Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 136 III 113



Urteilskopf

136 III 113

17. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen
Erben B. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_342/2009 vom 4. Dezember 2009

Regeste

Art. 367 und 426 ZGB; Haftung des Beirates.
Wer im Rahmen einer kombinierten Beiratschaft die verbeiratete Person innert
weniger Jahre das ganze Vermögen verbrauchen lässt, ohne zu intervenieren,
verletzt seine Pflicht zur sorgfältigen Vermögensverwaltung und handelt damit
widerrechtlich. Keine Möglichkeit einer Vorteilsanrechnung bei fehlendem Konnex
mit dem widerrechtlich entstandenen Schaden (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 113

BGE 136 III 113 S. 113

A. Die 1937 geborene B. arbeitete nach der Schule an wechselnden Orten als
Hilfskraft. Später wurde sie Mutter von zwei ausserehelichen Kindern, die zur
Adoption freigegeben wurden. Im Jahr 1965 heiratete sie den Landwirt I., wenige
Wochen vor der Geburt des
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gemeinsamen Sohnes J., der 1975 fremdplatziert werden musste. Der Ehemann starb
1971 und hinterliess ein ansehnliches Vermögen, insbesondere mehrere
Grundstücke in der Gemeinde Y. Die im Jahr 1974 mit K., einem Knecht im
Landwirtschaftsbetrieb von I., eingegangene Ehe wurde 1977 wieder geschieden.
Ein Jahr später heiratete B. erneut. Das Ehepaar lebte bis Mai 1998 im Engadin,
anschliessend im Kanton Tessin.
Im Zusammenhang mit kleineren Vermögensdelikten wurde B. 1961 erstmals
begutachtet. Die Diagnose der Ärzte lautete auf eine haltlose und
willensschwache, infantile und primitiv intelligente Person. 1975 erfolgten
Klinikeinweisungen wegen Suizid- und Verwahrlosungsgefahr, wobei die Gutachter
eine hysterische Psychopathie mit Verwahrlosungstendenzen feststellten;
ausserdem bestehe erheblicher Verdacht auf eine Polytoxikomanie, vor allem mit
Schmerz- und Schlaftabletten. Im Rahmen einer weiteren Strafuntersuchung ergab
ein neues Gutachten, dass B. als haltlose, hysterische Psychopathin einzustufen
sei, welche ausgesprochen triebhaft handle sowie geltungssüchtig und lügenhaft
sei. Wegen zunehmender sozialer und körperlicher Verwahrlosung wurde 1987 ein
weiterer Anstaltsaufenthalt notwendig. Die begutachtenden Ärzte
diagnostizierten eine hysterische Psychopathie mit Geltungssucht, Haltlosigkeit
und Triebhaftigkeit sowie eine durch Medikamentenmissbrauch bedingte
Polytoxikomanie. Die Patientin sei zwar durchaus in der Lage, die
Angelegenheiten des täglichen Lebens zu überblicken; für weiterreichende
Entscheidungen fehle ihr aber die geordnete Denk- und Handlungsweise. Bestätigt
wurden diese Untersuchungsergebnisse durch ein Gutachten im Tessin aus dem Jahr
2004.

B. Im Jahr 1973 entzog die Vormundschaftsbehörde B. gestützt auf Art. 386 Abs.
2 ZGB die Handlungsfähigkeit. 1975 wurde die Massnahme bestätigt und L. als
Vertreter eingesetzt. Im Jahr 1978 ersetzte die Vormundschaftsbehörde die
Massnahme durch eine Verwaltungsbeiratschaft im Sinn von Art. 395 Abs. 2 ZGB
mit L. als Beirat. Ab 1984 wurde die Beiratschaft durch die
Vormundschaftsbehörde geführt. 1985 wurde B. gestützt auf Art. 372 ZGB
entmündigt und M. als Amtsvormund eingesetzt. Mangels liquider Mittel wurde
1986 im Einverständnis mit der Vormundschaftsbehörde und dem
Bezirksgerichtsausschuss ein Grundstück verkauft. Der nach der Schuldtilgung
verbleibende Betrag wurde mündelsicher angelegt.
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Ab Januar 1995 wurde A. zunehmend für B. und ihren Ehemann tätig, dies gestützt
auf deren umfassend gehaltene Vollmachten. Im Februar 1996 liess B. durch A.
bei der Vormundschaftsbehörde die Aufhebung der Vormundschaft beantragen. Nach
Verhandlungen wandelte die Vormundschaftsbehörde die Vormundschaft mit
Beschluss vom 2. Oktober 1996 in eine kombinierte Mitwirkungs- und
Verwaltungsbeiratschaft um, unter Einsetzung von A. zum Beirat mit Wirkung ab
1. Dezember 1996. Dieser machte sowohl gegenüber der Vormundschaftsbehörde als
auch gegenüber B. und deren Ehemann geltend, dass sämtliche Bemühungen nach dem
Anwaltstarif zu entschädigen seien.

