Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 I 161



Urteilskopf

135 I 161

19. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. F. gegen
IV-Stelle Schwyz (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_463/2008 vom 30. April 2009

Regeste

Art. 2 Abs. 2 UNO-Pakt I; Art. 8 Abs. 2 und 4, Art. 190 BV; Art. 21 Abs. 2 IVG;
Art. 14 IVV; Art. 2 HVI; Ziff. 9.02 HVI-Anhang; Anspruch auf Abgabe eines
Rollstuhl-Zuggeräts.
Bei Wochenaufenthalter/innen in einer Eingliederungsstätte (Wohn- und
Arbeitszentrum) beziehen sich die gesetzlichen Eingliederungsziele der
"Fortbewegung" und der "Herstellung des Kontakts mit der Umwelt" räumlich auf
die ausserhalb der Einrichtung nächstgelegene Örtlichkeit, an der die üblichen
sozialen Kontakte der ansässigen Bevölkerung stattfinden (E. 6).

Sachverhalt ab Seite 162

BGE 135 I 161 S. 162

A. Die 1988 geborene F. ist mit den Geburtsgebrechen Nr. 381 und Nr. 386 des
Anhangs zur Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen (GgV Anhang;
SR 831.232.21) zur Welt gekommen und auf den Rollstuhl angewiesen. Mit Gesuch
vom 7. Februar 2003 beantragte sie die Abgabe eines neuen Rollstuhls und eines
Rollstuhl-Zuggerätes SWISS-TRAC. Die IV-Stelle Schwyz bewilligte mit Verfügung
vom 28. März 2003 zwar den Aktiv-Rollstuhl, lehnte es aber ab, für ein
Rollstuhl-Zuggerät oder einen Elektrorollstuhl aufzukommen. Die dagegen
erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 23. September 2003 ab. Dieser
erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Am 24. Februar 2006 ersuchte F. erneut um Abgabe eines RollstuhlZuggerätes. Die
IV-Stelle Schwyz wies das Begehren mit Verfügung vom 12. April 2006 und
Einspracheentscheid vom 12. November 2007 abermals ab.

B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Schwyz mit Entscheid vom 9. April 2008 ab.

C. F. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und
beantragen, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und es sei ihr
"Kostengutsprache (...) für die Anschaffung eines Rollstuhl-Zuggerätes
Swiss-Trac" zu erteilen; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen; ferner beantragt sie die unentgeltliche
Rechtspflege.
Verwaltung, Vorinstanz und Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichten
auf Vernehmlassung.
Die Beschwerde wird gutgeheissen.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Bei der Auslegung sozialversicherungsrechtlicher Leistungsnormen sowie bei
der Ermessensausübung ist den Grundrechten und verfassungsmässigen Grundsätzen
Rechnung zu tragen, soweit dies im Rahmen von Art. 190 BV, wonach Bundesgesetze
und Völkerrecht für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden
Behörden massgebend sind, möglich ist (BGE 134 I 105 E. 6 S. 110 mit
Hinweisen).

2.2 Völkerrechtlich zu beachten sind die Bestimmungen des Internationalen
Paktes der Vereinten Nationen vom 16. Dezember 1966 über wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rechte (UNO-Pakt I;
BGE 135 I 161 S. 163
SR 0.103.1). Die in BGE 120 Ia 1 E. 5 S. 10 f. begründete Rechtsprechung,
wonach der UNO-Pakt I grundsätzlich keine direkt anwendbaren
Individualgarantien enthält, wurde vom Eidg. Versicherungsgericht in BGE 121 V
229 E. 3 S. 232 ff. und 246 E. 2 S. 248 ff. für den Bereich des
Sozialversicherungsrechts bestätigt. In BGE 123 II 472 E. 4d S. 478 betonte das
Bundesgericht, dass das Diskriminierungsverbot von Art. 2 Abs. 2 UNO-Pakt I
insoweit akzessorisch ist, als es einer Stütznorm im Sozialpakt selber bedarf.
Art. 9 UNO-Pakt I ist danach programmatischer Natur ("Die Vertragsstaaten
erkennen das Recht eines jeden auf Soziale Sicherheit an; diese schliesst die
Sozialversicherung ein") und präzisiert den Inhalt der sozialen Sicherheit
nicht (BBl 1994 V 52); es findet sich dort keine direkte Anspruchsgrundlage für
das hier strittige Hilfsmittel (Urteil 8C_295/2008 vom 22. November 2008 E. 6).

2.3 Verfassungsrechtlich verbietet Art. 8 Abs. 2 BV die Diskriminierung
namentlich auch wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen
Behinderung, verbürgt jedoch keinen individualrechtlichen, gerichtlich
durchsetzbaren Anspruch auf Herstellung faktischer Gleichheit (BGE 134 I 105 E.
5 S. 108 mit Hinweisen). Die Bedeutung der Bundesverfassung als Rechts- und
Inspirationsquelle für die Anwendung des Sozialversicherungsrechts liegt vor
allem in der verfassungskonformen (oder verfassungsbezogenen) Interpretation.
Demgemäss ist - sofern durch den Wortlaut (und die weiteren massgeblichen
normunmittelbaren Auslegungselemente) nicht klar ausgeschlossen - der
bundesgesetzlichen Norm jener Rechtssinn beizumessen, welcher mit der
Verfassung (am besten) übereinstimmt (ULRICH MEYER, Allgemeine Einführung, in:
Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2007, S. 52 Rz. 61).

3.

3.1 Gemäss Art. 21 Abs. 1 Satz 1 IVG hat der Versicherte im Rahmen einer vom
Bundesrat aufzustellenden Liste Anspruch auf jene Hilfsmittel, deren er für die
Ausübung der Erwerbstätigkeit oder der Tätigkeit im Aufgabenbereich, zur
Erhaltung oder Verbesserung der Erwerbsfähigkeit, für die Schulung, die Aus-
und Weiterbildung oder zum Zwecke der funktionellen Angewöhnung bedarf. Der
Versicherte, der infolge seiner Invalidität für die Fortbewegung, für die
Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die Selbstsorge kostspieliger
Geräte bedarf, hat im Rahmen der vom Bundesrat aufzustellenden Liste ohne
Rücksicht auf die Erwerbsfähigkeit Anspruch auf solche Hilfsmittel (Art. 21
Abs. 2 IVG).
BGE 135 I 161 S. 164

3.2 Der Bundesrat hat in Art. 14 IVV (SR 831.201) dem Eidg. Departement des
Innern den Auftrag übertragen, die Liste der in Art. 21 IVG vorgesehenen
Hilfsmittel zu erstellen. Laut Art. 2 der Verordnung vom 29. November 1976 über
die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (HVI; SR
831.232.51) besteht im Rahmen der im Anhang angeführten Liste Anspruch auf
Hilfsmittel, soweit diese für die Fortbewegung, die Herstellung des Kontaktes
mit der Umwelt oder für die Selbstsorge notwendig sind (Abs. 1). Die im
HVI-Anhang enthaltene Liste ist insofern abschliessend, als sie die in Frage
kommenden Hilfsmittelkategorien aufzählt (Art. 21 IVG; vgl. Art. 2 Abs. 1 HVI;
BGE 131 V 9 E. 3.4.2 S. 14 f.).

3.3 Mit den Hilfsmitteln für Versicherte, die infolge ihrer Invalidität für die
Fortbewegung kostspieliger Geräte bedürfen, befasst sich Ziff. 9 HVI-Anhang
(Rollstühle), wobei unterschieden wird zwischen Rollstühlen ohne motorischen
Antrieb (Ziff. 9.01) und Elektrorollstühlen (Ziff. 9.02). Bei Letzteren erfolgt
die Abgabe leihweise an Versicherte, die einen gewöhnlichen Rollstuhl nicht
bedienen und sich nur dank elektromotorischem Antrieb selbstständig fortbewegen
können.

4. Es steht fest, dass die hier zur Diskussion stehende elektrische Schub- oder
Zughilfe für einen gewöhnlichen Rollstuhl - der Sache nach - funktionell als
Elektrorollstuhl im Sinne von Ziff. 9.02 HVIAnhang zu behandeln ist und die
Beschwerdeführerin die Anspruchsvoraussetzungen für die Abgabe eines Rollstuhls
ohne motorischen Antrieb erfüllt. Streitig ist, ob sie Anspruch auf die
Motorhilfe für ihren Rollstuhl hat.

4.1 Die Hilfsmittelversorgung unterliegt den allgemeinen
Anspruchsvoraussetzungen gemäss Art. 8 IVG (Geeignetheit, Erforderlichkeit,
Eingliederungswirksamkeit; BGE 122 V 212 E. 2c S. 214). Anspruch auf einen
Elektrorollstuhl besteht, wenn dieser für die Fortbewegung, die Herstellung des
Kontakts mit der Umwelt oder für die Selbstsorge notwendig ist. Die
Selbstständigkeit in der Fortbewegung mit einem elektromotorisch angetriebenen
Rollstuhl ist Eingliederungsziel und Voraussetzung für die Abgabe eines
Elektrofahrstuhls an die versicherte Person (BGE 121 V 258 E. 3b/bb S. 261 f.;
ZAK 1988 S. 181, I 181/87 E. 2a; je mit Hinweisen). Der Eingliederungsbereich
umfasst die selbstständige Verschiebung im häuslichen Bereich wie auch
ausserhalb des Hauses (Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts I 712/04 vom 13.
Oktober
BGE 135 I 161 S. 165
2005 E. 2.3; I 298/01 vom 15. Februar 2002 E. 1c; I 340/93 vom 25. Mai 1994 E.
2b; I 269/90 vom 25. März 1991 E. 2b). Anspruch auf die Abgabe eines
Elektrorollstuhls haben Versicherte, die einen gewöhnlichen Fahrstuhl nicht
bedienen und sich nur dank elektromotorischem Antrieb fortbewegen können (Ziff.
9.02 HVI-Anhang). Sind die Anspruchsvoraussetzungen für die Abgabe eines
Elektrorollstuhls erfüllt, kann auf Wunsch der Versicherten anstelle eines
solchen ein batteriebetriebener Hilfsantrieb für einen gewöhnlichen Rollstuhl
abgegeben werden (Kreisschreiben des BSV über die Abgabe von Hilfsmitteln durch
die Invalidenversicherung [KHMI], Ziff. 9.02.6 [http://www.bsv.admin.ch/vollzug
]). Ein Schub- oder Zuggerät geht nur dann zu Lasten der Invalidenversicherung,
wenn es nicht nur von einer Hilfsperson, sondern auch von der Versicherten
selbst bedient werden kann (vgl. ZAK 1988 S. 180, I 181/87).

4.2 Mit dem unangefochten rechtskräftig gewordenen Einspracheentscheid vom 23.
September 2003 wurde der Anspruch auf einen Elektrorollstuhl abgelehnt. Für
Eingliederungsmassnahmen gelten analoge Revisionsvoraussetzungen wie für Renten
(BGE 113 V 22 E. 3b S. 27; KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 24 und 39
zu Art. 17 ATSG). Dabei kommen nicht nur Änderungen im Gesundheitszustand,
sondern auch in anderen relevanten Sachverhaltsaspekten als Revisionsgründe in
Frage (BGE 113 V 22 E. 3b S. 27). Nach verbindlicher Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz hat sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin seitdem
nicht verändert, ausser dass sie reifer und selbstständiger geworden ist. Nicht
verändert hat sich auch der Umstand, dass sie ohne Elektrorollstuhl nicht in
der Lage ist, am Wochenende das Wohnhaus ihrer Eltern zu erreichen. Verändert
hat sich, dass sie nicht mehr in der Stiftung für Körperbehinderte zur Schule
geht. Seit dem 20. August 2007 (und damit vor dem Einspracheentscheid vom 12.
November 2007) absolviert sie eine BBT-Anlehre "Elektrobauteilemonteurin" im
Wohn- und Arbeitszentrum (nachfolgend: WAZ). Diese Änderung in den
Lebensumständen kann eine Neubeurteilung rechtfertigen.

5.

5.1 Leistungen, die im HVI-Anhang aufgeführt sind, werden nicht ohne weiteres,
sondern nur soweit erforderlich und lediglich in einfacher und zweckmässiger
Ausführung erbracht (Art. 21 Abs. 2 IVG; Art. 2 Abs. 4 HVI). Die
Invalidenversicherung ist auch im Bereich der Hilfsmittel keine umfassende
Versicherung, welche sämtliche durch die Invalidität verursachten Kosten
abdecken will;
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das Gesetz will die Eingliederung lediglich soweit sicherstellen, als diese im
Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist und zudem der voraussichtliche
Erfolg der Eingliederungsmassnahme in einem vernünftigen Verhältnis zu ihren
Kosten steht (Art. 8 Abs. 1 IVG; BGE 134 V 105 E. 3 S. 107 f. mit Hinweisen).
Nach der Rechtsprechung bezieht sich die Notwendigkeit des Hilfsmittels auf die
konkrete Situation, in welcher die versicherte Person lebt. So wurde ein
Elektrorollstuhl zugesprochen bei einer Versicherten, die sich zwar auf völlig
ebenem Gelände mit einem Handrollstuhl fortbewegen konnte, aber in ihrer
konkreten Wohnlage mit Verkehrsgabelungen die alltäglichen Besorgungen nicht
selbstständig erledigen konnte (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 340/93
vom 25. Mai 1994). Der Anspruch auf einen Elektrorollstuhl wurde ebenfalls
bejaht, weil ein Versicherter sonst nicht in der Lage gewesen wäre,
Strassensteigungen, Rampen oder Bordsteinkanten zu überwinden, womit ihm der
selbstständige Gang ins Dorfzentrum zur Verrichtung verschiedenster notwendiger
Besorgungen verwehrt gewesen wäre (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts l 185
/92 vom 1. September 1992).

5.2 Der Fall der Beschwerdeführerin unterscheidet sich von den genannten
insofern, als sie im WAZ arbeitet und während der Woche wohnt; sie kann hier
die alltäglichen Lebensbedürfnisse, inklusive Freizeitangebot und soziale
Kontakte, grundsätzlich erfüllen. Es ist unbestritten, dass sie sich auf dem
Gelände des WAZ mit dem Handrollstuhl allein fortbewegen kann. Den
Hilfsmittelanspruch begründet sie damit, es fehle ihr die nötige Kraft, sich
vom WAZ selbstständig ins Dorf und wieder zurück zu begeben, falls sie dort
soziale Kontakte pflegen und Einkäufe besorgen will.

5.3 Die Vorinstanz ist ihr insofern gefolgt, als sie die Regelung in Ziff. 9.02
HVI-Anhang, wonach Elektrorollstühle Versicherten abzugeben sind, die einen
gewöhnlichen Rollstuhl nicht bedienen und sich nur dank elektromotorischem
Antrieb selbstständig fortbewegen können, nicht so eng auslegt, dass ein
solcher Stuhl nur dann in Frage kommt, wenn auch in ebenem Gelände die
Fortbewegung nur mit Antrieb möglich ist. Die Gelegenheit, eigenständig von der
Eingliederungsstätte ins Dorf und zurück zu gelangen, falle ohne Zweifel unter
die Anspruchsvoraussetzung der Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt.
Konkret sei es der Versicherten jedoch möglich, die Steigung vom Dorf zum WAZ
selbstständig zu bewältigen. Der Höhenunterschied betrage rund 9 Meter auf eine
Distanz von
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400 Metern, wobei die Steigung ("Angaben gemäss TwixRoute") konstant sei. Von
einem Hügel könne somit kaum gesprochen werden. Wenn die Beschwerdeführerin
nach eigener Aussage kürzere Steigungen alleine überwinden könne, dürfe
angenommen werden, dass sie auch die fragliche Strecke selbstständig,
allenfalls unter Einlegung von Pausen, zurücklegen und darum mit dem
Handrollstuhl - unter Umständen unter Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel
- ins Dorfzentrum und wieder zurück gelangen könne.

6. Der Umstand einer starken Steigung oder eines nicht rollstuhlgängigen
Geländes kann generell nicht schon Grund sein für den Anspruch auf ein
elektrisch betriebenes Gefährt, da sonst jede auf den Rollstuhl angewiesene
Person einen solchen geltend machen könnte. Eine solche Leistungsausweitung ist
vom Gesetzgeber klarerweise nicht gewollt, wenn er die Abgabe eines
Elektrorollstuhls an Versicherte vorsieht, die einen gewöhnlichen Rollstuhl
nicht bedienen und sich nur dank einem Motor selbstständig fortbewegen können
(Ziff. 9.02 HVI-Anhang). Wenn das Gesetz den Bedarf des Geräts zur
"Fortbewegung" vorsieht, kann darum nicht gemeint sein, dass die betroffene
Person sich mit dem Rollstuhl in jedem Gelände bewegen können muss. Die
Vorinstanz hat dies mit Recht erkannt. Richtig ist aber auch ihre Auffassung,
dass bei Wochenaufenthaltern in einer Eingliederungsstätte wie dem Wohn- und
Arbeitszentrum WAZ sich die Eingliederungsziele der "Fortbewegung" und der
"Herstellung des Kontakts mit der Umwelt" räumlich auf die ausserhalb der Wohn-
und Arbeitsstätte nächstgelegene Örtlichkeit beziehen, an der die üblichen
sozialen Kontakte der ansässigen Bevölkerung stattfinden. Deshalb darf bei der
Abklärung des Hilfsmittelbedarfs nicht nur die künstliche und
bedürfnisangepasste Umgebung einer behinderungsgerechten Eingliederungsstätte
in die Prüfung der Rollstuhlgängigkeit einbezogen werden. Es ist stets die
Frage zu klären, ob die versicherte Person über die Kraft verfügt, mit dem
normalen Rollstuhl den Kontakt zur Umwelt ausserhalb des unmittelbaren Bereichs
der Eingliederungsstätte aufnehmen zu können. Kann sie sich nicht selbstständig
zu der nächstgelegenen Örtlichkeit begeben, wo Einkäufe getätigt, die Post
erledigt, ansässige Ärzte besucht, ein Kiosk oder ein Restaurant usw.
aufgesucht werden können, hat sie Anspruch auf die motorische Zughilfe. Dass
sie solche alltäglichen Lebensbedürfnisse ohne Mobilitätshilfe einer
Fremdperson abdecken kann, ist vom gesetzlich angestrebten Eingliederungserfolg
erfasst. Die Kosten der Abgabe eines solchen Gerätes
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stehen wie vom Gesetz gefordert in einem vernünftigen Verhältnis zum Erfolg der
Eingliederungsmassnahme, umso mehr, als so Betreuung und Fremdhilfe wegfallen
können.

