Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 I 209



Urteilskopf

135 I 209

25. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilungi.S. X. gegen
Kantonspolizei Luzern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_797/2008 vom 30. April 2009

Regeste

Art. 26 BV, Art. 31 WG, Art. 69 StGB, Art. 34 WV 1998; Entschädigungspflicht
für eingezogene Waffen und Waffenbestandteile.
Übersicht über die waffenrechtlichen Beschlagnahmungs- und Einziehungsregeln
(E. 2).
Das Waffengesetz enthält keine gesetzliche Grundlage für den Einzug des
Nettoerlöses der Verwertung von aus Sicherheitsgründen beschlagnahmten bzw.
eingezogenen Gegenständen zu Gunsten des Staates. Kann der Gegenstand dem
Eigentümer nicht mehr zurück- oder herausgegeben werden, ist die Verwertung
unter Herausgabe des Erlöses an den Berechtigten - als weniger weitgehender
Eingriff in die Eigentumsgarantie als die entschädigungslose Überlassung,
Vernichtung oder Verwertung zu Gunsten des Staates - zu prüfen. Entscheidend
ist dabei, ob es sich bei den betroffenen Gegenständen überhaupt um
verwertbare, d.h. rechtlich erwerb- und besitzbare Güter von einem gewissen
Marktwert handelt, die legal verwendet werden können (E. 2-4).

Sachverhalt ab Seite 210

BGE 135 I 209 S. 210
X. ist deutscher Staatsbürger und Waffensammler. Im Rahmen eines
Strafverfahrens wurden 1998 in seinem Fahrzeug und in seinem Ferienhaus Waffen,
wesentliche Waffenbestandteile und
BGE 135 I 209 S. 211
Waffenzubehör sichergestellt. Am 21. März 2003 entschied die Kantonspolizei
Luzern, die bei ihm beschlagnahmten Waffen und Gegenstände zuhanden des Staates
zu verwerten und die beschlagnahmten verbotenen Gegenstände zu vernichten. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern hiess die von X. hiergegen eingereichte
Beschwerde am 18. August 2004 teilweise gut und wies die Sache an die
Kantonspolizei zurück, "damit sie über eine allfällige Entschädigung für die
eingezogenen Gegenstände entscheide". Das Bundesgericht bestätigte dieses
Urteil hinsichtlich der Einziehung am 4. Februar 2005 (2A.546/2004).
Am 29. Oktober 2007 lehnte die Kantonspolizei Luzern es ab, die beschlagnahmten
und eingezogenen Gegenstände, deren legaler Erwerb X. nicht nachweisen konnte,
zu dessen Gunsten zu verwerten; diese Waffen würden soweit möglich zuhanden des
Staates verwertet und die verbotenen und verbotenerweise abgeänderten Waffen
entschädigungslos vernichtet. Einzig die 15 Waffen bzw. Waffenbestandteile,
deren legaler Erwerb "zweifelsfrei" feststehe, könnten nach dem üblichen
Vorgehen zu seinen Gunsten verwertet werden. Das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern bestätigte diesen Entscheid auf Beschwerde hin am 19. September 2008.
Das Bundesgericht heisst die von X. hiergegen eingereichte Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gut, hebt das angefochtene Urteil auf
und weist die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die
Kantonspolizei Luzern zurück.
(Zusammenfassung)