C. Als Anwalt und Beirat von B. wollte A. im Rahmen eines Überbauungsprojektes
erreichen, dass die Parzellen Nr. 1 und 2 in eine Bauzone überführt würden, um
sie und die beiden ebenfalls B. gehörenden Grundstücke Nr. 3 und 4 zur
Realisierung einer Überbauung veräussern zu können. Mit den
Projektierungsarbeiten wurde die N. AG betraut, an welcher A. finanziell
beteiligt und deren Verwaltungsratspräsident er war.
Wegen der Gefahr von Interessenkollisionen stellte die Vormundschaftsbehörde B.
mit Beschluss vom 29. Oktober 2001 für alle Geschäfte im Zusammenhang mit den
Parzellen Nr. 1 und 2 einen Beistand ad hoc zur Seite. Die hiergegen gerichtete
Beschwerde der durch einen Büropartner von A. vertretenen B. wies der
Bezirksgerichtsausschuss Maloja mit Urteil vom 27. März 2002 ab. Im gleichen
Entscheid wurde A. seines Amtes als Beirat enthoben.
Während des Rechtsmittelverfahrens bezüglich Amtsenthebung veräusserte B. am
14. Juni 2002 unter Mitwirkung von A. ihre beiden Parzellen Nr. 3 und 4 an die
Kollektivgesellschaft O. Die Vormundschaftsbehörde und der
Bezirksgerichtsausschuss stimmten diesem Geschäft zu. In Bezug auf die
Parzellen Nr. 1 und 2 kam es unter Mitwirkung von A. gleichentags zur
Unterzeichnung eines Vorvertrages auf Abschluss von Kaufverträgen mit
Begründung von limitierten Kaufrechten. Dieses Geschäft wurde durch die
vormundschaftlichen Organe nicht bestätigt. Deshalb wurde der Vorvertrag am 24.
Januar 2003, nunmehr unter Mitwirkung des Beistandes ad hoc, durch einen neuen
ersetzt, wiederum auf Abschluss eines Kaufvertrages mit Einräumung von
Kaufrechten und Vorkaufsrechten. Die Vormundschaftsbehörde und der
Bezirksgerichtsausschuss genehmigten dieses Geschäft am 9. April 2003 bzw. 6.
Mai 2003.
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Die Teilrevision der Ortsplanung wurde an den Gemeindeversammlungen vom 18.
Dezember 2000 und vom 9. Dezember 2002 gutgeheissen. In der Folge kam es
zusätzlich zum bereits erwähnten Vorvertrag zum Abschluss verschiedener, für
die Einleitung des regierungsrätlichen Genehmigungsverfahrens notwendiger
Vereinbarungen, teils zwischen den betroffenen Grundeigentümern selbst, teils
zwischen einzelnen von ihnen und der Gemeinde Y. Am 5. Juni 2003 wurden die
durch die Teilrevision der Ortsplanung geänderten Pläne an die Kantonsregierung
weitergeleitet, welche sie mit Beschluss vom 14. Januar 2004 genehmigte. Damit
wurde der Weg frei für die Veräusserung von zu Bauland gewordenem Grundbesitz
von B.

