Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 V 2



Urteilskopf

135 V 2

1. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S.
Einwohnergemeinde Altdorf gegen IV-Stelle Uri, betreffend Z.(Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_27/2008 vom 20. Oktober 2008

Regeste

Art. 89 Abs. 1 lit. b BGG; Art. 22 Abs. 2 lit. a ATSG; Art. 164 Abs. 1 OR; Art.
85bis IVV; Abtretung der Nachzahlung von Leistungen des Sozialversicherers an
die bevorschussende Sozialhilfebehörde. Die Gemeinde ist durch die Verweigerung
der von ihr verlangten Drittauszahlung direkt in ihren vermögensrechtlichen
Interessen als Sozialhilfebehörde berührt und zur Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten berechtigt (E. 1.1). Der Begriff der
Abtretung, wie er in Art. 22 ATSG verwendet wird, stimmt mit demjenigen der
Zession nach Art. 164 ff. OR überein (E. 6.1). Die zivilrechtlichen
Abtretungsregeln mit Bezug auf künftige Forderungen gelten auch im
Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 2 ATSG. Deshalb ist die Abtretung künftiger
Leistungen des Sozialversicherers im Rahmen einer Globalzession zulässig, wenn
die Abtretungserklärung alle Elemente enthält, nach welchen sich die
Nachzahlungsforderung bezüglich Inhalt, Schuldner und Rechtsgrund bestimmen
lässt (E. 6.1.2). In casu rechtsgültige Zession einer künftigen
IV-Rentennachzahlung (E. 7.2).

Sachverhalt ab Seite 3

BGE 135 V 2 S. 3

A. Mit Verfügung vom 18. Mai 2006 sprach die IV-Stelle Uri dem 1959 geborenen
Z. rückwirkend ab 1. August 2004 eine halbe und ab 1. April 2005 eine ganze
Invalidenrente zu. Nach Verrechnung mit ausstehenden AHV/IV/EO-Beiträgen in der
Höhe von Fr. 2'161.40 ermittelte die IV-Stelle eine Rentennachzahlung von Fr.
24'118.60 für die Zeit vom 1. August 2004 bis 30. April 2006. Sie hielt in der
Verfügung zudem fest, die Nachzahlung erfolge direkt an den Versicherten,
nachdem dieser einer Verrechnung mit Leistungen der Sozialhilfe nicht
zugestimmt habe und sich aus dem Sozialhilfegesetz kein ausdrücklicher
Rückforderungsanspruch ergebe. Dies bestätigte die IV-Stelle auf Einsprache des
Sozialrates Altdorf hin (Entscheid vom 21. August 2006).

B. Die von der Einwohnergemeinde Altdorf hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Obergericht des Kantons Uri mit Entscheid vom 26. Oktober 2007 ab.

C. Die Einwohnergemeinde Altdorf lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten führen und beantragen, der angefochtene Entscheid sei
aufzuheben, und es seien die nachzuzahlenden Rentenbetreffnisse an sie
auszurichten. Ferner ersucht sie um Gewährung der aufschiebenden Wirkung.
Die IV-Stelle lässt sich in zustimmendem Sinne vernehmen, ohne jedoch einen
Antrag zu stellen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Stellungnahme.
BGE 135 V 2 S. 4

D. Mit Verfügung vom 19. Februar 2008 erteilt der Instruktionsrichter der
Beschwerde die aufschiebende Wirkung.

E. Z. erhielt Gelegenheit zur Äusserung, wovon er keinen Gebrauch machte.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

1.

1.1 Die Gemeinde ist durch die Verweigerung der von ihr verlangten
Drittauszahlung direkt in ihren vermögensrechtlichen Interessen als
Sozialhilfebehörde berührt und zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten berechtigt (Art. 89 Abs. 1 BGG; Urteil 1C_384/2007 vom 14. Mai
2008 E. 3.3; BGE 134 II 45 E. 2.2.1 S. 46 f.; BGE 133 V 188 E. 4.4.1 und E. 5
S. 193 und 195; Urteil 2P.240/ 1995 vom 22. Januar 1996 E. 1c, in: ZBl 98/1997
S. 414); denn sie ist nicht nur mittelbar durch die finanziellen Auswirkungen
einer angeblich unrichtigen Rechtsanwendung berührt, was zur Legitimation nicht
ausreichen würde (BGE 134 V 53 E. 2.3.3.4 S. 59; BGE 133 V 188 E. 4.5 S. 194;
Urteil 1A.260/2000 vom 27. Februar 2001 E. 2c, in: FamPra.ch 2001 S. 846).

1.2 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff.
BGG) kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a
BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Artikel 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es
kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen
oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

1.3 Die Anwendung kantonalen Rechts prüft das Bundesgericht einzig auf Willkür
hin (vgl. BGE 123 V 25 E. 5c/cc S. 33). Willkürlich ist ein Entscheid nicht
schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar
vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen
unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise
BGE 135 V 2 S. 5
dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt nur vor, wenn nicht
bloss die Begründung eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist
(BGE 133 I 149 E. 3.1 S. 153; BGE 132 I 13 E. 5.1 S. 17 f.; BGE 131 I 467 E.
3.1 S. 473 f.; je mit Hinweisen).

2. Nach Art. 22 ATSG (SR 830.1) ist der Anspruch auf Leistungen weder abtretbar
noch verpfändbar. Jede Abtretung oder Verpfändung ist nichtig (Abs. 1);
Nachzahlungen von Leistungen des Sozialversicherers können jedoch dem
Arbeitgeber oder der öffentlichen oder privaten Fürsorge abgetreten werden,
soweit diese Vorschusszahlungen leisten (Abs. 2 lit. a). Gemäss Art. 85^bis
Abs. 1 IVV (SR 831.201) können u.a. öffentliche Fürsorgestellen, welche im
Hinblick auf eine Rente der Invalidenversicherung Vorschussleistungen erbracht
haben, verlangen, dass die Nachzahlung dieser Rente bis zur Höhe ihrer
Vorschussleistung verrechnet und an sie ausbezahlt wird. Als
Vorschussleistungen gelten vertraglich oder aufgrund eines Gesetzes erbrachte
Leistungen, soweit aus dem Vertrag oder dem Gesetz ein eindeutiges
Rückforderungsrecht infolge der Rentennachzahlung abgeleitet werden kann (Art.
85^bis Abs. 2 lit. b IVV). Die in diesem Zusammenhang zu beachtende
bundesgerichtliche Rechtsprechung hat die Vorinstanz zutreffend angeführt (BGE
132 V 113; BGE 131 V 242; BGE 123 V 25; BGE 118 V 88). Darauf wird verwiesen.

3. Streitig und zu prüfen ist die Zulässigkeit der Ausrichtung der
aufgelaufenen Renten im Betrag von Fr. 24'118.60 an die Beschwerdeführerin
durch Verrechnung mit vorschussweise erbrachten und nunmehr zurückzufordernden
Sozialhilfeleistungen. Hiebei fragt sich zunächst, ob das Gesetz des Kantons
Uri vom 28. September 1997 über die öffentliche Sozialhilfe (Sozialhilfegesetz,
SHG; RB 20.3421) ein eindeutiges Rückforderungsrecht im Sinne von Art. 85^bis
Abs. 2 lit. b IVV enthält.

4.

4.1 Das kantonale Gericht hat dies mit der Begründung verneint, Art. 32 SHG
bilde für ein gesetzliches Rückforderungsrecht keine ausreichende normative
Grundlage und der Anspruch der Sozialhilfebehörde gegenüber der
Invalidenversicherung ergebe sich nicht direkt aus dieser Bestimmung. Art. 32
SHG lautet:
Bestehen Ansprüche der hilfesuchenden Person gegenüber Dritten, so kann die
Gewährung wirtschaftlicher Hilfe davon abhängig gemacht werden, dass sie im
Umfang der Unterstützungsleistungen an die Sozialhilfebehörde abgetreten werden
(Abs. 1).
BGE 135 V 2 S. 6
Der Forderungsübergang ist den Dritten mit Hinweis auf diese Bestimmung
anzuzeigen (Abs. 2).

4.2 Das Eidg. Versicherungsgericht hat in BGE 123 V 25 eine mit Art. 32 Abs. 1
SHG weitgehend identische Regelung des zürcherischen Sozialhilfegesetzes
daraufhin überprüft, ob damit ein eindeutiges Rückforderungsrecht statuiert
werde (E. 5c/aa S. 31 f.). Dies hat das Gericht unter dem Gesichtswinkel der
Willkürprüfung verneint (E. 5c/cc S. 33). Es sind keine Gründe ersichtlich,
welche hier einen anderen Schluss zuliessen. Die Bestimmung richtet sich gemäss
ihrem Wortlaut an den Bezüger von Sozialhilfeleistungen (vgl. Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts I 31/00 vom 5. Oktober 2000 E. 3a/cc, in: AHI 2003 S.
261). Darüber hinaus bestätigt die in Art. 32 Abs. 1 SHG vorgesehene Abtretung
das Fehlen eines gesetzlichen Forderungsrechts; denn einer Zession bedarf es
regelmässig nur, wenn Letztes nicht besteht. Nachdem die Vorinstanz ein
eindeutiges Rückforderungsrecht auf der Basis von Art. 32 Abs. 1 SHG ohne
Willkür verneinen konnte, vermag Art. 32 Abs. 2 SHG - entgegen der Auffassung
der Beschwerdeführerin - daran nichts zu ändern. Diese Bestimmung regelt bloss
die Anzeige der gestützt auf Art. 32 Abs. 1 SHG erfolgten Abtretung. Nicht zu
prüfen ist, ob die Vorinstanz Art. 34 Abs. 2 lit. a SHG, wonach die
unterstützte Person rechtmässig bezogene wirtschaftliche Hilfe
zurückzuerstatten hat, falls sich ihre finanziellen Verhältnisse so gebessert
haben, dass ihr die Rückerstattung zugemutet werden kann, willkürlich nicht zur
Anwendung gebracht hat; denn in dieser Hinsicht fehlt es an einer begründeten
Rüge (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Damit lässt sich die Verrechnung des Rentennachzahlungsbetrages mit für den
gleichen Zeitraum bezogenen Sozialhilfeleistungen nicht auf ein eindeutiges
Rückforderungsrecht im Sinne von Art. 85^bis Abs. 2 lit. b IVV abstützen, und
es bleibt zu prüfen, ob hiefür sonst wie eine rechtliche Grundlage besteht.

5.

5.1 Die Beschwerdeführerin beruft sich auf die vom Rentenbezüger am 31. Oktober
2000 und am 28. Juni 2005 unterzeichneten Abtretungserklärungen. Sie geht von
einer rechtsgültig erfolgten Einwilligung zur Drittauszahlung der
nachzuentrichtenden Invalidenrenten an die Sozialhilfebehörde aus.
Die in Frage stehende Nachzahlung betrifft Leistungen, die für die Zeit nach
Inkrafttreten des am 6. Oktober 2000 erlassenen Bundesgesetzes über den
Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts
BGE 135 V 2 S. 7
(ATSG) am 1. Januar 2003 erbracht wurden (Rentenleistungen der
Invalidenversicherung mit Rentenbeginn vom 1. August 2004). Die streitige
Rechtsfrage (E. 3) beurteilt sich daher nach der Rechtslage seit dem 1. Januar
2003 (vgl. BGE 132 V 113 E. 3.1 S. 115). Der Versicherte hatte sowohl vor (31.
Oktober 2000) wie auch nach (28. Juni 2005) der Inkraftsetzung des ATSG eine
Abtretungserklärung zu Gunsten der Sozialhilfebehörde abgegeben. Die zweite
Abtretung fällt unter die Bestimmungen des ATSG, nicht jedoch jene vom 31.
Oktober 2000, weshalb diese unberücksichtigt zu bleiben hat (BGE 130 V 445 E.
1.2.1 S. 446 f.).

5.2

5.2.1 Gemäss der mit BGE 118 V 88 eingeleiteten Rechtsprechung waren mangels
einer gesetzlichen Bestimmung, welche die Abtretung von Nachzahlungen der
Sozialversicherungen erlaubt hätte, an die Einwilligung des Versicherten zur
Drittauszahlung, die nach der Praxis nicht contra legem, aber doch praeter
legem zulässig war, strenge Anforderungen zu stellen. Sie durfte nur
Rechtswirksamkeit entfalten, wenn die Tragweite der Zustimmungserklärung klar
ersichtlich war. Der bereits im Zeitpunkt der Anmeldung zum Rentenbezug - in
welchem der Anspruch gegenüber der Invalidenversicherung noch gänzlich
unbestimmt ist - erfolgten Zustimmung konnte deshalb nicht dieselbe Bedeutung
wie einer Erklärung nach Bekanntgabe der konkret zugesprochenen
Versicherungsleistung beigemessen werden. Die Zustimmung zur Drittauszahlung
konnte daher erst dann rechtsgültig erteilt werden, wenn der entsprechende
Beschluss der Invalidenversicherungs-Kommission (heute IV-Stelle) ergangen war.
Im Rahmen des daraufhin einsetzenden Vorbescheidverfahrens hatte die Verwaltung
bis zum Verfügungserlass Gelegenheit, eine allfällige Einwilligung zur
Drittauszahlung einzuholen oder, falls diese vom antragstellenden Dritten
beigebracht wurde, deren Eingang abzuwarten (BGE 118 V 88 E. 2b S. 92 f.).

5.2.2 Als Antwort darauf erliess der Verordnungsgeber Art. 85^bis IVV mit dem
Randtitel "Nachzahlungen an bevorschussende Dritte", welcher am 1. Januar 1994
in Kraft trat. Sodann hat die Verordnungsbestimmung mit der Ergänzung des Art.
50 IVG durch den im Rahmen der 10. AHV-Revision auf 1. Januar 1997 neu
hinzugefügten und bis zum 31. Dezember 2002 in Kraft gestandenen Abs. 2 die
gesetzliche Grundlage erhalten (zum Ganzen BGE 128 V 108 E. 2d S. 110; BGE 123
V 25 E. 3b S. 29; Antrag Nationalrätin Heberlein, AB 1993 N 294; vgl. ULRICH
MEYER-BLASER, Bundesgesetz über die
BGE 135 V 2 S. 8
Invalidenversicherung [IVG], in: Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum
Sozialversicherungsrecht, Murer/Stauffer [Hrsg.], 1997, S. 289 f.). Art. 50
Abs. 2 IVG schuf allerdings kein Abtretungsrecht. Vielmehr liess diese
Bestimmung bloss die Ausrichtung von Nachzahlungen an Drittpersonen oder
Drittstellen zu, falls sie im Hinblick auf Leistungen der Invalidenversicherung
Vorschussleistungen erbracht hatten. Das dabei zu beachtende Verfahren und die
Voraussetzungen sind in Art. 85^bis IVV geregelt. Danach ist die Verrechnung
mit vorschussweise ausgerichteter wirtschaftlicher Hilfe u.a. zulässig, wenn
aus dem kantonalen Sozialhilfegesetz ein eindeutiges Rückforderungsrecht
abgeleitet werden kann (Art. 85^bis Abs. 2 lit. b IVV). Mit dem gesetzlichen
Rückforderungsrecht wird die soziale Hilfe zur Vorschussleistung und die für
eine Verrechnung erforderliche Wechselseitigkeit der zu verrechnenden
Forderungen (Nachzahlung der Leistung des Sozialversicherers/Forderung der
Behörde auf Rückerstattung als Vorschuss bezogener Sozialhilfe) wird kraft
Gesetz herbeigeführt, weshalb es im Anwendungsbereich der Bestimmung der
Abtretung nicht bedarf (Art. 120 Abs. 1 OR; Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts I 518/05 vom 14. August 2006 E. 2.3, in: SVR 2007 IV Nr.
14 S. 52; WOLFGANG PETER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 4. Aufl.
2007, N. 7 zu Art. 120 OR).

5.3 Der am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Art. 22 ATSG statuiert das bis
anhin nur in einzelnen Versicherungszweigen (u.a. Art. 20 Abs. 1 AHVG [in
Verbindung mit Art. 50 Abs. 1 IVG]; Art. 12 ELG [SR 831.30]; je in der bis 31.
Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung) ausdrücklich verankerte Verbot von
Abtretung und Verpfändung (E. 2), lässt aber neu die schon erwähnte Ausnahme zu
für Arbeitgeber und die öffentliche oder private Fürsorge, soweit diese
Vorschusszahlungen leisten (BGE 132 V 113 E. 3.3.1 S. 119). Mit Art. 22 Abs. 2
lit. a ATSG besteht nunmehr eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage, welche
die Abtretung der Nachzahlungen von Leistungen des Sozialversicherers in
bestimmten Schranken zulässt. Es stellt sich daher von Amtes wegen (Art. 106
Abs. 1 BGG) die Frage, ob die veränderte Rechtslage es erlaubt, eine
Zessionserklärung vor dem Beschluss der IV-Stelle rechtsgültig abzugeben.

6.

6.1 Der Begriff der Abtretung, wie er in Art. 22 ATSG verwendet wird, stimmt
mit demjenigen der Zession nach Art. 164 ff. OR überein (BGE 132 V 113 E. 3.3.3
S. 120; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2003, N. 5 zu Art. 22 ATSG; GABRIELA
RIEMER-KAFKA,
BGE 135 V 2 S. 9
Auszahlung von Sozialversicherungsleistungen an bevorschussende Dritte, in:
Aktuelle Rechtsfragen der Sozialversicherungspraxis, Schaffhauser/Schlauri
[Hrsg.], 2001, S. 129, welche Autorin in diesem Zusammenhang von einer
Abtretung zahlungshalber ausgeht [Art. 172 OR]). Gemäss Art. 164 Abs. 1 OR kann
der Gläubiger eine ihm zustehende Forderung ohne Einwilligung des Schuldners an
einen andern abtreten, soweit nicht Gesetz, Vereinbarung oder Natur des
Rechtsverhältnisses entgegenstehen. Unter diesem Aspekt ist die Zession nur
zulässig, falls sie den Inhalt nicht verändert oder den Zweck der Forderung
nicht vereitelt oder gefährdet (BGE 115 II 264 E. 3b S. 266) und auch die
Rechtsstellung des Schuldners nicht verschlechtert (BGE 122 III 145 E. 4c S.
149). Namentlich höchstpersönliche Ansprüche sind einer Abtretung nicht
zugänglich (BGE 107 II 465 E. 6b S. 474; FLAVIO LARDELLI, in: Kurzkommentar OR,
Heinrich Honsell [Hrsg.], 2008, N. 23 zu Art. 164 OR; DANIEL GIRSBERGER, in:
Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 4. Aufl. 2007, N. 33 zu Art. 164 OR).

6.1.1 Mit der Zessionsfähigkeit von Nachzahlungen des Sozialversicherers
(meistens Taggelder oder Renten) hat der Gesetzgeber verbindlich entschieden,
dass deren Natur einer Abtretung nicht entgegensteht. Der zessionsrechtlich
interessierende Charakter von Sozialversicherungsleistungen als zweckgebundenem
(vgl. Art. 20 ATSG) Einkommensersatz ist im Falle der Nachzahlung ohnehin nicht
von Bedeutung, können doch rückwirkend erbrachte Renten oder Taggelder diese
Funktion im Gegensatz zu laufenden Leistungen nicht erfüllen (RIEMER-KAFKA,
a.a.O., S. 127).

6.1.2 Darüber hinaus lassen es zivilrechtliche Rechtsprechung und Doktrin zu,
auch künftige Forderungen in den Schranken von Art. 27 Abs. 2 ZGB und Art. 20
OR zu zedieren (BGE 113 II 163 E. 2a S. 165; BGE 112 II 241 E. 2a S. 243; BGE
84 II 355 E. 3 S. 366; THEO GUHL UND andere, Das schweizerische
Obligationenrecht, 9. Aufl. 2000, S. 269; PETER GAUCH UND ANDERE,
Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. II, 9. Aufl. 2008, Rz.
3441 ff.). Sowohl der Inhalt der künftigen Forderung, als auch die Person des
Schuldners und der Rechtsgrund der Forderung müssen indes genügend bestimmt
oder zumindest bestimmbar sein. Mit Bezug auf die Globalzession muss dieses
Erfordernis im Zeitpunkt des Entstehens oder der Geltendmachung der Forderung
und nicht schon bei der Abgabe der formgültigen Abtretungserklärung erfüllt
sein. Hingegen hat die Abtretungserklärung selbst alle Elemente aufzuweisen,
welche
BGE 135 V 2 S. 10
die Bestimmung von Inhalt, Schuldner und Rechtsgrund im Zeitpunkt des
Entstehens der Forderung erlauben (BGE 113 II 163 E. 2a, b und c S. 165 ff.).
Es besteht kein Grund für eine im Rahmen des Art. 22 Abs. 2 ATSG prinzipiell
abweichende Betrachtungsweise.

6.2 Wie schon Art. 85^bis IVV bezweckt auch Art. 22 Abs. 2 lit. a ATSG die
Leistungskoordination zwischen Sozialhilfe und Invalidenversicherungsleistungen
(BGE 132 V 113 E. 3.2.4 S. 118; Urteil I 518/05 vom 14. August 2006 E. 3.2.4,
in: SVR 2007 IV Nr. 14 S. 52). Es sollen Doppelzahlungen von Sozialhilfe und
Leistungen der Sozialversicherung verhindert werden. Diesem Zweck entsprechend
und dem damit einhergehenden gesetzgeberischen Willen, eine Lockerung des
Abtretungsverbotes herbeizuführen (Parlamentarische Initiative
Sozialversicherungsrecht - Vertiefte Stellungnahme des Bundesrates vom 17.
August 1994, BBl 1994 V 938) sowie im Hinblick auf den klaren Wortlaut von Art.
22 Abs. 2 lit. a ATSG sind die zivilrechtlichen Abtretungsregeln (E. 6.1.2) im
Geltungsbereich der Bestimmung zur Anwendung zu bringen. Dem mit BGE 118 V 88
aufgestellten Erfordernis des Erkennens der Tragweite der Abtretungserklärung
(vgl. E. 5.2.1 hievor) kann demzufolge keine über die zivilrechtlichen
Zessionsregeln hinausgehende Bedeutung zukommen. Immerhin sind im Interesse von
Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gewisse Anforderungen an die Bestimmbarkeit
der zedierten Forderung zu stellen (vgl. E. 6.1.2 hievor; ADRIAN STAEHELIN, Zur
Abtretung künftiger Forderungen, in: Mélanges Pierre Engel, 1989, S. 383).
Verlangt ist somit, dass die schriftliche Abtretungserklärung auf die
Invalidenrente Bezug nimmt. Auf deren Zeitpunkt kann es schon deswegen nicht
ankommen, weil die Sozialhilfebehörde zur Anmeldung der Unterstützten bei der
Invalidenversicherung befugt ist (Art. 66 Abs. 1 IVV).

6.3 Für die Gültigkeit der Abtretung ist ferner nicht von Belang, ob seitens
der Behörde die Sozialhilfeleistungen in subjektiver Kenntnis eines (bereits
eingereichten oder später zu stellenden) Antrages um Zusprechung einer Rente
der Invalidenversicherung ausgerichtet worden sind (BGE 131 V 242 E. 5.2 S. 246
f.). Die für Art. 85^bis IVV in diesem Sinn ergangene Rechtsprechung ist auch
bei der Anwendung von Art. 22 Abs. 2 lit. a ATSG zu beachten, besteht doch kein
Anlass, die in den Bestimmungen verwendeten Begriffe der "Vorschussleistung"
(Art. 85^bis IVV) und "Vorschusszahlung" (Art. 22 Abs. 2 lit. a ATSG) sowie
deren rechtliche Bedeutung jeweils anders zu verstehen. Ebenfalls keine Rolle
spielt, ob der Versicherte
BGE 135 V 2 S. 11
bei der Unterzeichnung der Abtretung Kenntnis eines bereits bestehenden (aber
erst später verfügten) Nachzahlungsanspruches hatte (BGE 131 V 242 E. 5.2 S.
246 f.). Da die Verrechnung von Nachzahlungen mit Leistungen der Sozialhilfe
gestützt auf Art. 85^bis IVV zulässig ist, welche vor der Anmeldung bei der
Invalidenversicherung ausgerichtet worden sind - die Sozialhilfe als
Vorschussleistung im Sinne von Art. 22 Abs. 2 lit. a ATSG demnach noch nicht
feststand -, muss ebenso gelten, dass Nachzahlungen abgetreten werden können,
um deren Begründetheit der Versicherte bei der Abgabe der Abtretungserklärung
noch nicht wusste, sei es, weil die Anmeldung bei der Invalidenversicherung
noch nicht erfolgt war, sei es, weil die Abklärungen zur Rentenprüfung noch im
Gange waren.

7.

7.1 Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz
(E. 1.2) hat Z. in den Jahren 2000 und 2005 Zessionen zu Gunsten des
Sozialrates Altdorf unterzeichnet. Diese sind mit Bezug auf künftige
Rentenleistungen, Ergänzungsleistungen, Arbeitslosengeld usw., mithin als
Abtretungen künftiger Sozialversicherungsleistungen ergangen. Es handelt sich
dabei um Globalzessionen, welche dadurch gekennzeichnet sind, dass eine
unbestimmte Zahl von (gegenwärtigen oder zukünftigen) Forderungen abgetreten
wird (PETER HÄNSELER, Die Globalzession, 1991, S. 20 N. 2; LARDELLI, a.a.O., N.
18 zu Art. 164 OR; GIRSBERGER, a.a.O., N. 40 zu Art. 164 OR; EUGEN SPIRIG, in:
Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1993, N. 47 ff. zu Art. 164 OR). Somit richtet sich
die Gültigkeit der Abtretung in der hier zu beurteilenden Sache danach, ob die
Abtretungserklärung vom 28. Juni 2005 (E. 5.1) alle Elemente enthält, welche
die Bestimmung der Nachzahlungsforderung (nach Inhalt, Schuldner und
Rechtsgrund) bei deren künftiger Entstehung erlauben (vgl. E. 6.1.2 hievor).
Nicht von Bedeutung ist der Zeitpunkt, in welchem der nicht abtretbare
Grundanspruch auf die Rente als solche entsteht. Es ist denn auch unter der
Geltung von Art. 22 Abs. 2 lit. a ATSG weiterhin zwischen dem nicht
zessionsfähigen Rentenanspruch und dem der Abtretung zugänglichen Anspruch auf
Nachzahlung zu unterscheiden (MEYER-BLASER, a.a.O., S. 283; LARDELLI, a.a.O.,
N. 12 zu Art. 164 OR).

7.2 Gemäss den Feststellungen im angefochtenen Entscheid hat sich der
Versicherte am 16. August 2005 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug
angemeldet. Eine schriftliche und damit formgültige Abtretungserklärung hatte
er bereits am 28. Juni 2005
BGE 135 V 2 S. 12
abgegeben. Ferner sprach ihm die Invalidenversicherung mit Verfügung vom 18.
Mai 2006 rückwirkend ab 1. August 2004 eine Invalidenrente zu, wobei sie einen
Nachzahlungsbetrag von Fr. 24'118.60 ermittelte. Der abgetretene
Nachzahlungsbetrag setzt sich somit aus Rentenleistungen zusammen, die für die
Zeit vor und für die Zeit nach der Abtretung vom 28. Juni 2005 geschuldet sind.
Insoweit die Forderung - vom Augenblick der Abgabe der Abtretungserklärung aus
betrachtet - künftige Rentenbetreffnisse beschlägt, waren der Inhalt, die
Schuldnerin und der Rechtsgrund der Nachzahlung bei der Entstehung der
Nachzahlungsforderung ohne weiteres bestimmbar. Schuldnerin, Rechtsgrund,
Ausmass und Höhe des Leistungsanspruches ergeben sich aus den anwendbaren
gesetzlichen Bestimmungen (Art. 28 f., 37 und 48 IVG). Alle diese Elemente
waren - auch wenn noch nicht verfügungsweise festgelegt - aufgrund der
Zessionserklärung vom 28. Juni 2005 in diesem Zeitpunkt absehbar, bezog sie
sich doch ausdrücklich auf künftige Leistungen wie "Renten,
Ergänzungsleistungen, Arbeitslosengeld usw.". Damit ist auch der
Vorschusscharakter der Sozialhilfeleistungen erstellt (vgl. E. 6.1.2 hievor).
Die Rechtsgültigkeit der Abtretung der künftigen Rentenbetreffnisse steht somit
fest.

8. Zu prüfen bleibt die Frage der zeitlichen Kongruenz von Sozialhilfe und
IV-Nachzahlung. Gemäss der nicht bestrittenen Feststellung der Vorinstanz hat
der Versicherte seit November 2000 Gelder der sozialen Hilfe bezogen. In der
Tat sind gemäss Klientenkontoauszug der Sozialbehörde bis zum 30. April 2006
Leistungen ausgewiesen. Die Nachzahlung von Rentenleistungen betrifft die Zeit
vom 1. August 2004 bis 30. April 2006. Bei der während dieser Periode bezogenen
Sozialhilfe handelt es sich folglich um Vorschusszahlungen im Sinne von Art. 22
Abs. 2 lit. a ATSG (vgl. BGE 131 V 242 E. 5.2 in fine S. 246 f.). Da der durch
die Sozialbehörde gewährte Betrag denjenigen des Nachzahlungsbetreffnisses
übersteigt, hat die Beschwerdeführerin Anspruch darauf, dass ihr die gesamten
nachzuzahlenden Rentenleistungen in der Höhe von Fr. 24'118.60 ausgerichtet
werden.