Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 IV 130



Urteilskopf

135 IV 130

17. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S.
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen X. und Y. (Beschwerde in
Strafsachen)
6B_772/2008 vom 6. März 2009

Regeste

Art. 52 StGB; Absehen von einer Bestrafung.
Voraussetzung für die Strafbefreiung ist ein vom Verschulden wie von den
Tatfolgen her unerhebliches Verhalten des Täters. Dieses ist aufgrund eines
Quervergleichs zu typischen unter dieselbe Gesetzesbestimmung fallenden
strafbaren Handlungen zu beurteilen. Bei der Würdigung des Verschuldens sind
sämtliche relevanten Strafzumessungskomponenten mit Einschluss der
Täterkomponenten zu berücksichtigen (E. 5).

Sachverhalt ab Seite 131

BGE 135 IV 130 S. 131

A. Das Obergericht des Kantons Solothurn erklärte X. (Beschwerdegegner 1) mit
Urteil vom 8. Juli 2008 in zweiter Instanz der mehrfachen Urkundenfälschung im
Amt, begangen am 30. Oktober 1996 und im Herbst 1996, sowie der Anstiftung zur
Urkundenfälschung, begangen am 15. November 1996, schuldig. Von einer
Bestrafung sah es ab. Vom Vorwurf der Erschleichung einer falschen Beurkundung
sprach es X. frei. Ferner erklärte es Y. (Beschwerdegegner 2) der
Urkundenfälschung, begangen zwischen dem 20. November 1996 und dem 29. November
1996, schuldig und sah auch in Bezug auf diesen von einer Bestrafung ab. Von
der Anklage der Urkundenfälschung, der Gehilfenschaft zur Erschleichung einer
falschen Beurkundung, der Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung sowie
der mehrfachen Urkundenfälschung sprach es Y. frei. Im Weiteren sprach es ihm
eine durch die Gerichtskasse auszahlbare Entschädigung für erlittene Nachteile
(Genugtuung) von pauschal Fr. 2'000.- zu. Schliesslich entschied es über die
Nebenpunkte und die geltend gemachte Zivilforderung.

B. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn führt Beschwerde beim
Bundesgericht, mit der sie beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben
und die Strafsache sei zur Verurteilung von Y. wegen Urkundenfälschung sowie
zur Ausfällung einer schuldangemessenen Strafe für X. und Y. an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

C. Das Obergericht des Kantons Solothurn, X. und Y. beantragen in ihren
Vernehmlassungen je die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

5.

5.1 Die Beschwerdeführerin rügt im Weiteren eine unrichtige Anwendung von Art.
52 StGB. Die Vorinstanz habe bei beiden Beschwerdegegnern zu Unrecht von einer
Bestrafung abgesehen.
BGE 135 IV 130 S. 132

5.1.1 In Bezug auf den Beschwerdegegner 1 macht sie geltend, die Tatbestände
der Urkundenfälschung im Amt und der Anstiftung zur Urkundenfälschung, begangen
durch einen öffentlichen Notar und Anwalt, stellten von vornherein keine
Bagatelldelikte dar, auf welche die Bestimmung von Art. 52 StGB Anwendung
finden könnte. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz seien im zu beurteilenden
Fall auch die Tatfolgen nicht geringfügig. Durch eine Urkundenfälschung im Amt
im Sinne von Art. 317 StGB würden nicht Rechte Dritter tangiert, sondern Treu
und Glauben im Rechtsverkehr sowie das besondere Vertrauen, welches die
Öffentlichkeit den Amtshandlungen des Staates entgegenbringe. Allein schon die
Tatsache, dass ein öffentlicher Notar bei Ausübung seiner Funktion Urkunden
fälsche, schädige das Vertrauen in die Verlässlichkeit dieser Berufsgruppe und
somit auch das Vertrauen des Bürgers in den Staat in einer Weise, dass der
Erfolgsunwert keinesfalls als geringfügig angesehen werden könne. Zudem sei
auch das Verschulden des Beschwerdegegners 1 nicht geringfügig. Dies ergebe
sich daraus, dass er einen Treuhänder zu einer Urkundenfälschung angestiftet
habe, um seine eigene Fälschungshandlung zu vertuschen. Es liege auf der Hand,
dass er dabei aus egoistischen Beweggründen gehandelt habe. Selbst die
Vorinstanz nehme an, es sei unbegreiflich, weshalb der Beschwerdegegner 1 nicht
mit den beiden Generalversammlungen zugewartet habe. Schliesslich komme dem
Strafmilderungsgrund von Art. 48 lit. e StGB keine Bedeutung zu. Dass sich das
Strafbedürfnis infolge der seit der Tat verstrichenen Zeit verringere, führe
lediglich zu einer Milderung der Strafe. Das Mass des Verschuldens werde davon
nicht berührt. Dasselbe gelte für allfällige Auswirkungen der Strafe auf das
Leben des Beschwerdegegners 1.

