Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 V 297



Urteilskopf

135 V 297

37. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für
Sozialversicherungen gegen J. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten)
8C_652/2008 vom 8. Mai 2009

Regeste

Art. 16 ATSG; Art. 28 Abs. 2 IVG; Art. 18 Abs. 1 UVG; Erheblichkeit der
Unterdurchschnittlichkeit des Valideneinkommens als Voraussetzung einer
Parallelisierung der Vergleichseinkommen; Durchführung (Präzisierung der
Rechtsprechung).
Weicht der tatsächlich erzielte Verdienst mindestens 5 % vom branchenüblichen
Tabellenlohn ab, ist er im Sinne von BGE 134 V 322 E. 4 S. 325 deutlich
unterdurchschnittlich und kann - bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen -
eine Parallelisierung der Vergleichseinkommen rechtfertigen (E. 6.1.2).
Es ist nur in dem Umfang zu parallelisieren, in welchem die prozentuale
Abweichung den Erheblichkeitsgrenzwert von 5 % übersteigt (E. 6.1.3).
Die Voraussetzungen des Parallelisierungsabzuges und des Leidensabzuges stehen
insofern in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis, als dieselben
einkommensbeeinflussenden Faktoren nicht sowohl einen Parallelisierungs- als
auch einen Leidensabzug zu begründen vermögen (E. 6.2).

Sachverhalt ab Seite 298

BGE 135 V 297 S. 298

A. J., geboren 1971, reiste 1991 als Staatsangehörige von Bosnien und
Herzegowina in die Schweiz ein und arbeitete von Juli 1994 bis Juli 2001
vollzeitlich als Textilmitarbeiterin für die Firma W. AG. Seither blieb sie
arbeitsunfähig. Am 4. September 2002 meldete sie sich wegen einem Rückenleiden
und Schlafstörungen bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Nach
erwerblichen und medizinischen Abklärungen, der Gewährung von Berufsberatung
und der Durchführung einer beruflichen Abklärung verneinte
BGE 135 V 297 S. 299
die IV-Stelle des Kantons Appenzell Innerrhoden (nachfolgend: IV-Stelle) den
Anspruch auf eine Invalidenrente bei einem ermittelten Invaliditätsgrad von 36
% (Verfügung vom 28. Januar 2005). Nach weiteren Abklärungen und nach
Berücksichtigung der Unterdurchschnittlichkeit des ohne Gesundheitsschaden
erzielten Einkommens im Vergleich zum branchenüblichen Durchschnittslohn sprach
die IV-Stelle der Versicherten mit Wirkung ab 1. Februar 2003 bei einem
Invaliditätsgrad von 45 % eine Viertelsrente zu (Einspracheentscheid vom 18.
Oktober 2007).

B. Die hiegegen erhobene Beschwerde der J. hiess das Kantonsgericht Appenzell
Innerrhoden gut, soweit es darauf eintrat, hob den Einspracheentscheid vom 18.
Oktober 2007 auf und sprach der Versicherten mit Wirkung ab 1. Februar 2003
eine halbe Invalidenrente zu, weil zusätzlich ein leidensbedingter Abzug von
dem nach den Tabellenlöhnen bestimmten Invalideneinkommen in der Grössenordnung
von 10 bis 25 % zu berücksichtigen sei, so dass in jedem Fall ein
Invaliditätsgrad resultiere, welcher der Beschwerdeführerin einen Anspruch auf
eine halbe Invalidenrente einräume (Entscheid vom 15. April 2008).

C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt das
Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) die Aufhebung des Gerichts- und des
Einspracheentscheides mit der Begründung, das kantonale Gericht habe bei der
konkreten Berücksichtigung eines Parallelisierungsabzuges und eines
zusätzlichen leidensbedingten Abzuges von dem tabellarisch bestimmten
Invalideneinkommen Bundesrecht verletzt. Bei korrekter Ermittlung resultiere
ein rentenanspruchausschliessender Invaliditätsgrad.
Die Vorinstanz und J. schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Die Beschwerde wird gutgeheissen.
(Zusammenfassung)

