Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 II 161



Urteilskopf

135 II 161

18. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. und
Mitb. gegen Bundesamt für Migration (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten)
1C_190/2008 vom 29. Januar 2009

Regeste

Art. 27 Abs. 1, Art. 41 Abs. 1 und 3 BüG, Art. 12 f. VwVG; Nichtigerklärung der
Einbürgerung; Beweislastverteilung; Erstreckung der Nichtigkeit der
Einbürgerung auf Familienmitglieder.
Voraussetzungen für den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts und für die
Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung (E. 2).
Die Beweislast dafür, dass eine Einbürgerung erschlichen worden ist, liegt bei
der Verwaltung. Es genügt deshalb, dass die betroffene Person im Rahmen ihrer
Mitwirkungspflicht einen oder mehrere Gründe angibt, die es plausibel
erscheinen lassen, dass sie im massgeblichen Zeitpunkt der Gesuchstellung und
des Einbürgerungsentscheids mit dem Schweizer Ehepartner in einer stabilen
ehelichen Gemeinschaft lebte und dass sie diesbezüglich nicht gelogen hat (E.
3).
Im vorliegenden Fall wurde die Einbürgerung durch bewusst wahrheitswidrige
Angaben der Beschwerdeführerin zum Bestand der ehelichen Gemeinschaft mit dem
Schweizer Ehemann erschlichen (E. 4).
Die Nichtigerklärung der Einbürgerung erstreckt sich nicht zwingend auf alle
eingebürgerten Familienmitglieder. Die Behörden haben sich bei der Frage, ob
die Nichtigkeit der erschlichenen Einbürgerung auf die Einbürgerung der
Familienmitglieder auszudehnen ist, von der Verfassung sowie von Sinn und Zweck
des Bürgerrechtsgesetzes leiten zu lassen (E. 5).

