Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 136 III 379



Urteilskopf

136 III 379

57. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. NML Capital
Ltd. und EM Limited gegen Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und
Betreibungsamt Basel-Stadt (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_360/2010 vom 12. Juli 2010

Regeste

Arrestbewilligung und Arrestvollzug (Art. 271 ff. und 275 SchKG); Immunität der
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (Abkommen vom 10. Februar 1987
zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Bank für Internationalen
Zahlungsausgleich zur Regelung der rechtlichen Stellung der Bank in der
Schweiz); Rechtsweggarantie (Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 29a BV).
Überprüfbarkeit des Arrestbefehls im Arrestvollzug (E. 3).
Der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich anvertraute Werte ebenso wie
Ansprüche gegen die Bank können ohne deren ausdrückliche vorherige Zustimmung
nicht mit Arrest belegt werden. Vereinbarkeit mit der Rechtsweggarantie (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 380

BGE 136 III 379 S. 380

A.

A.a Auf Begehren der NML Capital Ltd., mit Sitz in George Town/Cayman Islands,
erliess der Arrestrichter Basel-Stadt am 5. November 2009 gestützt auf Art. 271
Abs. 1 Ziff. 4 SchKG ("Schuldner im Ausland") einen Arrestbefehl gegenüber der
Republik Argentinien für die Forderungssumme von Fr. 290'564'577.- nebst Zinsen
(Arrestbefehl Nr. 2009/217). Am gleichen Tag erliess der Arrestrichter auf
Begehren der EM Limited, ebenfalls mit Sitz in Cayman Islands, einen weiteren
Arrestbefehl gegenüber der Republik Argentinien für die Forderungssumme von Fr.
741'079'460.- nebst Zinsen (Arrestbefehl Nr. 2009/218). Als Grund der Forderung
werden die Urteile Nr. 03 Civ. 8854 bzw. Nr. 03 Civ. 2507 des United States
District Court, Southern District of New York, genannt. Als Arrestgegenstände
werden in beiden Arrestbefehlen die bei der Bank für Internationalen
Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel auf den Namen der Republik Argentinien oder
der Zentralbank der Republik Argentinien lautenden Guthaben in in- oder
ausländischer Währung, Forderungen, Wertschriften (Aktien, Obligationen,
Schuldbriefe) sowie Barmittel aufgeführt.

A.b Mit Anzeigen vom 5. November 2009 teilte das mit dem Arrestvollzug
beauftragte Betreibungsamt des Kantons Basel-Stadt der BIZ die Zahlungs- und
Verfügungssperren (gemäss Art. 98 und Art. 99 SchKG) mit.

B.

B.a Mit Eingaben vom 6. und 13. November 2009 wies die BIZ das Betreibungsamt
und die Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt Basel-Stadt
darauf hin, dass sie eine internationale
BGE 136 III 379 S. 381
Organisation mit Sitz in Basel sei. Gestützt auf das Sitzabkommen aus dem Jahre
1987 sei sie von jeglicher Massnahme der Vollstreckung in der Schweiz befreit.
Diese Befreiung erstrecke sich insbesondere auf die der BIZ anvertrauten Werte.
Beim Arrestrichter erhob die BIZ keine Einsprache.

B.b Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA),
Direktion für Völkerrecht, gelangte mit Schreiben vom 26. November/24. Dezember
2009 an die Aufsichtbehörde und bestätigte, dass die BIZ in der Schweiz
Immunität für die eigenen und die ihr anvertrauten Vermögenswerte geniesse.
Eine Meinungsverschiedenheit über die Immunität der BIZ sei gemäss Sitzabkommen
durch Verhandlungen zwischen der Schweiz und der BIZ, allenfalls durch ein
Schiedsgericht, jedoch nicht durch die Betreibungsbehörden zu entscheiden.

B.c Die NML Capital Ltd. und die EM Limited antworteten mit Eingaben vom 30.
November 2009/1. Februar 2010 der Aufsichtsbehörde, dass die Berufung auf die
Immunität zweckwidrig bzw. missbräuchlich sei. Es sei bekannt, dass die
Republik Argentinien nach der Einstellung ihrer Zahlungen über die von der
Regierung abhängige Zentralbank Gelder in Milliardenhöhe bei der BIZ deponiert
habe, um das Staatsvermögen dem Zugriff von Gläubigern aus Staatsanleihen zu
entziehen. Sie hätten zudem Anspruch auf Zugang zu einem Gericht, welches über
die Immunität entscheide.