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

5. Das BSV beanstandet, das kantonale Gericht habe in zweifacher Hinsicht
Bundesrecht verletzt. Zum einen habe die Vorinstanz bei dem von der Verwaltung
infolge eines unterdurchschnittlichen Valideneinkommens berücksichtigten
Parallelisierungsabzug von 12,55 % nicht geprüft, ob die von der Rechtsprechung
hiefür statuierten Voraussetzungen erfüllt seien. Nur eine - aus
invaliditätsfremden Gründen hinzunehmende und nicht aus freien Stücken
BGE 135 V 297 S. 300
tolerierte - deutliche Abweichung des tatsächlich erzielten Verdienstes vom
branchenüblichen LSE-Durchschnittslohn (LSE = Die schweizerische
Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik) vermöge gegebenenfalls eine
Parallelisierung der Vergleichseinkommen zu rechtfertigen. Als deutlich könne
nur eine Abweichung bezeichnet werden, welche über eine Schwelle von 10 %
hinausgehe. Hier sei deshalb - bei Erfüllung der übrigen, bisher nicht
geprüften Voraussetzungen - höchstens eine Parallelisierung im Ausmass von 2,55
% zulässig. Zum anderen habe das kantonale Gericht zu Unrecht zusätzlich zum
Parallelisierungsabzug einen leidensbedingten Abzug von 10 bis 25 %
vorgenommen. Mit der IV- Stelle sei davon auszugehen, dass weder die
beruflichen noch die persönlichen Umstände des konkreten Einzelfalles für die
Vornahme eines solchen Abzuges sprächen. Schliesslich könne ein Abzug
keinesfalls in der von der Vorinstanz praktizierten Weise schematisch nach
Massgabe der letzten sieben, vor dem kantonalen Sozialversicherungsgericht
entschiedenen Fälle quantifiziert werden.

5.1 In BGE 134 V 322 E. 4.1 S. 325 hat das Bundesgericht unlängst erkannt:
Was zunächst die Ermittlung des Valideneinkommens anbelangt, ist entscheidend,
was die versicherte Person im Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns nach
dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich
verdient hätte. Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der
Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft,
da es empirischer Erfahrung entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne
Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre. Ausnahmen müssen mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit erstellt sein (BGE 129 V 222 E. 4.3.1 S. 224 mit Hinweisen).
Bezog eine versicherte Person aus invaliditätsfremden Gründen (z.B. geringe
Schulbildung, fehlende berufliche Ausbildung, mangelnde Deutschkenntnisse,
beschränkte Anstellungsmöglichkeiten wegen Saisonnierstatus) ein deutlich
unterdurchschnittliches Einkommen, ist diesem Umstand bei der
Invaliditätsbemessung nach Art. 16 ATSG (SR 830.1) Rechnung zu tragen, sofern
keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie sich aus freien Stücken mit einem
bescheideneren Einkommensniveau begnügen wollte (BGE 125 V 146 E. 5c/bb S. 157
mit Hinweisen). Nur dadurch ist der Grundsatz gewahrt, dass die auf
invaliditätsfremde Gesichtspunkte zurückzuführenden Lohneinbussen entweder
überhaupt nicht oder aber bei beiden Vergleichseinkommen gleichmässig zu
berücksichtigen sind (BGE 129 V 222 E. 4.4 S. 225). Diese Parallelisierung der
Einkommen kann praxisgemäss entweder auf Seiten des Valideneinkommens durch
eine entsprechende Heraufsetzung des effektiv erzielten Einkommens oder durch
Abstellen auf die statistischen Werte
BGE 135 V 297 S. 301
(vgl. SVR 2008 IV Nr. 2 S. 3, I 697/05 und Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts I 750/04 vom 5. April 2006 E. 5.5) oder aber auf Seiten
des Invalideneinkommens durch eine entsprechende Herabsetzung des statistischen
Wertes (vgl. Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 454/05 vom 6. September
2006 E. 6.3.3 mit Hinweisen) erfolgen.
Die Grundüberlegung dieser Rechtsprechung ist die folgende: Wenn eine
versicherte Person in derjenigen Tätigkeit, die sie als Gesunde ausgeführt hat,
einen deutlich unterdurchschnittlichen Lohn erzielt, weil ihre persönlichen
Eigenschaften (namentlich fehlende Ausbildung oder Sprachkenntnisse,
ausländerrechtlicher Status) die Erzielung eines Durchschnittslohnes
verunmöglichen, dann ist nicht anzunehmen, dass sie mit einer gesundheitlichen
Beeinträchtigung behaftet einen (anteilmässig) durchschnittlichen Lohn erzielen
könnte (BGE 135 V 58 E. 3.4.3 S. 61).

