Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 I 49



Urteilskopf

135 I 49

7. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Gemeinderat A. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde)
1D_19/2007 vom 16. Dezember 2008

Regeste

Nichteinbürgerung wegen Sozialhilfeabhängigkeit einer behinderten Bewerberin;
Diskriminierungsverbot; Art. 8 Abs. 2 BV. Bürgerrechtserteilung nach kantonalem
Recht (E. 3). Bedeutung des Diskriminierungsverbots (E. 4). Frage
offengelassen, ob der Kreis der Sozialhilfeabhängigen eine nach Art. 8 Abs. 2
BV geschützte Gruppe bildet (E. 5). Das Erfordernis der wirtschaftlichen
Selbsterhaltungsfähigkeit für Einbürgerungen trifft Personen mit einer
körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung in spezifischer Weise (E.
6.1). Gewichtung der finanziellen Interessen der Gemeinde; lang andauernder
Status der vorläufigen Aufnahme; Bedeutung der Einbürgerung. Verletzung des
Diskriminierungsverbotes (E. 6.3).

Sachverhalt ab Seite 50

BGE 135 I 49 S. 50
Die 1986 geborene angolanische Staatsangehörige X. reiste im März 1995 mit
ihrer Mutter von Angola her in die Schweiz ein. Sie wohnte zunächst in den
Gemeinden C. und B. und hat seit Mai 2002 Wohnsitz in der Gemeinde A. (Kanton
Zürich). Seit Mitte 2004 weilt sie in einem Heim, wo sie eine geeignete
Ausbildung und berufliche Förderung erhält und einen geschützten Arbeitsplatz
innehat. Mit Erreichen der Volljährigkeit wurde sie wegen Geistesschwäche unter
Vormundschaft gestellt (Art. 369 ZGB). Über das Asylverfahren lassen sich dem
Dossier keine Angaben entnehmen. X. befindet sich nach wie vor im Status der
vorläufigen Aufnahme. Sie ist vollumfänglich von der eidgenössischen
Asylfürsorge unterstützt worden.
X. ersuchte um Einbürgerung. Mit Beschluss vom 13. Dezember 2005 lehnte die
Bürgerliche Abteilung des Gemeinderates A. die Aufnahme in das Bürgerrecht von
A. ab. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Bewerberin die
Einbürgerungsvoraussetzungen nicht erfülle und mangels Erhalts von
IV-Leistungen nicht in der Lage sei, wirtschaftlich für sich selber
aufzukommen. Angefügt wurde, dass keine Strafuntersuchungen,
Strafregistereinträge und Betreibungen bestünden.
Der Bezirksrat Affoltern hiess einen Rekurs von X. am 21. September 2006 gut
und forderte den Gemeinderat A. auf, das Einbürgerungsverfahren wieder
aufzunehmen und die Bewerberin im Sinne der Erwägungen ins Gemeindebürgerrecht
aufzunehmen.
Die Gemeinde A. focht den Bezirksratsentscheid beim Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich an. Dieses hiess die Beschwerde mit Urteil vom 24. Oktober 2007
gut, hob den Beschluss des Bezirksrates auf und stellte den negativen Beschluss
der Bürgerlichen Abteilung des Gemeinderates wieder her. Es führte aus, das
kantonalrechtliche
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Erfordernis der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit sei geeignet,
fürsorgeabhängige Personen im Sinne von Art. 8 Abs. 2 BV in spezifischer Weise
rechtsungleich zu behandeln. Eine solche Ungleichbehandlung könne indes durch
eine qualifizierte Begründung gerechtfertigt werden. Eine solche Rechtfertigung
liege im Umstand, dass die Gemeinde A. infolge einer Einbürgerung der
Bewerberin in hohem Masse Fürsorgeleistungen zu übernehmen hätte. Die
Nichteinbürgerung sei für die Bewerberin zumutbar, da sie weder ihren Wohnsitz
verliere noch der Unterstützungsleistungen verlustig gehe.
Gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts hat X. beim Bundesgericht
subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie beantragt die Aufhebung des
Verwaltungsgerichtsurteils, die Bestätigung des Entscheides des Bezirksrates
sowie die Anweisung an die Gemeinde A., sie ins Gemeindebürgerrecht
aufzunehmen. Sie rügt im Wesentlichen Verletzungen von Art. 8 Abs. 2 BV und
ruft die Achtung der Menschenwürde im Sinne von Art. 7 BV an.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt das Urteil des
Verwaltungsgerichts auf und weist die Sache zu neuem Entscheid an die
Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