Sachverhalt ab Seite 162

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A. (geb. 1962) und B. (geb. 1960), beide damals türkische Staatsangehörige,
heirateten im Jahr 1983 zum ersten Mal. Im Jahr 1987 emigrierte der Ehemann in
die Schweiz und stellte ein Asylgesuch. A. folgte ihm im Jahr 1989 nach und
ersuchte ebenfalls um Asyl. Im April 1991 zogen die Eheleute ihre Asylgesuche
zurück und kehrten in die Türkei zurück. Während dieses ersten Aufenthalts in
der Schweiz lernte der Ehemann den Schweizer Bürger C. (geb. 1966) kennen.
Beide arbeiteten beim gleichen Arbeitgeber und verkehrten auch privat
miteinander. Auf diesem Weg schloss C. (geb. 1966) Bekanntschaft mit A. Auch
nach der Rückkehr der Eheleute in die Türkei wurde der enge freundschaftliche
Kontakt weiter
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aufrechterhalten. C. besuchte die Familie alljährlich in der Türkei und
unternahm mit ihr gemeinsam Reisen durch das Land.
Am 14. Februar 1995 wurde die Ehe von A. und B. in der Türkei geschieden. Die
vier aus der Ehe hervorgegangenen Kinder D. (geb. 1983), E. (geb. 1986), F.
(geb. 1991) und G. (geb. 1992) wurden der Mutter zugesprochen.
Am 6. Juni 1995 verheiratete sich A. mit C. und erhielt im Namen des
Familiennachzugs eine Aufenthaltsbewilligung im Kanton Zürich. Die beiden
älteren Kinder folgten der Mutter spätestens im Dezember 1996, die beiden
jüngeren im Mai 1999 in die Schweiz nach.
Am 26. Januar 1998 ersuchte A. um erleichterte Einbürgerung. Im
Einbürgerungsverfahren unterzeichneten die Eheleute am 21. Juni 1999 eine
gemeinsame Erklärung, wonach sie in einer tatsächlichen, ungetrennten, stabilen
ehelichen Gemeinschaft zusammenlebten und weder Trennungs- noch
Scheidungsabsichten bestünden. Gleichzeitig nahmen sie unterschriftlich zur
Kenntnis, dass die erleichterte Einbürgerung nicht möglich sei, wenn vor oder
während des Einbürgerungsverfahrens einer der Ehegatten die Trennung oder
Scheidung beantragt habe oder keine tatsächliche eheliche Gemeinschaft mehr
bestehe. Des Weitern bestätigten sie ihre Kenntnisnahme davon, dass die
Verheimlichung der Umstände zur Nichtigerklärung der Einbürgerung führen könne.
Am 8. Juli 1999 wurde A. erleichtert eingebürgert und erwarb nebst dem
Schweizer Bürgerrecht die kantonalen Bürgerrechte von Zürich und Aargau sowie
die Gemeindebürgerrechte von Winterthur/ZH und Küttingen/AG. In die
erleichterte Einbürgerung einbezogen waren die beiden älteren Kinder D. und E.
Am 15. Oktober 1999 fand eine eheschutzrichterliche Verhandlung statt, in deren
Verlauf den Ehegatten das Getrenntleben gestattet wurde. Am 2. November 1999
klagte A. auf Scheidung der Ehe. Mit Urteil des Bezirksgerichts Winterthur
erfolgte die Scheidung am 19. Juni 2000. Anlässlich der Verhandlung vor dem
Scheidungsrichter am 18. Januar 2000 gaben beide Ehegatten in getrennten
Anhörungen übereinstimmend zu Protokoll, sie lebten seit sechs Monaten getrennt
und hätten eigene Wohnungen.
Am 1. August 2001, rund ein Jahr nach der Scheidung vom Schweizer Ehegatten,
verheiratete sich A. in der Türkei wieder mit ihrem ersten Ehemann B., der ihr
im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz folgte und erneut mit C. im
gleichen Betrieb arbeitete.
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Das damalige Bundesamt für Ausländerfragen teilte A. am 11. Februar 2003 mit,
es erwäge, die erleichterte Einbürgerung für nichtig zu erklären. Die
Chronologie der Ereignisse lasse vermuten, dass sie die Einbürgerung durch
falsche Angaben zum Zustand der Ehe bzw. durch Verschweigen von erheblichen
Tatsachen erschlichen habe. A. erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme und wurde
aufgefordert, ihr Einverständnis zum Beizug der Scheidungsakten zu geben.
Dieser Aufforderung kam A. nach. In der Folge wurde C. polizeilich
einvernommen.
Mit Verfügung vom 21. Mai 2004 erklärte das damalige Bundesamt für Zuwanderung,
Integration und Auswanderung (heute Bundesamt für Migration, BFM) die
erleichterte Einbürgerung von A. für nichtig. In der Begründung der Verfügung
hielt das BFM fest, dass sich die Nichtigerklärung auch auf die in die
Einbürgerung einbezogenen Kinder D. und E. erstrecke.
Gegen diese Verfügung gelangten A. und die Kinder D. und E. an das
Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD). Das
Bundesverwaltungsgericht, welches die beim EJPD am 1. Januar 2007 hängigen
Beschwerden übernahm, wies das Rechtsmittel mit Urteil vom 20. März 2008 ab.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen A.
(Beschwerdeführerin 1), D. (Beschwerdeführerin 2) und E. (Beschwerdeführer 3),
es sei das angefochtene Urteil aufzuheben und auf die Nichtigerklärung der
erleichterten Einbürgerung für die Beschwerdeführer 1-3 zu verzichten.
Eventualiter sei nur die Nichtigkeit der erleichterten Einbürgerung der
Beschwerdeführerin 1 zu bestätigen, das angefochtene Urteil ansonsten aber
aufzuheben und die Nichtigerklärung der Einbürgerung der Beschwerdeführerin 2
und des Beschwerdeführers 3 zu verweigern.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, hebt das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts bezüglich der Nichtigkeit der Einbürgerung der
Beschwerdeführerin 2 und des Beschwerdeführers 3 auf und weist die Sache zur
Ergänzung des Sachverhalts und zu neuem Entscheid an das Bundesamt für
Migration zurück. Im Übrigen weist es die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2. Gemäss Art. 27 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über Erwerb
und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (BüG;
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SR 141.0) kann eine Ausländerin nach der Eheschliessung mit einem Schweizer
Bürger ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, wenn sie insgesamt fünf
Jahre in der Schweiz gewohnt hat, seit einem Jahr hier wohnt und seit drei
Jahren in ehelicher Gemeinschaft mit dem Schweizer Bürger lebt. Das
Bundesgericht geht davon aus, dass eine eheliche Gemeinschaft im Sinne von Art.
27 BüG nicht nur das formelle Bestehen einer Ehe, sondern das Vorliegen einer
tatsächlichen Lebensgemeinschaft voraussetzt. Eine solche Gemeinschaft kann nur
bejaht werden, wenn der gemeinsame Wille zu einer stabilen ehelichen
Gemeinschaft intakt ist (BGE 130 II 169 E. 2.3.1). Gemäss konstanter Praxis
muss sowohl im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung als auch im Zeitpunkt des
Einbürgerungsentscheids eine tatsächliche Lebensgemeinschaft bestehen, die
Gewähr für die Stabilität der Ehe bietet. Zweifel bezüglich eines solchen
Willens sind angebracht, wenn kurze Zeit nach der erleichterten Einbürgerung
die Trennung erfolgt oder die Scheidung eingeleitet wird. Der Gesetzgeber
wollte dem ausländischen Ehegatten einer Schweizer Bürgerin oder eines
Schweizer Bürgers die erleichterte Einbürgerung ermöglichen, um die Einheit des
Bürgerrechts der Ehegatten im Hinblick auf ihre gemeinsame Zukunft zu fördern (
BGE 130 II 482 E. 2 S. 484).
Nach Art. 41 Abs. 1 BüG kann die Einbürgerung vom Bundesamt mit Zustimmung der
Behörde des Heimatkantons innert fünf Jahren nichtig erklärt werden, wenn sie
durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen
worden ist. Das blosse Fehlen der Einbürgerungsvoraussetzungen genügt daher
nicht. Die Nichtigerklärung der Einbürgerung setzt vielmehr voraus, dass diese
"erschlichen", das heisst mit einem unlauteren und täuschenden Verhalten
erwirkt worden ist (BGE 132 II 113 E. 3.1 S. 115). Arglist im Sinne des
strafrechtlichen Betrugstatbestands ist nicht erforderlich. Immerhin ist
notwendig, dass die betroffene Person bewusst falsche Angaben macht bzw. die
Behörde bewusst in einem falschen Glauben lässt und so den Vorwurf auf sich
zieht, es unterlassen zu haben, die Behörde über eine erhebliche Tatsache zu
informieren (BGE 132 II 113 E. 3.1 S. 115).