D. In der Zeit, in welcher A. als Beirat von B. tätig war, verringerte sich
deren Wertschriftenvermögen von ursprünglich Fr. 650'000.- Ende November 1996
auf Franken Null Ende Oktober 2001. Nach der endgültigen Abweisung der gegen
die Amtsenthebung eingelegten Rechtsmittel Ende Dezember 2002 widerrief B. die
ihm erteilten Vollmachten. An seiner Stelle ernannte sie am 16. Januar 2003 P.
zu ihrem Vertreter. Zu diesem Zeitpunkt verfügten B. und ihr Ehemann lediglich
noch über ein monatliches Renteneinkommen von Fr. 5'500.- bis Fr. 6'000.-. Bei
Bewertung der Parzellen Nr. 1 und 2 zu Nichtbaulandpreisen bestanden per 31.
Dezember 2002 Schulden in der Höhe von Fr. 357'490.05.

E. Am 17. März 2004 klagte B. gegen A. aus vormundschaftlicher
Verantwortlichkeit auf Zahlung von Fr. 500'000.- nebst Zins zu 5 % seit 17.
März 2004. Sie vertrat die Meinung, dass das Wertschriftenvermögen im Zeitpunkt
der Beendigung der Beiratschaft noch in diesem Betrag hätte vorhanden sein
sollen; dass das ganze Vermögen verbraucht worden sei, müsse ihrem ehemaligen
Beirat angelastet werden. Nach ihrem Tod am 11. Juli 2004 traten die Erben in
den Prozess ein.
Mit Urteilen vom 28. August 2007 und 22. September 2008 verurteilten sowohl das
Bezirksgericht Surselva als auch das Kantonsgericht von Graubünden A. zur
Zahlung von Fr. 500'000.- nebst Zins an die in den Prozess eingetretenen Erben
von B.

F. Gegen das Urteil des Kantonsgerichts hat A. am 15. Mai 2009 eine Beschwerde
in Zivilsachen erhoben, im Wesentlichen mit den Begehren um dessen Aufhebung
und Klageabweisung, eventualiter um Festlegung des Schadens nach Ermessen des
Bundesgerichts.
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In ihrer Vernehmlassung vom 17. August 2009 haben die Beschwerdegegner auf
Beschwerdeabweisung geschlossen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

3. Die Haftung des Beirates richtet sich nach den Bestimmungen über diejenige
des Vormundes (Art. 367 Abs. 3 i.V.m. Art. 426 ZGB; BGE 85 II 464 E. 1 S. 467)
und kennt die üblichen Haftungsvoraussetzungen, nämlich Schaden, adäquater
Kausalzusammenhang, Widerrechtlichkeit sowie Verschulden (Art. 426 ZGB; HANS
AEPLI, Die Verantwortlichkeit der vormundschaftlichen Organe [...], 1979, S.
22).

3.1 Als der Beschwerdeführer am 1. Dezember 1996 das Amt als Beirat antrat,
verfügte B. über ein Wertschriftenvermögen von Fr. 650'000.- (Festgeldanlage
von Fr. 100'000.- und Kassenobligationen von Fr. 550'000.-). Bereits Ende 2001
war dieses Kapital vollständig aufgebraucht. Das Kantonsgericht stellte fest,
dass das Vermögen anfänglich einen jährlichen Ertrag von Fr. 35'000.- abwarf.
Sodann verfügte das Ehepaar über ein Renteneinkommen von Fr. 65'000.- pro Jahr.
Das Kantonsgericht erwog, dass der Beirat vor diesem Hintergrund einen
jährlichen Vermögensverzehr von Fr. 25'000.- hätte zulassen dürfen, um eine den
Umständen entsprechende Lebensführung zu ermöglichen, jedoch ein darüber
hinausgehender Vermögensverzehr mit Hinblick auf die Altersvorsorge bzw.
Pflegebedürftigkeit von B. nicht statthaft war. Im Übrigen befand es, der
Beirat habe nicht auf die Umzonung der Grundstücke und einen damit verbundenen
Vermögenszuwachs spekulieren dürfen, und für die Schadensberechnung könne auch
nicht einfach die damalige mit der heutigen Vermögenslage verglichen werden,
weil zwischen dem Verzehr des Anlagevermögens und dem Wertzuwachs der
Grundstücke infolge Umzonung zu Bauland kein Konnex bestehe. Ausgehend von
diesen Erwägungen bestimmte es den Schaden auf Fr. 500'000.- (Fr. 650'000.-
abzüglich den als zulässig erachteten Vermögensverzehr von Fr. 25'000.- pro
Jahr bis zur rechtskräftigen Amtsenthebung).

