Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 III 585



Urteilskopf

135 III 585

85. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern (Beschwerde in
Zivilsachen)
5A_346/2009 vom 12. August 2009

Regeste

Art. 656 Abs. 2 und Art. 963 Abs. 2 ZGB; Art. 204 Abs. 1 SchKG;
ausserbuchlicher Erwerb von Grundeigentum eines konkursiten Eigentümers.
Ein ausserbuchlicher Erwerb eines Grundstücks gestützt auf ein Scheidungsurteil
kann nur dann erfolgen, wenn dem übertragenden Ehegatten im Zeitpunkt des
Eintritts der Rechtskraft des Scheidungsurteils die Verfügungsberechtigung
darüber zukommt. Dies ist nicht mehr der Fall, wenn über dessen Vermögen
bereits der Konkurs eröffnet worden ist und das betreffende Grundstück in die
Konkursmasse fällt (E. 2).

Sachverhalt ab Seite 586

BGE 135 III 585 S. 586

A.

A.a X. und Y. heirateten im Jahre 1959. Ihre gemeinsamen Kinder sind bereits
mündig und wirtschaftlich selbständig. Sie reichten dem Präsidenten 2 des
Gerichtskreises I in A. am 28./30. August 2006 ein gemeinsames
Scheidungsbegehren samt einer Konvention über die Nebenfolgen der Scheidung
ein.

A.b Am 13. November 2006 wurde über das Vermögen von X. der Konkurs
ausgesprochen. Die grundbuchliche Anmerkung auf seinen Grundstücken erfolgte
tags darauf. Der Konkurs wurde vom Obergericht des Kantons Bern am 11. Dezember
2006 bestätigt.

A.c Mit Urteil vom 17. Januar 2007 wurde die Ehe von X. und Y. geschieden und
ihre Scheidungskonvention genehmigt. Demnach soll insbesondere das Eigentum von
X. am Grundstück Nr. x und sein Anteil als Gesamteigentümer des Grundstückes
Nr. xx, beide gelegen auf dem Gebiet der Gemeinde B., an Y. übertragen werden.
Die Erwerberin verpflichtet sich zur alleinigen Übernahme der auf beiden
Grundstücken lastenden Grundpfandschulden. Das Scheidungsurteil ist am 29.
Januar 2007 in Rechtskraft erwachsen.

A.d Am 5. Februar 2007 gelangte der Präsident 2 an das Kreisgrundbuchamt A. zur
Vornahme der Eigentumsübertragung gemäss gerichtlich genehmigter Konvention.
Das Gesuch wurde mit Verfügung vom 12. Februar 2007 abgewiesen, da über das
Vermögen von X. zwischenzeitlich der Konkurs eröffnet worden sei.

B. X. focht die grundbuchamtliche Abweisungsverfügung erfolglos bei der
Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern an. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, an welches X. daraufhin gelangte, wies
seine Beschwerde am 24. März 2009 ebenfalls ab.
BGE 135 III 585 S. 587

C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 15. Mai 2009 ist X. (fortan:
Beschwerdeführer) an das Bundesgericht gelangt. Er verlangt die Aufhebung des
Urteils des Verwaltungsgerichtes. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt
worden. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Frage nach dem Verfügungsrecht
des Beschwerdeführers über sein Grundeigentum.

2.1 Zum Erwerb von Grundeigentum bedarf es der Eintragung in das Grundbuch
(Art. 656 Abs. 1 ZGB). Grundbuchliche Verfügungen, wie Eintragung, Änderung und
Löschung, dürfen in allen Fällen nur aufgrund eines Ausweises über das
Verfügungsrecht und den Rechtsgrund vorgenommen werden (Art. 965 Abs. 1 ZGB).
Das Verfügungsrecht steht dem Gesuchsteller zu, der sich nach Massgabe des
Grundbuches im Zeitpunkt der Grundbuchanmeldung als verfügungsberechtigte
Person erweist oder von dieser eine Vollmacht erhalten hat (Art. 965 Abs. 2
ZGB; Art. 15 Abs. 2 der Verordnung vom 22. Februar 1910 betreffend das
Grundbuch [GBV; ST 211.432.1]; JÜRG SCHMID, in: Basler Kommentar,
Zivilgesetzbuch, Bd. II, 3. Aufl. 2007, N. 35 zu Art. 963 ZGB). Der Rechtsgrund
wird durch die Einhaltung der für dessen Gültigkeit erforderlichen Form
nachgewiesen (Art. 965 Abs. 3 ZGB; Art. 18 Abs. 1 GBV). Wird der
Eigentumsübergang gerichtlich angeordnet, so erfolgt er ausserbuchlich und
bereits mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils (Art. 656 Abs. 2 ZGB; Art. 18
Abs. 2 lit. d GBV). Eine entsprechende Erklärung des Eigentümers braucht es in
diesem Fall nicht (Art. 963 Abs. 2 ZGB). Hingegen kann der Erwerber über das
Grundstück erst nach Eintrag in das Grundbuch verfügen (Art. 656 Abs. 2 ZGB).