C. Mit Urteil vom 23. April 2010 stellte die kantonale Aufsichtsbehörde die
Nichtigkeit der beiden Arrestbefehle (Nr. 2009/217 und Nr. 2009/218) vom 5.
November 2009 fest.

D. Die NML Capital Ltd. und die EM Limited führen mit Eingabe vom 10. Mai 2010
Beschwerde in Zivilsachen. Die Beschwerdeführerinnen beantragen dem
Bundesgericht, das Urteil der kantonalen Aufsichtsbehörde aufzuheben und
festzustellen, dass die beiden Arrestbefehle des Arrestrichters Basel-Stadt
sowie die Anzeigen des Betreibungsamtes Basel-Stadt gültig seien. Eventualiter
sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen, ferner
seien lediglich die Anzeigen des Betreibungsamtes für nichtig zu erklären.
(...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde in Zivilsachen ab.
(Auszug)

Auszug aus den Erwägungen:

BGE 136 III 379 S. 382
Aus den Erwägungen:

3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt der Arrestvollzug durch das
Betreibungsamt. Die Beschwerdeführerinnen stellen die Kompetenz der
Aufsichtsbehörde zur Prüfung und Feststellung der Nichtigkeit der Arrestbefehle
in Frage.

3.1 Nach der Rechtsprechung fallen sämtliche Rügen, welche die materiellen
Voraussetzungen des Arrestes zum Gegenstand haben, namentlich solche, die das
Eigentum oder die Inhaberschaft an den zu arrestierenden Gegenständen oder mit
denen Rechtsmissbrauch geltend gemacht wird, in die Zuständigkeit des
Einspracherichters gemäss Art. 278 SchKG (BGE 129 III 203 E. 2.2 und 2.3 S. 206
f.). Das Betreibungsamt hat einen Arrestbefehl daher grundsätzlich zu
vollziehen, ohne die materiellen Voraussetzungen des Arrestes zu überprüfen.
Nur wenn sich der Arrestbefehl als unzweifelhaft nichtig erweist, muss der
Vollzug verweigert werden, denn der Vollzug eines nichtigen Befehls wäre nach
Art. 22 SchKG ebenfalls nichtig (BGE 129 III 203 E. 2.3 S. 207; AMONN/WALTHER,
Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 8. Aufl. 2008, § 51 Rz. 49
und 51).

3.2 Im kantonalen Verfahren hat sich die Beschwerdegegnerin auf ihre
staatsvertraglich gewährte Immunität und die Befreiung der ihr anvertrauten
Vermögenswerte von Vollstreckungsmassnahmen berufen. Auch mit Bezug auf die
Immunität gilt, dass grundsätzlich der Arrestrichter, gegebenenfalls nach
Neuüberprüfung im Rahmen des Einspracheverfahrens gegen den Arrestbefehl,
zuständig ist, über die Zulässigkeit des Arrestes zu befinden, es sei denn, die
Verletzung von Regeln über die Immunität bzw. des Völkerrechts sei für das
Betreibungsamt offensichtlich (AMONN/WALTHER, a.a.O., § 51 Rz. 50; GILLIÉRON,
Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 4. Aufl. 2005, Rz. 2790 zweites
Lemma; REISER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs, 1998, N. 34 zu Art. 275 SchKG). Entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerinnen liegt demnach keine Rechtsverletzung vor, wenn die
Aufsichtsbehörde sich zuständig erachtet hat, den Arrestbefehl mit Blick auf
eine offensichtliche Verletzung von staatsvertraglichen Regeln über die
Immunität der Beschwerdegegnerin zu prüfen. Insoweit ist die Beschwerde
unbegründet.

4. Die Beschwerdeführerinnen bestreiten im Wesentlichen, dass sich die
Beschwerdegegnerin im Arrestverfahren gegenüber der
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Republik Argentinien auf die eigene Immunität als internationale Organisation
berufen kann. Jedenfalls hätten sie Anspruch auf Zugang zu einem Gericht,
welches über den behaupteten rechtsmissbräuchlichen Einsatz der Immunität der
Beschwerdegegnerin zu entscheiden habe.

