Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 IV 87



Urteilskopf

135 IV 87

11. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
6B_538/2008 vom 7. Januar 2009

Regeste

Verwertung entfernter Strafregistereinträge; Art. 369 Abs. 7 StGB.
Verurteilungen, die aus dem Strafregister entfernt wurden, dürfen in einem
neuen Strafverfahren bei der Strafzumessung und beim Entscheid über den
Strafaufschub nicht mehr verwertet werden. Bei einer neuen Begutachtung können
die einer entfernten Verurteilung zugrunde liegenden Taten jedoch
berücksichtigt werden (E. 2).

Regeste

Entfernung altrechtlicher Jugendstrafen; Ziff. 3 Abs. 2 Schlussbestimmungen.
Die Entfernung von unter altem Recht eintragungspflichtigen Jugendstrafen aus
dem Strafregister führt nicht ohne Weiteres zur Unverwertbarkeit der zugrunde
liegenden Verurteilungen. Diese sind vielmehr zu behandeln wie nicht
eintragungpflichtige Strafen (E. 3).

Regeste

Verwertbarkeit nicht eintragungspflichtiger Verurteilungen. Für Verurteilungen,
die nicht im Strafregister einzutragen sind, gelten die Verwertungsfristen von
Art. 369 StGB sinngemäss. Solange diese Fristen laufen, dürfen die Vorstrafen
dem Betroffenen angelastet werden. Nach Fristablauf werden die Verurteilungen
unverwertbar (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 88

BGE 135 IV 87 S. 88
Mit Urteil vom 11. Oktober 2006 befand das Bezirksgericht Zürich X. des Raubs
(Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 3 Abs. 3 StGB), des unvollendet versuchten
Betrugs (Art. 146 Abs. 1 StGB und Art. 21 Abs. 1 StGB), des betrügerischen
Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage (Art. 147 Abs. 1 StGB) sowie des
Hausfriedensbruchs (Art. 186 StGB) für schuldig. Es bestrafte ihn mit 3 Jahren
Zuchthaus und ordnete eine ambulante strafvollzugsbegleitende Massnahme an
(Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB).
Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch X. appellierten im Strafpunkt. Mit
Urteil vom 18. März 2008 erhöhte das Obergericht des Kantons Zürich die
Freiheitsstrafe auf 3^1 /^2 Jahre. Für die Dauer des Strafvollzugs wurde eine
ambulante Massnahme nach Art. 63 Abs. 1 StGB angeordnet. Das Obergericht lehnte
es ab, den Strafvollzug im Sinne von Art. 63 Abs. 2 StGB zu Gunsten der
ambulanten Behandlung aufzuschieben.
Die Beschwerde in Strafsachen richtet sich gegen das obergerichtliche Urteil.
Der Beschwerdeführer beantragt dessen Aufhebung sowie die Gewährung
unentgeltlicher Rechtspflege und Verbeiständung.
Sowohl das Obergericht als auch die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich
verzichten auf eine Stellungnahme zur Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafzumessung sowie gegen die
Anordnung der vollzugsbegleitenden Massnahme. Er macht eine Verletzung von Art.
47 und Art. 369 Abs. 7 StGB geltend.
BGE 135 IV 87 S. 89

1.1 Zur Begründung bringt er vor, seine Jugendstrafen seien sowohl bei der
Strafzumessung als auch für die der Massnahme zugrunde liegende Begutachtung
unverwertbar. Nach dem neuen Strafregisterrecht seien weit gravierendere
Jugendstrafen als er sie erwirkt habe, ohne Weiteres und insbesondere ohne die
minimale Frist von 10 Jahren aus dem Register zu entfernen und gemäss Art. 369
Abs. 7 StGB unverwertbar. Er sei daher als vorstrafenlos zu betrachten. Dieser
Umstand sei ihm strafmindernd zu Gute zu halten.