5.2 Für die Festsetzung des Invalideneinkommens ist nach der Rechtsprechung
primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die
versicherte Person konkret steht. Übt sie nach Eintritt der Invalidität eine
Erwerbstätigkeit aus, bei der - kumulativ - besonders stabile
Arbeitsverhältnisse gegeben sind und anzunehmen ist, dass sie die ihr
verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft, und
erscheint zudem das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen und nicht
als Soziallohn, gilt grundsätzlich der tatsächlich erzielte Verdienst als
Invalidenlohn. Ist kein solches tatsächlich erzieltes Erwerbseinkommen gegeben,
namentlich weil die versicherte Person nach Eintritt des Gesundheitsschadens
keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit
aufgenommen hat, so können nach der Rechtsprechung entweder die
LSE-Tabellenlöhne oder die sogenannten DAP-Zahlen (DAP = Dokumentation von
Arbeitsplätzen seitens der SUVA) herangezogen werden (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S.
475; SVR 2005 UV Nr. 16 S. 52, U 192/03 E. 3.1; je mit Hinweisen). Praxisgemäss
können persönliche und berufliche Merkmale der versicherten Person wie Alter,
Dauer der Betriebszugehörigkeit, Nationalität oder Aufenthaltskategorie sowie
Beschäftigungsgrad einen auf höchstens 25 % begrenzten Leidensabzug von dem
nach den LSE-Tabellenlöhnen zu ermittelnden Invalideneinkommen rechtfertigen,
soweit anzunehmen ist, dass die trotz des Gesundheitsschadens verbleibende
Leistungsfähigkeit infolge eines oder mehrerer dieser Merkmale auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem Einkommen verwertet
werden kann (BGE 134 V 322 E. 5.2 S. 327 mit Hinweis auf BGE 126 V 75).
BGE 135 V 297 S. 302

5.3 Ist bestimmten einkommensbeeinflussenden Merkmalen im Sinne von BGE 126 V
75 E. 5b/aa S. 79 bereits bei der Parallelisierung (E. 5.1 hievor) der
Vergleichseinkommen Rechnung getragen worden, dürfen dieselben
invaliditätsfremden Faktoren nicht nochmals im Rahmen des sogenannten
Leidensabzuges (E. 5.2 i.f. hievor) berücksichtigt werden (BGE 134 V 322 E. 5.2
in fine S. 328). Der Abzug wird sich daher in der Regel auf leidensbedingte
Faktoren beschränken und nicht mehr die maximal zulässigen 25 % für sämtliche
invaliditätsfremden und invaliditätsbedingten Merkmale ausschöpfen (BGE 134 V
322 E. 6.2 in fine S. 330). Kann tatsächlich oder zumutbarerweise ein
durchschnittliches Invalideneinkommen erzielt werden, dann besteht kein Grund,
ein aus wirtschaftlichen Gründen unterdurchschnittliches Valideneinkommen im
Rahmen der Einkommensparallelisierung auf ein durchschnittliches hochzurechnen
(BGE 135 V 58 E. 3.4.3 S. 61). Dieses Vorgehen ist weder verfassungswidrig noch
diskriminierend und stellt keine methodische Ungleichbehandlung
Schlechterverdienender dar (BGE 135 V 58 E. 3.4.4 S. 63). Schliesslich hat die
Invalidenversicherung weder für ungünstige konjunkturelle Verhältnisse
einzustehen noch regionale Lohnunterschiede auszugleichen (Urteil I 405/06 vom
29. Mai 2007 E. 4.2 mit Hinweisen).

6.

6.1 Das Beschwerde führende BSV rügt, dass IV-Stelle und Vorinstanz die
praxisgemäss statuierten Voraussetzungen der Einkommensparallelisierung (im
Sinne von E. 5.1 hievor) nicht geprüft haben.

6.1.1 Ein Abweichen vom Regelfall, wonach das Valideneinkommen grundsätzlich
anhand des zuletzt verdienten Lohnes zu bestimmen ist, kommt erst dann in
Frage, wenn - unter anderem - der tatsächlich erzielte Verdienst deutlich unter
dem branchenüblichen LSE-Tabellenlohn liegt (BGE 134 V 322 E. 4.1 S. 325; vgl.
Urteil 9C_488/2008 vom 5. September 2008 E. 6.3 mit Hinweisen). Ob die von
IV-Stelle und kantonalem Gericht im Rahmen der Einkommensparallelisierung
berücksichtigte Abweichung vom branchenüblichen Durchschnittseinkommen die von
der Rechtsprechung geforderte Deutlichkeitsschwelle erreicht, ist vom
Bundesgericht als Rechtsfrage frei zu prüfen (vgl. nicht publ. E. 4).