4.1 Zu Recht ist unbestritten, dass die Beschwerdegegnerin eine internationale
Organisation ist (SEIDL-HOHENVELDERN/LOIBL, Das Recht der Internationalen
Organisationen, 7. Aufl. 2000, Rz. 3201). Im zwischen dem Schweizerischen
Bundesrat und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich abgeschlossenen
Abkommen vom 10. Februar 1987 zur Regelung der rechtlichen Stellung der Bank in
der Schweiz (SR 0.192.122.971.3; im Folgenden: Sitzabkommen) anerkennt die
Schweiz (in Art. 1) die internationale Rechtspersönlichkeit der
Beschwerdegegnerin. Im SchKG sind die völkerrechtlichen Verträge vorbehalten
(Art. 30a SchKG). Für die Schweiz ergibt sich damit der Umfang der Immunität
der Beschwerdegegnerin in erster Linie aus dem Sitzabkommen (KREN KOSTKIEWICZ,
Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach
schweizerischem Recht, 1998, S. 94; zur Auslegung vgl. COMBACAU/SUR, Droit
international public, 8. Aufl. 2008, S. 179 f.).

4.2 Im Sitzabkommen regelt Art. 4 die Befreiung der Beschwerdegegnerin von der
Gerichtsbarkeit und von Massnahmen der Vollstreckung (im authentischen Text)
wie folgt:
"1. La Banque bénéficie de l'immunité de juridiction, sauf:
a) dans la mesure où cette immunité a été formellement levée pour des cas
déterminés par le Président, le Directeur général ou par leurs représentants
dûment autorisés;
b) dans le cas d'actions civiles ou commerciales découlant de transactions
bancaires ou financières, intentées par des cocontractants de la Banque, sous
réserve des cas pour lesquels des dispositions d'arbitrage ont ou auront été
prises;
c) dans le cas d'actions en responsabilité civile intentées contre la Banque
pour dommage causé par tout véhicule lui appartenant ou circulant pour son
propre compte.
2. Les litiges opposant, en matière de rapports de service, la Banque à ses
fonctionnaires, anciens fonctionnaires ou à leurs ayants droit sont jugés par
le Tribunal administratif de la Banque. (...)
3. La Banque bénéficie sur ses biens et avoirs, où qu'ils se trouvent et quels
qu'en soient les détenteurs, de l'immunité d'exécution (notamment à l'égard de
toute mesure de saisie, séquestre, blocage ou d'autres
BGE 136 III 379 S. 384
mesures d'exécution forcée ou de sûreté et, en particulier, de séquestre au
sens du droit suisse), sauf: (...).
4. Les dépôts confiés à la Banque, toute créance sur la Banque, ainsi que les
actions émises par la Banque, où qu'ils se trouvent et quels qu'en soient les
détenteurs, ne pourront faire l'objet, sauf accord exprès préalable de la
Banque, d'aucune mesure d'exécution (notamment de saisie, séquestre, blocage ou
d'autres mesures d'exécution forcée ou de sûreté et, en particulier, de
séquestre au sens du droit suisse)."
Nach dem Wortlaut des Sitzabkommens "geniesst die Bank Befreiung von jeglicher
Gerichtsbarkeit" (Art. 4 Abs. 1 lit. a Ingress) und "können die der Bank
anvertrauten Werte ebenso wie Ansprüche jeder Art gegen die Bank (...) nicht
mit Vollstreckungsmassnahmen belegt werden, namentlich können sie nicht
gepfändet, mit Arrest belegt, gesperrt oder mit anderen Zwangsvollstreckungs-
oder Sicherungsmassnahmen, insbesondere nicht mit Arrest im Sinne des
schweizerischen Rechts belegt werden" (Art. 4 Abs. 4). Im gleichen Sinne sind
Immunitätsrechte bereits in Art. 10 des Abkommens vom 20. Januar 1930 über die
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (SR 0.192.122.971), in Art. 1 des
Protokolls vom 30. Juli 1936 über die Immunitäten der Bank für Internationalen
Zahlungsausgleich (SR 0.192.122.971.1) sowie in Art. 55 der Statuten der Bank
vom 20. Januar 1930 (in der Fassung vom 27. Juni 2005) zugrunde gelegt.