1.2 Der Beschwerdeführer hat folgende Jugendstrafen verwirkt: Mit
Erziehungsverfügung der Jugendanwaltschaft Dielsdorf vom 6. November 2000 wurde
ihm ein Verweis erteilt. Mit Erziehungsverfügung der Jugendanwaltschaft
Dielsdorf und Bülach vom 4. Juli 2002 wurde er für fehlbar erklärt und mit
einer Busse bestraft. Mit Erziehungsverfügung der Jugendanwaltschaft Dielsdorf
und Bülach vom 14. November 2003 wurde er mit einer Arbeitsleistung von 4 Tagen
bestraft. Gleichzeitig wurde eine Erziehungshilfe angeordnet. Diese
Jugendstrafen und -massnahmen wurden nicht im Strafregister eingetragen.

1.3 Bei der Strafzumessung folgt die Vorinstanz der Argumentation des
Beschwerdeführers, wonach dessen einschlägige Jugendstrafen mangels Eintragung
im Strafregister nicht straferhöhend berücksichtigt werden dürften. In Bezug
auf die Massnahme hingegen hält sie ihm seine Vorstrafen indirekt entgegen,
indem sie sich den Schlussfolgerungen des Gutachters anschliesst. Unter
Einbezug der jugendstrafrechtlichen Vorgeschichte prognostizierte dieser beim
Beschwerdeführer eine erhebliche Rückfallgefahr für Betrugsdelikte und legte
eine vollzugsbegleitende Massnahme nahe.

1.4 Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, die Entfernung der
Jugendstrafen aus dem Strafregister führe zur Unverwertbarkeit der zugrunde
liegenden Taten. Diesbezüglich sind drei Konstellationen zu unterscheiden: die
reguläre Entfernung von Verurteilungen nach Ablauf einer bestimmten Frist und
deren Folgen (E. 2 hiernach), die Entfernung altrechtlicher Eintragungen
aufgrund übergangsrechtlicher Gesetzesanordnung und deren Folgen (E. 3
hiernach) sowie schliesslich die Verwertbarkeit nicht eintragungspflichtiger
Delikte (E. 4 hiernach).

2.

2.1 Unter dem Titel "Entfernung des Eintrags" werden in Art. 369 StGB Fristen
festgelegt, nach deren Ablauf Einträge aus dem
BGE 135 IV 87 S. 90
Strafregister zu entfernen sind. Diese Entfernungsfristen betragen je nach
Deliktsschwere zwischen 10 und 20 Jahren, wobei die Dauer der unbedingt
verhängten Freiheitsstrafe dazuzuzählen ist (Art. 369 Abs. 1 StGB). Urteile,
die eine bedingte Freiheitsstrafe, eine Geldstrafe, gemeinnützige Arbeit oder
eine Busse als Hauptstrafe enthalten, werden von Amtes wegen nach 10 Jahren
entfernt (Art. 369 Abs. 3 StGB; im Detail vgl. PATRICK GRUBER, in: Basler
Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2007, N. 1 ff. zu Art. 369 StGB).
Jugendstrafrechtliche Urteile, die eine Freiheitsstrafe nach Artikel 25 des
Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über das Jugendstrafrecht (Jugendstrafgesetz,
JStG; SR 311.1) enthalten, werden von Amtes wegen entfernt, wenn über die
gerichtlich zugemessene Strafdauer hinaus 10 Jahre verstrichen sind (Art. 369
Abs. 1 lit. d StGB). Bei geschlossener Unterbringung nach Artikel 15 Absatz 2
JStG werden die Urteile nach 10 Jahren von Amtes wegen entfernt (Art. 369 Abs.
4 lit. b StGB). Nach der Entfernung darf die Eintragung nicht mehr
rekonstruierbar sein. Das entfernte Urteil darf dem Betroffenen nicht mehr
entgegengehalten werden (Art. 369 Abs. 7 StGB). Die letztgenannte Bestimmung
ist neu.

2.2 Nach ständiger Rechtsprechung unter altem Recht konnten aus dem
Strafregister gelöschte (BGE 94 IV 49) und ab BGE 121 IV 3 sogar aus dem
Register entfernte Vorstrafen zu Lasten des Betroffenen verwertet werden. Zur
Begründung führte das Bundesgericht Folgendes aus (E. 1c/cc, a.a.O.):
"Entfernte Vorstrafen sind im Gegensatz zu gelöschten im Strafregister nicht
mehr vorhanden und für den Strafrichter aus dem Registerauszug somit nicht mehr
ersichtlich. Entfernte Vorstrafen können dem Richter gleichwohl zur Kenntnis
gelangen, etwa aufgrund von beigezogenen Vorakten und älteren Gutachten [...].
Im deutschen Recht dürfen im Bundeszentralregister getilgte Verurteilungen in
einem neuen Strafverfahren grundsätzlich nicht zum Nachteil des Täters
verwendet werden. Das schweizerische Recht kennt keine entsprechende Regelung.
Gemäss Art. 63 StGB ist bei der Strafzumessung das Vorleben zu berücksichtigen.
Zum Vorleben gehören auch entfernte Vorstrafen. Art. 63 StGB auferlegt dem
Richter bei der Würdigung des Vorlebens keine Schranken und sagt nicht,
entfernte Vorstrafen seien ausser acht zu lassen. Ein Verwertungsverbot in
bezug auf entfernte Vorstrafen wäre sachlich auch nicht gerechtfertigt.
Entfernte Vorstrafen können für die Urteilsfindung in verschiedener Hinsicht
wesentlich sein. Sie können zunächst von Bedeutung sein für die Wahl der
Sanktionsart. [...] Entfernte Vorstrafen können sodann [...] für die
Strafzumessung und die Frage des bedingten Strafvollzugs bedeutsam sein.
BGE 135 IV 87 S. 91
Schwer durchführbar wäre ein Verwertungsverbot auch dort, wo ein Gutachten
vorliegt und der ärztliche Sachverständige bei der Beurteilung der
Persönlichkeit des Angeklagten entfernte Vorstrafen berücksichtigt hat [...].
Ein Verwertungsverbot in bezug auf entfernte Vorstrafen ist deshalb
abzulehnen."

2.3 Nach revidiertem Recht hat das Vorleben des Täters weiterhin einen
zentralen Stellenwert bei der Strafzumessung (vgl. Art. 47 Abs. 1 StGB). Im
Gegensatz zur Rechtslage, welche dem zitierten Bundesgerichtsentscheid zu
Grunde lag, besagt das neue Recht nunmehr jedoch explizit, dass entfernte
Vorstrafen ausser acht zu lassen seien (Art. 369 Abs. 7 StGB). Hierzu wird in
der Botschaft festgehalten, dass
"die Entfernungsfristen so bemessen sind, dass zwischen den staatlichen
Verfolgungsinteressen und dem Bedürfnis nach vollständiger Rehabilitation eines
Straffälligen ein Ausgleich geschaffen wird. Es lässt sich nicht rechtfertigen,
dem Täter auch Jahrzehnte nach Verbüssung der Strafe noch von Staats wegen eine
Straftat vorzuhalten [...]. Art. 372 Abs. 7 des Entwurfs ordnet ausdrücklich
an, dass entfernte Daten nicht mehr rekonstruierbar sein dürfen. Der zweite
Satz bezeichnet die eigentliche rechtliche Wirkung der Entfernung der
Eintragung: Das betreffende Urteil und damit auch die Tat selbst dürfen dem
Täter nicht mehr entgegengehalten werden, das heisst, es dürfen daran keine
Rechtsfolgen mehr geknüpft werden. Der Täter ist vollständig rehabilitiert"
(Botschaft vom 21. September 1998, BBl 1999 2167).
In den parlamentarischen Beratungen blieb diese Bestimmung unbestritten. Einzig
die Artikelnummerierung wurde angepasst (Art. 372 Abs. 7 des Entwurfs
entspricht wörtlich dem geltenden Art. 369 Abs. 7 StGB; Sitzung des Ständerats
vom 14. Dezember 1999, AB 1999 S 1137; Sitzung des Nationalrats vom 7. Juni
2001, AB 2001 N 604).
In der Lehre ist die neue Bestimmung vorwiegend auf Zustimmung (STRATENWERTH/
WOHLERS, Schweizerisches Strafgesetzbuch - Handkommentar, 2007, N. 4 zu Art.
369 StGB; STEFAN TRECHSEL UND ANDERE, Schweizerisches Strafgesetzbuch -
Praxiskommentar, 2008, N. 6 zu Art. 369 StGB), zumindest jedoch auf keine
Kritik gestossen (vgl. ANDREAS DONATSCH UND ANDERE, StGB, 17. Aufl. 2006, Art.
369 StGB; GRUBER, N. 6 ff. zu Art. 369 StGB).

2.4 Nach expliziter Gesetzesvorschrift (Art. 369 Abs. 7 StGB) können dem
Betroffenen entfernte Strafen nicht mehr entgegen gehalten werden. Die
belastende Berücksichtigung eines deliktischen Vorlebens ist insoweit
neuerdings und entgegen BGE 121 IV 3
BGE 135 IV 87 S. 92
eingeschränkt (HANS WIPRÄCHTIGER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 2.
Aufl. 2007, N. 101 zu Art. 47 StGB). Aus dem gesetzgeberischen Willen der
vollständigen Rehabilitation muss gefolgert werden, dass entfernte Urteile
weder bei der Strafzumessung noch bei der Prognosebeurteilung zu Lasten des
Betroffenen verwendet werden dürfen. Diese Verwertungseinschränkung ist
gerechtfertigt, da die Vortaten aufgrund der grosszügig bemessenen
Entfernungsfristen (vgl. Art. 369 Abs. 1 StGB) Jahrzehnte zurückliegen. Nach
Ablauf dieser Fristen sind die Rehabilitierungs- und
Resozialisierungsinteressen des Betroffenen von Gesetzes wegen schwerer zu
gewichten als die öffentlichen Informations- und Strafbedürfnisse (zur
Interessenabwägung vgl. ANGELA AUGUSTIN, die Legitimation von Informationen
über Strafregistereinträge, in: Information & Recht, M. Cottier und andere
[Hrsg.], 2002, S. 3 f.).

2.5 Aus dem Umstand, dass den Betroffenen entfernte Verurteilungen durch das
Gericht nicht mehr entgegen gehalten werden dürfen, folgt nicht, dass
medizinische Sachverständige solche Umstände nicht mehr berücksichtigen dürfen.
Zumal dem Betroffenen nach der Botschaft bloss keine negativen Rechts folgen
aus dem entfernten Urteil mehr erwachsen dürfen (Botschaft vom 21. September
1998, BBl 1999 2167). Erfahren forensische Psychiater im Rahmen ihrer
Exploration von inzwischen entfernten Vorstrafen oder sind ihnen solche aus
früheren Behandlungen bekannt, so können sie diese bei ihrer Begutachtung nicht
ausblenden, ohne ein kunstfehlerbehaftetes medizinisches Urteil abzugeben.
Diesbezüglich drängt sich ein Blick in das deutsche Recht auf. Auch dort
reagierte der Gesetzgeber mit einem Verwertungsverbot auf eine Rechtsprechung,
welche die umfassende Berücksichtigung getilgter Vorstrafen bei der
Strafzumessung zuliess (REBMANN/UHLIG, Bundeszentralregistergesetz, München
1985, N. 5 ff. vor § 51 BZRG). Nach § 51 des dt. Bundeszentralregistergesetzes
(BZRG) dürfen deshalb die einer getilgten Eintragung zugrunde liegende Tat und
Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht
mehr zu seinem Nachteil verwertet werden (Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts 36, S. 174, 184 ff.). Dieses Verwertungsverbot gilt
jedoch nicht, wenn in einem erneuten Strafverfahren ein Gutachten über den
Geisteszustand des Betroffenen zu erstatten ist, falls die Umstände der
früheren Tat für die Beurteilung des Geisteszustands von Bedeutung sind (vgl. §
52 Abs. 1 Ziff. 2 BZRG). Den Sachverständigen dürfen somit Gutachten zur
BGE 135 IV 87 S. 93
Verfügung gestellt werden, die der getilgten Verurteilung zugrunde lagen (GÖTZ/
TOLZMANN, Bundeszentralregistergesetz - Kommentar, 4. Aufl., Stuttgart 2000, N.
8 zu § 52 BZRG). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird den
Sachverständigen damit die Möglichkeit eröffnet, im Interesse einer umfassenden
Begutachtung Erkenntnisse aus früheren Straftaten und -verfahren zu
berücksichtigen. Diese Ausnahmeregelung gestattet es den Gerichten jedoch
nicht, die in Frage stehende Vortat strafschärfend zu berücksichtigen (BGH,
Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 1973 S. 815).
Wie bereits unter bisheriger Rechtsprechung ist ein Verwertungsverbot in Bezug
auf Gutachten abzulehnen (vgl. BGE 121 IV 3 E. 1c/dd). Im Gegensatz zu den
Strafbehörden dürfen die medizinischen Gutachter somit aktenkundige Hinweise
auf entfernte Strafen und insbesondere frühere Gutachten berücksichtigen. Es
ist insofern zwischen (medizinischer) Realprognose und (gerichtlicher)
Legalprognose zu unterscheiden. Um eine Umgehung des gerichtlichen
Verwertungsverbots gemäss Art. 369 Abs. 7 StGB zu verhindern, muss in der
Begutachtung jedoch offengelegt werden, inwiefern die frühere mit der neu zu
beurteilenden Delinquenz in Zusammenhang steht (Konnexität) und wie stark sich
diese weit zurückliegenden Taten noch auf das gutachterliche Realprognoseurteil
auswirkt (Relevanz). So kann auch für die gerichtliche Beurteilung
gewährleistet werden, dass allfällige Schlechtprognosen nur im Umfang der noch
eingetragenen Vorverurteilungen berücksichtigt werden (vgl. BGH, NJW 1973 S.
815).