5.1.2 Auch in Bezug auf den Beschwerdegegner 2 macht die Beschwerdeführerin
geltend, die einzelnen Tathandlungen liessen kein leichtes Verschulden
erkennen. Die Vorinstanz habe die Rückdatierung der Prüfungsbestätigung nicht
als besonders leichten Fall im Sinne von Art. 251 Ziff. 2 StGB qualifiziert. In
denjenigen Fällen, in denen das Gesetz bei einem bestimmten Tatbestand auch
eine Tatbestandsvariante im Sinne eines leichten oder besonders leichten Falles
vorsehe, bleibe beim Grundtatbestand kein Raum für die Anwendung von Art. 52
StGB. Soweit das Gesetz besonders leichte Fälle bezüglich der Strafzumessung
privilegiere, aber dennoch unter Strafe stelle, bringe es zum Ausdruck, dass
die normalen Fälle nie
BGE 135 IV 130 S. 133
als Bagatelldelikt im Sinne von Art. 52 StGB gelten könnten und daher immer zu
bestrafen seien. Im Übrigen sprächen im zu beurteilenden Fall auch die
Täterkomponenten nicht in besonderem Masse für den Beschwerdegegner 2.

5.2

5.2.1 Die Vorinstanz beurteilt im Rahmen der Strafzumessung das Verschulden des
Beschwerdegegners 1 als eher leicht. Er habe zwar mehrere, teilweise
öffentliche Urkunden gefälscht und damit Treu und Glauben im Rechtsverkehr
nicht unerheblich verletzt. Doch sei dies mit der Subsumtion des Verhaltens
unter den entsprechenden Tatbestand abgegolten. Nachteilige Folgen der Taten
für Dritte seien nicht erkennbar, und es habe auch keinerlei entsprechende
Gefährdung bestanden. Zudem hätten die Unterlagen im Zeitpunkt der Anmeldung an
das Handelsregisteramt vollständig vorgelegen und die Beteiligten seien mit der
nachträglichen Änderung der Firmenbezeichnung in F. AG einverstanden gewesen.
Dies ändere zwar nichts an der Strafbarkeit des Verhaltens, mindere aber das
Verschulden. Die Vorinstanz attestiert dem Beschwerdegegner 1 ferner einen
ungetrübten Leumund und mildert die Strafe in Anwendung von Art. 48 lit. e StGB
aufgrund der seit den strafbaren Handlungen verstrichenen langen Zeitdauer
deutlich.
Weiter nimmt die Vorinstanz an, im Quervergleich zu anderen denkbaren Fällen
von Urkundenfälschungen im Amt erschienen die zu beurteilenden Delikte vom
Verschulden wie von den Tatfolgen her als leicht und unerheblich. Es handle
sich geradezu um einen Idealfall einer unter Art. 52 StGB fallenden Delinquenz.
Wenn weiter berücksichtigt werde, dass der Beschwerdegegner 1 unter dem seit
fünf Jahren dauernden Strafverfahren besonders gelitten habe, da er seine
Klienten darüber habe aufklären müssen, sei nebst dem Schuldspruch als
Unwerturteil, das beim Beschwerdegegner 1 als Rechtsanwalt und Notar bereits
erheblich sanktionierende Auswirkungen habe, kein Strafbedürfnis mehr
erkennbar. Dies gelte umso mehr, wenn man die besonderen Folgen für den
Beschwerdegegner 1 als Rechtsanwalt bedenke. Denn aufgrund der Bestimmung von
Art. 8 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die
Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA; SR 935. 61) hätte ein Eintrag
ins Strafregister die Löschung im Anwaltsregister zur Folge, was für den
Beschwerdegegner 1 für die Dauer der 2 Jahre dauernden Probezeit faktisch ein
weitgehendes Berufsverbot bedeuten würde. Dies erscheine aufgrund der
BGE 135 IV 130 S. 134
Geringfügigkeit der Verfehlung in jeder Hinsicht als untragbare Folge der
Strafe. Aus diesen Gründen sei auf die Ausfällung einer Strafe zu verzichten,
womit auch ein Eintrag des Urteils im Strafregister entfalle (Art. 366 Abs. 2
lit. b StGB).