4.2.1 Die Beschwerdegegnerin kann - wie die Vorinstanz festgehalten hat - nach
den Bestimmungen im Sitzabkommen wohl ihre Zustimmung zum Arrest erteilen. Ohne
ausdrückliche vorherige Zustimmung ("sauf accord exprès préalable") der BIZ
können Werte, die ihr anvertraut worden sind, hingegen nicht mit Arrest belegt
werden (Art. 4 Abs. 4 des Sitzabkommens). Dass hier die vorherige Zustimmung
der Bank zur Verarrestierung von ihr anvertrauten argentinischen Werten
vorliegt, ist weder festgestellt noch behauptet. Es ist offensichtlich
unzutreffend (Art. 105 Abs. 2 BGG), wenn die Aufsichtsbehörde angenommen hat,
die Zustimmung zum Arrest bzw. der Verzicht auf die Immunität sei offen. Die
Beschwerdeführerinnen rügen zu Recht, bereits aus den kantonalen Akten gehe
hervor, dass der Verzicht auf die Immunität von Seiten der Beschwerdegegnerin
unmittelbar nach Empfang der Zahlungs- und Verfügungssperren gerade verweigert
wird. Dies betont auch die Beschwerdegegnerin. Insoweit sind die
vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen zu berichtigen. Es steht fest, dass
die Beschwerdegegnerin zu
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keinem Zeitpunkt - weder vorgängig noch nachträglich - die Zustimmung zur
Verarrestierung der ihr anvertrauten argentinischen Werte gegeben hat.

4.2.2 Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, die Anzeige des Arrestes
(gemäss Art. 99 SchKG) an den Schuldner des Betriebenen (Drittschuldner) sei
allgemein keine Gültigkeitsvoraussetzung des Arrestes (dazu BGE 101 III 65 E. 6
S. 67; GILLIÉRON, a.a.O., Rz. 2275), weshalb der vorliegende Arrest zulässig
sei. Dieses Argument geht fehl. Die Beschwerdegegnerin geniesst Gerichts- und
Vollstreckungsimmunität. Aus den Bestimmungen im Sitzabkommen geht hervor, dass
die der Beschwerdegegnerin anvertrauten Werte bzw. die Einlagen der
Zentralbanken keine tauglichen Vollstreckungsobjekte darstellen und die
Beschwerdegegnerin als Drittschuldnerin in der Schweiz nicht auf dem
Zwangsvollstreckungsweg belangt werden kann (WENCKSTERN, Die Immunität
internationaler Organisationen, Handbuch des Internationalen
Zivilverfahrensrechts, Bd. II/1, 1994, Rz. 842; SZODRUCH, Staateninsolvenz und
private Gläubiger, 2008, S. 391; DOMINICÉ, L'immunité des organisations
internationales, in: Recueil des Cours, Académie de droit international [im
Folgenden: Recueil], 1984, Bd. IV, S. 208). Da die der Beschwerdegegnerin
anvertrauten Werte bzw. die Einlagen der Zentralbanken nicht mit Arrest nach
schweizerischem Recht belegt werden können, ist sie insoweit von gerichtlichen
und amtlichen Zwangsmassnahmen (WENCKSTERN, a.a.O., Rz. 842), d.h. von
Anordnungen des Arrestrichters und des vollziehenden Betreibungsamtes befreit.
Vorliegend hat sich im Arrestvollzug bzw. Verfahren vor der Aufsichtsbehörde
ergeben, dass die Beschwerdegegnerin zu keinem Zeitpunkt die Zustimmung zur
Verarrestierung der ihr anvertrauten argentinischen Vermögenswerte und Guthaben
gegeben hat. Die Beschwerdegegnerin kann jedoch nicht gezwungen werden,
Arresteinsprache zu erheben und im gerichtlichen Verfahren geltend zu machen,
dass sie durch den Arrest in ihren Rechten bzw. ihrer Immunität betroffen sei.
Aus diesem Grund musste die Aufsichtsbehörde feststellen, dass dem
Arrestrichter die Befugnis gefehlt hat, die Beschlagnahme der Guthaben der
Republik Argentinien bzw. der argentinischen Zentralbank bei der
Beschwerdegegnerin oder anderer ihr anvertrauter Werte zu befehlen. Ebenso
wenig ist es dem Betreibungsamt erlaubt, den entsprechenden Befehl durch
Verfügungs- und Zahlungsverbote zu vollziehen. Die Aufsichtsbehörde hat die
Arrestbefehle und deren Vollzug durch das Betreibungsamt
BGE 136 III 379 S. 386
mit Blick auf die Immunitätsbestimmungen im Sitzabkommen zu Recht als
offensichtlich unwirksam betrachtet.

