Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 136 III 322



Urteilskopf

136 III 322

49. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. V. und W. B.V.
gegen A. und Mitb. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_462/2009 vom 16. März 2010

Regeste

Hinreichende Substanziierung und relative Verjährung des
Konkursverschleppungsschadens (Art. 42 Abs. 2, Art. 725 Abs. 2, Art. 729b Abs.
2, Art. 754, 755 und 760 Abs. 1 OR).
Bei der Festsetzung des Konkursverschleppungsschadens ist das Vermögen im
Zeitpunkt, in welchem der Konkurs hätte erfolgen müssen, mit demjenigen bei
Konkurseröffnung zu vergleichen. Massgebend sind die Liquidationswerte, während
den Fortführungswerten keine Bedeutung zukommt. Zur Substanziierung des
Schadens, der nicht mit einer Verminderung der Aktiven, sondern einer Erhöhung
der Verschuldung begründet wird, sind detaillierte Angaben zu den
Liquidationswerten entbehrlich. Sind die Voraussetzungen für eine
Schadensschätzung nach Art. 42 Abs. 2 OR gegeben, hat sie das Gericht
vorzunehmen, auch wenn sich die Partei nicht auf diese Bestimmung beruft (E.
3).
Zeitpunkt, in welchem für Ansprüche aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit
die relative Verjährung gegenüber den Konkursgläubigern, die den Schaden der
Gläubigergesamtheit geltend machen, zu laufen beginnt (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 323

BGE 136 III 322 S. 323
Am 6. Oktober 1994 wurde über die Y. AG, die mit Kaviar handelte, der Konkurs
eröffnet und am 22. November 1994 das summarische Konkursverfahren angeordnet.
Die Gesellschaft V. (Beschwerdeführerin 1) und die W. B.V. (Beschwerdeführerin
2) liessen sich im Konkurs Ansprüche abtreten gegen A. (Beklagter/
Beschwerdegegner 1), B. (Beklagter/Beschwerdegegner 2) und C. (Beklagter/
Beschwerdegegner 3) als Mitglieder des Verwaltungsrats und gegen die XZ.
(nunmehr X. AG, Beklagte/Beschwerdegegnerin 4) als Revisionsstelle der
konkursiten Gesellschaft. Die Beschwerdeführerinnen klagten beim Bezirksgericht
March gegen die Beschwerdegegner 1 und 2 und die Beschwerdegegnerin 4 aus
aktienrechtlicher Verantwortlichkeit nach Art. 754 f. OR wegen
Konkursverschleppung auf Zahlung von Fr. 21'380'000.- nebst Zins sowie gegen
die Beschwerdegegner 1-3 auf Zahlung von Fr. 1'161'456.90 wegen unrechtmässiger
Bezüge beziehungsweise Rückzahlungsverpflichtung (Art. 754 und 678 OR). Nachdem
das Kantonsgericht Schwyz ein erstes Urteil des Bezirksgerichts aufgehoben
hatte, wies dieses am 25. September 2008 die Klage über Fr. 21'380'000.-
infolge Verjährung und fehlender Substanziierung des Schadens ab. Das
Kantonsgericht hielt die Forderung demgegenüber nicht für verjährt, erachtete
den Schaden aber wie das Bezirksgericht als nicht hinreichend substanziiert.
BGE 136 III 322 S. 324
Das Bundesgericht heisst die von den Beschwerdeführerinnen angestrengte
Beschwerde in Zivilsachen teilweise gut und weist die Sache an das
Kantonsgericht zurück zur Durchführung eines Beweisverfahrens betreffend den
behaupteten Schaden zufolge Konkursverschleppung.
(Zusammenfassung)

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

3. Die Beschwerdeführerinnen brachten im kantonalen Verfahren vor, sie hätten
den Schaden anhand der Überschuldungsdifferenz zwischen 31. Dezember 1993 und
30. September 1994 gestützt auf die Angaben der Revisionsstelle berechnet und
eine Schadensberechnung zu Liquidationswerten sowie ein
Sachverständigengutachten angeboten. Ohnehin könne der Schaden nur geschätzt
werden.