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Nach Art. 31 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1997 über Waffen,
Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG; SR 514.54) beschlagnahmt die
zuständige Behörde Waffen, die von Personen ohne Berechtigung getragen werden
(lit. a), sowie Waffen, wesentliche Waffenbestandteile, Waffenzubehör, Munition
und Munitionsbestandteile aus dem Besitz von Personen, bei denen ein
Hinderungsgrund nach Art. 8 Abs. 2 WG (Minderjährigkeit [lit. a], Entmündigung
[lit. b], Selbst- oder Drittgefährdung [lit. c] bzw. gewalttätige oder
gemeingefährliche Gesinnung [lit. d]) besteht (lit. b). In der Fassung vom 22.
Juni 2007 wird die Befugnis zur Beschlagnahmung auf Objekte ausgedehnt, zu
deren Erwerb oder Besitz die betreffende Person nicht berechtigt ist, sowie auf
gefährliche
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Gegenstände, die missbräuchlich getragen werden (lit. c). Gegenstände, die aus
dem Besitz einer Person beschlagnahmt werden, die nicht eigentumsberechtigt
ist, sind dem Eigentümer oder der Eigentümerin zurückzugeben, wenn kein
Hinderungsgrund nach Art. 8 Abs. 2 WG vorliegt (Art. 31 Abs. 2 WG). Besteht die
Gefahr missbräuchlicher Verwendung - "insbesondere weil mit solchen
Gegenständen Personen bedroht oder verletzt wurden" (Ergänzung gemäss BG vom
22. Juni 2007) -, sind die beschlagnahmten Gegenstände definitiv einzuziehen
(Art. 31 Abs. 3 WG; vgl. PHILIPPE WEISSENBERGER, Die Strafbestimmungen des
Waffengesetzes, AJP 2/2000 S. 153 ff., dort S. 163 f.).

2.2 Für den Fall, "dass die Rückgabe nicht möglich ist", regelt der Bundesrat
das Verfahren (Art. 31 Abs. 4 WG [Fassung vom 20. Juni 1997] bzw. Art. 31 Abs.
5 WG [Fassung vom 22. Juni 2007]), was er in Art. 34 der Verordnung vom 21.
September 1998 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffenverordnung, WV
1998; AS 1998 2549) bzw. Art. 54 der Waffenverordnung vom 2. Juli 2008 (WV
2008; SR 514.541) getan hat: Ist der Erwerb eines Gegenstands, der nach Art. 31
WG beschlagnahmt worden ist, nicht verboten, so darf die zuständige Behörde
"frei" darüber verfügen (Art. 34 Abs. 1 WV 1998 bzw. Art. 54 Abs. 1 WV 2008).
Ist der Erwerb unzulässig, kann sie den Gegenstand "aufbewahren, zerstören oder
an einen wissenschaftlichen Dienst der Kriminalpolizei oder ein Museum einer
öffentlich-rechtlichen Körperschaft übertragen" (Art. 34 Abs. 2 WV 1998 bzw.
Art. 54 Abs. 2 WV 2008). Ist der beschlagnahmte Gegenstand legal erworben
worden, so muss die eigentumsberechtigte Person entschädigt werden, wenn er ihr
nicht zurückgegeben werden kann, "insbesondere" weil sie die Voraussetzungen
von Art. 8 Abs. 2 lit. b-d WG (Art. 34 Abs. 3 lit. a WV 1998 bzw. Art. 54 Abs.
1 lit. a WV 2008) nicht erfüllt oder "der Erwerb des Gegenstandes nach dem
Inkrafttreten des Gesetzes verboten ist" (Art. 34 Abs. 3 lit. b WV 1998) bzw.
(neu) "der Erwerb des Gegenstandes verboten ist" (Art. 54 Abs. 3 lit. b WV
2008). Wird der Gegenstand veräussert, so entspricht die Entschädigung dem
erzielten Erlös. In den übrigen Fällen seinem effektiven Wert. Die Kosten der
Aufbewahrung und der Veräusserung sind von der Entschädigung abzuziehen (Art.
34 Abs. 4 WV 1998 bzw. Art. 54 Abs. 4 WV 2008). Kann kein
Entschädigungsverfahren durchgeführt werden, insbesondere weil die
eigentumsberechtigte Person unbekannt oder nicht auffindbar ist, verfällt der
Erlös dem Staat (Art. 34 Abs. 5 WV 1998 bzw. Art. 54 Abs. 5 WV 2008).
BGE 135 I 209 S. 213

3.

3.1 Gestützt auf die bisherigen Verfahren steht rechtskräftig fest, dass die
beim Beschwerdeführer beschlagnahmten Waffen, Waffenbestandteile und
Gegenstände diesem nicht zurückgegeben werden können und wegen der damit
verbundenen Missbrauchsgefahr definitiv einzuziehen sind (Art. 31 Abs. 3 WG in
der Fassung von 1997; Urteil 2A.546/2004 vom 4. Februar 2005 E. 3). Umstritten
ist, ob und in welchem Umfang er einen Anspruch auf Entschädigung hat. In
Doktrin und Praxis wird teilweise davon ausgegangen, dass die Einziehung einer
Waffe wegen der Gefahr einer künftigen missbräuchlichen Verwendung immer
entschädigungslos bleiben muss; hiervon sei die Situation zu unterscheiden, in
der zwar keine solche Gefahr bestehe und demgemäss die beschlagnahmten
Gegenstände an sich zurückzugeben wären, dies aber nicht möglich sei, weil ein
waffengesetzlicher Hinderungsgrund bestehe (so HANS WÜST, Schweizer
Waffenrecht, 1999, S. 194 f.; Praxis des Kantonsgerichts Graubünden (PKG) 2001
Nr. 17 E. 5 S. 94). Einzig diese Fälle bildeten Gegenstand der Regelung von
Art. 34 WV 1998 (bzw. Art. 54 WV 2008), was sich aus dessen Überschrift
"Verfahren nach der Beschlagnahme, wenn keine Einziehung erfolgt und die
Rückgabe nicht möglich ist" ergebe: Beschlagnahmte verbotene Waffen seien
demnach entschädigungslos zu zerstören oder an einen wissenschaftlichen Dienst
der Kriminalpolizei oder an ein Museum einer öffentlich-rechtlichen
Körperschaft zu übertragen; illegal erworbene Waffen, deren Erwerb
grundsätzlich zulässig sei, könnten entschädigungslos zur freien Verfügung der
Behörde einbehalten werden; für legal erworbene Waffen müsse deren Eigentümer
entschädigt werden, falls sie wegen des Vorliegens eines Hinderungsgrunds nach
Art. 8 Abs. 2 WG oder weil ihr Erwerb nach dem 1. Januar 1999 verboten sei,
nicht an ihn zurückgegeben werden könnten (WÜST, a.a.O., S. 195).

3.2 Diese Auslegung trägt den aus der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV)
fliessenden verfassungsrechtlichen Vorgaben und dem Charakter der Einziehung
als reine Sicherungsmassnahme zu wenig Rechnung:

3.2.1 Die unterschiedliche Formulierung der Voraussetzungen der Beschlagnahmung
und der definitiven Einziehung in Art. 31 WG in der Fassung von 1997 vermögen
die aus Art. 34 WV 1998 fliessende Ungleichbehandlung zwischen beschlagnahmten
und eingezogenen Gegenständen nicht zu rechtfertigen. Im Entwurf zum
BGE 135 I 209 S. 214
Waffengesetz war die Möglichkeit der Einziehung nach Art. 31 Abs. 3 WG in der
Fassung von 1997 noch nicht vorgesehen. Der Bundesrat hatte sich darauf
beschränkt, in diesem Zusammenhang auf die strafrechtliche Einziehung zu
verweisen (Botschaft vom 24. Januar 1996 zum Bundesgesetz über Waffen,
Waffenzubehör und Munition, BBl 1996 I 1053 ff., 1072 f. Ziff. 27, 1089). Erst
das Parlament führte die Möglichkeit der waffenrechtlich begründeten Einziehung
in den Gesetzestext ein, wobei es deren Voraussetzungen ohne weitere
Ausführungen (AB 1996 S 525 und 1997 N 50) - von den einzelnen präziser
abgefassten Tatbeständen der Beschlagnahmung abweichend - in einer
Generalklausel ("Gefahr missbräuchlicher Verwendung") umschrieb. Trotz dieser
Diskrepanz widerspräche es Sinn und Zweck von Art. 31 WG in der Fassung von
1997, eine Einziehung zuzulassen, ohne dass gleichzeitig auch die
Voraussetzungen für die Beschlagnahme gegeben wären (vgl. das Urteil 2A.546/
2004 vom 4. Februar 2005 E. 3.1-3.2.2). Beiden Regelungen ist gemeinsam, dass
sie der missbräuchlichen Verwendung von Waffen, Waffenzubehör und Munition
vorbeugen wollen (vgl. Art. 1 Abs. 1 WG). Während die Beschlagnahme vorab
präventiven und bei einer Herausgabe an den Eigentümer (Art. 31 Abs. 2 WG in
der Fassung von 1997) vorübergehenden Charakter hat, ist die Einziehung
endgültig (vgl. Urteile 2C_93/2007 vom 3. September 2007 E. 6.1 und 2A.294/2003
vom 17. Juni 2004 E. 3.2 mit Hinweisen). Einzig hierin unterscheiden sich
altrechtlich die beiden Massnahmen, indessen nicht hinsichtlich ihres Zwecks
und (im Resultat) ihrer Voraussetzungen (vgl. auch das Urteil 2A.294/2003 vom
17. Juni 2004 E. 3).

