Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 136 III 130



Urteilskopf

136 III 130

19. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen A.,
B. und C. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_500/2009 vom 19. November 2009

Regeste

Art. 694 ZGB; Notweg für ein überbautes Grundstück; Verhältnis zwischen
privatem Notwegrecht und öffentlichem Erschliessungsrecht.
Die rechtskräftige Feststellung der zuständigen Behörden, dass nach
öffentlichem Recht eine hinreichende Zufahrt zu einem Grundstück besteht, ist
Ausgangspunkt der gerichtlichen Beurteilung der Wegenot im Sinne von Art. 694
ZGB. Das Zivilgericht hat in solchen Fällen nur zu prüfen, ob auf Grund
sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls die privatrechtlich definierte
Wegenot beseitigt ist oder nicht (E. 2-5).

Sachverhalt ab Seite 130

BGE 136 III 130 S. 130

A. Die Parzelle Nr. 1280 liegt auf dem Gebiet der Gemeinde G. am südwestlichen
Hang oberhalb der Bucht mit Hafenanlage am S.-see. Sie hat eine Fläche von 905
m^² und grenzt im oberen Teil an die öffentliche P.-strasse und im unteren Teil
an die unüberbaute
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Parzelle Nr. 6798, über die wiederum die öffentliche Q.-strasse erreichbar ist.
Gestützt auf eine Bewilligung vom 22. Mai 2000 überbaute die damalige
Alleineigentümerin C. die Parzelle Nr. 1280 in den Jahren 2001/2002 mit zwei
Mehrfamilienhäusern im Stockwerkeigentum. Die Verhältnisse zeigen sich heute
wie folgt:

A.a Das Haus A (= Nr. 21) liegt in der oberen Hälfte der Parzelle an der
P.-strasse. Es umfasst eine 5-Zimmerwohnung im Ober- und Dachgeschoss, eine
2-Zimmerwohnung im Erdgeschoss und eine Einstellhalle im Untergeschoss. An der
P.-strasse befinden sich ebenerdig drei zum Haus gehörende Parkplätze vor dem
Hauseingang. Von der P.-strasse führen neben dem Haus hangabwärts 20
Treppenstufen zum Eingang der Wohnung im Erdgeschoss und weitere 27
Treppenstufen zur Einstellhalle im Untergeschoss.

A.b Das Haus B (= Nr. 21A) liegt in der unteren Hälfte der Parzelle. Es umfasst
je eine 3-Zimmerwohnung im Erd- und Obergeschoss und eine 2-Zimmerwohnung im
Untergeschoss. Auf Grund der schriftlichen Zustimmung des Eigentümers - des
Vaters der Bauherrin - verfügt das Haus auf der angrenzenden unüberbauten
Parzelle Nr. 6798 über vier Parkplätze und über eine Zufahrt zur Q.-strasse.
Neben dem Haus hangaufwärts führen 48 Treppenstufen von den Parkplätzen zum
Hauseingang der Wohnung im Obergeschoss, der sich gegenüber der Einstellhalle
befindet. Die 3-Zimmerwohnung im Obergeschoss verkaufte C. an die Ehegatten A.
und B.

A.c Die Einstellhalle im Untergeschoss des Hauses A (= Nr. 21) ist in
Miteigentum aufgeteilt und gehört C. und den Ehegatten A. und B. Es können
darin maximal zehn Personenwagen eingestellt werden. Die Ausfahrt aus der
Einstellhalle führt auf den ebenen bekiesten Platz, der zwischen Haus A (= Nr.
21) und Haus B (= Nr. 21A) liegt. Die eine offene Seite des Kiesplatzes wird
durch das Wiesland der benachbarten Bauparzelle Nr. 3960 begrenzt, während sich
auf der anderen offenen Seite eine Abschrankung zur Parzelle Nr. 1931 befindet.
Dahinter beginnt ein asphaltierter Weg, der über die Parzellen Nrn. 1931 und
3821 führt und den Parzellengrenzen entlang schräg hangaufwärts in die
P.-strasse einmündet. Der Weg dient als Zufahrt zu den mit je einem Wohnhaus
überbauten Parzellen Nrn. 1931 und 3821.

A.d Die Eigentümer der Parzelle Nr. 1280 haben weder ein persönliches noch ein
dingliches Recht, den asphaltierten Fahrweg über die Parzelle Nr. 3821 zu
benutzen. Im Vorfeld und während der
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Ausführung des Bauvorhabens verhandelten die Eigentümer der Parzelle Nr. 1280
erfolglos mit X. bzw. ihrem inzwischen verstorbenen Vater als Eigentümern der
Parzelle Nr. 3821 über die Einräumung eines Wegrechts. Eine öffentliche
Erschliessung aller Grundstücke im fraglichen Einzugsgebiet über den
bestehenden Fahrweg kam nicht zustande.