3. In verfahrensrechtlicher Hinsicht richtet sich die erleichterte Einbürgerung
nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das
Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021). Danach gilt der
Untersuchungsgrundsatz, wonach die Behörde den Sachverhalt von Amtes wegen
festzustellen hat (Art. 12 VwVG).
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Bei der Nichtigerklärung einer erleichterten Einbürgerung ist deshalb von der
Behörde zu untersuchen, ob die Ehe im massgeblichen Zeitpunkt der
Gesuchseinreichung und der Einbürgerung tatsächlich gelebt wurde. Da es dabei
im Wesentlichen um innere Vorgänge geht, die der Verwaltung oft nicht bekannt
und schwierig zu beweisen sind, darf sie von bekannten Tatsachen
(Vermutungsbasis) auf unbekannte (Vermutungsfolge) schliessen. Es handelt sich
dabei um Wahrscheinlichkeitsfolgerungen, die aufgrund der Lebenserfahrung
gezogen werden (BGE 130 II 482 E. 3.2 S. 485 f.). Die betroffene Person ist bei
der Sachverhaltsabklärung mitwirkungspflichtig (BGE 130 II 482 E. 3.2 S. 486).
Die tatsächliche Vermutung betrifft die Beweiswürdigung und bewirkt keine
Umkehrung der Beweislast (BGE 130 II 482 E. 3.2 S. 486). Die betroffene Person
muss nicht den Beweis des Gegenteils erbringen. Vielmehr genügt der Nachweis
von Zweifeln an der Richtigkeit der Indizien und der daraus gezogenen
Schlussfolgerung (vgl. dazu allgemein VOGEL/SPÜHLER/GEHRI, Grundriss des
Zivilprozessrechts, 8. Aufl. 2006, S. 263 Rz. 51; FRITZ GYGI,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 1983, S. 283 f.). Dem Gesagten zufolge
liegt die Beweislast dafür, dass eine eheliche Gemeinschaft im Sinn von Art. 27
BüG im massgeblichen Zeitpunkt der Gesuchseinreichung und der Einbürgerung
nicht oder nicht mehr besteht, bei der Verwaltung. Es genügt deshalb, dass die
betroffene Person einen oder mehrere Gründe angibt, die es plausibel erscheinen
lassen, dass sie im Zeitpunkt ihrer Erklärung mit dem Schweizer Ehepartner in
einer stabilen ehelichen Gemeinschaft lebte und dass sie diesbezüglich nicht
gelogen hat. Ein solcher Grund kann entweder ein ausserordentliches Ereignis
sein, das zum raschen Zerfall des Willens zur ehelichen Gemeinschaft im
Anschluss an die Einbürgerung führte, oder die betroffene Person kann darlegen,
aus welchem Grund sie die Schwere der ehelichen Probleme nicht erkannte und im
Zeitpunkt, als sie die Erklärung unterzeichnete, den wirklichen Willen hatte,
mit dem Schweizer Ehepartner auch weiterhin in einer stabilen ehelichen
Gemeinschaft zu leben (Bundesgerichtsurteile 5A.22/2006 vom 13. Juli 2006 E.
2.3; 5A.18/2006 vom 28. Juni 2006 E. 2.3).