3.

3.1 Von der Entfernung des Strafregistereintrags infolge Zeitablaufs (Art. 369
StGB) zu unterscheiden ist die in Ziff. 3 Abs. 2 der Schlussbestimmungen der
Änderung vom 13. Dezember 2002 statuierte Entfernung altrechtlicher
Jugendstrafen.
Zum Inhalt des Strafregisters bestimmt Art. 366 StGB, dass Verurteilungen von
Jugendlichen nur ins Strafregister aufzunehmen sind, wenn diese zu einem
Freiheitsentzug (Art. 25 JStG) oder zu einer Unterbringung in einer
geschlossenen Einrichtung (Art. 15 Abs. 2 JStG) verurteilt worden sind (Abs.
3). Damit wurde die Eintragungspflicht für Jugendstrafen gegenüber dem alten
Recht (vgl. aArt. 361 StGB) weiter eingeschränkt. Mit dieser restriktiven
Eintragungspraxis soll gemäss Botschaft eine "Stigmatisierung der Jugendlichen
verhindert werden und die Episodenhaftigkeit eines Grossteils der
BGE 135 IV 87 S. 94
Jugendkriminalität Berücksichtigung finden. Von einem gänzlichen Verzicht auf
den Eintrag jugendgerichtlicher Urteile ins Strafregister wurde abgesehen, da
bei einer Verurteilung von Erwachsenen Informationen über schwerste Straftaten
im Jugendalter zugänglich sein sollten" (Botschaft, a.a.O., 2166; s.a. GRUBER,
N. 40 ff. zu Art. 366 StGB). Auf eine Berücksichtigung der von JÖRG REHBERG
bereits gegen das noch weniger einschränkende frühere Recht geäusserten
Bedenken, wonach die beschränkte Eintragungspflicht bei Jugendkriminalität die
Abklärung der persönlichen Verhältnisse in späteren Strafverfahren gegen den
gleichen Täter erschwere, wurde somit zu Gunsten der Jugendlichen verzichtet
(vgl. JÖRG REHBERG, Strafen und Massnahmen, Jugendstrafrecht, 7. Aufl. 2001, S.
226).