A.e Heute verfügen weder die Einstellhalle im Untergeschoss des Hauses A (= Nr.
21) noch das Haus B (= Nr. 21A) über eine Zufahrt zur P.-strasse.

B. Am 22. Juni 2007 klagten A. und B. sowie C. auf Einräumung eines
Notwegrechts. X. als Alleineigentümerin der Parzelle Nr. 3821 schloss auf
Abweisung. Die kantonalen Gerichte verneinten eine Wegenot für das Haus A (=
Nr. 21), hiessen die Klage hingegen für das Haus B (= Nr. 21A) gut und
bewilligten das Notwegrecht auf dem bestehenden Fahrweg gegen eine
Entschädigung von Fr. 5'000.-

C. X. (Beschwerdeführerin) beantragt dem Bundesgericht, die Klage abzuweisen.
A. und B. sowie C. (Beschwerdegegner) stellen die Begehren, auf die Beschwerde
nicht einzutreten, eventuell die Beschwerde abzuweisen. Das Bundesgericht hat
die Beschwerde an der öffentlichen Beratung vom 19. November 2009 gutgeheissen
und die Klage abgewiesen.
(Zusammenfassung)

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2. In tatsächlicher Hinsicht steht für das Bundesgericht verbindlich fest, dass
die Beschwerdegegnerin 3 ihr Grundstück Nr. 1280 in den Jahren 2001/2002
überbaut hat. In der Baubewilligung vom 22. Mai 2000 wurde festgehalten, dass
die Erschliessung der Parzelle Nr. 1280 genügend sei und dass es im
Risikobereich der Bauherrschaft liege, ob die Abstellmöglichkeiten später als
Einstellhalle benützt werden können. Für die Erstreitung hierfür etwaig
erforderlicher Wegrechte wurde die Bauherrschaft auf den Zivilweg verwiesen.
Die örtlichen Verhältnisse stehen für das Bundesgericht unangefochten fest. Das
Grundstück Nr. 1280 befindet sich an einer ausgesprochenen Hanglage. Das in der
oberen Hälfte erbaute Haus A (= Nr. 21) grenzt an die P.-strasse und verfügt
daselbst über drei Parkplätze. Mit Blick darauf haben die kantonalen Gerichte
in rechtlicher Hinsicht eine Wegenot für das Haus A (= Nr. 21) verneint. Das
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Obergericht hat ergänzt, der Zugang zum oberen Haus sei gewährleistet, zumal
mit dem Auto bis an die Haustür gefahren werden könne. Wie man beim jeweiligen
Haus zu den einzelnen Wohnungseingängen gelange, habe im Übrigen nichts mehr
mit Erschliessung zu tun. Es spiele daher auch keine Rolle, dass der Eingang
zur unteren Wohnung lediglich über eine (kurze) Treppe erreichbar sei. Für das
in der unteren Hälfte des Grundstücks erbaute Haus B (= Nr. 21A) haben die
kantonalen Gerichte hingegen eine Wegenot bejaht, weil die Stockwerkeinheiten
des Hauses B (= Nr. 21A) sowohl von der P.-strasse als auch von den Parkplätzen
auf der Parzelle Nr. 6798 bzw. von der Q.-strasse her nur über beschwerliche
Treppen erreichbar seien. Die Zufahrt über die Parzelle Nr. 6798 sei rechtlich
nicht gesichert. Die kantonalen Gerichte haben eine alternative Erschliessung
bzw. Überbauung als kaum möglich oder zumutbar bezeichnet und die Frage
verneint, ob die Beschwerdegegner durch die Art ihres Bauvorhabens die Wegenot
leichtfertig herbeigeführt hätten.
Die Beschwerdeführerin rügt eine unrichtige Beurteilung der Wegenot, der
Herbeiführung der angeblichen Wegenot sowie der Möglichkeit und Zumutbarkeit
einer alternativen Erschliessung und Überbauung. In allen drei Punkten
schliessen sich die Beschwerdegegner wiederum den obergerichtlichen
Ausführungen an.

3. Im Vordergrund der Beurteilung stehen die Voraussetzungen des Anspruchs auf
Einräumung eines Notweges. Der Fall betrifft gleichzeitig Fragen des
Verhältnisses zwischen dem Notwegrecht gemäss Art. 694 ZGB und dem öffentlichen
Bau- und Planungsrecht. Darauf ist vorweg einzugehen.