4.

4.1 Das Bundesverwaltungsgericht geht von einer Erschleichung des Bürgerrechts
durch die Beschwerdeführerin 1 aus. Aufgrund der engen zeitlichen Abfolge der
Einbürgerung der
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Beschwerdeführerin 1 (8. Juli 1999), der Scheidung der mit dem Schweizer
eingegangenen Ehe (19. Juni 2000) und der Wiederverheiratung der
Beschwerdeführerin 1 mit dem ersten Ehemann (1. August 2001) vermutet die
Vorinstanz, dass im Zeitpunkt der gemeinsamen Erklärung über das Bestehen der
mit dem Schweizer eingegangenen Ehe (21. Juni 1999) in Wirklichkeit keine
stabile eheliche Gemeinschaft im Sinne von Art. 27 BüG bestanden habe. Nach
Auffassung der Vorinstanz lässt die eigentümliche Dreiecksbeziehung unter den
Betroffenen überdies den Verdacht entstehen, das gesamte Vorgehen sei von
Anfang an abgesprochen gewesen, und es habe zwischen der Beschwerdeführerin 1
und dem Schweizer nie eine reelle eheliche Gemeinschaft im Sinn von Art. 27 BüG
bestanden.
Nach Darstellung der Beschwerdeführerin 1 und ihres Schweizer Ex-Ehemannes sei
aus Liebe geheiratet worden. Konflikte des Ehemannes mit den beiden jüngeren
Kindern, welche im Mai 1999 in die Schweiz nachgezogen seien, hätten
nachträglich zum Scheitern der Ehe geführt. Zum Zeitpunkt der gemeinsamen
Erklärung seien die Eheleute von einer intakten Ehe ausgegangen. Die
Beschwerdeführerin 1 habe die Scheidung auf Drängen des Ehemannes eingereicht.
Zur Wiederverheiratung mit dem ersten Ehemann sei es gekommen, weil sich die
Beschwerdeführerin 1 als alleinerziehende Mutter von vier Kindern überfordert
gefühlt habe.
Das Bundesverwaltungsgericht fährt fort, allein schon der zeitliche Ablauf der
Ereignisse spreche gegen die Darstellung der Beschwerdeführerin 1. Zur
faktischen Trennung sei es bereits im Juli 1999, somit im Monat der
Einbürgerung gekommen. Drei Monate nach der Einbürgerung im Oktober 1999 sei
den Ehegatten im Rahmen eines Eheschutzverfahrens das Getrenntleben gerichtlich
bewilligt worden. In Anbetracht des Umstandes, dass das Erkennen des Scheiterns
der Ehe, der Trennungsentschluss und dessen Umsetzung einige Zeit brauchen,
könne nicht angenommen werden, die Ehe sei zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der
Erklärung am 21. Juni 1999 resp. der Verleihung der erleichterten Einbürgerung
am 8. Juli 1999 noch intakt gewesen. Die einseitige Zuweisung der Verantwortung
an den schweizerischen Ehemann lasse sich schwer mit dem Umstand vereinbaren,
dass es die Beschwerdeführerin 1 gewesen sei, die auf Scheidung geklagt habe.
Der Einwand der Beschwerdeführerin 1, ihr Ex-Ehemann habe die beiden jüngeren
Kinder nicht ertragen, lässt die Vorinstanz nicht gelten. Dieser habe gewusst,
dass er eine Mutter von vier Kindern heirate, und er habe bereits einige
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einschlägige Erfahrungen mit den beiden älteren Kindern sammeln können, die
bereits seit 1996 in der ehelichen Wohnung gelebt hätten. Da die
Beschwerdeführerin 1 angebe, von einem im Jahr 1997 aus Rücksicht auf ihren
damaligen Ehemann durchgeführten Schwangerschaftsabbruch traumatisiert zu sein,
müsse angenommen werden, dass allfällige eheliche Probleme wegen der Kinder
ohnehin bereits geraume Zeit vor der Einbürgerung bestanden hätten.

4.2 Die Beschwerdeführerin 1 beteuert erneut, ihren Schweizer Ex-Ehemann aus
Liebe geheiratet zu haben. Bis zum Nachzug der beiden jüngeren Kinder im Mai
1999 habe es keine ehelichen Probleme gegeben. Dass diese in die Schweiz
verbracht werden sollten, sei darauf zurückzuführen, dass die Grossmutter,
welche sich bis zu diesem Zeitpunkt um sie gekümmert habe, schwer erkrankt sei.
Dieser Umstand unterschlage die Vorinstanz. Es sei nicht aussergewöhnlich, dass
eine Ehe scheitere, weil sich einer der Ehepartner mit vier Kindern überfordert
fühle.

4.3 Aufgrund der dargestellten Eckdaten ist der Standpunkt des
Bundesverwaltungsgerichts, im Zeitpunkt der Einbürgerung habe keine stabile
eheliche Gemeinschaft im Sinn von Art. 27 BüG mehr bestanden, zu schützen.
Allein schon die zeitliche Abfolge der Ereignisse (Einbürgerungsentscheid und
faktische Trennung im Juli 1999; gerichtliche Bewilligung der Trennung im
Oktober 1999; Scheidung im Juni 2000) lässt die Vermutung aufrechtbestehen,
dass bei der Einbürgerung eine intakte Ehe nicht bestand und die
Beschwerdeführerin gegenüber den Behörden bewusst wahrheitswidrige Angaben über
den Zustand der Ehe machte. Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, dass der
Nachzug der beiden kleinen Kinder im Mai 1999 die eheliche Gemeinschaft
allenfalls zu belasten vermochte. Dennoch ist nicht nachvollziehbar, dass
bereits zwei Monate später und gleichzeitig mit der Einbürgerung im Juli 1999
das Getrenntleben aufgenommen und nach drei Monaten die gerichtliche
Bewilligung zum Getrenntleben erwirkt wurde. Nach der allgemeinen
Lebenserfahrung ist nicht anzunehmen, dass im Zeitpunkt der Einbürgerung die
Ehe intakt war.
Hinzu kommt der aus den Akten ersichtliche Umstand, dass der erste und jetzige
Ehemann der Beschwerdeführerin 1 im April 1999 ein Visum zwecks Besuch der
Beschwerdeführerin 1 und der gemeinsamen Kinder erlangte und am 19. Juni 1999
in die Schweiz einreiste. Die Beschwerdeführerin 1 gab zu dessen Gunsten
gegenüber
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dem Schweizer Generalkonsulat in Istanbul eine Garantieerklärung ab.
Anschliessend stellte der türkische Ehemann ein Asylgesuch. Dies spricht gegen
die Darstellung der Beschwerdeführerin 1, dass sie sich erst nach der Scheidung
vom Schweizer Ehemann ihrem ersten und jetzigen Ehemann wieder angenähert habe.
Aus den dargelegten Gründen ist der Standpunkt der Vorinstanz, es sei erwiesen,
dass die Beschwerdeführerin 1 im Verfahren der erleichterten Einbürgerung
bewusst wahrheitswidrig bestätigte, in einer stabilen ehelichen Gemeinschaft
mit dem Schweizer Ehemann zu leben, nicht zu beanstanden. Das
Bundesverwaltungsgericht hat demnach kein Bundesrecht verletzt, wenn es die
Nichtigerklärung der Einbürgerung der Beschwerdeführerin 1 bestätigte. Die
Beschwerde ist bezüglich der Beschwerdeführerin 1 abzuweisen.

5.

5.1 Bezüglich der Beschwerdeführerin 2 und des Beschwerdeführers 3 führte die
Vorinstanz aus, Art. 41 Abs. 3 BüG sehe die Erstreckung der Nichtigkeit einer
Einbürgerung auf die abgeleiteten Bürgerrechte der Familienmitglieder vor.
Entgegen dem Standpunkt der Beschwerdeführer könne in diesem Zusammenhang von
Sippenhaft nicht die Rede sein. Der Gesetzgeber habe das Anknüpfen an ein
unredliches Verhalten der reflexhaft betroffenen Familienmitglieder von
vornherein ausgeschlossen. In den allermeisten Fällen hätten reflexhaft
betroffene Familienmitglieder an der Täuschungshandlung zur Erlangung der
Einbürgerung nicht mitgewirkt. Das Anknüpfen an ein unredliches Verhalten der
betroffenen Familienmitglieder würde Art. 41 Abs. 3 BüG in sein Gegenteil
verkehren, wonach die Erstreckung der Nichtigkeit einer Einbürgerung auf die
abgeleiteten Bürgerrechte den Regelfall darstelle.
Andere Gründe, die es rechtfertigen würden, die Beschwerdeführerin 2 und den
Beschwerdeführer 3 von der Nichtigerklärung ihrer Bürgerrechte auszunehmen,
seien nicht ersichtlich. Der von der Beschwerdeführerin 2 beklagte Verlust
eines Teils ihrer in der Schweiz erlangten Identität sei Folge jeder
Nichtigerklärung des Bürgerrechts. Die geltend gemachte gute Integration werde
ihr im Rahmen eines Verfahrens auf ordentliche Einbürgerung von Nutzen sein.
Die Beibehaltung des Schweizer Bürgerrechts, das die Beschwerdeführer aufgrund
des unredlichen Verhaltens ihrer Mutter im privilegierten Verfahren erhalten
hätten, werde mit der guten Integration nicht gerechtfertigt. Es sei deshalb
nicht zu beanstanden, dass das BFM
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die Beschwerdeführerin 2 und den Beschwerdeführer 3 von der Nichtigerklärung
der erleichterten Einbürgerung nicht ausnahm.

5.2 Die Beschwerdeführer wenden vor Bundesgericht ein, dass sie seit 1996 in
der Schweiz wohnen und sich als Schweizer fühlen würden und gut integriert
seien. Die Beschwerdeführerin 2 macht geltend, sie habe ein besonders enges
Verhältnis zu ihrem Schweizer Stiefvater, arbeite als stellvertretende
Teamleiterin in einer Versicherungsgesellschaft, wolle nächstens eine
Weiterbildung antreten und habe bisher bei allen Wahlen und Abstimmungen ihr
Stimmbürgerrecht wahrgenommen. Sie sei deshalb eine "vorbildlich
Eingebürgerte". Der Beschwerdeführer 3 argumentiert, er habe jüngst die
Rekrutenschule absolviert und arbeite seither in einem Betrieb in
Winterthur-Seen. Auch er sei vollumfänglich integriert.

