Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 III 663



Urteilskopf

135 III 663

96. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y.
AG und Betreibungsamt Schaffhausen (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_515/2009 vom 5. November 2009

Regeste

Pflichten des Schuldners bei der Pfändung; Art. 91 SchKG.
Gegenstand und Umfang der Auskunftspflicht des Schuldners (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 663

BGE 135 III 663 S. 663

A. Das Betreibungsamt Schaffhausen vollzog in der gegen X. laufenden Betreibung
Nr. 1 (Gläubigerin: Y. AG) am 14. Januar 2009 die Pfändung (Pfändungsurkunde
vom 6. Februar 2009). Am 23. Februar 2009 verlangte die Gläubigerin die
Nachpfändung von 100 Inhaberaktien der A. AG, deren Alleinaktionär der
Schuldner sein soll. Am folgenden Tag lud das Betreibungsamt X. auf den 4. März
2009 zur Nachpfändung vor. Nachdem der Schuldner ausblieb, liess ihn das
Betreibungsamt am 17. März 2009 (rechtshilfeweise durch das Gemeindeammann- und
Betreibungsamt Niederglatt) einvernehmen. Auf die Frage nach 100 Inhaberaktien
der A. AG, welche gemäss Begehren der Gläubigerin zu pfänden seien, erklärte
er, keine Aktien zu besitzen; diese seien auch nicht bei seiner Mutter. Er
werde die Namen der Aktionäre nicht bekanntgeben. Mit Schreiben vom 25. März
2009 forderte das Betreibungsamt Schaffhausen X. unter Strafandrohung auf, "die
Eigentümer der Inhaberaktien der A. AG mitzuteilen".

B. Gegen diese Aufforderung gelangte X. an das Obergericht des Kantons
Schaffhausen als Aufsichtsbehörde über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen.
Er beklagte sich über das Vorgehen des Betreibungsamtes und beantragte die
Aufhebung der Aufforderung
BGE 135 III 663 S. 664
vom 25. März 2009. Mit Entscheid vom 24. Juli 2009 wies die kantonale
Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab und gab der Aufsichtsanzeige keine Folge.

C. X. ist mit als "staatsrechtliche Beschwerde" bezeichneter Eingabe vom 5.
August 2009 (Postaufgabe) an das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer
verlangt sinngemäss die Aufhebung des Entscheides der kantonalen
Aufsichtsbehörde vom 24. Juli 2009 und der Aufforderung des Betreibungsamtes
zur Auskunft vom 25. März 2009. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde in Zivilsachen ab.
(Auszug)

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

3. Im Wesentlichen wirft der Beschwerdeführer der Aufsichtsbehörde eine
Verletzung der Regeln über die Auskunftspflicht des Schuldners gemäss Art. 91
SchKG sowie von Art. 9 BV vor.

3.1 Vorliegend hat die Gläubigerin am 23. Februar 2009 die Nachpfändung von 100
Inhaberaktien der A. AG verlangt, da der Beschwerdeführer nicht nur alleiniger
Verwaltungsrat und Geschäftsführer, sondern (seit der Übernahme im Jahre 2005)
auch Alleinaktionär der AG sei. Zu Recht ist unbestritten, dass im Fall, in dem
ein Gläubiger behauptet, ein gewisser Vermögensgegenstand stehe im Eigentum des
Schuldners, dieser gegebenenfalls nachzupfänden ist (BGE 42 III 116 S. 118),
und dass die Regeln der Pfändung auch für die Nachpfändung gemäss Art. 115 Abs.
3 SchKG gelten. Der Schuldner ist daher bei Straffolge verpflichtet, seine
Vermögensgegenstände, einschliesslich derjenigen, die sich nicht in seinem
Gewahrsam befinden, anzugeben, soweit dies zu einer genügenden Pfändung nötig
ist (Art. 91 SchKG Abs. 1 Ziff. 2 SchKG).

3.2 Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers hat die Aufsichtsbehörde
nicht über die Nachpfändung der erwähnten Aktien entschieden. Anlass zur
Beschwerde gibt einzig die Frage, ob das Betreibungsamt den Beschwerdeführer
(gemäss Art. 91 Abs. 6 SchKG) bei Straffolge auf seine Pflicht aufmerksam
machen durfte, Auskunft über die 100 Inhaberaktien der A. AG zu erteilen.

3.2.1 Der Einwand des Beschwerdeführers, die Aufsichtsbehörde könne ihn nicht
zur Auskunft über "Vermögenswerte Dritter" verpflichten, geht fehl. Zwar trifft
zu, dass nur gepfändet werden darf,
BGE 135 III 663 S. 665
was dem Schuldner rechtlich gehört (BGE 105 III 107 E. 4 S. 115; AMONN/WALTHER,
Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 8. Aufl. 2008, § 23 Rz. 2
ff.). Über die Pfändbarkeit entscheidet allerdings nicht der Beschwerdeführer
als Schuldner, sondern - wie die Aufsichtsbehörde zu Recht erwogen hat - das
Betreibungsamt (JAEGER, Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 1911, N. 6 und 7
zu Art. 91 SchKG). Ebenso ist es Sache des Betreibungsamtes, eine Pfändung
unter Vormerkung von Ansprüchen Dritter vorzunehmen (Art. 106 ff. SchKG).

3.2.2 Der Beschwerdeführer übergeht, dass er als Schuldner dem Betreibungsamt
umfassend, d.h. auch bei konkreten Anfragen nach bestimmten Vermögensstücken
Auskunft zu geben hat, z.B. über Objekte, von denen der Beamte kraft eigenen
Wissens, auf Grund von Angaben seitens Dritter oder des Gläubigers Kenntnis hat
(vgl. JEANDIN, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 9 zu
Art. 91 SchKG; KUHN, Die Auskunftspflicht des Schuldners, 1956, S. 38). Die
Auskunftspflicht des Schuldners kann sich im Hinblick auf mögliche
Anfechtungsgeschäfte auch auf die sogenannte Verdachtsperiode beziehen (BGE 129
III 239 E. 3.2 S. 241 f.; Urteil 7B.109/2004 vom 17. August 2004 E. 4.2), so
dass der Schuldner dem Betreibungsbeamten auch Aufschluss z.B. über
Veräusserungen zu erteilen hat (KUHN, a.a.O., S. 61 f.). Vorliegend steht nach
dem angefochtenen Entscheid fest, dass das Betreibungsamt von der Gläubigerin
konkrete Hinweise auf mögliche pfändbare Vermögenswerte erhalten hat. Wenn die
Aufsichtsbehörde die Auskunftspflicht des Beschwerdeführers bestätigt hat,
obwohl dieser selber der Meinung ist, die 100 Inhaberaktien der A. AG gehörten
ihm nicht, kann von einer Rechtsverletzung nicht gesprochen werden.

3.2.3 Aus dem angefochtenen Entscheid geht weiter hervor, dass der
Beschwerdeführer die Auskunft über die 100 Inhaberaktien abgelehnt hat. Diese
Ablehnung der Auskunft ist eine für das Bundesgericht verbindliche
Tatsachenfeststellung (Art. 105 Abs. 1 BGG), und der Beschwerdeführer legt
nicht dar, inwiefern diese auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG
beruhe oder offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich festgestellt worden sei
(Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 133 III 393 E. 7.1 S. 398). Der Hinweis des
Beschwerdeführers, dass die Auskunft "ungeahnte Wirkungen", z.B. auf die
Privatsphäre derjenigen Personen habe, welche die betreffenden Aktien in der
Hand halten, ist unbehelflich. Das Gesetz sieht vor, dass Dritte, welche
Vermögensgegenstände des Schuldners verwahren, im
BGE 135 III 663 S. 666
gleichen Umfang wie der Schuldner auskunftspflichtig sind (Art. 91 Abs. 4
SchKG), und dass sie allenfalls ihre Ansprüche im Widerspruchsverfahren (Art.
106 ff. SchKG) geltend zu machen haben. Der Beschwerdeführer legt insoweit
nicht dar, inwiefern die Aufforderung des Betreibungsamtes, Auskunft über die
100 Inhaberaktien der A. AG zu erteilen, und der Hinweis auf die Straffolgen
eine Rechtsverletzung darstellen sollen (Art. 42 Abs. 2 BGG).

3.3 Nach dem Dargelegten ist der Vorwurf des Beschwerdeführers, die
Aufsichtsbehörde habe die Regeln über seine Pflichten als Schuldner im
Pfändungsverfahren unrichtig angewendet, unbegründet.