3.2.2 Es ist nicht einzusehen, weshalb im Falle der definitiven Einziehung eine
Verwertung mit Herausgabe des Erlöses - selbst bei legalem Erwerb der Waffe -
ausgeschlossen sein soll, weil "die Gefahr missbräuchlicher Verwendung
besteht", eine solche jedoch ausdrücklich vorgesehen ist, falls dem
Berechtigten die beschlagnahmte Waffe nicht (mehr) zurückgegeben werden kann,
weil er zur Annahme Anlass gibt, dass er sich selbst oder Dritte damit
gefährden könnte (Art. 8 Abs. 2 lit. c WG in der Fassung von 1997 i.V.m. Art.
34 Abs. 3 WV 1998) bzw. er "wegen einer Handlung, die eine gewalttätige oder
gemeingefährliche Gesinnung bekundet", oder "wegen wiederholt begangener
Verbrechen oder Vergehen im Strafregister eingetragen" und der Eintrag nicht
gelöscht ist, womit der Herausgabe ein waffenrechtlicher Hinderungsgrund
entgegensteht
BGE 135 I 209 S. 215
(Art. 8 Abs. 2 lit. d WG in der Fassung von 1997 i.V.m. Art. 34 Abs. 3 WV
1998). Für eine solche verwertungs- bzw. entschädigungsrechtliche
Ungleichbehandlung besteht mit Blick auf den gemeinsamen (polizeilichen)
Sicherungszweck der Massnahmen kein sachlicher Grund. Dies gilt umso mehr, als
die definitive Einziehung bei dem nach der Rechtsprechung weit zu verstehenden
Begriff der "Gefahr missbräuchlicher Verwendung" praktisch alle Varianten
abdeckt, bei denen eine Rückgabe an den Eigentümer ausser Betracht fällt, womit
es kaum je zur Herausgabe eines Verwertungserlöses in Anwendung von Art. 34 WV
1998 (bzw. Art. 54 WV 2008) käme.

3.3 Zu Recht macht der Beschwerdeführer auch geltend, die Verwertungs- und
Entschädigungsregelung in Art. 34 Abs. 3 und 4 WV 1998, welche an die Legalität
des Erwerbs des beschlagnahmten bzw. eingezogenen Gegenstands anknüpfe, erweise
sich als gesetz- und verfassungswidrig:

3.3.1 Zwar verletzt es die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) nicht, verbotene
Gegenstände einzuziehen oder durch den Betroffenen vernichten zu lassen,
solange der Vollzug im Einzelfall den verfassungsrechtlichen Anforderungen
genügt, d.h. er auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage beruht, im
öffentlichen Interesse liegt und sich als verhältnismässig erweist (vgl. Art.
36 BV; BGE 118 Ia 305 E. 6 S. 317 f. [St. Galler Waffenverordnung]; BGE 130 I
360 E. 14.2 [Vernichtung von sichergestelltem Hanf]). Der Grundsatz der
Verhältnismässigkeit verlangt, dass die in das Eigentum eingreifende Massnahme
geeignet ist, das angestrebte Ergebnis herbeizuführen, und dass dieses nicht
durch eine mildere Massnahme erreicht werden kann. Er verbietet alle
Einschränkungen, die über das angestrebte Ziel hinausgehen, und erfordert ein
vernünftiges Verhältnis zwischen diesem und den betroffenen öffentlichen und
privaten Interessen. Die Beschlagnahmung und die anschliessende definitive
Einziehung basieren im Waffengesetz auf einer klaren formell-gesetzlichen
Grundlage, indessen regelt diese die Frage eines allenfalls damit verbundenen
finanziellen (Teil-)Ersatzes nicht. Nach Art. 26 Abs. 2 BV sind alle
"Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen"
entschädigungspflichtig; andere Beschränkungen müssen - besondere gesetzliche
Regelungen vorbehalten - im Rahmen von Art. 26 BV hingegen regelmässig
entschädigungslos hingenommen werden (GIOVANNI BIAGGINI, Bundesverfassung der
schweizerischen Eidgenossenschaft [...], 2007, N. 28 zu Art. 26 BV).
Polizeilich motivierte Eigentumsbeschränkungen im engeren Sinn sind
BGE 135 I 209 S. 216
entschädigungslos zu dulden, soweit sie sich im Rahmen des
Verhältnismässigkeitsgebots als notwendig erweisen. Eine Entschädigungspflicht
kann bestehen, falls sie weiter gehen, als dies zur Abwehr der ernsthaften und
unmittelbaren Gefahr selber erforderlich erscheint (BGE 106 Ib 336 ff.;
BIAGGINI, a.a.O., N. 34 zu Art. 26 BV). Die Zulässigkeit bzw. die
Verhältnismässigkeit eines polizeilich motivierten Eingriffs in die
Eigentumsgarantie hängt allenfalls auch davon ab, wieweit für diesen ein
gewisser Ersatz geleistet wird (vgl. etwa das Urteil des EGMR Ian Edgar
(Liverpool) Limited gegen Vereinigtes Königreich vom 25. Januar 2000, Recueil
CourEDH 2000-I S. 479 ff. [zu Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls im Zusammenhang
mit der Einführung eines Verbots gewisser Waffen]). Der unentgeltlich
hinzunehmende Eingriff darf, falls damit kein (zusätzlicher) Sanktionscharakter
verbunden sein soll, nicht weiter gehen, als dies zur Erreichung des
gesetzlichen Zwecks erforderlich ist, was bei der Einziehung eines Gegenstands
dessen Verwertung unter Herausgabe des Nettoerlöses an den Berechtigten
gebieten kann (vgl. auch BIAGGINI, a.a.O., N. 32 zu Art. 26 BV).

3.3.2 Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit der strafrechtlichen
Sicherheitseinziehung in diesem Sinn entschieden (vgl. auch das Urteil 6S.253/
2005 vom 25. November 2006): Nach Art. 69 Abs. 1 StGB verfügt das Gericht ohne
Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die "Einziehung von
Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren
oder die durch die Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände
die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung
gefährden". Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände
"unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden" (Abs. 2). Dabei muss aber
praxisgemäss der Verhältnismässigkeitsgrundsatz gewahrt bleiben (NIKLAUS
SCHMID, Einziehung, Organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, 2. Aufl. 2007, N.
72 ff. zu Art. 69 StGB; STRATENWERTH/WOHLERS, Schweizerisches Strafgesetzbuch,
2007, N. 7 f. zu Art. 69 StGB). Wo durch einen weniger schwerwiegenden Eingriff
in die Eigentumsgarantie der mit Art. 69 StGB einzig verfolgte Sicherungszweck
erreicht wird, hat es hiermit sein Bewenden. Stellt der Gegenstand nur in den
Händen des Täters eine Gefahr dar, gebietet der Verhältnismässigkeitsgrundsatz,
die Sache zu verwerten und den Erlös an den Berechtigten herauszugeben (BGE 117
IV 345 ff.; TRECHSEL/ JEAN-RICHARD, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch,
Trechsel und
BGE 135 I 209 S. 217
andere [Hrsg.], 2008, N. 7 zu Art. 69 StGB; vgl. auch FLORIAN BAUMANN, in:
Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 2. Aufl. 2007, N. 14 zu Art. 69 StGB;
SCHMID, a.a.O., N. 76 zu Art. 69 StGB). Die Sicherungseinziehung hat keinen
repressiven Charakter (BAUMANN, a.a.O., N. 3 zu Art. 69 StGB). Es geht dabei
nicht darum, den Verurteilten am Vermögen zu schädigen und dem Staat durch die
Einziehung ungerechtfertigt Vermögenswerte zukommen zu lassen. Soweit die
Verwertung des einzuziehenden Gegenstands möglich ist, besteht kein Grund, dem
Eigentümer (somit unter Umständen auch dem Täter) den Verwertungserlös
vorzuenthalten und die Sicherungseinziehung damit zu einer zusätzlichen
Vermögensstrafe zu machen. Die Einziehung des Verwertungserlöses ist in diesem
Fall nicht mehr durch den Sicherungszweck des Eingriffs gedeckt und verletzt
deshalb, weil unverhältnismässig, die Eigentumsgarantie (vgl. BAUMANN, a.a.O.,
N. 14 zu Art. 69 StGB; SCHMID, a.a.O., N. 76 zu Art. 69 StGB).

3.3.3 Dasselbe muss gelten, wenn die Einziehung - wie hier - nicht in Anwendung
von Art. 69 StGB, sondern gestützt auf Art. 31 Abs. 3 WG angeordnet wird:
Sowohl die Beschlagnahmung, d.h. der Entzug des Waffenbesitzes im Sinne der
tatsächlichen Herrschaft über die Waffe als vorläufige polizeiliche
Sicherungsmassnahme, als auch die (definitive) Einziehung, falls eine Rückgabe
ausgeschlossen erscheint, dienen ausschliesslich Sicherungszwecken und bilden
keine (zusätzliche) vermögensrechtliche Sanktion (WÜST, a.a.O., S. 192). Das
Waffengesetz will im öffentlichen Interesse die missbräuchliche Verwendung von
Waffen, Waffenbestandteilen, Waffenzubehör, Munition bzw.
Munitionsbestandteilen bekämpfen bzw. das missbräuchliche Tragen von
gefährlichen Gegenständen verhindern (Art. 1 WG in der Fassung von 2007). Die
Entschädigungslosigkeit für die hierzu erforderliche Beschlagnahme bzw.
Einziehung geht ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage über das hierzu
Erforderliche hinaus. Das Waffengesetz enthält keine Grundlage, um (auch) die
Einziehung des Nettoerlöses der Verwertung der beschlagnahmten bzw.
eingezogenen Gegenstände zu Gunsten des Staates anzuordnen. Kann der
beschlagnahmte Gegenstand aus Sicherheitsgründen bzw. wegen Fehlens der
Bewilligungsvoraussetzungen dem Eigentümer nicht mehr zurück- oder
herausgegeben werden, ist deshalb im Rahmen von Art. 31 WG ebenfalls in erster
Linie die Verwertung der entsprechenden Waffen, Waffenbestandteile, des
Waffenzubehörs oder der Munition unter Herausgabe des Erlöses an den
Berechtigten - als weniger weitgehender Eingriff in die
BGE 135 I 209 S. 218
Eigentumsrechte als die entschädigungslose Überlassung, Vernichtung oder
Verwertung zu Gunsten des Staates - zu prüfen (vgl. das Urteil 2C_93/2007 vom
3. September 2007 E. 6.4; SCHMID, a.a.O., N. 76 zu Art. 69 StGB).

3.3.4 Das Bundesgericht hat bereits im Zusammenhang mit dem
Kriegsmaterialgesetz so argumentiert: Zwar bestimme Art. 20 Abs. 2 aKMG, dass
das eingezogene Kriegsmaterial dem Bund "verfalle", doch schliesse dies die
Auszahlung eines allfälligen Verwertungserlöses an den Täter als ehemaligen
Eigentümer der eingezogenen Gegenstände nicht aus (in casu: 742 Pistolen). Der
Sinn der Einziehung von Kriegsmaterial nach Art. 20 aKMG liege nicht darin, dem
Täter einen Vermögensschaden zuzufügen. Die Einziehung wolle bloss
ausschliessen, dass das fragliche Kriegsmaterial vom Betroffenen allenfalls ein
weiteres Mal im Rahmen einer Widerhandlung im Sinne des Kriegsmaterialgesetzes
verwendet werde (BGE 117 IV 345 ff.). Dasselbe gilt hier, weil das Gesetz den
Einzug eines Erlöses nicht vorsieht, unabhängig davon, ob die entsprechenden
Gegenstände vom Beschwerdeführer ursprünglich waffenbewilligungsrechtlich
rechtmässig erworben worden sind oder nicht. Entsprechende Abklärungen erweisen
sich in Fällen wie dem vorliegenden bzw. bei langjährigen Sammlern wegen des
Zeitablaufs und den wiederholten Änderungen des kantonalen und (später) des
eidgenössischen Waffenrechts nachträglich ohne unverhältnismässig hohen Aufwand
(Verkaufswegabklärungen über Hersteller, Generalimporteur und Waffenhändler)
als kaum mehr möglich, nachdem der Handel unter Privaten bzw. der Waffenbesitz
bisher nicht bewilligungspflichtig war (vgl. WEISSENBERGER, a.a.O., S. 159 f.).
Die Folgen einer allfälligen Beweislosigkeit können unter diesen Umständen
nicht einfach dem bisherigen Eigentümer auferlegt werden. Zumindest ein Teil
der 1998 beim Beschwerdeführer beschlagnahmten und hernach eingezogenen Waffen
waren bereits 1984 sichergestellt und ihm 1988 wieder ausgehändigt worden,
womit sie sich vor der Einziehung und vor dem Inkrafttreten des eidgenössischen
Waffengesetzes bereits während Jahrzehnten in seinem Besitz befunden haben
dürften und sich die waffenrechtliche Legalität des Erwerbs jedes einzelnen
Gegenstands nicht mehr vollumfänglich erstellen lässt.

4.

4.1 Die Herausgabe des Verwertungserlöses ist somit unabhängig davon geboten,
ob die definitive Einziehung wegen
BGE 135 I 209 S. 219
Missbrauchsgefahr erfolgt ist oder die Rückgabe heute aus einem anderen
waffenrechtlichen Grund ausser Betracht fällt bzw. der waffenrechtlich legale
Erwerb jedes einzelnen eingezogenen Gegenstands vom Beschwerdeführer
nachgewiesen werden kann. Entscheidend ist, ob es sich bei den betroffenen
Gegenständen überhaupt um verwertbare, d.h. rechtmässig erwerb- und besitzbare
Güter von einem gewissen Marktwert handelt, die legal verwendet werden können
(vgl. STRATENWERTH/WOHLERS, a.a.O., N. 8 zu Art. 69 StGB). Der mutmassliche
Erlös darf zudem nicht von vornherein in einem offensichtlichen Missverhältnis
zu den vorab zu deckenden Aufbewahrungs- und Verwertungskosten stehen. Nur in
diesem Fall hat der Berechtigte im Rahmen von Art. 26 BV ein schutzwürdiges
(wertmässiges) Interesse daran, dass die ihm entzogenen und nicht wieder
ausgehändigten Gegenstände vorab zu seinen Gunsten verwertet werden. Ist mit
keinem relevanten Verwertungserlös zu rechnen, besteht keine mildere Massnahme,
die verfassungsrechtlich dem entschädigungslosen Verfall zu Gunsten des Staates
bzw. der Zerstörung oder Unbrauchbarmachung vorgehen müsste. Die polizeiliche
Massnahme der Beschlagnahmung bzw. definitiven Einziehung reicht in diesem Fall
auch entschädigungsrechtlich nicht weiter, als zur Abwehr der mit den
eingezogenen Gegenständen verbundenen Gefahren erforderlich erscheint, weshalb
der damit verbundene Eingriff in die Eigentumsgarantie entschädigungslos
bleibt.