3. Vorerst ist die Regelung der Bürgerrechtserteilung nach dem kantonalen Recht
darzustellen:
Nach § 21 Abs. 1 des Gesetzes vom 6. Juni 1926 über das Gemeindewesen des
Kantons Zürich (Gemeindegesetz; LS 131.1; im Folgenden: GemeindeG) sind die
politischen Gemeinden verpflichtet, jeden (seit mindestens zwei Jahren in der
Gemeinde wohnenden) Schweizer Bürger auf sein Verlangen in ihr Bürgerrecht
aufzunehmen, sofern er sich und seine Familie selber zu erhalten vermag (und
weitere Voraussetzungen gegeben sind). Gemäss Abs. 2 werden in der Schweiz
geborene Ausländer im Recht auf Einbürgerung den Schweizer Bürgern
gleichgestellt. Ferner werden nach Abs. 3 nicht in der Schweiz geborene
Ausländer zwischen 16 und 25 Jahren den in der Schweiz geborenen Ausländern in
diesem Alter gleichgestellt, sofern sie nachweisen können, dass sie in der
Schweiz während mindestens fünf Jahren den Unterricht auf Volks- oder
Mittelschulstufe in einer der Landessprachen besucht haben.
In § 5 der Bürgerrechtsverordnung des Kantons Zürich vom 25. Oktober 1978 (BüV;
LS 141.11) werden die wirtschaftlichen
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Verhältnisse als Erfordernis der Einbürgerung gemäss § 21 Abs. 1 GemeindeG
umschrieben: Die Fähigkeit zur wirtschaftlichen Selbsterhaltung gilt als
gegeben, wenn die Lebenskosten und Unterhaltsverpflichtungen des Bewerbers
voraussichtlich in angemessenem Umfang durch Einkommen, Vermögen und
Rechtsansprüche gegen Dritte gedeckt sind. Zu den Rechtsansprüchen gegen Dritte
gehören alle Forderungen gegenüber Versicherungsgesellschaften,
Vorsorgeeinrichtungen oder dem Staat (im Falle der Arbeitslosenversicherung
oder Invalidenversicherung); die wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit ist
nicht gegeben, wenn ein Bewerber (ausschliesslich) von der Fürsorge lebt (vgl.
Handbuch des Gemeindeamtes des Kantons Zürich, Ziff. 3.3.1). Der Begriff der
wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit stimmt somit weitgehend überein mit
dem Ausländerrecht, wo Bewilligungen bzw. Niederlassungsbewilligungen
widerrufen werden können, wenn die betreffende Person auf Sozialhilfe,
allenfalls dauerhaft und in erheblichem Masse, angewiesen ist (vgl.
hinsichtlich Art. 10 Abs. 1 lit. d des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über
Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAG; AS 1949 223] die Urteile
2C_448/2007 vom 20. Februar 2008 E. 3.4, 2P.101/2006 vom 16. Mai 2006 E. 2.2.6
und BGE 123 II 529 E. 4 S. 533; vgl. zu Art. 62 lit. e bzw. Art. 63 Abs. 1 lit.
c des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und
Ausländer [AuG; SR 142.20]) MARC SPESCHA, in: Migrationsrecht, Spescha und
andere [Hrsg.], 2008, N. 10 zu Art. 62 AuG). Auf die Erfüllung der
Voraussetzung der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit kann nach § 22
Abs. 2 GemeindeG und § 7 BüV im Einzelfall ganz oder teilweise verzichtet
werden (vgl. auch Handbuch, a.a.O. Ziff. 3.3.2, wo insbesondere darauf
verwiesen wird, dass in einzelnen Gemeinden auch Fürsorgeempfänger im Falle von
Invalidität eingebürgert werden).
In Übereinstimmung mit dem Bezirksrat und entgegen der Auffassung der Gemeinde
A. hat das Verwaltungsgericht unter Verweis auf seine Praxis ausgeführt, dass
die allgemeine Eignung (vgl. Art. 14 des Bundesgesetzes vom 29. September 1952
über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts [BüG; SR 141.0]) bei dem auf
§ 21 GemeindeG gestützten Anspruch auf Verleihung des Gemeindebürgerrechts
nicht von Bedeutung sei und daher nicht auf das Kriterium der (ungenügenden)
kulturellen und politischen Integration abgestellt werden dürfe (kritisch PETER
KOTTUSCH, in: Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung, Häner und andere
[Hrsg.], 2007, N. 9 zu Art. 21
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KV/ZH). Von der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung ist auch im
vorliegenden Verfahren auszugehen.
Daraus ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin, welche den erforderlichen
Schulbesuch aufweist, gestützt auf das kantonale Recht im Grundsatz unabhängig
von ihrem Aufenthaltsstatus einen Anspruch auf Einbürgerung hat (TOBIAS JAAG,
Aktuelle Entwicklungen im Einbürgerungsrecht, ZBl 106/2005 S. 113/122;
KOTTUSCH, a.a.O., N. 5 zu Art. 20 KV/ZH). Zu prüfen ist daher ausschliesslich,
ob der (behinderten) Beschwerdeführerin vor diesem Hintergrund die mangelnde
wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit entgegengehalten werden kann und ihre
Nichteinbürgerung im vorliegenden Fall vor dem Diskriminierungsverbot gemäss
Art. 8 Abs. 2 BV standzuhalten vermag.
Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage
ist, wirtschaftlich für sich aufzukommen, wie bereits der Bezirksrat und
nunmehr das Verwaltungsgericht angenommen haben. Die Beschwerdeführerin hat in
den vorangehenden beiden Verfahren nicht geltend gemacht, dass sie Anspruch auf
IV- und allenfalls Ergänzungsleistungen habe und aus diesem Grunde im Sinne von
§ 21 GemeindeG und § 5 BüV für sich selber aufkommen könne. Auf das
entsprechende Vorbringen ist mangels Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges
nicht einzutreten.