4.3 Die Beschwerdeführerinnen wenden ein, dass die im Sitzabkommen gewährte
Immunität der Beschwerdegegnerin auf die Funktion bezogen sei; diese
Voraussetzung zur Immunität sei für die Vermögenswerte Argentiniens nicht
erfüllt.

4.3.1 Nach herrschender Auffassung geniesst ein Staat für seine Hoheitsakte
(acta iure imperii) Immunität und unterliegt er für seine nichthoheitlichen
Akte (acta iure gestionis) der Gerichtsbarkeit und Zwangsgewalt des anderen
Staates. Hingegen geniessen internationale Organisationen für alle ihre
Handlungen Immunität. Die grundsätzlich absolute Immunität erklärt sich daraus,
dass infolge des funktionellen Charakters der Rechtspersönlichkeit einer
internationalen Organisation alle ihre Handlungen eng mit ihrem
Organisationszweck in Verbindung stehen müssen (BGE 130 I 312 E. 2 S. 321; BGE
118 Ib 562 E. 1b S. 564; Urteil des Bundesgerichts 4C.518/1996 vom 25. Januar
1999 E. 4b und c, teilweise publ. in: SZIER 2000 S. 642 f.; MULLER,
International Organizations and their Host States, 1995, S. 151 ff.;
SEIDL-HOHENVELDERN/LOIBL, a.a.O., Rz. 1908). Organisationszweck der
Beschwerdegegnerin ist gemäss Art. 3 ihrer Statuten, die Zusammenarbeit der
Zentralbanken zu fördern, neue Möglichkeiten für internationale Finanzgeschäfte
zu schaffen und als Treuhänder (Trustee) oder Agent bei den ihr auf Grund von
Verträgen mit den beteiligten Parteien übertragenen internationalen
Zahlungsgeschäften zu wirken. Die Entgegennahme von Vermögenswerten von
Zentralbanken durch die Beschwerdegegnerin entspricht demnach ihrem
eigentlichen Zweck (vgl. auch Art. 21 lit. j der Statuten der Bank).

4.3.2 Die Beschwerdeführerinnen gehen von den Erwägungen der Vorinstanz aus,
wonach zu prüfen sei, ob der Schutz einer internationalen Organisation vor
Drittschuldnerpfändungen im Einzelfall wirklich erforderlich sei, um die
Funktionsfähigkeit zu sichern. Häufig sei die Aufrechterhaltung der Immunität
funktional nicht notwendig, weil eine internationale Organisation im Fall der
Durchführung einer Drittschuldnerpfändung nur geringen Belastungen ausgesetzt
sei (mit Hinweis auf TAUCHMANN, Die Immunität internationaler Organisationen
gegenüber Zwangsvollstreckungsmassnahmen, 2005, S. 243 ff.). Dies kommt
durchaus in den Bundesgerichtsurteilen 5P.464/1994 vom 22. Juni 1995 und 5P.156
/2003 vom 7. Juli 2003
BGE 136 III 379 S. 387
(mit Hinweis auf BGE 74 III 1 S. 4) - auf welche sich die Beschwerdeführerinnen
berufen - zum Ausdruck (vgl. DOMINICÉ, a.a.O., S. 210). In diesen Fällen haben
sich die betroffenen internationalen Organisationen den Dienstlohnpfändungen
allerdings nicht widersetzt und hat sich das Bundesgericht nicht dazu
geäussert, welche Auswirkungen sich für eine internationale Organisation
ergeben können, wenn sie Schuldnerin des Betriebenen ist (vgl. TAUCHMANN,
a.a.O., S. 153 ff.).

4.3.3 Mit der Belastung durch Pfändung bzw. Arrest für Dienstlohn lässt sich
der hier erwirkte Arrest offensichtlich nicht vergleichen. Die
Beschwerdegegnerin, welche als Bank der Zentralbanken dient und hierfür die
Annahme von Einlagen der Zentralbanken vorsieht, wäre bei der Erfüllung ihrer
Aufgabe zweifellos im Kern betroffen, wenn die Guthaben einer Zentralbank in
Milliardenhöhe verarrestiert oder die ihr anvertrauten Werte und Einlagen mit
einem hoheitlichen Verfügungs- bzw. Zahlungsverbot belegt würden. Entgegen der
Darstellung der Beschwerdeführerinnen vermögen ihre Ausführungen zur
funktionalen Notwendigkeit die im Sitzabkommen - mit klarem Wortlaut - gewährte
absolute Immunität der Beschwerdegegnerin nicht in Frage zu stellen, sondern
bestätigen vielmehr deren Notwendigkeit.