3.1.1 Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, im Zeitpunkt der
Amtsenthebung sei das Vermögen von B. erheblich grösser gewesen als bei der
Amtsübernahme; er habe es folglich vermehrt und könne nicht haftbar sein.
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Das in diesem Zusammenhang gemachte Vorbringen der Surrogation scheitert
bereits daran, dass die Grundstücke nicht aus dem Wertschriftenvermögen
erworben wurden, sondern diese B. ab initio bzw. parallel zu den Wertschriften
gehörten.
Desgleichen geht das Argument der Vorteilsanrechnung an der Sache vorbei,
besteht doch zwischen der Vermögenszunahme infolge Überführung der Grundstücke
in die Bauzone und der Vermögensabnahme durch Verbrauch des
Wertschriftenkapitals kein innerer Zusammenhang, d.h. es fehlt an der für die
Vorteilsanrechnung notwendigen Konnexität: Unabhängig vom Wert der Grundstücke
wäre das heutige Gesamtvermögen ohne Verzehr dieses Kapitals um Fr. 500'000.-
grösser, und massgeblich ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers
nicht die Differenz zwischen dem Vermögensstand bei Amtsantritt und
Amtsenthebung, sondern die Differenz zwischen dem Vermögensstand mit und ohne
den als unzulässig erachteten Kapitalverzehr.

3.1.2 Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, ein Teil des verbrauchten Kapitals
sei in die Baulandentwicklung geflossen und habe insofern zu einer
Vermögenssteigerung beigetragen, handelt es sich um eine neue und damit
unzulässige Behauptung, zumal nicht erst der angefochtene Entscheid dazu Anlass
gegeben hat (Art. 99 Abs. 1 BGG; vgl. auch nicht publ. E. 2.2). Massgeblich ist
für das bundesgerichtliche Verfahren somit die kantonale
Sachverhaltsfeststellung, dass das gesamte Wertschriftenvermögen - wie vom
Beschwerdeführer denn auch ursprünglich vorgebracht - für einen gehobenen
Lebensstandard von B. und ihrem Ehemann verbraucht worden und kein Konnex
zwischen Kapitalverzehr und Wertsteigerung der Grundstücke gegeben sei (Art.
105 Abs. 1 BGG).

3.1.3 Wenn der Beschwerdeführer schliesslich geltend macht, das Kantonsgericht
habe Art. 43 OR verletzt, weil es bei der Schadensfestsetzung die
Verschuldensfrage nicht geprüft habe, so ist auf die nachfolgende E. 3.4 zu
verweisen, wonach das Verschulden des Beschwerdeführers schwer wiegt.
Im Übrigen gebieten auch Recht und Billigkeit nicht, einen geringeren Schaden
anzunehmen: Es trifft zwar zu, dass den Erben von B. nunmehr ein ansehnliches
Vermögen zugefallen ist; dieses ist aber ausschliesslich auf die Umzonung
zurückzuführen, die nach dem Gesagten in keinem Zusammenhang mit dem
Kapitalverzehr steht. B. selbst hat denn auch bis zu ihrem Tod nie von diesem
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Vermögenszuwachs profitiert, sondern vielmehr den vollumfänglichen
Kapitalverzehr zu tragen gehabt. Im Übrigen ist der Beschwerdeführer, was im
Zusammenhang mit der von ihm angerufenen Billigkeitsmaxime ebenfalls zu
berücksichtigen wäre, nicht etwa in einem altruistischen Sinn für B. tätig
geworden; vielmehr hat er das Mandat geradezu an sich gezogen, um im
Zusammenhang mit seinen über die von ihm präsidierte N. AG abgewickelten
Überbauungsplänen eigennützige Ziele verfolgen zu können, und er hat der
Vormundschaftsbehörde gegenüber auch dezidiert geltend gemacht, dass alle
beiratschaftlichen Leistungen zum Anwaltstarif abzugelten seien. Vor diesem
Hintergrund kann von einer "aufopfernden Tätigkeit", wie der Beschwerdeführer
dies geltend macht, keine Rede sein, und lässt sich dem Kantonsgericht auch
keine Verletzung von Art. 43 OR vorwerfen, wenn es nicht von
schadensausschliessenden oder jedenfalls schadensmildernden Umständen
ausgegangen ist.