4. Zur Hauptsache rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des
Diskriminierungsverbotes gemäss Art. 8 Abs. 2 BV.

4.1 Gemäss Art. 8 Abs. 2 BV darf niemand diskriminiert werden, namentlich nicht
wegen seiner Herkunft und der religiösen, weltanschaulichen oder politischen
Überzeugung. Eine Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person ungleich
behandelt wird allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe,
welche historisch oder in der gegenwärtigen sozialen Wirklichkeit tendenziell
ausgegrenzt oder als minderwertig behandelt wird. Die Diskriminierung stellt
eine qualifizierte Ungleichbehandlung von Personen in vergleichbaren
Situationen dar, indem sie eine Benachteilung von Menschen bewirkt, die als
Herabwürdigung oder Ausgrenzung einzustufen ist, weil sie an
Unterscheidungsmerkmalen anknüpft, die einen wesentlichen und nicht oder nur
schwer aufgebbaren Bestandteil der Identität der betroffenen Personen
ausmachen; insofern beschlägt das Diskriminierungsverbot auch Aspekte der
Menschenwürde nach Art. 7 BV. Das Diskriminierungsverbot gemäss
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Art. 8 Abs. 2 BV schliesst indes die Anknüpfung an ein verpöntes Merkmal - wie
beispielsweise Herkunft, Rasse, Geschlecht, soziale Stellung oder religiöse
Überzeugung - nicht absolut aus. Eine solche begründet zunächst lediglich den
blossen Verdacht einer unzulässigen Differenzierung. Diese kann indes durch
eine qualifizierte Rechtfertigung umgestossen werden. - Eine indirekte oder
mittelbare Diskriminierung liegt demgegenüber vor, wenn eine Regelung, die
keine offensichtliche Benachteiligung von spezifisch gegen Diskriminierung
geschützten Gruppen enthält, in ihren tatsächlichen Auswirkungen Angehörige
einer solchen Gruppe besonders benachteiligt, ohne dass dies sachlich begründet
wäre (BGE 126 II 377 E. 6 S. 392; BGE 134 I 49 E. 3 S. 53; BGE 132 I 49 E. 8.1
S. 65, BGE 129 I 167 E. 3 S. 169; BGE 129 I 217 E. 2.1 S. 223, BGE 129 I 392 E.
3.2.2 S. 397; BGE 126 V 70 E. 4c/bb S. 73, mit Hinweisen auf Rechtsprechung und
Doktrin; vgl. ferner KIENER/KÄLIN, Grundrechte, 2007, S. 359 ff.; ANNE PETERS,
Diskriminierungsverbote, in: Handbuch der Grundrechte - Grundrechte in der
Schweiz und in Liechtenstein, Heidelberg 2007, § 211 Rz. 7-24 S. 259 ff.; vgl.
MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 687 ff.).

4.2 Das Verwaltungsgericht führt im angefochtenen Entscheid aus, das
Erfordernis der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit gemäss § 21 Abs. 1
GemeindeG knüpfe an die Fürsorgeunabhängigkeit von Personen an. Die Bestimmung
schliesse damit fürsorgeabhängige Personen von der Einbürgerung aus und treffe
damit eine Gruppe von Menschen, welche tendenziell ausgegrenzt werde und
deshalb dem Schutzbereich von Art. 8 Abs. 2 BV zuzurechnen sei. Indem das
Gemeindegesetz direkt am Kriterium der Fürsorgeabhängigkeit anknüpfe, sei es
geeignet, eine direkte Diskriminierung zu bewirken.