6.1.2 In der Praxis wurde das Überschreiten des Erheblichkeitsgrenzwertes bei
einer Abweichung des tatsächlich erzielten Verdienstes vom branchenspezifischen
Tabellenlohn um zehn und mehr
BGE 135 V 297 S. 303
Prozentpunkte bejaht (vgl. z.B. die Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts U
454/05 vom 6. September 2006 E. 6.3.2; I 601/03 vom 27. Februar 2004 E. 5.2; I
411/02 vom 5. Februar 2003 E. 4.1 und 4.3; I 97/00 vom 29. August 2002 E. 4;
AHI 1999 S. 237, I 377/98 E. 3; I 164/96 vom 15. Oktober 1996 E. 2 sowie des
Bundesgerichts 9C_395/2008 vom 9. Oktober 2008 E. 5.3.2 und SVR 2008 IV Nr. 2
S. 3, I 697/05 E. 5.4), bei einer Abweichung um weniger als fünf Prozentpunkte
jedoch verneint (vgl. z.B. die Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts I 314/00
vom 7. Mai 2001 E. 2c/aa i.f. sowie des Bundesgerichts 9C_782/2008 vom 4. März
2009 E. 4.2.3; 9C_69/2009 vom 13. Februar 2009 E. 3.3; SVR 2008 IV Nr. 49 S.
163, 9C_404/2007 E. 2.3 und 8C_367/2007 vom 7. April 2008 E. 5.3). Zuletzt
liess das Bundesgericht offen, wo der konkrete prozentuale
Erheblichkeitsgrenzwert anzusetzen sei (Urteile 9C_891/ 2007 vom 30. Dezember
2008 E. 2.2 i.f. und SVR 2009 IV Nr. 7 S. 13, 9C_488/2008 E. 6.6). Obwohl
vereinzelt auch bei einer Abweichung um knapp mehr als 5 % das Erreichen der
Deutlichkeitsschwelle verneint wurde (vgl. z.B. Urteile des Eidg.
Versicherungsgerichts I 27/06 vom 24. August 2006 E. 6.3.2 und des
Bundesgerichts 9C_796/2008 vom 6. November 2008 E. 2.3), ist auch mit Blick auf
den soweit ersichtlich ersten Parallelisierungsfall (ZAK 1989 S. 456, I 362/88
E. 3b i.f.) die in SVR 2009 IV Nr. 7 S. 13, 9C_488/ 2008 E. 6.6, offengelassene
Rechtsfrage in dem Sinne zu beantworten, dass der Erheblichkeitsgrenzwert der
Abweichung des tatsächlich erzielten Verdienstes vom branchenüblichen
LSE-Tabellenlohn, ab welchem sich eine Parallelisierung der Vergleichseinkommen
im Sinne von BGE 134 V 322 E. 4.1 S. 325 f. rechtfertigen kann, auf 5 %
festzusetzen ist. Der nach Massgabe der Tabellenlöhne bestimmte Referenzwert
des branchenüblichen Einkommens basiert auf den Ergebnissen einer statistischen
Durchschnittswertermittlung im Rahmen der vom Bundesamt für Statistik alle zwei
Jahre durchgeführten Lohnstrukturerhebung mit einer entsprechenden Streuweite
der einzelnen erfassten Löhne. Auch vor diesem Hintergrund genügt der auf -
nur, aber immerhin - 5 % zu beziffernde Erheblichkeitsgrenzwert als
Voraussetzung der Einkommensparallelisierung dem Bedürfnis nach Ausgleichung
eines aus invaliditätsfremden Gründen unfreiwillig deutlich
unterdurchschnittlich realisierten Einkommens in der angestammten Tätigkeit.