4.4 Sodann behaupten die Beschwerdeführerinnen, dass die im Sitzabkommen
gewährte Immunität der Beschwerdegegnerin diese nicht vor dem Rechtsmissbrauch
der Republik Argentinien und deren völkerrechtlich unerlaubten Handlung zu
schützen vermöge.

4.4.1 Die Beschwerdeführerinnen stützen sich auf die Auffassung, wonach in
massiven Vermögensverschiebungen eines Schuldnerstaates auf Konten der BIZ im
Rahmen des Staatsnotstandes ein Verstoss gegen das völkerrechtliche
Wohlverhaltensgebot zu erkennen sei, da entgegen dem Gebot transparenten
Verhaltens die tatsächliche Vermögenslage des Schuldnerstaates verschleiert
werde (vgl. SZODRUCH, a.a.O., S. 391). Weiter gibt die Insolvenz Argentiniens
Anlass zu breiter Diskussion, wobei das Verhalten Argentiniens auch kritisch
kommentiert wird (vgl. SZODRUCH, a.a.O., S. 116 ff. und 391 mit Hinweisen).

4.4.2 Die Vorinstanz hat zu Recht die Frage gestellt, wer überhaupt berechtigt
sei, darüber zu entscheiden, ob die Immunität der Beschwerdegegnerin
missbräuchlich benützt wird. Wenn nationale Gerichte darüber entscheiden
können, welche Aktivitäten einer
BGE 136 III 379 S. 388
internationalen Organisation mit Blick auf das Funktionieren der
Aufgabenerfüllung unbedingt notwendig oder gegenteils rechtsmissbräuchlich
sind, so ist deren Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit in Frage gestellt
(vgl. LALIVE, L'immunité de juridiction des Etats et des organisations
internationales, in: Recueil, a.a.O., 1953, Bd. III, S. 311; REINISCH,
International Organizations Before National Courts, 2000, S. 242). Aus diesem
Grund und zur Vermeidung einer völkerrechtswidrigen Entscheidung über die
Immunität ist die Ansicht der internationalen Organisation für den nationalen
Richter massgeblich (vgl. WENCKSTERN, a.a.O., Rz. 270 und 482). Nichts anderes
sieht das Sitzabkommen vor. Allerdings verweigert die Beschwerdegegnerin die
Zustimmung zur Aufhebung der Immunität.

4.4.3 Über die Verhinderung eines allfälligen Missbrauchs von im Sitzabkommen
vorgesehenen Immunitäten entscheiden die Beschwerdegegnerin und die
schweizerischen Behörden in Zusammenarbeit (Art. 22), und im Falle von
Meinungsverschiedenheiten über Anwendung und Auslegung des Abkommens erfolgen
direkte Verhandlungen (Art. 27 Abs. 1), was auf eine politische Einigung
hinzielt. Bei Meinungsverschiedenheiten sind im Sitzabkommen (Art. 27 Abs. 1
und 2) rechtliche Verfahren vorgesehen, wonach die Vertragsparteien das
Schiedsgericht (nach Art. 11 des erwähnten Abkommens vom 20. Januar 1930) oder
ein ad-hoc-Schiedsgericht anrufen können. Diese Instanzen entscheiden darüber,
ob der Beschwerdegegnerin im konkreten Fall Immunität zusteht oder nicht. Auch
aus Art. 23 lit. a des Sitzabkommens lässt sich keine Kompetenz der Vorinstanz
zum Entscheid über die Immunität ableiten, sondern legt diesen - wie im
angefochtenen Entscheid zu Recht festgehalten wird - in die Zuständigkeit der
Beschwerdegegnerin, in Fällen der Immunität nach Art. 4 Abs. 1 zweckdienliche
Massnahmen zur Beilegung von Streitigkeiten zu treffen. Die Aufsichtsbehörde
hat im Ergebnis daher zu Recht nicht über die Meinungsverschiedenheit zwischen
den Beschwerdeführerinnen und der Beschwerdegegnerin betreffend deren Immunität
entschieden.