4.2 Die Beschwerde ist gutzuheissen und die Sache zu neuem Entscheid im Sinne
dieser Ausführungen an die Kantonspolizei Luzern zurückzuweisen. Es ist nicht
am Bundesgericht, die genannten Voraussetzungen hinsichtlich der einzelnen
eingezogenen Gegenstände erstinstanzlich zu prüfen. Aus Gründen der
Prozessökonomie rechtfertigt es sich indessen, zur Frage noch Stellung zu
nehmen, ob und wieweit allenfalls ein Anspruch auf Verwertung und Herausgabe
eines Erlöses auch bei verbotenen Waffen besteht. Das Bundesgericht hat in zwei
Entscheiden - jeweils in obiter dicta - angetönt, dass eine Veräusserung unter
Herausgabe des Nettoentschädigungserlöses an den Eigentümer bei solchen von
vornherein ausser Betracht falle (Urteile 2A.358/2000 vom 30. März 2001 E. 6c/
bb und 6S.253/2005 vom 25. November 2006 E. 3.2). Die Auffassung erscheint in
dieser Form als etwas zu absolut formuliert: Auch für waffenrechtlich verbotene
Gegenstände ist eine Verwertung unter Herausgabe des Nettoerlöses denkbar, wenn
für sie ein legaler Markt besteht, d.h. eine hinreichende Zahl von Abnehmern
über
BGE 135 I 209 S. 220
die für deren Erwerb und Besitz allenfalls erforderliche Ausnahmebewilligung
verfügt (vgl. Art. 5 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 WG 2007 bzw. Abs. 3 WG
1997). Dies muss insbesondere dann gelten, wenn zulässigerweise erworbene bzw.
besessene Gegenstände im öffentlichen Interesse nachträglich durch eine
Gesetzesrevision für unzulässig erklärt werden (vgl. BGE 118 Ia 305 E. 6). Art.
34 Abs. 3 lit. b WV 1998 kennt denn auch eine Entschädigungspflicht für legal
erworbene Gegenstände, wenn "der Erwerb des Gegenstands nach dem Inkrafttreten
des Gesetzes verboten ist". Übergangsrechtlich sieht das revidierte Waffenrecht
vor, dass Personen, welche bereits im Besitz von Waffen, wesentlichen oder
besonders konstruierten Waffenbestandteilen nach Art. 5 Abs. 2 oder
Waffenzubehör nach Art. 5 Abs. 1 lit. g WG 2007 sind, diese innerhalb von drei
Monaten nach Inkrafttreten der Neuregelung dem kantonalen Waffenbüro melden
müssen; ein Gesuch um eine Ausnahmebewilligung ist innerhalb von sechs Monaten
nach Inkrafttreten des Verbots von Art. 5 Abs. 2 WG 2007 (Besitz von verbotenen
Waffen) einzureichen. Wird dieses abgewiesen, sind die Gegenstände innerhalb
von vier Monaten an eine berechtigte Person zu übertragen, andernfalls sie
beschlagnahmt werden (vgl. Art. 42 Abs. 5-7 WG 2007). Entgegen den Ausführungen
des Beschwerdeführers besteht damit kein Anspruch darauf, dass der Staat selber
den Verwertungsprozess auf Privatpersonen ausdehnt. Es ist allenfalls am
Betroffenen, innert nützlicher Frist mögliche Abnehmer zu bezeichnen, welche
die waffenrechtlichen Erwerbsvoraussetzungen erfüllen und mit ihm in keinerlei
Zusammenhang stehen; geschieht dies nicht, sind die verbotenen Waffen
entschädigungslos (dauerhaft) unbrauchbar zu machen oder zu zerstören.