4.3 Die Bestimmung von Art. 8 Abs. 2 BV verbietet, wie dargelegt,
Diskriminierungen namentlich wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts,
des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen,
weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen,
geistigen oder psychischen Behinderung. Dieser Katalog von verpönten
Anknüpfungspunkten ist nicht abschliessend, was sich aus der "namentlichen"
Aufzählung ergibt und in der Lehre unbestritten ist (vgl. MÜLLER/SCHEFER,
a.a.O., S. 711; PETERS, a.a.O., Rz. 31; RAINER J. SCHWEIZER, in: Die
schweizerische Bundesverfassung, 2. Aufl. 2008, N. 55 f. zu Art. 8 BV). Die
Verfassungsbestimmung fällt allgemein in Betracht, wenn eine mehr
BGE 135 I 49 S. 55
oder weniger bestimmbare Gruppe von gesellschaftlicher Herabwürdigung und
Abwertung oder Ausgrenzung nach stereotypen Vorurteilen bedroht ist (vgl. BGE
132 I 49 E. 8.2 S. 66 und hierzu WALTER KÄLIN, ZBJV 143/2007 S. 654 f.;
eingehend JÖRG PAUL MÜLLER, Die Diskriminierungsverbote nach Art. 8 Abs. 2 der
neuen Bundesverfassung, in: Die neue Bundesverfassung, Berner Tage für die
juristische Praxis [BTJP], 2000, S. 106 und 117; MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 684
f.).
Die Konturen betreffend die Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbotes sind in
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bisher nur in Ansätzen umschrieben
worden. Gleichermassen findet sich in der Doktrin bisher keine einhellige
Auffassung über die wesentlichen Elemente, Anknüpfungspunkte und Hintergründe
des direkten oder indirekten Diskriminierungsverbotes (vgl. MARKUS SCHEFER,
Grundrechte in der Schweiz, 2005, S. 245 f.; vgl. die Übersicht über die
Lehrmeinungen bei PETERS, a.a.O., Rz. 17 ff.; eingehend ANDREAS RIEDER, Form
oder Effekt? Art. 8 Abs. 2 BV und die ungleichen Auswirkungen staatlichen
Handelns, 2003, S. 52 ff., 67 ff. und 98 ff.; ferner MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S.
687 ff.; vgl. auch WALTER KÄLIN, ZBJV 138/2002 S. 624 zu BGE 126 II 377). Von
einer indirekten oder mittelbaren Diskriminierung wird etwa gesprochen, wenn
ein Rechtsakt nicht der Form nach, sondern aufgrund der Auswirkungen für eine
bestimmte geschützte Personengruppe eine qualifiziert rechtsungleiche
Schlechterstellung zur Folge haben kann. Gleichermassen wird eine solche
angenommen, wenn eine Norm neutrale Differenzierungen aufweist und besonders
geschützte Personengruppen in spezifischer Weise rechtsungleich trifft oder
aber wenn mangels erforderlicher Differenzierung eine des Schutzes bedürftige
Gruppe besonders benachteiligt wird (vgl. RIEDER, a.a.O., S. 100 ff. und 210
ff.; PETERS, a.a.O., Rz. 60). Im Übrigen fällt die Abgrenzung der direkten von
der indirekten Diskriminierung im Einzelfall nicht leicht (vgl. PETERS, a.a.O.,
Rz. 60 und 62).

4.4 Für den vorliegenden Zusammenhang kann auf die folgenden Urteile des
Bundesgerichts zum Diskriminierungsverbot gemäss Art. 8 Abs. 2 BV hingewiesen
werden:
Dem Verbot der Diskriminierung wegen körperlicher, geistiger oder psychischer
Behinderung wurde Rechnung getragen im Zusammenhang mit der Übernahme von
Kosten für behindertengerechte Wohnungsanpassungen (BGE 134 I 105) oder der
Ermöglichung eines
BGE 135 I 49 S. 56
behindertengerechten Schulunterrichts (BGE 130 I 352). Die Beschränkung des
Anspruchs auf invaliditätsbedingte Abänderungen an Motorfahrzeugen auf
volljährige Versicherte war mit der Verfassung nicht vereinbar (BGE 126 V 70 E.
4c S. 73). Keine Bedeutung kam diesem Ansatzpunkt aufgrund der konkreten
Sachumstände in einem Einbürgerungsverfahren zu (Urteil 1P.760/2006 vom 7. Juni
2006).
Unter dem Gesichtswinkel der sozialen Stellung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 BV
konnte bei den aus dem Bahnhof Bern Weggewiesenen nicht von einer bestimmbaren
Minderheit oder Gruppe gesprochen werden, die sich durch spezifische
Eigenheiten oder durch besondere, nicht frei gewählte oder schwer aufgebbare
Merkmale auszeichnete und aus solchen Gründen eines besondern
verfassungsmässigen Schutzes bedurfte (BGE 132 I 49 E. 8 S. 65).
Eine indirekte Diskriminierung verneinte das Bundesgericht im Zusammenhang mit
einer auf eine Krankheit zurückzuführenden vorzeitigen Pensionierung, bei der,
wie im Falle von anders begründeten vorzeitigen Pensionierungen, dem Umstand
des bisherigen Beschäftigungsgrades Rechnung getragen worden ist (Urteil 2P.24/
2001 vom 29. Juni 2001).