3.1 Die Vorinstanz hat zu Gunsten der Beschwerdeführerinnen festgehalten, mit
Erhalt der Schreiben der Revisionsstelle vom 4. März und 5. Oktober 1994, die
auf Fortführungswerten basierende Bilanzangaben enthielten, seien den
Beschwerdeführerinnen die für den Verjährungsbeginn relevanten Vermögensdaten
noch nicht bekannt gewesen, soweit es für den Schaden nicht auf
Fortführungswerte ankomme. Zudem sei der Schaden für den Abtretungsgläubiger
nicht bereits nach Anmeldung der Forderungen bestimmbar, sondern frühestens,
wenn Inventar und Kollokationsplan auflägen.

3.1.1 Was die Schadenssubstanziierung anbelangt, erwog die Vorinstanz,
massgebend seien nicht die Fortführungswerte gemäss Zwischenbilanz, auf welche
die Beschwerdeführerinnen abgestellt hätten, sondern die zumal bei
verderblichen Konsumgütern erfahrungsgemäss tieferen Liquidationswerte. Die
Beschwerdegegner hätten denn auch bereits im erstinstanzlichen Verfahren darauf
hingewiesen, dass der tatsächliche Schaden allenfalls einen Bruchteil des
eingeklagten Betrages ausmache. Nach Auffassung der Vorinstanz sind die
Beschwerdeführerinnen die grundlegendsten Angaben schuldig geblieben, die es
erlaubt hätten, die Vermögens- und Eigenkapitalentwicklung zwischen dem
klägerischerseits als massgeblich erachteten Anfangszeitpunkt (Ende 1993) und
der Konkurseröffnung (6. Oktober 1994) zu berechnen. Die Beschwerdeführerinnen
hätten sich zur Feststellung der Gesellschaftspassiven im Konkurszeitpunkt auch
nicht auf den Kollokationsplan berufen, obwohl ihnen dieser
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zugänglich gewesen sei. In welcher Höhe ein Schaden entstanden sei, könne daher
nicht gesagt werden.

3.1.2 Die Vorinstanz erkannte, Art. 42 Abs. 2 OR helfe den
Beschwerdeführerinnen nicht weiter, denn sie hätten diese Vorschrift lediglich
zur Festlegung des Stichdatums der Schadensanzeige, d.h. des Zeitpunkts
angerufen, in welchem die Überschuldungsanzeige im Sinne von Art. 725 Abs. 2
bzw. Art. 729b Abs. 2 OR pflichtgemäss hätte erstattet werden müssen, nicht
aber zum Schaden selbst. Da die Gegenpartei bereits mit der Klageantwort im
erstinstanzlichen Verfahren die klägerische Schadensberechnung substanziiert
bestritten und eine Aufzeigung der Veräusserungswerte verlangt habe, verfange
auch der Hinweis der Beschwerdeführerinnen auf die richterliche Fragepflicht
nicht. Es genüge daher nicht, dass die Beschwerdeführerinnen in der Replik eine
Liquidationsbilanz richterlichem Gutdünken anheimgestellt hätten. Mangels
brauchbarer Berechnungsvorschläge der Beschwerdeführerinnen könne nicht von
einer hinreichenden Klagespezifizierung gesprochen werden. Es sei auch nicht
möglich, die Vermögensentwicklung ohne Rücksicht auf weitere Bilanzpositionen
aufgrund des Hauptaktivums der konkursiten Gesellschaft, der Kaviarvorräte,
abzuschätzen, da auch diesbezüglich keine Preisentwicklung aufgezeigt worden
sei.

3.2 Besteht der Schaden - wie hier behauptet - in der Vergrösserung der
Verschuldung der Konkursitin, welche durch eine verspätete Konkurserklärung
entstanden ist (vgl. Art. 725 Abs. 2 und 729b Abs. 2 OR), im sogenannten
"Fortführungsschaden" zufolge Konkursverschleppung (BÖCKLI, Schweizer
Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, § 18 Rz. 369 f. S. 2488), so ist die tatsächlich
eingetretene Überschuldung der Konkursitin mit jener zu vergleichen, die bei
einem Konkurs zum früheren Zeitpunkt bestanden hätte (BGE 132 III 342 E. 2.3.3
S. 348, BGE 132 III 564 E. 6.2 S. 575 f.).

