über diese
Hauptachse von Küssnacht a.R. zu organisieren.

2.5.4 Der auf der Kantonsstrasse ab Autobahnausfahrt Küssnacht a.R. bis zur
Abzweigung der Stockeristrasse entstehende Lastwagenverkehr erweist sich nach
den zutreffenden Darlegungen des BAFU angesichts der erheblichen Veränderung
der Verkehrszusammensetzung als deutlich wahrnehmbar, auch wenn die Lärmzunahme
rein rechnerisch unter 1 dB(A) liegt. Dies trifft insbesondere auf die
Liegenschaften Stotzenackerweg 1 und 3 zu, welche von der
BGE 136 II 281 S. 290
Lärmzunahme bei der Abzweigung der Stockeristrasse am stärksten betroffen sind.
Diese Liegenschaften befinden sich mit direkter Sicht- und Hörverbindung leicht
erhöht oberhalb des genannten Kreuzungsbereichs, über welchen 12 Lastwagen pro
Stunde die Deponie bedienen. Eine durchschnittliche Lastwagenfrequenz von 5
Minuten ist in dieser ruhigen Wohngegend zweifellos wahrnehmbar, weshalb
zumindest den in den genannten Liegenschaften wohnenden beschwerdeführenden C.
(Beschwerdeführerin 3) sowie Eheleuten H. (Beschwerdeführer 8) die Einsprache-
und Beschwerdebefugnis nicht abgesprochen werden durfte. Die Legitimation
dieser Anwohner ist sowohl für das Nutzungsplanungsverfahren als auch für das
Verfahren der Errichtungsbewilligung zu bejahen. Unter diesen Umständen kann
offenbleiben, ob auch den übrigen Beschwerdeführenden, deren Wohnhäuser etwas
weiter von der Verzweigung Küssnachterstrasse/Stockeristrasse entfernt liegen,
die Einsprache- und Beschwerdebefugnis zukommt.