5. Vor diesem Hintergrund ist vorerst zu prüfen, ob Fürsorgeabhängige eine
spezifische, von Art. 8 Abs. 2 BV mit dem Merkmal der sozialen Stellung
erfasste Gruppe bilden, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat.
Zum Merkmal der sozialen Stellung gehört neben andern Elementen auch die
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, welcher für Ansehen bzw. Missachtung von
Personen Bedeutung zukommen mag (vgl. MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 727; PETERS,
a.a.O., Rz. 42). In diesem Sinne kann Armut und wirtschaftliche Abhängigkeit
insoweit zu Herabminderung und Stigmatisierung führen, als diese oftmals auf
stereotyper Auffassung beruhen, die Lage der Betroffenen sei Ausdruck
persönlichen Versagens oder gründe auf selbstverschuldetem Scheitern oder gar
moralischer Schwäche (vgl. KATHRIN AMSTUTZ, Das Grundrecht auf
Existenzsicherung, 2002, S. 76 f.). Die Betroffenen werden bisweilen als
"Sozial- und Fürsorgefälle" bezeichnet, welche auf Kosten des Staates leben und
sowohl Fürsorge als auch sozialversicherungsrechtliche Leistungen beziehen.
Insofern wird vereinzelt angenommen, die Betroffenen seien einer erhöhten
Gefahr der Ausgrenzung ausgesetzt und bildeten unter dem Merkmal der
BGE 135 I 49 S. 57
sozialen Stellung gemäss Art. 8 Abs. 2 BV eine Gruppe, die des
verfassungsmässigen Diskriminierungsschutzes bedürfe (in diesem Sinne AMSTUTZ,
a.a.O., S. 350 f.).
Im vorliegenden Fall knüpft die Nichteinbürgerung der Beschwerdeführerin am
Kriterium der Sozialhilfeabhängigkeit an. Nach § 21 Abs. 1 GemeindeG können von
der Aufnahme ins Bürgerrecht Personen ausgeschlossen werden, welche
Fürsorgeleistungen beziehen. Diese Personen können gleichwohl kaum als Gruppe
verstanden werden, die im vorliegenden Zusammenhang gemäss Art. 8 Abs. 2 BV
spezifisch gegen Diskriminierung geschützt wird. Die wirtschaftliche Lage
dieser Personen bildet vorab einen Umstand, der Ausgangspunkt für
Hilfeleistungen etwa in Form von Sozialhilfe bildet und letztlich im Sinne von
Art. 12 BV zum Anspruch auf Hilfe und Betreuung sowie auf die Mittel führt, die
für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind. Es sind in erster Linie
solche Förderungsmassnahmen, welche der möglichen Diskriminierung von Personen
in entsprechender finanzieller Lage begegnen sollen (vgl. MÜLLER/SCHEFER,
a.a.O., S. 701 ff.). Von Bedeutung ist ferner, dass die Fürsorgeabhängigkeit
auf unterschiedlichsten Faktoren und Gegebenheiten beruhen kann. Ausgangspunkt
können etwa bilden Langzeitarbeitslosigkeit nach Beendigung der
Arbeitslosenunterstützung, Arbeitsscheu und Liederlichkeit, mangelnde
Fähigkeiten zu einer Berufsausübung, Ungenügen des wirtschaftlichen Einkommens
trotz Arbeitstätigkeit (working poor), anhaltende Krankheit, verschiedenste
Formen der Invalidität und anderes mehr. Bei dieser Sachlage kann nicht gesagt
werden, die Sozialhilfeabhängigkeit stelle zwingend einen wesentlichen
Bestandteil der Identität und ein eigentliches Merkmal der Persönlichkeit der
betroffenen Personen dar. Sie kann nur vorübergehend bestehen und unter
Umständen wieder abgelegt werden, wenn beispielsweise eine arbeitslose und
ausgesteuerte Person erneut zu einem Erwerbseinkommen gelangt.
Der bundesgerichtlichen Rechtsprechung können keine Anzeichen entnommen werden,
dass der Kreis der Fürsorgeabhängigen eine vom Diskriminierungsverbot
geschützte Gruppe darstellen könnte. Insbesondere ist eine entsprechende Frage
auch im Zusammenhang mit Art. 10 Abs. 1 lit. d ANAG (bzw. Art. 62 lit. e und
Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG) - ungeachtet der Bestimmung von Art. 190 BV und der
Möglichkeit einer hinreichenden qualifizierten Rechtfertigung - nie aufgeworfen
oder auch nur angedeutet worden (vgl. BGE 126 II 377 E. 6b S. 393). Im
Ausländerrecht im Allgemeinen wie auch
BGE 135 I 49 S. 58
vor dem Hintergrund des Freizügigkeitsabkommens mit der EU wird das Kriterium
der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit als Erfordernis einer
Aufenthaltsberechtigung allgemein anerkannt (vgl. unter dem Blickwinkel des
Diskriminierungsverbotes ausdrücklich PETERS, a.a.O., Rz. 42). Demgegenüber
wird die genannte ANAG-Bestimmung in der Literatur vereinzelt als im Gegensatz
zu Art. 8 Abs. 2 BV stehend kritisiert (vgl. AMSTUTZ, a.a.O., S. 352; ferner
BERNHARD PULVER, L'interdiction de la discrimination, 2003, S. 262).
Wie es sich letztlich mit der Frage verhält, ob der Kreis der
Fürsorgeabhängigen eine Gruppe bildet, die von Art. 8 Abs. 2 BV in spezifischer
Weise geschützt wird, kann im vorliegenden Fall offenbleiben. Der Hintergrund
der vorliegenden Sache zeigt, dass unter dem Gesichtswinkel einer allfälligen
Diskriminierung nicht so sehr die Frage der Fürsorgeabhängigkeit als vielmehr
die Behinderung der Beschwerdeführerin im Vordergrund steht. Damit ist in
erster Linie zu fragen, wie die Beschwerdeführerin in ihrer konkreten Situation
unter dem Gesichtswinkel von Art. 8 Abs. 2 BV durch das Erfordernis von § 21
Abs. 1 GemeindeG betroffen wird und ob für ihre Nichteinbürgerung
rechtfertigende Gründe namhaft gemacht werden können. Für die konkrete
Beurteilung ist dabei nicht ausschlaggebend, ob es sich um einen Tatbestand der
direkten oder der indirekten Diskriminierung handelt. Wie dargelegt (oben E.
4.3), können sich die beiden Bereiche überschneiden und lassen sich im
Einzelfall nicht leicht auseinanderhalten.