5.2.2 In Bezug auf den Beschwerdegegner 2 nimmt die Vorinstanz im Rahmen der
rechtlichen Würdigung zunächst an, die strafbaren Handlungen des
Beschwerdegegners 2 erfüllten den privilegierten Tatbestand des besonders
leichten Falles gemäss Art. 251 Ziff. 2 StGB nicht. Zwar hätten der
Falschbeurkundung keine finanziellen Beweggründe zugrunde gelegen. Angesichts
der Bedeutung der Prüfungsbestätigung im Rechtsverkehr und des Ausmasses der
Abweichung der Fälschung von der wahren Sachlage könne ein besonders leichter
Fall indes nicht bejaht werden.
Im Rahmen der Strafzumessung wertet die Vorinstanz das Verschulden des
Beschwerdegegners 2 als leicht. Er habe auf Wunsch des Beschwerdegegners 1
gehandelt, ohne eigene Vorteile anzustreben. Ausserdem wiege die Rückdatierung
der Prüfungsbestätigung als Straftat im Vergleich mit dem Regelfall als eher
leicht. Auch beim Beschwerdegegner 2 berücksichtigt die Vorinstanz den
unbelasteten Leumund als strafmindernd und mildert die Strafe aufgrund des
Zeitablaufs im Sinne von Art. 48 lit. e StGB seit der Tat erheblich. Aufgrund
seines leichten Verschuldens, der fehlenden Nachteile für Dritte und der seit
der Tat verstrichenen Zeit sieht sie auch beim Beschwerdegegner 2 von der
Ausfällung einer Strafe ab. Auch er sei durch den Schuldspruch als Unwerturteil
stark belastet, habe doch aufgrund der Beschreibung in den Medien leicht auf
seine Person geschlossen werden können. Schliesslich sei er auch erhöht
strafempfindlich, da seine Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer durch einen Eintrag
im Strafregister wegen Urkundenfälschung erheblich beeinträchtigt würde.

5.3

5.3.1 Im Rahmen der Strafzumessung steht dem urteilenden Gericht bei der
Gewichtung der einzelnen Komponenten gemäss Art. 47 StGB ein erheblicher
Spielraum des Ermessens zu. Die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts
greift in diesen auf Beschwerde in Strafsachen u.a. nur ein, wenn das
vorinstanzliche Gericht von rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten
ausgegangen ist oder wenn es wesentliche Komponenten ausser Acht gelassen bzw.
in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet
BGE 135 IV 130 S. 135
hat (BGE 134 IV 17 E. 2.1; zum alten Recht: BGE 129 IV 6 E. 6.1; BGE 127 IV 101
E. 2; je mit Hinweisen).