5.3 Gemäss Art. 41 Abs. 3 BüG erstreckt sich die Nichtigkeit auf alle
Familienmitglieder, deren Schweizer Bürgerrecht auf der nichtigerklärten
Einbürgerung beruht, sofern nicht ausdrücklich anders verfügt wird. Der Sinn
dieser Vorschrift liegt zweifelsohne darin, Einbürgerungen, die auf einer
Täuschung der Behörden beruhen, den Bestand zu verweigern. Indessen ist aus der
Formulierung dieser Vorschrift zu schliessen, dass die Nichtigerklärung der
Einbürgerung nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zwingend alle
eingebürgerten Familienmitglieder erfassen muss. Die Gesetzesmaterialien weisen
ebenfalls in diese Richtung (vgl. die Botschaft vom 9. August 1951 an die
Bundesversammlung zum Entwurf zu einem Bundesgesetz über Erwerb und Verlust des
Schweizerbürgerrechts, BBl 1951 II 669 ff., 703 Ziff. XVIII).
Art. 41 Abs. 3 BüG nennt allerdings keine Kriterien, nach denen zu beurteilen
wäre, in welchen Fällen von der Nichtigkeit der Einbürgerung der
Familienmitglieder abzusehen ist, sondern überlässt diese Frage der Praxis. Der
Vorinstanz ist insoweit zuzustimmen, als allein das Fehlen unredlichen
Verhaltens der Familienmitglieder, die in der Regel am täuschenden Verhalten
ihrer Eltern nicht mitgewirkt haben, nicht ausschlaggebend sein kann, da Art.
41 Abs. 3 BüG sonst in sein Gegenteil verkehrt würde. Im Interesse der
Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit werden die Behörden Grundsätze entwickeln
müssen, anhand derer zu beurteilen ist, in welchen Fällen die Erstreckung der
Nichtigkeit der erschlichenen Einbürgerung auf die Familienangehörigen als
angemessen resp. unangemessen zu betrachten ist. Dabei haben sich die Behörden
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von der Verfassung sowie von Sinn und Zweck des Bürgerrechtsgesetzes leiten zu
lassen. Insbesondere haben sie die Vorschriften über die Voraussetzungen zur
ordentlichen Einbürgerung (Art. 14 f. BüG) im Auge zu behalten. Liegen etwa die
Voraussetzungen zur ordentlichen Einbürgerung der betroffenen, selber bereits
mündigen Familienmitglieder offensichtlich vor, so wäre es mit Sinn und Zweck
des Bürgerrechtsgesetzes kaum vereinbar, die Nichtigkeit der erschlichenen
Einbürgerung auf die Familienmitglieder auszudehnen.

5.4 In Bezug auf die Beschwerdeführerin 2 und den Beschwerdeführer 3 ist die
Erstreckung der Nichtigkeit der Einbürgerung der Beschwerdeführerin 1 nicht
zwingend. Art. 41 Abs. 3 BüG muss im Lichte der vorstehenden Erwägung
angewendet werden. Sollten die Ausführungen in der Beschwerdeschrift bezüglich
der Integration der mittlerweile 22- und 25-jährigen und damit volljährigen
Beschwerdeführer (klagloses Verhalten, Absolvierung der militärischen
Grundausbildung, berufliche Ausbildung und Tätigkeit, Ausübung des Stimmrechts)
zutreffen, so erschiene die Erstreckung der Nichtigkeit der Einbürgerung der
Beschwerdeführerin 1 ihnen gegenüber als unverhältnismässig und mit Sinn und
Zweck des Bürgerrechtsgesetzes nicht vereinbar.
Das Bundesgericht kann diese Frage im vorliegenden Verfahren nicht
abschliessend beurteilen, da es an einer hinreichenden Sachverhaltsabklärung
durch die Vorinstanz fehlt. Jedenfalls aber genügen die in Erwägung 9 des
angefochtenen Urteils enthaltenen Ausführungen und die vom Bundesamt für
Migration in seiner Stellungnahme angegebenen Gründe nicht, um die Nichtigkeit
der Einbürgerung der Beschwerdeführerin 1 auch auf die Beschwerdeführerin 2 und
den Beschwerdeführer 3 auszudehnen.
Die Beschwerde ist bezüglich der Beschwerdeführerin 2 und des Beschwerdeführers
3 gutzuheissen und die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuem
Entscheid zurückzuweisen, wobei die Sache in Anwendung von Art. 107 Abs. 2 BGG
an das Bundesamt für Migration als erstentscheidende Behörde zurückgeht. Dieses
hat sich mit der Auslegung und Anwendung von Art. 41 Abs. 3 BüG im Sinne der
bundesgerichtlichen Erwägungen zu befassen.