6.

6.1 Das Erfordernis der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit im Sinne von
§ 21 Abs. 1 GemeindeG wirkt sich auf alle sozialhilfeabhängigen Personen als
Hindernis einer Einbürgerung aus und gilt gleichermassen für Schweizer wie für
Ausländer. Die mangelnde wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit kann, wie
dargetan (E. 5), auf verschiedenartigsten Faktoren beruhen und
unterschiedlichste Gruppen von Personen betreffen.
Unter solchen Personen bilden jene mit einer körperlichen, geistigen oder
psychischen Behinderung eine spezifische, von Art. 8 Abs. 2 BV speziell
genannte Gruppe. Es zählen dazu Personen, die in ihren körperlichen, geistigen
oder psychischen Fähigkeiten auf Dauer beeinträchtigt sind und für welche die
Beeinträchtigung je nach ihrer Form schwerwiegende Auswirkungen auf elementare
Aspekte der Lebensführung hat (MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 756). Diese
BGE 135 I 49 S. 59
Personen werden durch das Erfordernis der wirtschaftlichen
Selbsterhaltungsfähigkeit für die Einbürgerung wegen eines nicht
selbstverschuldeten und nicht aufgebbaren Merkmals in spezifischer Art
betroffen und gegenüber "gesunden" Bewerbern in besonderer Weise benachteiligt
und rechtsungleich behandelt. Sie mögen nicht in der Lage sein, aus eigenen
Stücken eine wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit zu erlangen. Es wird
ihnen dauernd und eben nicht nur vorübergehend verunmöglicht, sich überhaupt
einbürgern zu lassen. Insoweit liegt eine Konstellation einer (indirekten)
Diskriminierung vor, die einer qualifizierten Rechtfertigung bedarf, um vor
Art. 8 Abs. 2 BV bestehen zu können. Unter diesem Gesichtswinkel ist daher zu
prüfen, ob die beanstandete Massnahme ein gewichtiges und legitimes
öffentliches Interesse verfolgt, als geeignet und erforderlich betrachtet
werden kann und sich gesamthaft als verhältnismässig erweist (vgl. KIENER/
KÄLIN, a.a.O., S. 362 f.; PETERS, a.a.O., Rz. 55 f.; MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S.
693 f. und 696 f.).

6.2 Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid - vor dem Hintergrund
eines direkten Diskriminierungstatbestandes - zur Rechtfertigung der
rechtsungleichen Behandlung auf die finanziellen Folgen einer Einbürgerung für
die Gemeinde A. abgestellt. Dabei ist es - in Anlehnung an BERNHARD WALDMANN
(Das Diskriminierungsverbot von Art. 8 Abs. 2 BV als besonderer
Gleichheitssatz, 2003, S. 327 ff.) - davon ausgegangen, dass es in der
vorliegenden Konstellation nicht erforderlich sei, an die Rechtfertigung einen
besonders strengen Massstab anzulegen.
Es hat im Einzelnen ausgeführt, bei der finanziellen Entlastung von Gemeinwesen
handle es sich um eine zulässige Zielsetzung. Der mit § 21 Abs. 1 GemeindeG
verfolgte Zweck, die Ausgaben der öffentlichen Hand reduzieren zu können, sei
legitim. Soweit bei Sozialhilfebedürftigkeit nach einer
Verhältnismässigkeitsprüfung selbst niedergelassene Ausländer aus der Schweiz
oder einem Kanton ausgewiesen werden könnten (Art. 10 Abs. 1 lit. d und Abs. 2
sowie Art. 11 Abs. 3 ANAG; vgl. heute Art. 62 lit. e und Art. 63 Abs. 1 lit. c
AuG), könne derselbe Grund diskriminierungsrechtlich gleichermassen die
Verweigerung des Gemeindebürgerrechts rechtfertigen. Die Nichteinbürgerung sei
geeignet und erforderlich, die Gemeinde A. über eine lange und unbestimmte Zeit
von Unterstützungen im hohen Ausmasse von rund 100'000 Franken pro Jahr zu
verschonen. Schliesslich erscheine die Nichteinbürgerung wegen
Fürsorgeabhängigkeit für die Beschwerdeführerin als zumutbar, weil
BGE 135 I 49 S. 60
diese - im Unterschied zur fremdenpolizeilichen Wegweisung - weder von ihrem
Wohnsitz vertrieben werde noch die Unterstützungsleistungen verliere.

6.3 Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin zur Zeit ihres
Einbürgerungsgesuches von der eidgenössischen Asylfürsorge unterstützt worden
ist und im Falle der Einbürgerung der Fürsorge durch die Gemeinde A. zur Last
fallen würde. Gleichermassen wird nicht in Frage gestellt, dass entsprechende
Fürsorgeleistungen einen jährlichen Betrag von rund 100'000 Franken ausmachen
würden. Somit ist zu prüfen, ob dieser finanziellen Belastung der Gemeinde vor
dem Hintergrund der konkreten Verhältnisse das erforderliche verfassungsmässige
Gewicht zur Rechtfertigung der nachteiligen Behandlung der Beschwerdeführerin
zukommt.
Es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass die Gemeinde A. ein legitimes
Interesse an einem gesunden Finanzhaushalt hat, und demnach ist verständlich,
dass sie sich gegen die Übernahme von beträchtlichen Sozialleistungen zur Wehr
setzt. Derartige finanzielle Interessen können nicht von vornherein als
unerheblich bezeichnet werden (vgl. MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 694). Gerade der
Vergleich mit dem Ausländerrecht zeigt, dass das öffentliche Interesse, keine
Personen aufnehmen zu müssen, welche - evtl. dauerhaft und in erheblichem
Ausmasse - auf Sozialhilfe angewiesen sind (vgl. Art. 62 lit. d AuG zum
Widerruf von Bewilligungen im Allgemeinen und Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG zum
Widerruf von Niederlassungsbewilligungen im Speziellen), allgemein anerkannt
ist. Gleichwohl wird dieses Interesse relativiert im Falle von Personen, die
sich während mehr als 15 Jahren in der Schweiz aufgehalten haben; diesfalls ist
der Widerruf einer Niederlassungsbewilligung wegen Sozialhilfeabhängigkeit
ausgeschlossen (Art. 63 Abs. 2 AuG). Gilt das öffentliche Interesse, keine
Sozialleistungen übernehmen zu müssen, demnach im Ausländerrecht nicht absolut,
so ist im gleichen Sinne das finanzielle Interesse der Gemeinde A. an einer
Nichteinbürgerung in Anbetracht der konkreten Verhältnisse auf seine Bedeutung
hin zu prüfen.
In dieser Hinsicht ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin zurzeit
vorläufig aufgenommen ist und dieser Status der vorläufigen Aufnahme bereits
viele Jahre andauert. Der Status der vorläufigen Aufnahme ist indessen
grundsätzlich nicht auf Dauer angelegt. Daher sieht Art. 84 Abs. 5 AuG vor,
dass Gesuche um
BGE 135 I 49 S. 61
Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von vorläufig aufgenommenen Personen,
die sich seit mehr als fünf Jahren in der Schweiz aufhalten, unter
Berücksichtigung der Integration, der familiären Verhältnisse und der
Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Herkunftsstaat vertieft geprüft werden
müssen. Damit mag sich die Situation von Personen, die über längere Zeit
vorläufig aufgenommen sind, verbessern und wird die Erlangung einer
Aufenthaltsbewilligung daher eher möglich sein (vgl. PETER BOLZLI, in:
Migrationsrecht, Spescha und andere [Hrsg.], 2008, N. 10 ff. zu Art. 84 AuG).
Vor diesem Hintergrund fällt eine Regularisierung des Aufenthaltsstatus der
Beschwerdeführerin und damit eine Aufenthaltsbewilligung in einem früheren oder
späteren Zeitpunkt tatsächlich in Betracht, wenn die Beschwerdeführerin darum
ersucht. Sowohl die Mehrheit als auch die Minderheit des Verwaltungsgerichts
nehmen denn auch an, dass die Beschwerdeführerin in Anbetracht der konkreten
Verhältnisse kaum mehr weggewiesen werden könne (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. d und
Art. 11 Abs. 3 ANAG) bzw. die entsprechende Bewilligung kaum mehr wiederrufen
werden könnte (vgl. Art. 62 lit. e i.V.m. Art. 96 AuG). Dem steht nicht
entgegen, dass sich nach der Rechtsprechung aus Art. 8 EMRK und Art. 13 Abs. 1
BV grundsätzlich kein Recht auf Aufenthalt oder gar auf eine
Aufenthaltsbewilligung ableiten lässt (BGE 130 II 281 E. 3 S. 284; BGE 126 II
377 E. 2b und 2c S. 382 ff.; Urteil 2C_190/2008 vom 23. Juni 2008 E. 2.3);
gleichwohl ist ein entsprechender Anspruch auf ein Anwesenheitsrecht in einem
spezifischen Fall einer Aufenthaltsdauer von mehr als zwanzig Jahren anerkannt
worden (BGE 130 II 281 E. 3.3 S. 289). Vor diesem Hintergrund fällt für die
Beschwerdeführerin, die nun bereits seit 13 Jahren in der Schweiz weilt, eine
Aufenthaltsbewilligung bei einem entsprechenden Gesuch in einem früheren oder