2.2 Der massgebende Zeitpunkt für den Nachweis des Verfügungsrechts ist somit
beim buchlichen Erwerb die Anmeldung der Eintragung im Grundbuch und beim
ausserbuchlichen Erwerb infolge eines Gerichtsurteils dessen Eintritt der
Rechtskraft. Im vorliegenden Fall soll der Übergang des Grundeigentums aufgrund
einer gerichtlich genehmigten Scheidungskonvention erfolgen, welche in das
Dispositiv des Scheidungsurteils aufgenommen wurde und damit zu dessen
Bestandteil geworden ist (Art. 140 Abs. 1 ZGB; Urteil 5A_599/2007 vom 2.
Oktober 2008 E. 6.1;
BGE 135 III 585 S. 588
SUTTER/FREIBURGHAUS, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, 1999, N. 56 zu Art.
140 ZGB). Dieser Entscheid ist am 29. Januar 2007 rechtskräftig geworden.
Damals - und nicht im Moment der Anmeldung durch den Scheidungsrichter - ist Y.
Eigentümerin der beiden von der Konvention erfassten Grundstücke geworden.
Vorauszusetzen ist allerdings, dass der Beschwerdeführer dann noch
verfügungsberechtigt war. Dies ist an sich der Fall, da er dannzumal als
Eigentümer der hier interessierenden Grundstücke im Grundbuch eingetragen war.

2.3 Bereits zuvor, nämlich am 11. Dezember 2006, wurde allerdings
zweitinstanzlich über das Vermögen des Beschwerdeführers der Konkurs
ausgesprochen. Zwar bleibt der Konkursit bis zum Abschluss der Verwertung
Eigentümer seines Vermögens, das in die Masse fällt. Indes steht das
Verfügungsrecht über sein Vermögen nicht mehr ihm, sondern ausschliesslich der
Konkursverwaltung zu. Demzufolge sind Rechtshandlungen des Konkursiten in Bezug
auf Gegenstände der Konkursmasse gegenüber den Konkursgläubigern ungültig (Art.
204 Abs. 1 SchKG; BGE 121 III 28 E. 3 S. 30; HEINER WOHLFART, in: Kommentar zum
Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 1998, N. 24 zu Art. 204
SchKG; STÖCKLI/POSSA, in: Kurzkommentar SchKG, 2009, N. 1 zu Art. 204 SchKG).
Der Beschwerdeführer konnte ab diesem Moment über sein Grundeigentum nicht mehr
rechtsgültig verfügen. Um dies zu verhindern, sieht das Gesetz die
grundbuchliche Anmerkung des Konkurses vor (Art. 80 Abs. 9 GBV).

2.4 Zudem sind als Folge der Konkurseröffnung Zivilprozesse, in denen der
Konkursit Partei ist und die den Bestand der Konkursmasse berühren,
einzustellen (Art. 207 Abs. 1 SchKG; BGE 133 III 377 E. 5 S. 379 ff.). Diese
Regelung kennt eine Reihe von Ausnahmen, wozu auch die familienrechtlichen
Verfahren gehören (STÖCKLI/POSSA, a.a.O., N. 26 zu Art. 207 SchKG). Hingegen
ist die Beurteilung güterrechtlicher Ansprüche im Rahmen eines
Scheidungsverfahrens nach Konkurseröffnung auszusetzen, sofern der Ausgang des
Verfahrens die Konkursmasse betreffen könnte (vgl. Urteil 5C.180/1996 vom 15.
Mai 1997 E. 2b, zu aArt. 207 SchKG). Ob diese Praxis auch unter neuem Recht
gilt, ist in der Lehre umstritten (pro: ISABELLE ROMY, in: Commentaire romand,
Poursuite et faillite, 2005, N. 29 zu Art. 207 SchKG; contra: HEINER WOHLFART,
a.a.O., N. 37 zu Art. 207 SchKG). Gegebenenfalls müsste auch die Genehmigung
einer Scheidungskonvention nach
BGE 135 III 585 S. 589
Art. 140 ZGB ausgesetzt werden. Wie der Scheidungsrichter hier im Einzelnen
vorzugehen hatte, insbesondere über welche Fragen er nach Konkurseröffnung noch
befinden durfte und welche Bedeutung der Scheidungskonvention für die
betroffenen Parteien zukommt, bildet nicht Gegenstand des vorliegenden
Verfahrens. Entscheidend ist im vorliegenden Fall einzig, dass das in der
gerichtlich genehmigten Scheidungskonvention aufgeführte Grundeigentum des
Konkursiten ohne Zustimmung der Konkursverwaltung nicht mehr übertragen werden
konnte. Die Vorinstanz kommt in ihrem einlässlich begründeten Urteil zu
ebendiesem Ergebnis.