5.3.2 Gemäss Art. 52 StGB sieht die zuständige Behörde von einer
Strafverfolgung, einer Überweisung an das Gericht oder einer Bestrafung ab,
wenn Schuld und Tatfolgen geringfügig ("de peu d'importance"; "di lieve
entità") sind. Die Bestimmung erfasst nach der Botschaft relativ unbedeutende
Verhaltensweisen, welche die Schwere und Härte einer Strafe nicht verdienen
(Botschaft vom 23. März 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches
[...], BBl 1999 2063 Ziff. 213.31). Die Regelung von Art. 52 StGB ist
zwingender Natur. Sind die Voraussetzungen erfüllt, muss die Behörde das
Strafverfahren einstellen bzw. von einer Überweisung absehen. Stellt erst das
Gericht die Voraussetzungen für das fehlende Strafbedürfnis fest, erfolgt nicht
ein Freispruch, sondern ein Schuldspruch bei gleichzeitigem Strafverzicht
(Botschaft, a.a.O., 2064 Ziff. 213.31; FRANZ RIKLIN, in: Basler Kommentar,
Strafrecht, Bd. I, 2. Aufl. 2007, N. 20 zu Art. 52 StGB; ders., a.a.O., N. 26
vor Art. 56 ff. StGB; vgl. ferner BGE 135 IV 27 E. 2 zu Art. 53 StGB).
Voraussetzung für die Strafbefreiung und Einstellung des Verfahrens gemäss Art.
52 StGB ist die Geringfügigkeit von Schuld und Tatfolgen. Beide Voraussetzungen
müssen kumulativ erfüllt sein (RIKLIN, a.a.O., N. 14 zu Art. 52 StGB). Die
Würdigung des Verschuldens des Täters richtet sich nach den in Art. 47 StGB
aufgeführten Strafzumessungskriterien (RIKLIN, a.a.O., N. 13 zu Art. 52 StGB;
DUPUIS UND ANDERE, Code pénal, Bd. I, 2008, N. 4 zu Art. 52 StGB; DANIEL
JOSITSCH, Strafbefreiung gemäss Art. 52 StGB^neu und prozessrechtliche
Umsetzung, SJZ 100/2004 S. 4). Der Begriff der Tatfolgen umfasst nicht nur den
tatbestandsmässigen Erfolg, sondern sämtliche vom Täter verschuldete
Auswirkungen der Tat (RIKLIN, a.a.O., N. 13 zu Art. 52 StGB). Diese müssen
stets gering sein. Schwerwiegendere Folgen können nicht durch andere, zu
Gunsten des Betroffenen wirkende Komponenten ausgeglichen werden (RIKLIN,
a.a.O., N. 13 zu Art. 52 StGB).

5.3.3 Mit der Regelung von Art. 52 StGB hat der Gesetzgeber nicht beabsichtigt,
dass in allen Bagatellstraftaten generell auf eine strafrechtliche Sanktion
verzichtet wird. Eine Strafbefreiung ("exemption de peine"; "impunità") kommt
nur bei Delikten in Frage, bei denen keinerlei Strafbedürfnis besteht. Auch bei
einem Bagatelldelikt kann daher wegen Geringfügigkeit von Schuld und
BGE 135 IV 130 S. 136
Tatfolgen eine Strafbefreiung nur angeordnet werden, wenn es sich von anderen
Fällen mit geringem Verschulden und geringen Tatfolgen qualitativ
unterscheidet. Das Verhalten des Täters muss im Quervergleich zu typischen
unter dieselbe Gesetzesbestimmung fallenden Taten insgesamt - vom Verschulden
wie von den Tatfolgen her - als unerheblich erscheinen, so dass die
Strafbedürftigkeit offensichtlich fehlt. Die Behörde hat sich mithin am
Regelfall der Straftat zu orientieren (RIKLIN, a.a.O., N. 15 f. zu Art. 52
StGB; GÜNTER STRAtenwerth, Strafen und Massnahmen, 2. Aufl. 2006, § 7 N. 5;
SCHWARZENEGGER UND ANDERE, Strafrecht II, 8. Aufl. 2007, S. 63; STRATENWERTH/
WOHLERS, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 2007, N. 1 zu Art. 52
StGB; TRECHSEL/PAUEN BORER, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar,
2008, N. 2 zu Art. 52 StGB; DUPUIS UND ANDERE, a.a.O., N. 3 zu Art. 52 StGB;
vgl. auch Botschaft, a.a.O., 2064 Ziff. 231.31; ferner für das österreichische
Recht HANS VALENTIN SCHROLL, in: Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2.
Aufl., Wien 2000, N. 26 zu § 42 österr. StGB). Für die Anwendung der Bestimmung
bleibt somit nur ein relativ eng begrenztes Feld (RIKLIN, a.a.O., N. 19 zu Art.
52 StGB).