3.1 Hat ein Grundeigentümer keinen genügenden Weg von seinem Grundstück auf
eine öffentliche Strasse, so kann er gemäss Art. 694 Abs. 1 ZGB beanspruchen,
dass ihm die Nachbarn gegen volle Entschädigung einen Notweg einräumen. Das
Notwegrecht bedeutet wie andere mittelbare gesetzliche Eigentumsbeschränkungen
(z.B. Durchleitungen, Notbrunnen u.ä.) eine "privatrechtliche Enteignung" (BGE
114 II 230 E. 4a S. 236). Das Bundesgericht hat die Gewährung eines
Notwegrechts deshalb von strengen Voraussetzungen abhängig gemacht. Es hat aus
der Entstehungsgeschichte des Art. 694 ZGB abgeleitet, dass der
nachbarrechtliche Anspruch auf die Gewährung eines Wegrechts nur in einer
eigentlichen Notlage geltend gemacht werden kann (BGE 105 II 178 E. 3b S. 180
f.). Eine Wegenot
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liegt vor, wenn einem Grundeigentümer die zur bestimmungsgemässen Benutzung
seines Grundstücks erforderliche Verbindung zur öffentlichen Strasse überhaupt
fehlt oder der vorhandene Weg sich als ungenügend erweist (BGE 117 II 35 E. 2
S. 36 f.).

3.2 Das Bundesgericht hat anerkannt, dass der Anspruch auf Einräumung eines
Notweges grundsätzlich auch im überbauten Gebiet besteht (z.B. BGE 84 II 614,
Gemeinde Schwyz; BGE 85 II 392, Stadt Bern; BGE 105 II 178, Stadt Rapperswil).
Bereits zu dieser älteren Rechtsprechung wurde angemerkt, es erstaune, wie
selbst in Stadtgemeinden mit Zonenordnung die genügende Zufahrt zu einem
überbauten Grundstück fehlen könne, obwohl sie für die Erteilung der
Baubewilligung vorausgesetzt sei (vgl. PETER LIVER, Die privatrechtliche
Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1967, Sachenrecht, ZBJV 105/1969 S.
4). Auch nach Erlass des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung
(Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700), das die öffentlich-rechtliche Erschliessung
vorschreibt, hat das Notwegrecht an Bedeutung nicht eingebüsst (z.B. BGE 110 II
17, Commune de Meyrin; BGE 110 II 125, Stadtgemeinde Maienfeld; BGE 117 II 35,
Gemeinde Naters). Anders als in der früheren Rechtsprechung stellen sich heute
indessen vor allem Fragen im Schnittstellenbereich zum öffentlichen Recht (vgl.
CHRISTINA SCHMID-TSCHIRREN, Aktuelle Tendenzen im Grunddienstbarkeitsrecht, Der
Bernische Notar [BN] 1999 S. 1 ff., S. 7-12). An dieser Schnittstelle hat das
Bundesgericht mit Bezug auf die bestimmungsgemässe Nutzung des Grundstücks, von
der die Einräumung eines Notweges abhängt, seit je her festgehalten, massgebend
sei das öffentliche Recht. Liegt das Land in der Bauzone, so ist das Erstellen
eines Wohnhauses eine bestimmungsgemässe Nutzung (vgl. BGE 85 II 392 E. 1a S.
397; BGE 120 II 185 E. 2b S. 186 f.). Wo besondere Nutzungsformen (z.B.
Agrotourismus: "Schlafen im Stroh") einer Bewilligung bedürfen, ist das
Zivilgericht an die öffentlich-rechtliche Beurteilung durch die zuständigen
Behörden gebunden, soweit sich deren rechtskräftige Entscheide nicht als
absolut nichtig erweisen. Das Zivilgericht hat hingegen über alle weiteren
Voraussetzungen des Anspruchs auf Einräumung eines Notweges zu entscheiden
(Urteil 5C.91/2005 vom 11. Oktober 2005 E. 1.1, in: ZBGR 88/2007 S. 127 f.).
Was die bestimmungsgemässe Nutzung angeht, ist die Abgrenzung zum öffentlichen
Recht somit erfolgt.