späteren Zeitpunkt tatsächlich in Betracht. Dies wiederum hätte zur Folge, dass
die Gemeinde A., wo die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz hat, die Fürsorge
ohnehin früher oder später zu übernehmen hätte. Insofern kann - entgegen der
Ansicht des Verwaltungsgerichts - nicht gesagt werden, dass die Gemeinde A.
allein wegen der umstrittenen Einbürgerung die Unterstützung der
Beschwerdeführerin auf Dauer und für sehr lange Zeit zu übernehmen hätte. Bei
dieser Sachlage erscheint die mit der Einbürgerung verbundene finanzielle
Belastung der Gemeinde A. in Form der Sozialhilfe in einem andern Lichte. Das
öffentliche Interesse zur Rechtfertigung der (indirekten) Diskriminierung ist
insoweit von geringerem
BGE 135 I 49 S. 62
Gewicht. Hinzuweisen ist ferner auf ein Rundschreiben des Staatssekretariats
für Wirtschaft SECO und des Bundesamtes für Migration BFM vom 30. November
2007, wonach ab dem 1. Januar 2008 die finanzielle Zuständigkeit von vorläufig
aufgenommenen Personen sieben Jahre nach der Einreise in die Schweiz vom Bund
an die Kantone wechselt und der Bund unter anderem in Form einer
Integrationspauschale neu einen Beitrag an die Integrationskosten ausrichtet;
Ziel ist eine verbesserte Integration von vorläufig aufgenommenen Personen.
Dem sind die Interessen der Beschwerdeführerin gegenüberzustellen. Die Frage
der Einbürgerung ist für diese von grosser Bedeutung. Sie hat an der Erlangung
des Bürgerrechts im Kanton Zürich, wo sie den grössten Teil ihres Lebens
verbracht hat, ein gewichtiges Interesse. Dieses ist nicht nur ideeller Natur -
wie die Minderheit des Verwaltungsgerichts angenommen hat -, sondern auch
rechtlich von Bedeutung. Die Einbürgerung würde der Beschwerdeführerin einen
gesicherteren Status in der Schweiz einräumen als der bisherige der vorläufigen
Aufnahme. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass die
Beschwerdeführerin gemäss dem Verwaltungsgericht kaum mehr weggewiesen werden
könnte (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. d und Art. 11 Abs. 3 ANAG bzw. Art. 62 lit. e
i.V.m. Art. 96 AuG). Zudem würde die - nunmehr 22-jährige - Beschwerdeführerin
mit Erreichen des 25. Lebensjahres einen Anspruch auf Einbürgerung nach § 21
Abs. 3 GemeindeG verlieren und könnte sich nur noch im Rahmen von § 22
GemeindeG ohne rechtlichen Anspruch einbürgern lassen. Weiter kommt dem Umstand
Gewicht zu, dass die Beschwerdeführerin angesichts ihrer Behinderung kaum mehr
je in der Lage sein wird, ihre finanzielle Abhängigkeit aus eigenen Stücken zu
beheben, eine wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit zu erlangen und so die
Voraussetzungen von § 21 Abs. 1 GemeindeG von sich aus zu schaffen. Ferner mag
es unter dem Gesichtswinkel des Diskriminierungsverbotes, das auch Aspekte der
Menschenwürde im Sinne von Art. 7 BV beschlägt, als stossend empfunden werden,
dass die Beschwerdeführerin - die bis heute von der Asylfürsorge unterstützt
worden ist und im Falle der Einbürgerung von der Gemeinde A. zu unterstützen
wäre - einzig wegen der Frage, aus welchem "Kässeli" die ihr zukommende
Unterstützung geleistet wird, nicht eingebürgert würde.
Vor diesem Hintergrund zeigt sich gesamthaft, dass die Beschwerdeführerin wegen
ihrer aktuellen und fortdauernden Behinderung
BGE 135 I 49 S. 63
im Einbürgerungsverfahren gegenüber "gesunden" Bewerbern auf unbestimmte Zeit
hinaus benachteiligt wird. Diese Benachteiligung kann in Anbetracht des
Umstandes, dass die finanzielle Belastung der Gemeinde A. nicht allein wegen
der Einbürgerung auf lange Dauer angelegt ist, nicht wegen der finanziellen
Aspekte in qualifizierter Weise gerechtfertigt werden. Der Annahme einer
verfassungswidrigen Diskriminierung im vorliegenden Fall steht auch BGE 126 II
377 nicht entgegen, wo in erster Linie am Entfallen der wirtschaftlichen
Erwerbstätigkeit als Bedingung der Aufenthaltsbewilligung und nicht so sehr an
der körperlichen Behinderung des Betroffenen angeknüpft worden ist (BGE 126 II
377 E. 6 S. 392 ff.). Der Berücksichtigung der besondern Umstände und der
Invalidität der Beschwerdeführerin steht im Sinne einer verfassungskonformen
Auslegung des Gemeindegesetzes, welches den kommunalen Behörden einen
Beurteilungsspielraum einräumt (oben E. 3), nichts im Wege.
Damit erweist sich die Rüge der Verletzung von Art. 8 Abs. 2 BV als begründet.
(...)