5.3.4 Der Gesetzgeber hat schon vor Inkrafttreten des neuen Allgemeinen Teils
des Strafgesetzbuches bei einzelnen Straftaten leichte oder besonders leichte
Fälle privilegiert behandelt. So kann das Gericht etwa gemäss Art. 251 Ziff. 2
StGB bei besonders leichten Fällen von Urkundenfälschung die Strafe mildern und
gemäss Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG in besonders leichten Fällen von
Fahrlässigkeit bzw. gemäss Art. 19a BetMG (SR 812.121) in leichten Fällen des
Konsums von Betäubungsmitteln von einer Strafe absehen (vgl. auch aArt. 322^
octies Ziff. 1 StGB). Die Rechtsprechung hat an die Bejahung des leichten
Falles stets hohe Anforderungen gestellt und von einer Bestrafung nur Umgang
genommen, wenn eine noch so geringe Strafe, weil dem Verschulden des Täters
nicht angemessen, als stossend erschien (BGE 114 IV 126 E. 2c [ad aArt. 251
Ziff. 3 StGB]; BGE 117 IV 302 E. 3b/cc; Urteil 6S.123/2007 vom 23.07.2007 E.
4.3 [ad Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG]; ferner BGE 124 IV 184 E. 3, BGE 124 IV 44
E. 2a; BGE 106 IV 75 E. 2 [ad Art. 19a Ziff. 2 BetmG]). Diese Rechtsprechung
kann für die Anwendung von Art. 52 StGB als Leitlinie herangezogen werden
(CÉDRIC PIGNAT, La fixation de la peine avant et après la révision de 2002, in:
Droit des sanctions, André Kuhn und andere [Hrsg.], 2004, S. 41).
BGE 135 IV 130 S. 137
Der Umstand, dass das Gesetz bei einzelnen Tatbeständen leichte Fälle
ausscheidet, bedeutet entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin indes
nicht, dass Art. 52 StGB bei diesen Deliktsgruppen nicht zur Anwendung gelangen
kann. Denn die Ausdifferenzierung leichter Fälle wirkt sich, worauf in der
Lehre zutreffend hingewiesen wird, zugunsten der Täter aus, so dass es als
widersprüchlich erschiene, wenn gerade in diesen Fällen die Möglichkeit einer
Strafbefreiung im Sinne von Art. 52 StGB entfallen würde. In solchen Fällen ist
eine Strafbefreiung gerechtfertigt, wenn die bei der Strafzumessung mit zu
berücksichtigenden Täterkomponenten in besonderem Masse zugunsten des
Beschuldigten sprechen (RIKLIN, a.a.O., N. 18 zu Art. 52 StGB).

5.4 Die Bestimmung von Art. 52 StGB trägt dem Umstand Rechnung, dass, auch wenn
die Voraussetzungen der Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens an sich
erfüllt sind, ein Strafbedürfnis aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen
entweder von vornherein fehlen oder nachträglich entfallen kann (STRATENWERTH,
a.a.O., § 7 N. 1). Sie erfasst somit auch Fälle, bei denen im Zeitpunkt der
Untersuchung oder der gerichtlichen Beurteilung ein Strafbedürfnis nicht mehr
besteht. Dies ergibt sich daraus, dass für die Würdigung des Verschuldens nicht
ausschliesslich auf die in Art. 47 Abs. 2 StGB aufgeführten konkretisierenden
Umstände zu berücksichtigen sind. In die Entscheidung über die Geringfügigkeit
der Schuld fliessen vielmehr sämtliche relevanten Strafzumessungskomponenten,
mithin auch die Täterkomponenten wie das Vorleben, die persönlichen
Verhältnisse oder das Nachtatverhalten, mit ein (RIKLIN, a.a.O., N. 13 zu Art.
52 StGB; vgl. für das österreichische Recht SCHROLL, a.a.O., N. 10 zu § 42
österr. StGB; für das deutsche Recht EDDA WESSLAU, in: Systematischer Kommentar
zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, N. 16 zu § 153 dt.
StGB; WERNER BEULKE, in: Die Strafprozessordnung und das
Gerichtsverfassungsgesetz, Grosskommentar, 26. Aufl., Berlin 2008, N. 24, 27 zu
§ 153 dt. StGB). Berücksichtigt werden können darüber hinaus etwa auch eine
durch überlange Verfahrensdauer bewirkte Verletzung des Beschleunigungsgebots
(vgl. schon BGE 117 IV 124 E. 4) und schuldunabhängige Strafmilderungsgründe,
wie das Verstreichen verhältnismässig langer Zeit seit der Tat (RIKLIN, a.a.O.,
N.13 zu Art. 52 StGB; BEULKE, a.a.O., N. 34 zu § 153 dt. StGB).