3.3 Im vorliegenden Fall stellt sich die weitere Abgrenzungsfrage, ob ein nach
öffentlichem Recht erschlossenes Grundstück an einer
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Wegenot im Sinne von Art. 694 ZGB leiden kann. Zu dieser zweiten Schnittstelle
zwischen privatrechtlichem Notweg und öffentlichem Erschliessungsrecht ergibt
sich Folgendes:

3.3.1 Die Zonenordnung sollte eigentlich dazu führen, dass Grundstücke in der
Bauzone planmässig erschlossen werden und damit gar keine Wegenot entstehen
kann. Indessen zeigt sich immer wieder, dass es auch in zur Überbauung
bestimmten Gebieten Parzellen gibt, die über keinen genügenden Zugang zur
öffentlichen Strasse verfügen. Zur Behebung dieses Mangels verweist das
Bundesgericht den Grundeigentümer in erster Linie auf die
öffentlich-rechtlichen Rechtsinstitute. Solange mit öffentlich-rechtlichen
Mitteln eine angemessene Erschliessung erreicht werden kann, besteht keine
Wegenot (BGE 120 II 185 E. 2c S. 187; BGE 121 I 65 E. 4b S. 70). Der
Eigentümer, der einen Notweg beanspruchen will, hat insoweit darzulegen, dass
er - erfolglos - alles ihm Mögliche getan hat, um einen Zugang zu seinem
Grundstück mit öffentlich-rechtlichen Mitteln zu erlangen (Urteil 5C.64/2000
vom 4. April 2000 E. 3a, in: RDAT 2001 II Nr. 34 S. 151). Wie es sich damit
verhält, hat das Obergericht erörtert, kann aber dahingestellt bleiben. Die
Baubewilligungsbehörde hat festgestellt, dass das Bauvorhaben in Bezug auf eine
genügende Erschliessung den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht.
Haus A (= Nr. 21) liegt an der öffentlichen P.-strasse, während Haus B (= Nr.
21A) auf Grund der Zustimmung des Eigentümers über die Parzelle Nr. 6798 mit
der öffentlichen Q.-strasse verbunden ist.

3.3.2 Die Erteilung einer Baubewilligung setzt voraus, dass das Land
erschlossen ist (Art. 22 Abs. 2 lit. b RPG). Land ist erschlossen, wenn unter
anderem eine für die betreffende Nutzung hinreichende Zufahrt besteht (Art. 19
Abs. 1 RPG). Die hinreichende Zufahrt ist in erster Linie mit planerischen
Mitteln sicherzustellen, kann aber auch auf privater Vereinbarung der
betroffenen Grundeigentümer beruhen (BGE 121 I 65 E. 4a S. 69 f.). Hinreichende
Zufahrt besteht, wenn die Zugänglichkeit sowohl für die Benützer der Bauten als
auch für Fahrzeuge der öffentlichen Dienste gewährleistet ist. Die Zufahrten
sollen verkehrssicher sein und haben sich nach den zonengerechten
Baumöglichkeiten jener Flächen zu richten, die sie erschliessen sollen. Die
Festlegung des Ausmasses der Erschliessungsanlagen und die Umschreibung der
genügenden Zugänglichkeit ist Sache des kantonalen Rechts. Aus
bundesrechtlicher Sicht genügt es, wenn eine Zufahrtsstrasse hinreichend nahe
an
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Bauten und Anlagen heranführt. Die befahrbare Strasse muss nicht bis zum
Baugrundstück oder gar zu jedem einzelnen Gebäude reichen; vielmehr genügt es,
wenn Benützer und Besucher mit dem Motorfahrzeug (oder einem öffentlichen
Verkehrsmittel) in hinreichende Nähe gelangen und von dort über einen Weg zum
Gebäude oder zur Anlage gehen können. Für Erschliessungsanlagen auf fremdem
Grund ist deren rechtliche Sicherstellung nachzuweisen (Urteil 1C_376/2007 vom
31. März 2008 E. 4.4, zusammengefasst in: Raum & Umwelt, VLP-ASPAN 2/09 S. 16).

3.3.3 Der Begriff des Notweges im Sinne von Art. 694 ZGB ist unabhängig von
kantonalen oder kommunalen Bauvorschriften und als solcher des
Bundesprivatrechts in der ganzen Schweiz nach einheitlichen Gesichtspunkten
auszulegen. Aus der Unabhängigkeit folgt, dass ein Notweg nicht gewährt werden
kann, um die regelmässig weitergehenden Anforderungen des öffentlichen Rechts
an eine hinreichende Zufahrt zu erfüllen (BGE 85 II 392 E. 2 S. 400 f.; BGE 105
II 178 E. 3d S. 182; BGE 110 II 17 E. 2a S. 19; BGE 117 II 35 E. 2 S. 37). Nach
heutiger Auffassung hat ein Grundeigentümer in einem Gebiet, wo Wohn- oder
Ferienhäuser stehen, grundsätzlich Anspruch auf eine allgemeine Zufahrt zu
seinem Grundstück mit einem Motorfahrzeug, sofern die topografischen
Verhältnisse eine solche überhaupt zulassen (vgl. BGE 93 II 167 E. 2 S. 168 f.;
BGE 110 II 125 E. 5 S. 127; Urteil 5C.142/2003 vom 28. August 2003 E. 2.4, in:
ZBGR 85/2004 S. 313; Urteil 5C.225/2003 vom 23. Dezember 2003 E. 7.1, in:
Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung in Graubünden [ZGRG] 23/2004 S.
75). Mit dem Anspruch auf Einräumung eines Notweges als Zugang zu Wohnhäusern
auf Grundstücken an ausgesprochener Hanglage hat sich das Bundesgericht schon
oft befasst. Aus der Rechtsprechung kann praktisch einzig der Schluss gezogen
werden, dass es von sämtlichen Umständen des konkreten Einzelfalls abhängt, ob
eine Notlage im Sinne von Art. 694 ZGB besteht (zit. Urteil 5C.225/2003 E. 7.3,
in: ZGRG 23/2004 S. 76).

3.3.4 Die Gegenüberstellung der Anforderungen an die hinreichende Zufahrt im
öffentlichen Recht und an den privatrechtlichen Notweg zeigt, dass in der Regel
eine Wegenot im Sinne von Art. 694 ZGB zu verneinen ist, wo eine
öffentlich-rechtliche Erschliessung besteht. Wird ein Grundstück im Rahmen
eines Bauvorhabens erschlossen, hat die Baubewilligungsbehörde abzuklären und
festzustellen, dass die Voraussetzung der hinreichenden Zufahrt erfüllt ist. Im
Notwegrechtsprozess kann das Zivilgericht grundsätzlich auf die
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rechtskräftige Baubewilligung abstellen, zumal die hinreichende Zufahrt des
öffentlichen Rechts regelmässig höheren Ansprüchen zu genügen hat als der
privatrechtliche Notweg. Vorbehalten bleibt der Nachweis, dass das Zivilrecht
ausnahmsweise einen weitergehenden Anspruch vermittelt als das öffentliche
Recht, sowie eine allfällige Nichtigkeit der Baubewilligung. Ein weiterer
Vorbehalt folgt daraus, dass die Baubewilligungsbehörde über das Bestehen einer
hinreichenden Zufahrt anhand der Gesuchsunterlagen (Pläne u.ä.) und auf Grund
eines Augenscheins, d.h. im Normalfall vor der tatsächlichen Bauausführung
entscheidet. Sollten sich nachträglich aus technischen oder anderen objektiven
Gründen Abweichungen gegenüber dem genehmigten Bauvorhaben ergeben, hat das
Zivilgericht diese Veränderungen zu beachten.

3.3.5 Als Ergebnis kann Folgendes festgehalten werden: Die rechtskräftige
Feststellung, dass nach öffentlichem Recht eine hinreichende Zufahrt zu einem
Grundstück besteht, ist Ausgangspunkt der gerichtlichen Beurteilung der Wegenot
im Sinne von Art. 694 ZGB. Das Zivilgericht hat in solchen Fällen nur zu
prüfen, ob auf Grund sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls die
privatrechtlich definierte Wegenot beseitigt ist oder nicht.

4. Das Grundstück Nr. 1280 der Beschwerdegegner liegt in der Bauzone, so dass
das Erstellen der beiden Mehrfamilienhäuser eine bestimmungsgemässe Nutzung
war. Die Baubewilligung dafür wurde am 22. Mai 2000 erteilt. Nichtigkeitsgründe
(vgl. BGE 132 II 21 E. 3.1 S. 27) sind weder ersichtlich noch dargetan. Die
tatsächliche Überbauung des Grundstücks in den Jahren 2001/2002 hat jedenfalls
mit Bezug auf die hier interessierende Erschliessung der rechtskräftigen
Baubewilligung entsprochen. Das Haus A (= Nr. 21) verfügt danach über eine
hinreichende Zufahrt ab der öffentlichen P.-strasse. Das Haus B (= Nr. 21A) ist
ab der öffentlichen Q.-strasse über die Parzelle Nr. 6798 mit Motorfahrzeugen
erreichbar. Damit übereinstimmend hat das Obergericht gestützt auf die
örtlichen Gegebenheiten eine Wegenot für das Haus A (= Nr. 21) verneint. Die
Frage ist nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens. Dass das
Grundstück Nr. 1280 direkt an die öffentliche P.-strasse grenzt, schliesst die
Einräumung eines Notweges für das auf dem gleichen Grundstück erbaute Haus B (=
Nr. 21A) nicht von vornherein aus. Ein entsprechendes Begehren kann begründet
sein, wenn die Bewohnung und Bewirtschaftung der Liegenschaft mit den
vorhandenen Zufahrten nicht möglich ist und den zusätzlichen Notweg
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erfordert, wenn also der schon vorhandene Weg für die Nutzung der
Gesamtliegenschaft nicht genügt (BGE 84 II 614 E. 3 S. 618; Urteil C.240/1987
vom 10. März 1988 E. 2b, in: Revue valaisanne de jurisprudence [RVJ] 1989 S.
277). Die Voraussetzung dürfte bei zwei Häusern an ausgesprochener Hanglage
nicht ohne nähere Prüfung verneint werden können, ist hier aber aus
nachstehenden Gründen nicht zu beurteilen.

5. Das Haus B (= Nr. 21A) verfügt gemäss Baubewilligung über eine hinreichende
Zufahrt über die Parzelle Nr. 6798 ab der öffentlichen Q.-strasse.

5.1 Das Obergericht hat die Wegenot gleichwohl bejaht und dafürgehalten, bei
den Parkplätzen auf der Parzelle Nr. 6798 handle es sich um ein Provisorium.
Die Zusage des Vaters der Beschwerdegegnerin 3, die Parkplätze zu dulden,
ändere nichts daran, dass für diesen Zugang kein dingliches Recht bestehe.
Solche bloss prekaristisch gewährten und rechtlich nicht gesicherten Wegrechte
seien jederzeit widerrufbar. Als genügende Wegverbindung im Sinne von Art. 694
ZGB taugten sie deshalb nicht.

5.2 In tatsächlicher Hinsicht steht unangefochten fest und kann ergänzt werden
(Art. 105 Abs. 2 BGG), dass gemäss Baubewilligung der Besitzer von Parzelle Nr.
6798 mit Schreiben vom 20. Oktober 1999 formell seine Zustimmung zur Zufahrt
und zum Erstellen von vier Parkplätzen auf seiner Parzelle erteilt hat und dass
der Eigentümer des Grundstücks Nr. 6798 den Beschwerdegegnern auch nach dem Bau
schriftlich versichert hat, die Zufahrt und die vier Parkplätze zu dulden. Auf
Grund des Sachverhalts ist in der schriftlichen Zustimmung des Grundeigentümers
keine bloss prekaristische, d.h. auf Zusehen hin erfolgte, jederzeit und
entschädigungslos widerrufliche Gestattung zu erblicken, sondern die Einräumung
eines persönlichen Rechts, das Grundstück Nr. 6798 als Zufahrt und als
Parkplatz zu benutzen (vgl. SCHMID/HÜRLIMANN-KAUP, Sachenrecht, 3. Aufl. 2009,
N. 1202-1203 S. 293 f.; STEINAUER, Les droits réels, Bd. II, 3. Aufl. 2002, N.
1776a-1776b S. 163; je mit Hinweisen).

5.3 Eine andere Frage ist, ob ein persönliches Recht, über fremde Grundstücke
zu einer öffentlichen Strasse zu gelangen, eine Wegenot im Sinne von Art. 694
ZGB ausschliesst. Die herrschende Lehre und die Rechtsprechung bejahen die
Frage (Urteil 5C.40/2006 vom 18. April 2006 E. 3.1, in: ZBGR 88/2007 S. 471,
mit Hinweis auf MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, 1975, N. 45 zu Art. 694 ZGB;
BGE 136 III 130 S. 139
gl.M. LEEMANN, Berner Kommentar, 1920, N. 12 zu Art. 694 ZGB, und REY, in:
Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 3. Aufl. 2007, N. 6 zu Art. 694 ZGB;
SCHMID/HÜRLIMANN-KAUP, a.a.O., N. 982 S. 228, mit Hinweisen). Gewisse Bedenken
dagegen werden in der letzten Auflage des Berner Kommentars angemeldet mit der
Feststellung, ein bloss prekaristisch oder obligatorisch gewährtes Wegrecht
könne als ungenügende Verbindung in Betracht fallen (MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 48
zu Art. 694 ZGB). Es trifft zu, dass die blosse Bereitschaft eines Nachbarn,
notwendige Fahrten zu einem Grundstück ("prekaristisch") zu gestatten, ein
Notwegrecht nicht zu ersetzen vermag (vgl. BGE 84 II 614 E. 3 S. 618; BGE 107
II 323 E. 4 S. 330 f.; BGE 110 II 17 E. 2b S. 20). Richtig ist auch, dass ein
persönlich wirkendes Recht weniger sicher ist als ein dinglich wirkendes Recht
und unter Umständen wegfallen kann, ohne dass Realersatz vom persönlich
Verpflichteten zu leisten wäre oder sonstwie beschafft werden könnte. Indessen
führte es zu weit und erschiene als wirklichkeitsfern, stets dinglich
gesicherte Zugangsrechte vorauszusetzen und bei Fehlen einer dinglichen
Sicherstellung eine Wegenot im Sinne von Art. 694 ZGB gleichsam zu vermuten.
Den mit bloss persönlich wirkenden Rechten verbundenen Nachteilen trägt die
Rechtsprechung insofern Rechnung, als eine Änderung der Verhältnisse zur
Entstehung eines bisher nicht vorhandenen Notwegrechts Anlass geben kann,
sofern sie auf objektiven Gründen und nicht einfach auf persönlichen Wünschen
oder Liebhabereien des Eigentümers beruht (BGE 107 II 323 E. 3 S. 329). Das
persönliche Recht der Beschwerdegegner zur Benutzung des Grundstücks Nr. 6798,
um zur öffentlichen Q.-strasse zu gelangen, stellt somit einen genügenden Weg
gemäss Art. 694 ZGB dar. Sollte dieses Recht dereinst gekündigt werden oder
sonstwie untergehen, richtete sich der Anspruch auf Einräumung eines Notweges
in erster Linie wiederum gegen den Eigentümer der Parzelle Nr. 6798, zumal ihm
die Gewährung des Notweges der früheren Eigentums- und Wegrechtsverhältnisse
wegen am ehesten zugemutet werden dürfte (vgl. Art. 694 Abs. 2 ZGB).