3.2.1 Der Schaden, der durch eine verzögerte Konkurseröffnung entstanden ist,
kann bundesrechtskonform in der Weise festgestellt werden, dass der aus den
Buchhaltungsunterlagen ersichtliche Saldo im Zeitpunkt der Verletzung der
Benachrichtigungspflicht mit dem (höheren) Verlust im Zeitpunkt der tatsächlich
erfolgten Konkurseröffnung verglichen wird (Urteil des Bundesgerichts 4C.263/
2004 vom 23. Mai 2005 E. 3, nicht publ. in: BGE 132 III 222). Es gilt also, den
Vermögensstand der Gesellschaft bei Konkurseröffnung mit dem Vermögen zu jenem
Zeitpunkt zu vergleichen, auf welchen die
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eingeklagten Organe bzw. die Revisionsgesellschaft nach klägerischer Behauptung
die Konkurseröffnung bei pflichtgemässem Handelnhätten herbeiführen müssen. Zu
diesem Zweck kann der Überschuldungsgrad einzig gestützt auf Liquidationswerte
ermittelt werden, denn die Konkurseröffnung zieht die Auflösung der
Gesellschaft nach sich (Art. 736 Ziff. 3 OR) und deren Liquidation nach den
Regeln des Konkursrechts (Art. 740 Abs. 5 OR). In diesem Stadium hat der
Fortführungswert, da der gewöhnliche Geschäftsbetrieb eingestellt wird,
diesbezüglich seine Bedeutung verloren.

3.2.2 Wenn der Vorwurf dahin geht, der Konkurs sei verzögert worden, darf der
Schaden nach dem Gesagten nicht als Differenz zwischen dem Liquidationswert bei
effektiver und dem Fortführungswert zum Zeitpunkt der pflichtwidrig
unterlassenen Benachrichtigung des Richters definiert werden (Urteile des
Bundesgerichts 4C.58/2007 vom 25. Mai 2007 E. 2.5, in: SJ 2008 I S. 55 ff., 58;
4C.117/1999 vom 16. November 1999 E. 2b). Dabei kann nur der Teil des
"Fortführungsschadens" für die Ersatzpflicht relevant sein, der (adäquat)
kausal auf die Pflichtwidrigkeit des einzelnen Verwaltungsratsmitglieds
zurückzuführen ist (BÖCKLI, a.a.O., § 18 Rz. 369a S. 2489).

3.3 Soweit die Beschwerdeführerinnen vor Bundesgericht daran festhalten, die
Vorinstanz verstosse mit ihrer Rechtsauffassung, massgeblich für die
Schadensberechnung seien Liquidationswerte, gegen Art. 754 f. und 41 f. OR, ist
die Beschwerde nach dem Gesagten unbegründet. Entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerinnen handelt es sich bei Aktiven und Passiven nicht um Werte,
denen mit Bezug auf die Frage der Überschuldung und deren Ausmasses isoliert
betrachtet Bedeutung zukommt, sondern um interdependente Elemente, welche den
Bilanzwert der Gesellschaft bestimmen. Demgegenüber trifft zwar zu, dass die
Gesamtheit der rechtskräftig kollozierten Forderungen keine bundesrechtlich
verbindliche Grundlage bildet, die der Schadensberechnung zugrunde zu legen
wäre (BGE 132 III 342 E. 2.3.3 S. 348 mit Hinweisen). Da aber der
"Fortführungsschaden" belegt werden kann, indem man die effektive
Konkursdividende mit der hypothetischen vergleicht, die bei rechtzeitiger
Benachrichtigung des Richters zu erwarten gewesen wäre (Urteil des
Bundesgerichts 4C.192/2003 vom 13. Oktober 2003 E. 3.3.; BÖCKLI, a.a.O., § 18
Rz. 369a S. 2488 mit Hinweisen), kann der Gesamtheit der rechtskräftig
kollozierten Forderungen zumindest als Indiz für die Vergrösserung der
Überschuldung Bedeutung zukommen, insbesondere, wenn die mutmassliche
Konkursdividende
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bereits im ersten Vergleichszeitpunkt bei nahezu 0 % liegt, so dass sich aus
dem Vergleich der mutmasslichen mit der tatsächlichen Konkursdividende der
nicht privilegierten Konkursgläubiger nichts übereine allfällige Zunahme der
Überschuldung infolge der Konkursverschleppung ableiten lässt.