5.5 Die Vorinstanz hat das Tatverschulden der Beschwerdegegner als leicht bzw.
eher leicht gewertet. Dies ist nicht zu beanstanden.
BGE 135 IV 130 S. 138
So wiegen die vom Beschwerdegegner 1 zu verantwortenden Falschbeurkundungen im
Zusammenhang mit der Neugründung der A. AG objektiv nicht schwer, zumal er
weder einen materiellen Schaden bewirkt noch einen persönlichen Vorteil erlangt
oder auch nur angestrebt hat. Dies gilt auch für den Beschwerdegegner 2, der
die Falschdatierung des Prüfungsberichts lediglich auf Wunsch des
Beschwerdegegners 1 vorgenommen hat. Zwar wendet die Beschwerdeführerin in
diesem Zusammenhang zu Recht ein, dass die Tatbestände des Urkundenstrafrechts
in erster Linie das Vertrauen schützen, welches im Rechtsverkehr einer Urkunde
als einem Beweismittel entgegengebracht wird (vgl. BGE 132 IV 12 E. 8.1; BGE
131 IV 125 E. 4.1) und dass dieses Vertrauen beeinträchtigt wird, wenn ein
öffentlicher Notar im Zusammenhang mit einer Gesellschaftsgründung in der
öffentlichen Urkunde eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet
bzw. ein Treuhänder zur Deckung der unzulässigen Gründung eine
Prüfungsbestätigung falsch datiert. Auch ist der Vorinstanz beizupflichten,
wenn sie feststellt, die beiden Beschwerdegegner hätten aufgrund ihrer
Fachkompetenz und ihres beruflichen Hintergrundes ohne weiteres regelkonform
handeln können. Die Vorinstanz hat denn auch hinsichtlich des Beschwerdegegners
2 zutreffend einen Bagatellfall im Sinne von Art. 251 Ziff. 2 StGB verneint.
Doch erweist sich das Verschulden der Beschwerdegegner im zu beurteilenden Fall
im Quervergleich mit Taten gleicher Art immer noch als gering.
Zu Recht weist die Vorinstanz auch auf die erhöhte Strafempfindlichkeit der
Beschwerdegegner hin, welche bei einer Verurteilung mit disziplinarischen
Massnahmen rechnen müssen. Das gilt namentlich für den Beschwerdegegner 1, dem
bei einem Eintrag einer Strafe im Strafregister die Löschung aus dem
Anwaltsregister drohen würde (Art. 366 Abs. 2 lit. b StGB; Art. 9 i.V.m. Art. 8
Abs. 1 lit. b BGFA; hinsichtlich des Beschwerdegegners 2 vgl. Art. 17 i.V.m.
Art. 5 Abs. 1 lit. a RGA; generell zur Folgenberücksichtigung in der
Strafzumessung vgl. HANS WIPRÄCHTIGER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I,
2. Aufl. 2007, N. 120, 123 f. zu Art. 47 StGB). Zwar führt auch dieser
Gesichtspunkt für sich allein nicht zur Annahme eines fehlenden
Strafbedürfnisses, da diese Folgen zwangsläufig mit einem Strafverfahren, das
mit einer Verurteilung zu einer Strafe endet, verbunden sind. Doch kommt ihm in
Verbindung mit den anderen Faktoren Bedeutung zu.
BGE 135 IV 130 S. 139
Schliesslich berücksichtigt die Vorinstanz zu Recht, dass die Strafe aufgrund
des Umstands, dass seit den Straftaten nunmehr gut 12 Jahre verstrichen sind
und die Beschwerdegegner sich in dieser Zeit wohl verhalten haben, in Anwendung
von Art. 48 lit. e StGB erheblich gemildert werden müsste. Dieser Umstand
vermindert schon für sich allein das Strafbedürfnis in erheblichem Ausmass. Die
Verbindung dieses Strafmilderungsgrundes mit den geringen Tatfolgen, dem
geringfügigen Verschulden der Beschwerdegegner und ihrer erhöhten
Strafempfindlichkeit führt dazu, dass ein Strafbedürfnis bei beiden
Beschwerdegegnern vollends verneint werden muss. Die Vorinstanz hat daher bei
beiden Beschwerdegegnern zu Recht von der Aussprechung einer Strafe abgesehen.
Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass sie sich dabei von rechtlich nicht
massgeblichen Gesichtspunkten hätte leiten lassen oder wesentliche
Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hätte. Sie hat daher ihr Ermessen nicht
verletzt.
Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet.