Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 136 III 627



Urteilskopf

136 III 627

92. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen
Bank Y. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_372/2010 vom 9. November 2010

Regeste

Art. 82 SchKG; Rechtsöffnung bei Rahmenkreditvertrag.
Beim Rahmenkreditvertrag wird nicht die verbindliche Hingabe einer bestimmten
Geldsumme vereinbart, sondern eine Limite eingeräumt, bis zu welcher Kredit
beansprucht werden kann. Der Rahmenvertrag könnte deshalb höchstens dann
selbständig als Rechtsöffnungstitel in Frage kommen, wenn eine darauf beruhende
Kreditauszahlung zweifelsfrei nachgewiesen wird (E. 2).

Sachverhalt ab Seite 628

BGE 136 III 627 S. 628
Nachdem die X. AG (nachfolgend: Schuldnerin) in der von der Bank Y.
(nachfolgend: Bank) eingeleiteten Betreibung über Fr. 2'400'000.-
Rechtsvorschlag erhoben hatte, verlangte Letztere provisorische Rechtsöffnung,
welche das Kreisgericht ablehnte. Es erwog, dass der Kreditvertrag vom 4. Mai
2004, den die Bank ursprünglich als Rechtsöffnungstitel angerufen hatte,
mangels gültiger Unterzeichnung nicht zustande gekommen sei, was schliesslich
auch die Bank anerkannt habe. Einen weiteren Vertrag vom 29. März 2005, auf den
sich die Bank ebenfalls berufen habe, sei nie eingereicht worden, weil die Bank
ihn nicht mehr habe auffinden können. Es bleibe mithin der Rahmenvertrag vom
21. Dezember 2005, mit welchem der Schuldnerin ein Rahmenkredit über Fr. 20
Mio. eingeräumt worden sei. Dieser Vertrag vermöge aber den Anforderungen an
eine Schuldanerkennung im Sinn von Art. 82 Abs. 1 SchKG nicht gerecht zu
werden, weshalb das Rechtsöffnungsgesuch abzuweisen sei.
Demgegenüber erteilte das Kantonsgericht St. Gallen die provisorische
Rechtsöffnung. Es erwog, es könne davon ausgegangen werden, dass die
Schuldnerin drei Kreditverträge unterzeichnet habe. Sodann habe sie weder auf
die Bestätigung des festen Vorschusses seitens der Bank noch auf die
Fälligkeitserinnerungen und Kündigungsschreiben reagiert, weshalb sie jetzt
nicht einfach die Auszahlung der Summe von Fr. 2'400'000.- bestreiten könne.
Vielmehr sei die Zurverfügungstellung dieses Betrages als erwiesen zu erachten,
auch wenn die Bank hierfür keinen Auszahlungsbeleg vorlegen könne, und es sei
davon auszugehen, dass die Auszahlung im Sinn einer Teilsumme der im
Rahmenkreditvertrag anerkannten Gesamtsumme von Fr. 20 Mio. erfolgt sei.
Gegen den Entscheid des Kantonsgerichts hat die Schuldnerin Beschwerde in
Zivilsachen eingereicht, welche vorliegend gutgeheissen wird.
(Zusammenfassung)

Auszug aus den Erwägungen:

BGE 136 III 627 S. 629
Aus den Erwägungen:

2. Eine Schuldanerkennung im Sinn von Art. 82 Abs. 1 SchKG liegt vor, wenn
daraus der vorbehalts- und bedingungslose Wille des Betriebenen hervorgeht, dem
Betreibenden eine bestimmte oder leicht bestimmbare Geldsumme zu zahlen. Dabei
kann sich die Schuldanerkennung auch aus einer Gesamtheit von Urkunden ergeben,
sofern die notwendigen Elemente daraus hervorgehen. Dies bedeutet, dass die
unterzeichnete Urkunde auf die Schriftstücke, welche die Schuld betragsmässig
ausweisen, klar und unmittelbar Bezug nehmen bzw. verweisen muss (BGE 132 III
480 E. 4.1 S. 481).
Ein Darlehensvertrag über eine bestimmte Summe taugt grundsätzlich als
Rechtsöffnungstitel für die Rückzahlung des Darlehens, solange der Schuldner
die Auszahlung nicht bestreitet (BGE 132 III 480 E. 4.2 S. 481). Tut er dies,
so hat der Gläubiger überdies die Auszahlung nachzuweisen (STAEHELIN, in:
Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 1998, N.
119, 120 und 122 zu Art. 82 SchKG; STÜCHELI, Die Rechtsöffnung, 2000, S. 371),
denn der Darlehensvertrag begründet zunächst eine Verpflichtung zur Hingabe der
Darlehensvaluta, und die Rückzahlungspflicht der Gegenseite kann sich
selbstredend erst dann aktualisieren, wenn der Hingabepflicht nachgelebt wurde
(und überdies das Darlehen zur Rückzahlung fällig ist).
Im Unterschied zum Darlehensvertrag anerkennt der Schuldner beim
Kontokorrentvertrag mit der darin genannten Limite keinen festen oder doch
wenigstens leicht bestimmbaren Betrag, weil mit dem Kontokorrent lediglich ein
gegenseitiges Abrechnungsverhältnis mit schwankendem Saldo begründet wird (BGE
132 III 480 E. 4.2 S. 481). Bei einem Rahmenkreditvertrag verhält es sich
insofern ähnlich, als auch hier nicht die verbindliche Hingabe einer bestimmten
oder leicht bestimmbaren Summe vereinbart wird, sondern ein Höchstbetrag
(Limite), bis zu welchem der Bankkunde innerhalb der vereinbarten Modalitäten
nach seinen Wünschen Kredit beanspruchen kann. So wurde vorliegend in Ziff. 2
des Rahmenkreditvertrages vereinbart, dass der Rahmenkredit in Form von festen
Vorschüssen und Rollover-Darlehen, von variablen Darlehen und Fest-Darlehen,
von Margenlimiten (Devisentermingeschäften) oder Kautionslimiten sowie in
laufender Rechnung (Kontokorrentkredit) in Schweizer Franken oder frei
konvertierbaren Fremdwährungen beansprucht werden könne.
BGE 136 III 627 S. 630
Soweit gestützt auf den Rahmenkreditvertrag fixe Darlehenssummen beansprucht
werden, kann Rechtsöffnung selbstredend aufgrund des gegengezeichneten
betreffenden Darlehensvertrages erteilt werden. Wird ein Darlehen direkt
gestützt auf den Rahmenvertrag, d.h. ohne Abschluss eines separaten
schriftlichen Darlehensvertrages gewährt, kann der Rahmenkreditvertrag
allenfalls dann selbständig als Rechtsöffnungstitel in Betracht kommen, wenn
der Gläubiger die darauf beruhende Auszahlung der Darlehenssumme (und damit die
betreffende Ausschöpfung der Kreditlimite) zweifelsfrei nachzuweisen vermag.

3. Wie das Kantonsgericht richtig erfasst hat, ist Angelpunkt für die
Rechtsöffnung der am 21. Dezember 2005 abgeschlossene und in den Akten liegende
Rahmenkreditvertrag über Fr. 20 Mio. Sinngemäss hat das Kantonsgericht auch
anerkannt, dass dieser für sich genommen kein genügender Rechtsöffnungstitel
ist, sondern dass es weiterer geeigneter Dokumente bedarf.

3.1 Das Kantonsgericht hat zunächst erwogen, die Schuldnerin habe den Betrag
von Fr. 2,4 Mio. in dem auf die betreffende Summe lautenden Kreditvertrag vom
4. Mai 2005 anerkannt.
Wie die Schuldnerin mit rechtsgenüglich begründeten Ausführungen dartut, ist
die betreffende Sachverhaltsfeststellung offensichtlich unrichtig und damit
willkürlich (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege, BBl 2001 4338 zu Art. 92; BGE 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252;
BGE 133 III 393 E. 7.1 S. 398): Wie aus dem bereits im erstinstanzlichen
Verfahren eingereichten und bei den Akten liegenden Handelsregisterauszug
ersichtlich und vom erstinstanzlichen Richter zutreffend festgestellt worden
ist, war Z., welcher den betreffenden Vertrag für die Schuldnerin in Eigenregie
unterzeichnet hat, nur kollektiv unterschriftsberechtigt. Das heisst, dass der
betreffende Vertrag nie zustande gekommen ist, wie die Bank denn auch im
erstinstanzlichen Verfahren anerkannt hat; überdies bedeutet das aber auch,
dass Z. die betreffende Schuld für die Schuldnerin nicht rechtsgültig
anerkennen konnte und diese sich keine Anerkennung entgegenhalten lassen muss.
Die gegenteilige Annahme des Kantonsgerichts, die Schuldnerin habe mit der
Vertragsunterzeichnung eine Schuldanerkennung über Fr. 2,4 Mio. abgegeben,
erweist sich als willkürlich, und der mangels gültiger Unterzeichnung nie
zustande gekommene Vertrag vom 4. Mai 2004 fällt auch als Teil einer
zusammengesetzten Urkunde ausser Betracht.
BGE 136 III 627 S. 631