6.1.3 Setzt die Einkommensparallelisierung im Sinne von BGE 134 V 322 unter
anderem das Erreichen des
BGE 135 V 297 S. 304
Erheblichkeitsgrenzwertes von 5 % voraus (E. 6.1.2 hievor), stellt sich die
Frage, wie die Parallelisierung vorzunehmen ist. Wird ab Erreichen des
Erheblichkeitsgrenzwertes um die volle prozentuale Abweichung parallelisiert,
so kommt es zwischen einem ohne Parallelisierung durchzuführenden
Einkommensvergleich (bei einer Abweichung des tatsächlich erzielten Verdienstes
vom branchenüblichen LSE-Tabellenlohn von 4 %) und einem mit Parallelisierung
durchzuführenden Einkommensvergleich bei einer Abweichung von 5 % zu einem
willkürlich erscheinenden, erheblichen, sprunghaften Anstieg des
Invaliditätsgrades um mehrere Prozentpunkte. Mit Blick auf eine dem Grundsatz
der Rechtsgleichheit genügende Invaliditätsgradermittlung ist zu vermeiden,
dass die - bei einer kontinuierlich ansteigenden Differenz zwischen tatsächlich
erzieltem Lohn und branchenüblichem Durchschnittseinkommen - ab Erreichen des
Erheblichkeitsgrenzwertes von mindestens 5 % gegebenenfalls durchzuführende
Einkommensparallelisierung eine sprunghafte Erhöhung des Invaliditätsgrades zur
Folge hat. Es ist daher nur in dem Umfang zu parallelisieren, in welchem die
prozentuale Abweichung den Erheblichkeitsgrenzwert von 5 % übersteigt, bezweckt
doch die Parallelisierung praxisgemäss nur die Ausgleichung einer deutlichen -
also nicht jeder kleinsten - Abweichung des tatsächlich erzielten Verdienstes
vom tabellarisch bestimmten branchenüblichen Referenzeinkommen. Insofern ist an
der bisherigen Praxis, welche bei gegebenen Voraussetzungen - insbesondere
einer ausreichend deutlichen Abweichung des Valideneinkommens vom
branchenüblichen LSE-Tabellenlohn - jeweils die Parallelisierung im vollen
Ausmass der ganzen prozentualen Unterdurchschnittlichkeit vornahm, nicht länger
festzuhalten.

6.1.4 Soweit IV-Stelle und Vorinstanz im Rahmen des Einkommensvergleiches ohne
Prüfung der praxisgemäss im Weiteren vorausgesetzten Bedingungen die
Parallelisierung durch Herabsetzung des Invalideneinkommens im vollen Umfang
des Minderverdienstes von 12,55 % vorgenommen haben, verletzt der angefochtene
Entscheid nach dem Gesagten Bundesrecht. Die IV-Stelle, an welche die Sache
zwecks Durchführung ergänzender Abklärungen und Neuverfügung über einen
allfälligen Rentenanspruch zurückzuweisen ist, wird untersuchen, ob die
weiteren Voraussetzungen (E. 5.1 und 5.3 hievor) einer
Einkommensparallelisierung erfüllt sind, welche gegebenenfalls anschliessend in
der hier dargelegten Weise (E. 6.1.3) durchzuführen ist.
BGE 135 V 297 S. 305

6.2 Wie das BSV im Übrigen zu Recht beanstandet, wird sich die IV-Stelle im
Rahmen der Rückweisung zur Neuverfügung über einen allfälligen Rentenanspruch
auch zur Frage des Leidensabzuges (BGE 126 V 75) zu äussern haben, welcher
praxisgemäss insofern in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis zu den
Voraussetzungen der Einkommensparallelisierung (BGE 134 V 322) steht (vgl. dazu
E. 5.3 hievor), als dieselben einkommensbeeinflussenden Faktoren nicht sowohl
einen Parallelisierungs- als auch einen Leidensabzug zu begründen vermögen.
Sollte sich herausstellen, dass die Beschwerdegegnerin - aus
invaliditätsfremden Gründen - infolge fehlender Berufsausbildung und
mangelhafter Sprachkenntnisse ein unterdurchschnittliches Valideneinkommen
erzielt hatte, welches um mindestens 5 % unter dem branchenüblichen
LSE-Tabellenlohn liegt, so dass die Vergleichseinkommen nach Massgabe der
Erwägungen 5.1 und 6.1.3 hievor zu parallelisieren sind, vermögen dieselben
Faktoren praxisgemäss (E. 5.3 hievor) nicht zusätzlich auch noch einen
Leidensabzug zu begründen, was das kantonale Gericht offensichtlich ausser Acht
liess. Schliesslich erfordert die rechtsfehlerfreie Festsetzung eines
Leidensabzuges - im Gegensatz zu der mit angefochtenem Entscheid zum Ausdruck
gebrachten Auffassung - nicht ein schematisches Abstellen auf praktische
Anwendungsfälle des kantonalen Sozialversicherungsgerichts, sondern eine
gesamthafte Schätzung aller das Invalideneinkommen gemäss BGE 126 V 75
beeinflussenden Merkmale auf Grund einer nach pflichtgemässem Ermessen
durchzuführenden Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles (BGE 126 V
75 E. 5b/bb i.f. S. 80 mit Hinweisen).