4.5 Die Beschwerdeführerinnen machen schliesslich eine Verletzung von Art. 6
Ziff. 1 EMRK und Art. 29a BV bzw. ihrer Rechtsschutzgarantie geltend, weil
weder die Vorinstanz noch ein anderes Gericht über die Wirksamkeit der
Immunität der Beschwerdegegnerin entscheide. Nach dem Sitzabkommen (Art. 4 Abs.
1 lit. b und c sowie Abs. 2) sind für verschiedene Arten von Streitigkeiten
(mit Vertragspartnern der Bank betreffend Bank- und Finanzgeschäfte,
BGE 136 III 379 S. 389
wegen Fahrzeugunfällen oder Dienstverhältnissen) die Verfahren vor den
staatlichen oder organisationsinternen Instanzen vorgesehen. Hingegen haben die
Beschwerdeführerinnen - was die Beschwerdegegnerin nicht in Frage stellt - nach
dem Sitzabkommen kein eigenes Recht, gegen die Weigerung der
Beschwerdegegnerin, auf die Immunität betreffend die der Bank anvertrauten
Werte zu verzichten, an eine unabhängige Instanz zu gelangen.

4.5.1 Die Beschwerdegegnerin bestreitet die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1
EMRK. Diese Garantie ist jedoch auf Verfahren nach SchKG - also auch das
Arrestverfahren - grundsätzlich anwendbar (Urteil des Bundesgerichts 1P.512/
2004 vom 6. Januar 2005 E. 2.2, in: ZBl 2005 S. 327 ff.; vgl. Entscheid 61702/
00 des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [EGMR] Schweizer gegen
Schweiz vom 10. Juli 2006). Die Beschwerdeführerinnen wollen, dass die in den
USA gerichtlich festgestellten Rechte der Beschwerdeführerinnen gegenüber der
Republik Argentinien im vorliegenden Zwangsvollstreckungsverfahren wirksam
werden (vgl. Urteil des EGMR Pérez de Rada Cavanilles gegen Spanien vom 28.
November 1998, Recueil CourEDH 1998-VIII S. 3244 § 39; TAUCHMANN, a.a.O., S.
227). Sie können sich grundsätzlich auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK berufen.

4.5.2 Die Garantie von Art. 6 Ziff. 1 EMRK beinhaltet das Recht auf Zugang zu
einem Gericht, und eine Beschränkung muss ein legitimes Ziel verfolgen und
verhältnismässig sein. Nach dem Urteil des EGMR Waite und Kennedy gegen
Deutschland vom 18. Februar 1999 (Recueil CourEDH 1999-I S. 397 ff. § 63)
gehört das Einräumen von Privilegien und Immunitäten an internationale
Organisationen zu den wichtigsten Massnahmen, um das ordnungsgemässe
Funktionieren solcher Organisationen unabhängig von einseitigen Eingriffen
einzelner Staaten zu gewährleisten (ebenso im Parallel-Urteil 26083/94 des EGMR
Beer und Regan gegen Deutschland vom 18. Februar 1999; bestätigt im Entscheid
1742/05 des EGMR Eiffage SA gegen Schweiz vom 15. September 2009, Ziff. 2b;
vgl. SHAW, International Law, 5. Aufl. 2003, S. 1028). Für die Frage der
Verhältnismässigkeit ist nach dem Urteil Waite und Kennedy (§ 68) entscheidend,
ob eine vernünftige Alternative für den Rechtsschutz zur Verfügung steht.
Vorliegend besteht nach den Regeln des Sitzabkommens (unbestrittenermassen) für
den Einzelnen kein direkter Zugang zu einem Rechtsschutz, mit welchem die
Immunität der Beschwerdegegnerin für die ihr anvertrauten Werte überprüft
werden
BGE 136 III 379 S. 390
kann. Den Beschwerdeführerinnen bleibt lediglich die Möglichkeit, sich an die
schweizerischen Behörden zu wenden, damit die Schweiz als Partei des
Sitzabkommens die Ansicht der Beschwerdegegnerin in Frage stelle.

