Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 IV 158



Urteilskopf

135 IV 158

21. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S.
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft gegen S. (Beschwerde in
Strafsachen)
6B_693/2008 vom 28. Mai 2009

Regeste

Art. 139 Ziff. 3 StGB; Begriff der Bande.
Bereits beim Zusammenschluss zweier Täter kann eine Bande gegeben sein
(Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2 und 3).

Auszug aus den Erwägungen: ab Seite 158

BGE 135 IV 158 S. 158
Aus den Erwägungen:

1. Die Vorinstanz sprach den Beschwerdegegner vom Vorwurf des bandenmässigen
Diebstahls frei, weil er die fraglichen Diebstähle nur mit je einem Komplizen
ausgeführt hatte. Um Bandenmässigkeit annehmen zu können, hätten mindestens
drei Personen daran beteiligt sein müssen.

2. Das Strafgesetzbuch bestimmt in Art. 139 Ziff. 3 keine Mindestzahl, ab der
ein Zusammenschluss von Personen als Bande anzusehen ist. Nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist Bandenmässigkeit gegeben, wenn zwei oder
mehrere Täter sich mit dem ausdrücklich oder konkludent geäusserten Willen
zusammenfinden, inskünftig zur Verübung mehrerer selbständiger, im Einzelnen
möglicherweise noch unbestimmter Straftaten zusammenzuwirken. Dieser
Zusammenschluss (auch nur zweier Personen) ist es, der den Einzelnen psychisch
und physisch stärkt, ihn deshalb besonders gefährlich macht und die Begehung
von weiteren solchen Straftaten voraussehen lässt.
Das Bundesgericht hat zur Kritik in der Literatur mehrmals Stellung genommen
(vgl. Hinweis in BGE 120 IV 318). Im Urteil vom 25. April 1997 (6S.734/1996)
hat es sich gefragt, ob für den Begriff der Bande weniger auf die Zahl der
Beteiligten und stattdessen mehr auf den Organisationsgrad und die Intensität
der Zusammenarbeit der Täter abgestellt werden sollte. Bei dieser
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Betrachtungsweise würde der Umstand, dass sich "nur" zwei Personen zur
fortgesetzten Begehung von Straftaten zusammengefunden haben, eine
bandenmässige Tatbegehung nicht ausschliessen, wenn nur gewisse Mindestansätze
einer Organisation (etwa einer Rollen- oder Arbeitsteilung) oder die Intensität
des Zusammenwirkens ein derartiges Ausmass erreichten, dass von einem bis zu
einem gewissen Grade fest verbundenen und stabilen Team gesprochen werden kann,
auch wenn dieses allenfalls nur kurzlebig war. Ist demgegenüber schon die
Zusammenarbeit derart locker, dass von Anfang an nur ein loser und damit völlig
unbeständiger Zusammenhalt besteht, läge keine Bande vor (zum Ganzen: BGE 124
IV 86 E. 2b mit Hinweisen; BGE 124 IV 286 E. 2a; BGE 132 IV 132 E. 5.2 und
Urteil 6S.312/ 2004 vom 24. März 2005; zustimmend: STRATENWERTH/JENNY,
Straftaten gegen Individualinteressen, 6. Aufl. 2003, § 13 N. 100; BERNARD
CORBOZ, Les infractions en droit suisse, Bd. I, 2002, N. 16 zu Art. 139 StGB;
ablehnend: NIGGLI/RIEDO, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 2. Aufl.
2007, N. 117 zu Art. 139 StGB; SCHUBARTH/ALBRECHT, in: Kommentar zum
Schweizerischen Strafrecht, 1990, N. 129 ff. zu Art. 137 StGB; OLIVIER
PECORINI, Le brigandage et l'extorsion par brigandage d'une chose mobilière en
droit pénal suisse, 1995, S. 147 f.).

3. Die Vorinstanz stellt diese Rechtsprechung insbesondere unter Hinweis auf
die Rechtsprechung des Deutschen Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 22. März
2001 - GSSt 1/00) und die Kritik in der Schweizer Lehre in Frage.