3.2 Das Kantonsgericht ist sodann davon ausgegangen, dass der Betrag von Fr.
2,4 Mio. von der Schuldnerin auch im Vertrag vom 29. März 2005 anerkannt worden
sei. Die Bank habe diesen zwar nicht einreichen können, aber in Ziff. 13 des
Rahmenkreditvertrages sei vereinbart worden, dass der Vertrag vom 29. März 2005
als aufgehoben gelte, womit dessen Existenz nachgewiesen sei.
Abgesehen davon, dass es in rechtlicher Hinsicht widersprüchlich ist, einen
aufgehobenen Vertrag als Rechtsöffnungstitel (selbständig oder als Teil einer
zusammengesetzten Urkunde) anzusehen, kritisiert die Schuldnerin mit
zutreffenden Willkürrügen, dass mit der betreffenden Aufhebungsklausel kein
rechtsgültiges Zustandekommen des (mangels Auffindbarkeit bei der Bank nicht in
den Akten liegenden) Vertrages vom 29. März 2005 und noch viel weniger dessen
Inhalt nachgewiesen sei. Der angefochtene Entscheid äussert sich denn auch
nicht im Ansatz zum Inhalt dieses Vertrages; er ist schlichtweg unbekannt.
Vor diesem Hintergrund kann der (unbekannte) Vertrag weder selbständig oder im
Sinn einer zusammengesetzten Urkunde als Rechtsöffnungstitel in Betracht
kommen, und entsprechend erweist sich die Feststellung, die Schuldnerin habe
den Betrag, für den Rechtsöffnung verlangt wird, in drei verschiedenen
Verträgen anerkannt, als willkürlich.
Für die weiteren Ausführungen ist mithin von der Sachverhaltsbasis auszugehen,
dass einzig der Rahmenkreditvertrag vom 21. Dezember 2005 als gültig
geschlossener Vertrag in den Akten liegt und potentiell als Rechtsöffnungstitel
in Frage kommen kann.

3.3 Das Kantonsgericht hat massgeblich darauf abgestellt, dass die Schuldnerin
weder auf die Bestätigung des festen Vorschusses seitens der Bank noch auf
deren Kreditverlängerungen, Fälligkeitserinnerungen und Kündigungsschreiben
reagiert habe.
Was für eine Bedeutung der fehlenden Reaktion seitens der Schuldnerin
beizumessen ist, kann allein im ordentlichen Anerkennungsprozess eine Rolle
spielen. Eigentümlichkeit des provisorischen Rechtsöffnungsverfahrens ist, dass
es nicht reicht, die Schuld mit irgendwelchen Dokumenten zu plausibilisieren,
sondern diese in einer vom Schuldner unterzeichneten Urkunde anerkannt sein
muss, wobei sich die Schuldanerkennung auch aus einer Mehrheit von Urkunden
ergeben kann. Blosses Stillschweigen zu Dokumenten der Gegenseite kann jedoch
nicht zu einer Schuldanerkennung führen,
BGE 136 III 627 S. 632
auch nicht im Sinn einer zusammengesetzten Urkunde (BGE 132 III 480 E. 4.3 S.
482). Nach der in E. 2 wiedergegebenen Definition ist vielmehr erforderlich,
dass die unterzeichnete Urkunde auf die Schriftstücke, welche die Schuld
betragsmässig ausweisen, klar und unmittelbar Bezug nimmt. Dies trifft auf die
einseitig von der Bank stammenden Schreiben - gleich wie bei Kontoauszügen (BGE
132 III 480 E. 4.3 S. 482) - nicht zu. Sie beinhalten auch keine anerkennende
Willensäusserung des Schuldners und können deshalb nicht Teil einer
zusammengesetzten Schuldanerkennung sein.

3.4 Vorliegend verlangt die Bank Rechtsöffnung für einen festen Vorschuss, den
sie nach ihren Ausführungen gestützt auf den Rahmenkreditvertrag gewährt hat.
Nach dem in E. 2 Gesagten könnte der Rahmenkreditvertrag diesbezüglich
allenfalls dann als Rechtsöffnungstitel in Betracht kommen, wenn zweifelsfrei
die Auszahlung eines sich auf den betreffenden Vertrag stützenden Darlehens
nachgewiesen ist.
Damit wird vom Gläubiger nichts Unmögliches, sondern Selbstverständliches
verlangt. Soweit es sich um eine buchführungspflichtige Firma handelt, ist
diese im Übrigen von Gesetzes wegen verpflichtet, die betreffenden
Buchungsbelege während mindestens zehn Jahren aufzubewahren (Art. 962 Abs. 1
OR; vgl. auch die Verordnung vom 24. Februar 2002 über die Führung und
Aufbewahrung der Geschäftsbücher [Geschäftsbücherverordnung, GeBüV; SR
221.431]). Es darf von einer am Markt auftretenden Geschäftsbank erwartet
werden, dass sie eine ordnungsgemässe Geschäfts- und Buchführung pflegt und
Auszahlungsbelege aufbewahrt, umso mehr als es vorliegend um Millionenbeträge
geht.
Wie bereits vor den kantonalen Instanzen verweist die Bank auch im
bundesgerichtlichen Verfahren nur auf allgemeine Korrespondenz, obwohl die
Schuldnerin die Auszahlung von Anfang an bestritten hat. In dieser Situation
ist der blosse Rahmenkreditvertrag nach dem Gesagten als Rechtsöffnungstitel
unzureichend und die Bank hat die Konsequenzen zu tragen, wenn sie die
Auszahlung nicht nachzuweisen vermag.