4.5.3 Zu prüfen ist, ob diese Beschränkung verhältnismässig ist. Nach dem
Urteil Waite und Kennedy (§ 72) kann die Verhältnismässigkeitsprüfung nicht
dazu führen, eine internationale Organisation der innerstaatlichen
Gerichtsbarkeit zu unterwerfen; eine solche Auslegung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK
würde nach dem Gerichtshof das ordnungsgemässe Funktionieren einer
internationalen Organisation behindern und den Anstrengungen im Hinblick auf
die Ausdehnung und Stärkung der internationalen Zusammenarbeit zuwiderlaufen.
Dies wäre hier der Fall, wenn nationale Gerichte und schweizerische
Zwangsvollstreckungsbehörden über die Immunität betreffend die Einlagen von
Zentralbanken bei der Beschwerdegegnerin sowie den ihr anvertrauten Werten
entscheiden würden. Die BIZ verwaltet in ihrer Funktion als Bank der
Zentralbanken Teile der Währungsreserven zahlreicher Länder und internationaler
Finanzinstitutionen. Würden schweizerische Gerichte und
Zwangsvollstreckungsorgane darüber entscheiden, ob und inwieweit
Zentralbanken-Einlagen währungspolitisch gerechtfertigt sind, wäre die
Beschwerdegegnerin in ihrer statutarisch vorgesehenen Funktion als
internationale Zahlungsdrehscheibe für die Zentralbanken in entscheidender
Weise behindert. Die Handlungsfreiheit der Beschwerdegegnerin und die
Kontinuität des im Interesse der internationalen Finanzstabilität liegenden
Zahlungsverkehrs der Zentralbanken wären nicht gewährleistet. Es kann daher
nicht von einer Konventionsverletzung gesprochen werden, wenn die Vorinstanz
sich im Ergebnis geweigert hat, über die Verweigerung des Immunitätsverzichts
der Beschwerdegegnerin zu entscheiden.

4.5.4 Die Beschwerdeführerinnen berufen sich sodann vergeblich auf die
Rechtsweggarantie nach Art. 29a BV. Wohl hat nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichts eine internationale Organisation als Gegenleistung für die
grundsätzlich absolut und umfassend zu verstehende Immunität einen Rechtsweg
für Streitigkeiten mit Dritten zu schaffen (BGE 118 Ib 562 E. 1b S. 565; dazu
ODENDAHL , Immunität Internationaler Organisationen bei
Dienstrechtsstreitigkeiten, Praxis des Internationalen Privat- und
Verfahrensrechts [IPrax] 2007 S. 341). Das Bundesgericht hat konkretisiert,
dass die Rechtsweggarantie nach BV mit Bezug auf die Immunität
BGE 136 III 379 S. 391
internationaler Organisationen auch Einschränkungen unterliegt und in diesem
Zusammenhang auf die erwähnte einschlägige Rechtsprechung des EGMR abgestellt (
BGE 130 I 312 E. 4 S. 325). Die Beschwerdeführerinnen legen nicht dar,
inwiefern die BV eine weiter als die EMRK gehende Rechtsweggarantie
gewährleiste und diese durch den angefochtenen Entscheid verletzt sein soll
(Art. 106 Abs. 2 BGG).

4.6 Schliesslich rügen die Beschwerdeführerinnen vergeblich eine Verletzung von
Art. 17 bzw. 22 SchKG, weil die Aufsichtsbehörde die Eingaben des EDA nicht aus
dem Recht gewiesen habe. Sie übergehen, dass die Aufsichtsbehörde im kantonalen
Verfahren den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen hat (Art. 20a Abs. 2
Ziff. 2 SchKG), und behaupten selber nicht, dass sie sich zu den Stellungnahmen
des EDA, soweit diese entscheiderheblich sind, nicht haben äussern können (vgl.
Art. 29 Abs. 2 BV). Von einer Verletzung von Art. 191c BV bzw. der
Gewaltenteilung kann keine Rede sein, zumal die Aufsichtsbehörde insoweit
entschieden hat, als die Sache in ihrer Kompetenz steht.

4.7 Nach dem Dargelegten stellen die der Beschwerdegegnerin anvertrauten
argentinischen Werte und Guthaben nach den massgeblichen Immunitätsbestimmungen
des Sitzabkommens keine tauglichen Vollstreckungsobjekte dar. Es ist nicht zu
beanstanden, wenn die Aufsichtsbehörde diesbezüglich nicht über die Frage eines
Missbrauchs der Immunität entschieden hat und zum Ergebnis gelangt ist, dass
die Arrestbefehle und der Arrestvollzug nichtig sind.