3.2 Gemäss Ziff. 3 Abs. 2 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 13. Dezember
2002 sind die Bestimmungen des neuen Rechts über das Strafregister (Art.
365-371 StGB) auch auf Urteile anwendbar, die auf Grund des bisherigen Rechts
ergangen sind. Wegen dieser sofortigen Anwendbarkeit des neuen und für die
Jugendlichen günstigeren Strafregisterrechts musste die Frage geregelt werden,
was mit eingetragenen altrechtlichen Jugendstrafen zu geschehen hat, die neu
nicht mehr eintragungspflichtig sind. Für den Bereich des Jugendstrafrechts
bestimmt Ziff. 3 Abs. 2 der Schlussbestimmungen hierzu, dass die zuständige
Behörde bis spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten des neuen Rechts von
Amtes wegen Eintragungen betreffend Erziehungsmassnahmen (aArt. 91 StGB,
ausgenommen aArt. 91 Ziffer 2 StGB), besondere Behandlung (aArt. 92 StGB) sowie
die Verpflichtung zu einer Arbeitsleistung (aArt. 95 StGB) entfernt. Bei dieser
Entfernung handelt es sich im Gegensatz zu Art. 369 Abs. 7 StGB nicht um eine
Entfernung infolge Zeitablaufs. Es handelt sich vielmehr bloss um eine
übergangsrechtliche Umsetzung der neu nicht mehr bestehenden
Eintragungspflicht. Mangels Ablaufs der langen Entfernungsfristen lassen sich
die Resozialisierungs- und Rehabilitierungsgedanken nicht heranziehen. Die
Entfernung führt hier nicht zur Unverwertbarkeit, sondern hat lediglich zur
Folge, dass die entfernten Jugendstrafen zu behandeln sind wie nicht
eintragungspflichtige Delikte.

4. Das Gesetz äussert sich nicht zur Dauer der Verwertbarkeit nicht
eintragungspflichtiger Delikte (nicht eintragungspflichtige Übertretungen und
Jugendstrafen, kantonalrechtliche Straftatbestände). In der Literatur wird zu
Recht eine sinngemässe Anwendung der
BGE 135 IV 87 S. 95
Entfernungsfristen von Art. 369 StGB vorgeschlagen (GRUBER, N. 10 zu Art. 369
StGB). Es wäre widersprüchlich, bei eingetragenen Delikten nach dem Fristablauf
eine Unverwertbarkeit anzunehmen, andererseits jedoch bei den weniger schweren
nicht eintragungspflichtigen Verurteilungen eine zeitlich unbeschränkte
Verwertung zuzulassen. Nach Art. 369 Abs. 3 StGB werden Urteile, die eine
bedingte Freiheitsstrafe, eine Geldstrafe, gemeinnützige Arbeit oder eine Busse
als Hauptstrafe enthalten, von Amtes wegen nach 10 Jahren entfernt. Der
Fristenlauf beginnt mit dem Tag, an dem das Urteil rechtlich vollstreckbar wird
(Art. 369 Abs. 6 StGB). Es drängt sich auf, diese 10-jährige Minimalfrist bei
eintragungspflichtigen Verurteilungen zugleich als absolute Maximalfrist
festzusetzen, während der nicht eintragungspflichtige Verurteilungen noch
verwertet werden dürfen. Je näher nicht eintragungspflichtige Verurteilungen
diesem Fristablauf kommen, desto höher sind die Rehabilitierungs- und
Resozialisierungsinteressen sowie bei Jugendstrafen der Umstand zu gewichten,
dass diese Taten im Jugendalter begangen wurden. Je länger die zugrunde
liegenden Taten zurückliegen, desto weniger dürfen Urteile zu Lasten des
Betroffenen verwertet werden. Diese Verwertbarkeitsbeschränkung bei nicht
registrierungspflichtigen Delikten wird in Deutschland auch mit dem
Verhältnismässigkeitsprinzip und dem Bewährungsgedanken begründet (REBMANN/
UHLIG, a.a.O., N. 11 ff. zu § 51 BZRG, m.H.a. BVerwG vom 17. Dezember 1976 -
VII C 27.74; GÖTZ/GUDRUN, a.a.O., N. 40 ff. zu § 51 BZRG).