3.1 Sie macht geltend, die besondere Gefährlichkeit einer Bande liege doch in
der Absicht der Beteiligten, künftig eine Mehrzahl von Delikten zu begehen, was
die Mitglieder gegenseitig psychisch stärke und den Ausstieg aus der
deliktischen Tätigkeit aufgrund des Gruppendrucks erschwere. Bei zwei Personen
sei dieser Druck nicht derart gross, stehe doch jeweils ein Wille bzw. eine
Meinung nur einem anderen Willen gegenüber. So sei der Ausstieg aus der
Delinquenz bei einem Zweierteam deutlich einfacher, als wenn ein Täter seinen
Willen gegenüber einer Mehrzahl von Personen und somit einer Stimmenmehrheit
durchzusetzen habe. Bei einem Zweierteam seien der Gruppendruck und die
psychische Stärkung nicht genügend ausgeprägt.
Diese Auffassung ist insoweit zutreffend, als der Gruppendruck und die
gegenseitige psychische Stärkung in der Regel bei mehr als
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zwei Tätern höher sein wird. Umgekehrt wird es aber auch immer wieder
vorkommen, dass dieser Druck und die psychische Stärkung bei zwei Tätern, die
sich z.B. freundschaftlich oder familiär besonders verbunden sind, grösser sein
wird als bei einem Trio ohne besonderen Zusammenhalt. Einzuräumen ist, dass es
im Einzelfall schwierig sein kann, solche graduelle Unterschiede festzustellen.
Das Anheben der Mindestzahl auf drei Täter wäre aber insoweit bloss eine
Scheinlösung, als bei drei und mehr Tätern dieselben Schwierigkeiten auftreten
können. Auch hier wird nicht immer klar sein, ob sich die Täter zusammenfanden,
um künftig eine Mehrzahl von Delikten zu begehen.

3.2 Die Vorinstanz hält ferner dafür, dass bei einer Zweierbande das
Mindestmass an Organisation und Zusammenarbeit als Abgrenzungskriterium
ungeeignet sei, weil bei zwei Tatbeteiligten weniger Organisation und
Absprachen nötig seien als bei einer Vielzahl Beteiligter. Anderseits werde die
Zusammenarbeit von zwei Tätern wohl stets intensiver sein als bei mehreren und
die Annahme eines stabilen Teams liege bei zwei gemeinsamen Tätern näher. Je
mehr Personen beteiligt seien, umso mehr Organisation und Absprachen seien
erforderlich.
Dass sich Organisation und Absprachen bei zwei Tatbeteiligten in der Regel
einfacher gestalten als bei einer Vielzahl von Tätern, ist unbestritten. Doch
ist dies nicht der entscheidende Punkt. Von Bedeutung ist vielmehr, dass auch
bei nur zwei Tätern von einem fest verbundenen und stabilen Team gesprochen
werden kann, was über die Mittäterschaft hinausgeht. Dass es im Einzelfall
schwierig ist, derartige Feststellungen zu treffen, liegt auf der Hand. Doch
liefern gerade Absprachen und auch gewisse Mindestansätze einer Organisation
(z.B. einer Rollen- oder Arbeitsteilung) Hinweise dazu.

3.3 Unter Bezugnahme auf die Schweizer Lehre (NIGGLI/RIEDO, a.a.O.) erwägt die
Vorinstanz, da man nicht Mitglied eines Paares oder eines Duos sein könne,
müssten bereits nach dem Gesetzeswortlaut, wo von "Mitglied einer Bande" die
Rede ist, zwingend mindestens drei Personen beteiligt sein. Auch die Etymologie
des Wortes, welches vom französischen Wort "bande" (Truppe, Schar) komme, weise
auf einen Zusammenschluss von drei Personen hin.
Zur Etymologie des Wortes stellt die Beschwerdeführerin berechtigterweise die
Frage, ob drei Mitglieder tatsächlich ausreichten, um eine Bande im
gebräuchlichen Wortsinn zu bilden. Denn selbst bei
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dreien kann wohl kaum schon von einer Truppe, Schar, Rotte, Horde oder Meute
gesprochen werden.
Das deutsche Strafgesetzbuch benutzt mit den Worten "als Mitglied einer Bande"
in § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB dieselbe Wortwahl wie das schweizerische. Der
erwähnte Beschluss des Bundesgerichtshofs änderte die deutsche Rechtsprechung.
Seither bedarf es für die Annahme der Bandenmässigkeit des Zusammenwirkens von
nicht bloss zwei, sondern mindestens drei Personen. Im selben Beschluss wird
aber ausdrücklich festgehalten: "Der Wortlaut des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB und
der Wortlaut der übrigen Tatbestände der Bandendelikte lassen sowohl die
Annahme einer aus zwei Personen bestehenden Bande als auch die Anhebung der
Mindestzahl der Bandenmitglieder auf drei Personen zu" (Rz. 28).
Im Übrigen kann darauf hingewiesen werden, dass der Begriff "Zweierbande" im
deutschen Sprachgebrauch immerhin vorkommt. So findet sich z.B. in der
Datenbank der Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik
Deutschland e.V. (IJAB) folgender Satz: "Meistens wurden die Straftaten in der
Gruppe begangen, am häufigsten in Zweierbanden" (Ziff. 2.1.3).
Der Diebstahl als Mitglied einer Bande untersteht einer erhöhten
Mindeststrafdrohung, weil darin eine besondere Gefährlichkeit liegt (E. 2). Um
den Wortsinn zu ergründen, muss demnach ausschlaggebend sein, ob diese
Gefährlichkeit bereits beim Zusammenschluss zweier Täter gegeben sein kann.
Dies ist zu bejahen (E. 3.1 und 3.2).

3.4 Nach dem Gesagten ist an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten und der
angefochtene Entscheid aufzuheben.