5.4 Für das Haus B (= Nr. 21A) besteht insoweit kein Anspruch auf Einräumung
eines privatrechtlichen Notweges, als die Zufahrt gemäss der Baubewilligung ein
Erreichen der öffentlichen Strasse mit Motorfahrzeugen ab dem überbauten
Grundstück gewährleistet. Es bleibt zu prüfen, ob der privatrechtliche Anspruch
auf Einräumung eines Notweges hier über die hinreichende Zufahrt im
öffentlich-rechtlichen Sinne hinausgeht.
BGE 136 III 130 S. 140

5.4.1 Das Obergericht hat festgehalten, zwar lasse sich mit dem Auto relativ
leicht an die Parzelle heranfahren, doch seien die Stockwerkeinheiten im
unteren Haus B (= Nr. 21A) sowohl von unten (Q.-strasse) wie auch von oben
(P.-strasse) nur über beschwerliche Treppenstufen erreichbar. Dieser Weg sei
für ältere und gehbehinderte Menschen äusserst beschwerlich und der Hauseingang
könne weder mit Rollstühlen noch mit einem Kinderwagen erreicht werden. Nach
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stellten solche beschwerlichen ca. 50 m
langen Treppenwege in Wohngebieten eine ungenügende Verbindung zu einer
öffentlichen Strasse dar (mit Hinweis auf das Urteil 5C.142/2003 vom 28. August
2003).

5.4.2 Gemäss Baubewilligung verfügt das Haus B (= Nr. 21A) über vier Parkplätze
und die Zufahrt zur öffentlichen Strasse auf der Parzelle Nr. 6798 (E. 5.2). Ab
den Parkplätzen führt eine Aussentreppe mit 48 Stufen zum Hauseingang der
Wohnung im Obergeschoss, die den Beschwerdegegnern 1 und 2 gehört. Der
Treppenweg stellt damit nicht die unmittelbare Verbindung zwischen der
öffentlichen Strasse und dem überbauten Grundstück her. Es handelt sich
vielmehr um einen Weg auf dem überbauten Grundstück selbst zum Hauseingang.
Insoweit unterscheidet sich der vorliegende von dem im Urteil 5C.142/2003 vom
28. August 2003 entschiedenen Fall, wo eine 50 Meter lange Treppe ab der
Kantonsstrasse als Fussweg über ein fremdes Grundstück geführt hat (Urteil
5C.142/2003 vom 28. August 2003 Bst. A und E. 2.3, in: ZBGR 85/2004 S. 312 f.).
Ebenso wenig abgeleitet werden kann aus dem Urteil 5C.225/2003 vom 23. Dezember
2003, wo nicht bis zur Grundstücksgrenze gefahren werden konnte, ein
Treppenaufgang von rund 30 Metern aber als genügender Weg betrachtet wurde und
die Einräumung eines Notweges ausschloss (Urteil 5C.225/2003 vom 23. Dezember
2003 E. 7.3, in: ZGRG 23/2004 S. 75 f.). Massgebend ist im vorliegenden Fall
deshalb der Grundsatz, dass der Anspruch auf Einräumung eines Notweges erfüllt
ist, wenn in Hanglagen die Fahrstrasse wenigstens bis an die Parzellengrenze am
Rand des Hanges führt. Dass unmittelbar vor die Haustüre gefahren werden kann,
ist nicht erforderlich (vgl. BGE 93 II 167 E. 2 S. 169).