5. Die Vorinstanz lastet dem Beschwerdeführer seine einschlägigen Jugendstrafen
bei der Strafzumessung nicht an, lässt jedoch zu, dass sie bei der
gutachterlichen Prognosestellung berücksichtigt werden (vgl. E. 1.3).
Im vorliegenden Fall geht es um Jugendstrafen, die weder unter altem noch unter
neuem Recht eintragungspflichtig sind. Aus dem Umstand, dass neu gewisse
altrechtliche Eintragungen aus dem Register zu entfernen sind, folgt entgegen
der Vorinstanz und dem Beschwerdeführer weder automatisch die Unverwertbarkeit
der ehemals eintragungspflichtigen Verurteilungen noch in einem vermeintlichen
"argumentum a maiore ad minus" die Unverwertbarkeit nicht
eintragungspflichtiger Jugendstrafen. Für die Verwertbarkeit ist nach dem
Ausgeführten nur auf die Fristen abzustellen. Da es vorliegend um nicht
eintragungspflichtige Delikte geht, ist in sinngemässer Anwendung von Art. 369
StGB eine 10-jährige
BGE 135 IV 87 S. 96
Maximalfrist anzunehmen. Diese ist nach zutreffender Feststellung der
Vorinstanz noch für keine der Jugendstrafen erreicht. Entgegen seinen
Vorbringen gilt der Beschwerdeführer deshalb weiterhin als vorbestraft. Seine
Beschwerde ist insoweit abzuweisen. Seine einschlägigen Vorstrafen hätten ihm -
was der Vorinstanz insoweit entgangen ist - bei der Strafzumessung entsprechend
dem Zeitablauf straferhöhend entgegen gehalten werden müssen. In Bezug auf die
Begutachtung hat die Vorinstanz die Berücksichtigung der nicht eingetragenen
Vorstrafen zu Recht zugelassen. Wie oben dargelegt, hätten bei der Begutachtung
sogar ehemals eingetragene, unterdessen entfernte Straftaten berücksichtigt
werden dürfen (E. 2.5). Zusammenfassend hätten die Vorstrafen des
Beschwerdeführers mangels Ablauf der bei nicht eintragungspflichtigen
Verurteilungen sinngemäss anzuwendenden Entfernungsfristen sowohl bei der
Strafzumessung und Legalprognosestellung als auch bei der Begutachtung zu
Lasten des Beschwerdeführers verwendet werden dürfen. Nach Ablauf der
Entfernungsfrist darf das diesbezügliche Vorleben nur noch bei der Begutachtung
berücksichtigt werden.

6. Das Obergericht durfte demnach bei der Anordnung der Massnahme auf das die
Jugendstrafen berücksichtigende Gutachten abstellen. Es hätte die Vorstrafen
überdies bei der Strafzumessung in Rechnung stellen sollen. Dieser
Strafzumessungsfehler führt - für sich genommen - nicht zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils, zumal das Bundesgericht nicht über die Begehren der
Partei hinausgehen darf (Art. 107 Abs. 1 BGG). Die Staatsanwaltschaft hat keine
Beschwerde erhoben. Indessen macht der Beschwerdeführer zu Recht geltend, dass
seine im vorinstanzlichen Verfahren geltend gemachte, belegte und angesichts
seiner finanziellen Verhältnisse beachtliche Wiedergutmachungszahlung von Fr.
11'421.10 keinen Niederschlag in der Strafzumessung fand. Damit wurden Art. 29
Abs. 2 BV und Art. 47 StGB verletzt. Aus diesem Grund ist das angefochtene
Urteil aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei der
Neubeurteilung wird die Vorinstanz die einschlägigen Jugendstrafen
straferhöhend, die Wiedergutmachungsbemühungen strafmindernd berücksichtigen.
Ferner wird sie die persönliche und berufliche Entwicklung sowie die
Beziehungssituation des Beschwerdeführers nach dem aktuellen Stand neu
einzuschätzen haben. Bei der erneuten Strafzumessung wird sie insgesamt zwar
eine tiefere, aber keine höhere als die bisher ausgesprochene 3 ^1 /^2
BGE 135 IV 87 S. 97
-jährige Freiheitsstrafe ausfällen dürfen. Nach ständiger Rechtsprechung folgt
aus der Bindung an die Parteibegehren ein Verbot der reformatio in peius nach
bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheiden (vgl. BGE 111 IV 51 E. 2; Urteil
6B_411/2007 vom 2. November 2007 E. 1.3).