3.4 Was die Bewertung des Hauptaktivums, der Kaviarvorräte, anbelangt, machen
die Beschwerdeführerinnen mit Aktenhinweisen geltend, sie hätten in der Replik
vorgebracht, dieses Aktivum sei für beide Zeitpunkte auf derselben Grundlage
bewertet worden. Sie hätten die Bewertung erläutert und vorgetragen, dass eine
Schadensberechnung nach Liquidationswerten kein anderes Bild ergeben würde. In
diesem Zusammenhang hätten sie Beweis durch einen Sachverständigen angeboten.

3.4.1 An den angeführten Stellen der Replik haben die Beschwerdeführerinnen in
der Tat dargelegt, der Kaviarbestand sei in der Anzeige an den Konkursrichter
vom 5. Oktober 1994 gleich wie im Schreiben der Revisionsstelle vom 4. März
1994 an den Beschwerdegegner 1 nicht zu Konkursschleuder-, sondern zu
Einstandspreisen eingesetzt worden. Zudem habe sich in der betreffenden
Zeitspanne zwischen Januar und Oktober 1994 nicht nur die Schuldenlast um Fr.
21'380'000.- erhöht, sondern zusätzlich der Lagerbestand an Kaviar um 12'000 kg
verringert, woraus sich ein zusätzlicher Verlust ergebe, weshalb umso mehr
gerechtfertigt sei, für die Schadenshöhe gemäss Art. 42 Abs. 2 OR auf die von
der Beschwerdegegnerin 4 angegebenen Schätzungen per 31. Dezember 1993 und 6.
Oktober 1994 im Sinne einer Minimalangabe abzustellen. Zu berücksichtigen sei
nämlich, dass zufolge der verspäteten Konkurseröffnung 10'475 kg des
Kaviarvorrates verdorben gewesen seien, wodurch sich die Vermögensverminderung
erhöhe. Diesen Zusatzschaden bezifferten die Beschwerdeführerinnen auf der
Grundlage des Verkaufspreises, der im Konkurs gelöst wurde, auf Fr.
1'732'373.-. Abschliessend anerboten die Beschwerdeführerinnen für eine
Berechnung des Schadens nach Liquidationswerten zum Beweis ein Gutachten durch
einen Sachverständigen mit der Behauptung, dass sich dabei das von ihnen
geschilderte Schadensbild ergeben würde.

3.4.2 Dass Sachvorbringen in der Replik prozessual verspätet wären, ist dem
angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Werden diese beachtet, lässt sich der
Vorwurf, die Beschwerdeführerinnen hätten ihre Sachvorbringen nicht hinreichend
klar behauptet, weshalb ein
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substanziiertes Bestreiten und ein Beweis darüber nicht möglich gewesen wäre,
bundesrechtlich nicht halten. Eine Tatsachenbehauptung braucht nicht alle
Einzelheiten zu enthalten; es genügt, wenn die Tatsache in einer den
Gewohnheiten des Lebens entsprechenden Weise in ihren wesentlichen Zügen oder
Umrissen behauptet worden ist. Immerhin muss die Tatsachenbehauptung so konkret
formuliert sein, dass ein substanziiertes Bestreiten möglich ist oder der
Gegenbeweis angetreten werden kann (vgl. BGE 117 II 113 E. 2).

3.4.3 Wie dargelegt haben die Beschwerdeführerinnen mit der Behauptung des real
erzielten Verkaufserlöses den Liquidationswert im Konkurszeitpunkt angegeben.
Zudem haben sie den Umfang der Erhöhung der Passiven in der fraglichen Periode
beziffert und zu quantitativen und qualitativen Veränderungen des Inventars
Stellung bezogen, indem sie geltend machten, in Tat und Wahrheit resultiere ein
zusätzlicher Minderwert von Fr. 1'732'373.-, weil 10'475 kg Kaviar in der
Zwischenzeit verdorben seien und sich der Lagerbestand durch Verkauf reduziert
habe. Wenn sie auf dieser Grundlage behaupten, auch wenn man das Inventar für
den Zeitpunkt des hypothetischen Konkurses auf der Basis der (realen)
Liquidationswerte berechne, ergebe sich dasselbe Schadensbild, ein Schaden von
Fr. 21'380'000.-, haben sie auf nachvollziehbare Weise dargelegt, worin sie den
Schaden erblicken.

3.4.4 Ob die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Schadensberechnung
rechtlich korrekt sind, ist mit Bezug auf die hinreichende Substanziierung der
Vorbringen nicht massgebend. Ob die Behauptung des Schadens in tatsächlicher
Hinsicht ganz, teilweise oder gar nicht zutrifft, hätte sich aus der
offerierten Expertise ergeben. Inwiefern die Behauptungen für die Erstellung
einer solchen oder ein substanziiertes Bestreiten nicht hinreichend gewesen
wären, ist nicht ersichtlich. Vielmehr nimmt die Beschwerdegegnerin 4 in der
Beschwerdeantwort vielfach materiell zu den klägerischen Ausführungen Stellung.
Inwieweit es den Beschwerdeführerinnen gelingt, ihre Vorbringen zu beweisen,
beschlägt die materielle Begründetheit der Forderung und damit den Umfang, in
welchem die eingeklagten Ansprüche ausgewiesen sind, ist aber für die Frage, ob
die Sachbehauptungen den bundesrechtlichen Substanziierungsanforderungen
genügen, nicht erheblich.

3.4.5 Überdies betont die Beschwerdegegnerin 4 selbst, sie habe aufgezeigt,
dass im Konkurszeitpunkt der Restbetrag der nicht an die
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gesicherten Gläubiger gegangenen Aktiven minimal gewesen sei und riesige
Passiven bestanden hätten. Wenn die Beschwerdeführerinnen bei dieser Sachlage
den Schaden zur Hauptsache mit der Erhöhung der Passiven im fraglichen Zeitraum
begründen, die sie einer verspäteten Benachrichtigung des Richters zuschreiben,
lässt sich der Vorwurf, sie hätten die exakte Bewertung der Aktiven
vernachlässigt, erst recht nicht rechtfertigen, zumal eine natürliche Vermutung
für die schadensstiftende Wirkung einer verspäteten Überschuldungsanzeige
spricht (132 III 564 E. 6.3 S. 576 f. mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts
4P.305/2001 vom 18. März 2002 E. 2d) und der Schaden letztlich ohnehin nur
geschätzt werden kann, da der Vermögensstand beim behaupteten pflichtgemässen
Verhalten notwendigerweise auf einer Hypothese beruht (BÖCKLI, a.a.O., § 18 Rz.
373 S. 2490). Eine Schadensschätzung nach Art. 42 Abs. 2 OR hat somit im Rahmen
richterlicher Rechtsanwendung von Amtes wegen zu erfolgen, ungeachtet der
Frage, ob und zu welcher Schadensposition sich ein Geschädigter darauf beruft.

3.4.6 Ob die Beschwerdeführerinnen die Vergrösserung der Passiven im Laufe der
genannten Zeitspanne aus dem Kollokationsplan oder aus einer anderen
Informationsquelle ableiten, hat wiederum entgegen der Auffassung der
Vorinstanz nichts mit der Frage zu tun, ob das Anwachsen der Passiven, das
gemäss klägerischer Behauptung den Schaden darstellt, hinreichend klar
behauptet wurde. Die Beschwerdeführerinnen haben die Erhöhung der Passiven auch
beziffert. Was einem substanziierten Bestreiten und einer Beweisführung
entgegenstehen könnte, ist nicht ersichtlich.

4. Die Beschwerdegegner 1-3 und die Beschwerdegegnerin 4 wenden in ihren
Beschwerdeantworten allerdings ein, die Annahme der Vorinstanz, die
klägerischen Ansprüche seien nicht verjährt, sei bundesrechtswidrig. Darauf ist
nunmehr einzugehen, da eine Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen
überspannter Substanziierungsanforderungen nur in Frage kommt, wenn die Klage
nicht ohnehin wegen Verjährung abzuweisen ist.

4.1 Nach Art. 760 Abs. 1 OR verjährt der Anspruch auf Schadenersatz gegen die
nach den Art. 752 ff. OR verantwortlichen Personen in fünf Jahren vom Tage an,
an dem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des
Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit dem Ablauf von zehn Jahren,
vom Tage der schädigenden Handlung an gerechnet. Fristauslösende
Schadenskenntnis
BGE 136 III 322 S. 330
liegt vor, wenn der Geschädigte die Existenz eines Schadens sowie dessen
Beschaffenheit und wesentlichen Merkmale, d.h. alle tatsächlichen Umstände
kennt, die geeignet sind, eine Klage zu veranlassen und zu begründen (BGE 116
II 158 E. 4a S. 160 f.; vgl. auch BGE 131 III 61 E. 3.1.1 S. 68; je mit
Hinweis). Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte
tatsächlich Kenntnis vom Schaden hat, nicht mit demjenigen, in welchem er bei
Anwendung der nach den Umständen gebotenen Aufmerksamkeit ausreichende Kenntnis
vom Schaden hätte erlangen können (BGE 111 II 55 E. 3a S. 57 f.; vgl. auch BGE
131 III 61 E. 3.1.2 S. 68).

4.2 Die Vorinstanz erwog, die für den Beginn der Verjährungsfrist massgebende
Schadenskenntnis dürfe vor Auflage des Kollokationsplanes nicht leichthin
angenommen werden. Im Interesse der Rechtssicherheit sei ein klares Stichdatum
notwendig. Zwar möge zutreffen, dass sich ein Totalverlust der Gläubiger schon
früh abgezeichnet habe. Ein Verschleppungsschaden sei indessen für die Klage
eines Abtretungsgläubigers erst bestimmbar, wenn Aktiven und Passiven der
Gesellschaft zum Konkurszeitpunkt ermittelt seien. Dies sei entgegen der
Auffassung der Beschwerdegegner nicht bereits nach Ablauf der Frist zur
Forderungsanmeldung, sondern erst nach Abschluss des Kollokationsverfahrens der
Fall. Die Schreiben der Revisionsstelle vom 4. März und 5. Oktober 1994 hätten
lediglich provisorische Schätzungen enthalten. Vor Auflage von Inventar und
Kollokationsplan habe der Schaden nicht hinreichend bekannt sein und die
Verjährung daher nicht beginnen können. Darüber hinaus sei nicht erstellt, dass
die Beschwerdeführerinnen von den relevanten Pflichtverletzungen, der
Falschbewertung der Kaviarvorräte in der Bilanz per 31. März 1993, schon vor
dem 16. Juni 1995 gewusst hätten. Selbst wenn Kenntnis der schadensrelevanten
Umstände vor Auflage von Kollokationsplan und Inventar anzunehmen sein sollte,
wäre diesbezüglich aufgrund der erst später bekannt gewordenen
Pflichtverletzung die Verjährung zu verneinen.

4.3 Soweit die Beschwerdegegner 1-3 anführen, die Gesellschaft habe schon
anlässlich der Generalversammlung vom 9. November 1993 Kenntnis der
Falschbewertung gehabt, und rügen, die Vorinstanz habe auf unhaltbare Weise
festgestellt, der Nachweis konkreter Schadenskenntnis der Gläubigergesamtheit
bzw. Konkursverwaltung, namentlich betreffend Zahlung an den Drittbeklagten,
sei ihnen nicht gelungen, kritisieren sie ohne nähere Begründung die für das
Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen (Art. 105 Abs. 1 BGG)
BGE 136 III 322 S. 331
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz und sind damit nicht zu hören. Auch
die Beschwerdegegnerin 4 beschränkt ihre Ausführungen hinsichtlich der ihrer
Ansicht nach zu Unrecht verneinten Verjährung weitgehend auf unzulässige
appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil, indem sie ihren rechtlichen
Vorbringen, ohne gleichzeitig substanziierte Sachverhaltsrügen zu erheben,
Umstände zugrunde legt, die im angefochtenen Urteil keine Stütze finden. Darauf
ist nicht einzutreten. Soweit sie anführt, die Vorinstanz habe ihre
Ausführungen in der Berufungsantwort weitgehend unbeachtet gelassen, lässt sie
dazu jeglichen Aktenhinweis missen, weshalb die Rüge unbeachtet bleiben muss.

4.4 Hinreichende Kenntnis ist für die aktienrechtliche Verantwortlichkeitsklage
aus mittelbarer Schädigung nach Lehre und Rechtsprechung regelmässig gegeben,
wenn der Kollokationsplan und das Inventar zur Einsicht aufgelegt worden sind (
BGE 122 III 195 E. 9c S. 202 f.; BGE 111 II 164 E. 1a S. 167; je mit Hinweis).
Aufgrund besonderer Umstände kann der Geschädigte im Einzelfall die nötige
Kenntnis jedoch auch schon früher erlangen (BGE 116 II 158 E. 4a S. 161).
Keinesfalls aber kann die fünfjährige (relative) Verjährung für
Verantwortlichkeitsansprüche der Gesamtheit der Gläubiger, welche einem
Gesellschaftsgläubiger nach Art. 260 SchKG abgetreten wurden, einsetzen, bevor
über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet wurde (BGE 122 III 195 E. 9c S. 202
mit Hinweis), denn die Forderung der Gesamtheit der Gläubiger ist nicht
einklagbar, bevor über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet wurde (vgl. schon
BGE 87 II 293 E. 4 S. 297 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4A_174/2007 vom 13.
September 2007 E. 5.2; CORBOZ, in: Commentaire romand, Code des obligations,
Bd. II, 2008, N. 20 f. zu Art. 760 OR; ungenau WIDMER/GERICKE/WALLER, in:
Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2008, N. 5 zu Art. 760
OR, die unter Hinweis auf das zit. Urteil 4A_174/2007 erwähnen, die relative
Verjährungsfrist beginne für die Abtretungsgläubiger mit der Konkurseröffnung,
wobei sie dennoch unter Hinweis auf BGE 122 III 202 zutreffend anführen, in
Bezug auf den Anspruch der Gläubiger aus mittelbarer Schädigung habe die Praxis
präzisiert, dass die Frist für die Gläubiger erst mit der Auflage des
Kollokationsplans und des Inventars zur Einsicht zu laufen beginne).

4.5 An dieser Rechtsprechung hat BGE 132 III 342 nichts geändert (vgl. zit.
Urteil 4A_174/2007 E. 5.2). Darin wurde vielmehr erkannt,
BGE 136 III 322 S. 332
dass den verantwortlichen Organen unter Vorbehalt der Gläubigerbenachteiligung
diejenigen Einreden auch im Konkurs der Gesellschaft gegenüber der Gesamtheit
der Gläubiger erhalten bleiben sollen, die vor der Konkurseröffnung der
Gesellschaft entstanden sind, namentlich die Befugnis zur Verrechnung mit
Gegenforderungen, welche schon vor Eröffnung des Konkurses entstanden sind (E.
4). Es bleibt aber dabei, dass im Konkurs der eigene Anspruch der Gesellschaft
durch denjenigen der Gläubigergesamtheit abgelöst wird mit dem Zweck,
diejenigen Einreden auszuschliessen, welche den Abtretungsgläubigern gegenüber
nicht gerechtfertigt sind. Dass unter diesen Ausschluss die Einrede der
relativen Verjährung fallen muss, soweit sie der Gesellschaft entgegengehalten
werden könnte, versteht sich ohne Weiteres, da die zur Verantwortung gezogenen
Organe nicht von ihrer eigenen Untätigkeit profitieren sollen und die
Abtretungsgläubiger vor Konkurseröffnung die Verjährung nicht unterbrechen
können (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.363/2006 vom 13. März 2007 E. 4.3;
anders betr. die absolute Verjährung, die mit der schädigenden Handlung zu
laufen beginnt).