3.2 Der vorstehend beschriebene Schaden ist ein reiner Vermögensschaden. Somit
ist kein absolutes Rechtsgut verletzt und die Widerrechtlichkeit nur gegeben,
wenn der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten gegen den Schutzzweck bestimmter
Normen verstossen bzw. die aus einer Garantenstellung fliessenden
Handlungspflichten verletzt hat (BGE 115 II 15 E. 3c S. 20).

3.2.1 B. stand unter einer sog. kombinierten Beiratschaft, bei welcher dem
Beirat sowohl die Mitwirkung zu bestimmten Geschäften im Sinn von Art. 395 Abs.
1 ZGB als auch die Verwaltung des Mündelvermögens gemäss Art. 395 Abs. 2 ZGB
obliegt. Die Verwaltungsbeiratschaft hat eine Beschränkung der
Handlungsfähigkeit der verbeirateten Person zur Folge. Nicht anders als bei
einer bevormundeten Person ist dem Verbeirateten der Bereich der
Vermögensverwaltung gänzlich entzogen (LANGENEGGER, in: Basler Kommentar,
Zivilgesetzbuch, Bd. I, 3. Aufl 2006, N. 14 und 17 zu Art. 395 ZGB; BRIGITTE
BACHMANN, Die Beiratschaft [Art. 395 ZGB] de lege lata und de lege ferenda,
1990, S. 120). Diesbezüglich hat der Beirat gemäss Art. 395 Abs. 2 i.V.m. Art.
413 Abs. 1 ZGB die Pflicht zur sorgfältigen Verwaltung des Mündelvermögens. Im
Vordergrund steht dabei die Erhaltung oder sogar die Mehrung der Substanz
(ALBERT GULER, in: Basler Kommentar, a.a.O., N. 3 zu Art. 413 ZGB; CHRISTOPH
CAVIEZEL, Die Vermögensverwaltung durch den Vormund, 1988, S. 202). Geschütztes
Rechtsgut ist hier mithin das Vermögen (BGE 115 II 15 E. 4a S. 20). Dessen
Erhalt oder gar Äufnung ist freilich kein Selbstzweck; vielmehr ist das
Gesamtinteresse des Verbeirateten
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bestmöglichst zu wahren und das Vermögen den konkreten Verhältnissen angepasst
zu verwalten (CAVIEZEL, a.a.O., S. 216). Das bedeutet, dass der Beirat die
Ausgaben für den Verbeirateten so planen muss, dass nach vorsichtiger Schätzung
dessen Lebensführung gegen das Lebensende hin keine Beeinträchtigung zu
erleiden braucht (CAVIEZEL, a.a.O., S. 222). Zu diesem Zweck ist das Vermögen,
soweit es nicht für notwendige oder weitere den konkreten
Vermögensverhältnissen angepasste Ausgaben verwendet wird, mündelsicher
anzulegen; der Beirat hat sich dabei jeglicher spekulativer Anlagen oder
Geschäfte zu enthalten (BGE 52 II 319 E. 2 S. 321; GULER, a.a.O., N. 5 zu Art.
413 ZGB).

3.2.2 An der soeben dargestellten Rechtslage scheitert die Behauptung des
Beschwerdeführers, das Mündelwohl habe es geboten, für B. ein grösstmögliches
Mass an Wohlergehen und somit eine gehobene Lebensführung zu ermöglichen.
Gerade die Unfähigkeit, vernünftig, d.h. den konkreten Verhältnissen angepasst
mit Geld umzugehen, wozu insbesondere auch die Absicherung der im Alter
üblicherweise anfallenden Kosten gehört, ist der massgebende Anlass für die
Errichtung einer Verwaltungsbeiratschaft. Aus diesem Grund sind insbesondere
auch die Literaturhinweise auf die Vermögensverwaltung bei Unmündigen, welche
der Beschwerdeführer auf den vorliegenden Fall übertragen haben möchte, nicht
einschlägig: Bei Kindern und jungen Erwachsenen steht die (unter Umständen
kostenintensive) Ausbildung und nicht die Absicherung von Pflegekosten im Alter
im Vordergrund.