7.

7.1 Die Beschwerdeführerin kritisiert unter Beilage von Kartenauszügen und
Streckenprofilen die vorinstanzliche Annahme (vorne E. 5.3), die Steigung zum
WAZ betrage nur 9 Meter auf eine Distanz von 400 Metern und sei auch im
Handrollstuhl überwindbar. Im Einspracheentscheid war die IV-Stelle davon
ausgegangen, dass es ausreicht, wenn sich die Beschwerdeführerin im WAZ und
dessen Umgebung fortbewegen kann; die konkrete örtliche Situation zwischen
Ortszentrum und WAZ brauchte bei dieser Rechtsauffassung nicht geprüft zu
werden. In der Beschwerde an das Verwaltungsgericht hatte die
Beschwerdeführerin vorgebracht, das WAZ befinde sich auf einem Hügel, den sie
mit dem Handrollstuhl nicht selbstständig bewältigen könne. In der
Vernehmlassung hatte die IV-Stelle geltend gemacht, der Höhenunterschied sei
minim und für Rollstuhlfahrer zu bewältigen. Die Vorinstanz stellte in ihrem
Urteil entscheidwesentlich auf diese Sachverhaltsdarstellung ab, ohne der
Beschwerdeführerin Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äussern. Darin liegt
einerseits eine Gehörsverletzung und damit eine Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG, die zur Folge hat, dass das Bundesgericht an die vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung nicht gebunden ist, und andererseits ein Umstand, der
das Vorbringen von Noven rechtfertigt. Die von der Beschwerdeführerin vor
Bundesgericht vorgelegten Unterlagen wecken begründete Zweifel an der Annahme
der Vorinstanz, die Steigung sei mit dem Handrollstuhl überwindbar. Die Sache
ist daher an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie prüfe, wie es sich damit
verhält. Sollte in der Tat die Strecke mit dem Handrollstuhl nicht zu
bewältigen sein, so besteht nach dem Gesagten Anspruch auf das beantragte
Zuggerät. In diesem Sinne ist die Beschwerde begründet.

7.2 Hingegen kann mit dem erhöhten Wohnort der Eltern der Anspruch auf einen
Elektrorollstuhl nicht begründet werden. Diesbezüglich hat sich seit der
rechtskräftigen Ablehnung des früheren Gesuchs nichts geändert (vorne E. 4.2).
Zudem befindet sich die Beschwerdeführerin nur während der Wochenenden und
Ferien bei ihren Eltern. Der Schwerpunkt der sozialen Kontakte, der die Abgabe
des Hilfsmittels rechtfertigt (vorne E. 6) liegt dort, wo der grösste Teil der
Zeit verbracht wird, also im WAZ. Es lässt sich auch
BGE 135 I 161 S. 169
nicht sagen, dass ohne Elektrorollstuhl der Aufenthalt bei der Familie völlig
verunmöglicht würde, was aufgrund verfassungskonformer Auslegung Anspruch auf
Hilfsmittel geben könnte (vgl. BGE 134 I 105 E. 8.3 S. 112).