4.6 Da ein Anspruch der Gläubigergesamtheit zur Debatte steht, kann es entgegen
der Meinung der Beschwerdegegner 1-3 nicht auf die Kenntnis der Gesellschaft
selbst ankommen und die Verjährung jedenfalls nicht vor Konkurseröffnung
beginnen. Auch der Ablauf der Eingabefrist für die Konkursforderungen kann
nicht ausschlaggebend sein. Dass auch bei früherer Durchführung des Konkurses
mit einer Konkursdividende von 0 % zu rechnen war, wie die Beschwerdegegnerin 4
einwendet, sagt mit Bezug auf die Erhöhung der Unterdeckung im Zeitraum
zwischen pflichtwidrig unterlassener Konkursanmeldung und tatsächlich
eröffnetem Konkurs nichts aus, liegt der Schaden doch nicht in der
Konkursdividende, sondern in der Vergrösserung der Überschuldung. Zu Unrecht
beanstandet die Beschwerdegegnerin 4 auch die Alternativbegründung der
Vorinstanz, wonach der Verjährungsbeginn nebst Kenntnis des Schadens und des
Ersatzpflichtigen implizit auch jene der Pflichtverletzung voraussetzt, als
Verstoss gegen Art. 760 Abs. 1 OR. Bereits aus der allgemeinen Umschreibung des
"Schadens" als Differenz zwischen dem gegenwärtigen (effektiven) und dem
hypothetischen (höheren) Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis (vgl. E.
3.2 hiervor) ergibt sich, dass Kenntnis des Schadens ohne Kenntnis der
schädigenden Handlung kaum denkbar ist.
BGE 136 III 322 S. 333

4.7 Die Vorinstanz hat demnach nicht gegen Bundesrecht verstossen, indem sie
annahm, vor Auflage von Kollokationsplan und Inventar sei eine hinreichende
Kenntnis des massgebenden Schadens beziehungsweise der den Beschwerdegegnern
vorgeworfenen Pflichtverletzung nicht gegeben gewesen. Damit braucht die von
der Vorinstanz aufgeworfene Frage, ob die notwendige Kenntnis in diesem
Zeitpunkt bereits gegeben war, nicht vertieft behandelt zu werden. Ebenso kann
offenbleiben, ob die relative Verjährungsfrist zu laufen beginnt, bevor der
Abtretungsgläubiger die Möglichkeit hat, durch Klageeinreichung die Verjährung
zu unterbrechen (vgl. hierzu BGE 87 II 293 E. 4 S. 298; CORBOZ, a.a.O., N. 22
zu Art. 760 OR). Diese Möglichkeit wäre in der Regel erst nach Auflage des
Kollokationsplans gegeben, da nur ein kollozierter Gläubiger zur
aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsklage befugt ist (Urteil des
Bundesgerichts 5A_720/2007 vom 24. April 2008 E. 2.3.1; Art. 757 Abs. 2 OR;
vgl. BGE 122 III 195 E. 9b S. 202) und einer Abtretung oder einem Angebot zur
Abtretung nach Art. 260 SchKG stets ein Beschluss der Masse, d.h. der Mehrheit
der Gläubiger, über den Verzicht auf eigene Geltendmachung vorangehen muss,
selbst wenn der Konkurs im summarischen Verfahren durchgeführt wird (BGE 134
III 75 E. 2.3 S. 78 mit Hinweisen).