3.2.3 Im genannten Zusammenhang macht der Beschwerdeführer im Übrigen geltend,
als Beirat habe ihm ein grosses Ermessen zugestanden. In dieses dürfe nicht
eingegriffen werden und nur ein eigentlicher Ermessensmissbrauch würde
Widerrechtlichkeit begründen.
Mit dieser Argumentation überspielt der Beschwerdeführer den Kernvorwurf des
Kantonsgerichts, er habe überhaupt keine Vorkehrungen getroffen. Hat sich aber
der Beirat gar nicht erst um die Vermögensverwaltung gekümmert und insbesondere
auch keine bewussten Entscheide getroffen, wie viel an Vermögen pro Jahr oder
welche Beträge für einzelne Ereignisse zu verbrauchen sei, sondern hat er den
innert wenigen Jahren erfolgten vollständigen Kapitalverzehr tatenlos gewähren
lassen, so hat er seine Amtspflichten nicht im Ansatz wahrgenommen (so bereits
das im vorliegenden Fall ergangene Urteil 5P.320/2002 vom 16. Oktober 2002 E.
2.3; vgl. sodann das bei
BGE 136 III 113 S. 121
CAVIEZEL, a.a.O., S. 247, zitierte Urteil) und hat auch gar nicht erst eine
Ermessensbetätigung stattgefunden.

3.2.4 Daran ändert auch der Hinweis auf die infolge Einzonung bei den
Grundstücken eingetretene Wertvermehrung nichts. Nach dem Gesagten stellen
spekulative Geschäfte - mit der Umzonung konnte nach den Feststellungen des
Kantonsgerichts nicht gerechnet werden - eine Amtspflichtverletzung dar (vgl.
E. 3.2.1). Das Kapitalvermögen war bei der ersten Gemeindeabstimmung
weitestgehend und noch vor der zweiten Abstimmung vollständig aufgezehrt. Im
Übrigen hat das Kantonsgericht für das Bundesgericht verbindlich festgehalten,
dass die Überbaubarkeit selbst in diesem Zeitpunkt keineswegs sicher war, weil
zwischen den Eigentümern im Zusammenhang mit Freihaltezonen komplizierte
Verträge abzuschliessen waren, die angesichts der unterschiedlichen Interessen
der einzelnen Eigentümer jederzeit hätten scheitern können und erst im Frühling
2003 erfolgreich zustande kamen. Das Kantonsgericht zog daraus den zutreffenden
Schluss, dass die zulässige Lebenshaltung von B. erst ab diesem Zeitpunkt bzw.
ab der Genehmigung der Umzonung durch den Regierungsrat den neuen Verhältnissen
hätte angepasst werden dürfen.
Entgegen der sinngemässen Darstellung des Beschwerdeführers fällt die
Amtspflichtverletzung auch nicht im Nachhinein dadurch weg, dass die
Spekulation am Ende aufgegangen ist. Die Handlungen bzw. Unterlassungen bleiben
rechtswidrig. Einzig könnte es diesfalls an einem Schaden im Sinn einer
Vermögensdifferenz fehlen, soweit zwischen Entreicherung und Bereicherung ein
ursächlicher Zusammenhang bestünde, wie es sich gegebenenfalls in dem vom
Beschwerdeführer erwähnten Beispiel der (nicht mündelsicheren) Anlage des
Vermögens in Aktien verhalten kann. Vorliegend bestand indes zwischen dem
Kapitalverzehr und dem Vermögenszuwachs auf den Grundstücken, wie bereits
mehrfach festgehalten, kein Konnex.