5.4.3 Weiter ist in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, dass die
Beschwerdegegnerin 3 um die fehlende Zufahrt zur Einstellhalle und über den
heute als beschwerlich bemängelten Treppenweg zum Eingang in die Wohnung im
Obergeschoss des Hauses B (= Nr. 21A)
BGE 136 III 130 S. 141
wusste, ihr Bauvorhaben aber gleichwohl hat bewilligen lassen. Sie hat das
Risiko gekannt und zu tragen, das sich im Nachhinein verwirklicht hat. Die
Beschwerdegegner 1 und 2 hatten davon ebenfalls Kenntnis und selber mit der
Beschwerdeführerin bzw. deren Vater und den Gemeindebehörden die
Erschliessungsfrage erörtert. Dass die Beschwerdegegner berechtigterweise auf
eine öffentliche Erschliessung vertraut oder gehofft haben sollen, ist
unerheblich, zumal sich der Nachbar, der mit einem Notweg belastet wird,
Vertrauen, das er nicht begründet hat, nicht entgegenhalten lassen muss. Die
Beschwerdeführerin bzw. deren Vater gleichwie der Eigentümer der Parzelle Nr.
1931 aber haben eine Zufahrt über ihren Fahrweg gegenüber den Beschwerdegegnern
von Beginn an unmissverständlich abgelehnt. Dass eine andere Art der Überbauung
zudem möglich gewesen wäre, wird von der Beschwerdeführerin zutreffend
dargelegt. Eine Einstellhalle und/oder der Eingang zum Haus B (= Nr. 21A)
hätten an der Grenze zur Parzelle Nr. 6798 erstellt werden können, auf der sich
die Parkplätze und die Zufahrt zur öffentlichen Strasse befinden. Bei dieser
Art der Überbauung hätte auch für die Beschwerdegegner selbstverständlich sein
müssen, dass das dritte Stockwerk des Hauses B (= Nr. 21A) über ein Treppenhaus
oder allenfalls mit einem Aufzug innerhalb des Hauses bzw. über eine Treppe mit
48 Stufen oder allenfalls mit einem Schräglift für Personen- und
Materialtransporte ausserhalb des Hauses erreicht wird und keines Notweges zu
Lasten der Beschwerdeführerin bedarf. Wer wie die Beschwerdegegner als
Grundeigentümer bewusst darauf verzichtet, seine Baupläne den topografischen
Verhältnissen anzupassen und zumutbare bauliche Lösungen zu wählen, die sich
ohne Eingriff in das Eigentum eines Nachbarn verwirklichen lassen, hat keinen
Anspruch auf Einräumung eines Notweges (BGE 85 II 392 E. 1b S. 397 f.; vgl. zum
Verbot offenbaren Rechtsmissbrauchs: BGE 134 III 49 E. 4 S. 51 f.).

5.5 Aus den dargelegten Gründen kann es nicht angehen, zunächst im Interesse
einer optimalen Nutzung der eigenen Liegenschaft eine zwar rechtmässige und
damit bewilligungsfähige, aber nicht optimale Zufahrt in Kauf zu nehmen, um sie
anschliessend zu Lasten des Nachbarn über ein Notwegrecht zu optimieren. Der
geltend gemachte Anspruch auf Einräumung eines Notweges gemäss Art. 694 ZGB
erweist sich insgesamt als unbegründet. Lediglich der Vollständigkeit halber
sei festgehalten, dass es für den Anspruch auf Einräumung eines Notweges nicht
darauf ankommt, dass der Notweg
BGE 136 III 130 S. 142
als Last für die Beschwerdeführerin nicht oder weniger ins Gewicht fällt
gegenüber den Nachteilen, die den Beschwerdegegnern aus einer Verweigerung
erwachsen. Auf diese gegenseitigen Interessen ist nach Art. 694 Abs. 2 und 3
ZGB erst bei der Festsetzung des Notweges Rücksicht zu nehmen, also dann, wenn
zu bestimmen ist, wo und wie der einzuräumende Notweg durchgehen soll (BGE 80
II 311 E. 3 S. 318 f.; vgl. STEINAUER, a.a.O., N. 1863a S. 205, mit weiteren
Hinweisen).