3.2.5 Ebenso wenig verfängt die im gleichen Zusammenhang gemachte Aussage des
Beschwerdeführers, seine Amtspflicht habe sich einzig darauf beschränkt, dass
B. nicht armengenössig werde, wofür aber angesichts des Renteneinkommens keine
Gefahr bestanden habe:
Würde diese Argumentation zutreffen, dürfte bei Personen mit gesichertem
Renteneinkommen unabhängig von einem konkreten
BGE 136 III 113 S. 122
Schwächezustand und Schutzbedürfnis von vornherein nie eine vormundschaftliche
Massnahme verhängt werden. Ausschlaggebend ist aber ohnehin, dass die
Berechtigung der vorliegend verfügten kombinierten Beiratschaft, gegen die sich
der Beschwerdeführer mit seinen Ausführungen materiell wendet, gar nicht Thema
des Haftungsprozesses ist: Die Massnahme, gegen welche die üblichen
Rechtsmittel offen standen, ist rechtskräftig angeordnet worden und der
Beschwerdeführer hat das vormundschaftliche Amt angenommen; damit ist er in
alle damit verbundenen Rechte und Pflichten eingetreten. Die wesentlichste
Pflicht im Rahmen der Verwaltungsbeiratschaft ist nach dem Gesagten aber gerade
die Vermögensfürsorge, und der Beirat kann sich dieser Kernpflicht selbstredend
nicht entziehen, indem er dem vollständigen Kapitalverzehr tatenlos zusieht mit
dem Hinweis, der Verbeiratete verfüge ja noch über eine existenzsichernde
Rente.

3.2.6 Soweit der Beschwerdeführer schliesslich sinngemäss vorbringt, B. habe
eine luxuriöse Lebensführung gewünscht, ist ihm entgegenzuhalten, dass dem
Verbeirateten bei der Verwaltungsbeiratschaft die Handlungsfähigkeit mit Bezug
auf die Vermögenssubstanz ex lege entzogen ist (E. 3.2.1), weshalb die
Einwilligung des Verletzten als Rechtfertigungsgrund entfällt. Aus dem gleichen
Grund kann es auch nicht als treuwidrig angesehen werden, wenn B. nach
Verbrauch des Vermögens ihren Beirat eingeklagt hat mit der Begründung, dieser
hätte den Vermögensverzehr nicht zulassen dürfen.

3.3 Mit seinem Gewährenlassen hat der Beschwerdeführer die ihm nach der
Amtsübernahme obliegende Pflicht zur sorgfältigen Vermögensverwaltung (Art. 395
Abs. 2 i.V.m. Art. 413 Abs. 1 ZGB) sowie die damit verbundenen Garantenstellung
(BGE 115 II 15 E. 3c S. 20) verletzt und damit den eingetretenen
Vermögensschaden adäquat kausal verursacht.

3.4 Bereits im Urteil 5P.320/2002 E. 2.3, hat das Bundesgericht festgestellt,
dass der Beschwerdeführer seine Amtspflicht schlichtweg nicht wahrgenommen hat.
Ihm lag einzig an der Einzonung der Grundstücke mit Blick auf die geplante
Überbauung, woran er ein persönliches finanzielles Interesse hatte. Hingegen
liess er B. und deren Ehemann mit Bezug auf das Wertschriftenvermögen
unbekümmert um seine Amtspflichten freie Hand, obwohl er von der
Vormundschaftsbehörde mit der Vorgeschichte vertraut und
BGE 136 III 113 S. 123
ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die Schwierigkeiten vor
allem darin lägen, die Ausgaben von B. in einem vertretbaren Verhältnis zu
ihren Einkünften zu halten, und er mit Schreiben der Vormundschaftsbehörde vom
23. Oktober 1998 wegen Zulassen eines übermässigen Vermögensverzehrs zu einer
verantwortungsvollen Vermögensverwaltung angehalten wurde. Der Beschwerdeführer
nahm folglich in Kauf, dass das Vermögen zufolge seiner Untätigkeit in kurzer
Zeit aufgebraucht und für bevorstehende Alterslasten kein Kapital mehr
vorhanden sein würde; insofern hat er seine Amtspflichten geradezu
eventualvorsätzlich vernachlässigt. Jedenfalls aber hat er durch sein
tatenloses Zusehen die elementarsten bzw. ureigensten sich aus dem Amt der
kombinierten Beiratschaft ergebenen Schutz- und Fürsorgepflichten in
grobfahrlässiger Weise nicht wahrgenommen. Das Verschulden wiegt insgesamt
schwer.