2.5 Der Beschwerdeführer besteht demgegenüber weiterhin auf einer Übertragung
von Grundeigentum an seine vormalige Ehegattin. Seiner Ansicht nach war der
Richter zur Grundbuchanmeldung befugt und seine Anordnung gründete keineswegs
auf einem nichtigen Entscheid. Demzufolge hätte die Eigentumsübertragung
vorgenommen werden müssen. Mit seinen Vorbringen zur formellen und materiellen
Prüfungsbefugnis des Grundbuchbeamten zielt der Beschwerdeführer an der Sache
vorbei. Es kommt vorliegend einzig darauf an, inwieweit über einen
Vermögenswert, der in die Konkursmasse fällt, nach Aussprechung des Konkurses
noch verfügt werden kann. Die Vorinstanz hat zu Recht darauf hingewiesen, dass
die Konkurseröffnung - unabhängig von der entsprechenden Anmerkung im Grundbuch
- gegenüber jedermann gelte und vom Grundbuchbeamten von Amtes wegen zu
beachten sei. Ohne Zustimmung der Konkursverwaltung dürfe keine
Eigentumsübertragung vorgenommen werden. Dies ergebe sich aus Art. 204 Abs. 1
SchKG. Wenn der Beschwerdeführer nun meint, nur die Gläubiger oder der
Konkursverwalter könnten sich auf die konkursrechtliche Verfügungsbeschränkung
berufen, verkennt er die Tragweite des Konkurserkenntnisses. Soweit er zudem
von einem ausserbuchlichen Erwerb am 20. Januar 2009 (recte: wohl am 29. Januar
2007) ausgeht, blendet er aus, dass der Konkurs über sein Vermögen bereits am
11. Dezember 2006 rechtskräftig geworden ist. Nicht gefolgt werden kann auch
seiner Auslegung von Art. 204 Abs. 2 ZGB. Diese Bestimmung besagt, dass die
Auflösung des Güterstandes bei einer Scheidung auf den Tag zurückbezogen wird,
an dem das Begehren eingereicht wurde. Bei der güterrechtlichen
Auseinandersetzung geht es vorerst darum, festzuhalten, welche Vermögenswerte
vorhanden sind und in welche Masse diese gehören. Stand den Ehegatten unter dem
Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung bisher
BGE 135 III 585 S. 590
nur die Anwartschaft auf einen Anteil am Vorschlag des andern zu, so wandelt
sich diese in eine noch nicht bestimmte und noch nicht fällige Forderung. Deren
genaue Höhe erfordert eine gegenseitige Klärung und Bewertung der Ansprüche
(DESCHENAUX UND ANDERE, Les effets du mariage, 2000, S. 501 N. 1226 f.; HEINZ
HAUSHEER UND ANDERE, Berner Kommentar, 1992, N. 11 zu Art. 204 ZGB). Die vom
Beschwerdeführer erwähnte Wirkung von Art. 204 Abs. 2 ZGB gegenüber Dritten
beschlägt im Wesentlichen das Haftungssubstrat des ehelichen Vermögens.
Ungeachtet dessen Festlegung und damit der Frage, ob die Ehegatten bereits mit
dem Scheidungsbegehren dem Güterstand der Gütertrennung unterstehen oder ob sie
bis zum Scheidungsurteil noch unter dem bisherigen Güterstand der
Errungenschaftsbeteiligung verbleiben (vgl. zu dieser Kontroverse: HEINZ
HAUSHEER UND ANDERE, a.a.O., N. 27 ff. zu Art. 204 ZGB), steht ihnen jetzt ein
obligatorischer Anspruch auf den Vorschlagsanteil und kein dingliches Recht an
einem einzelnen Gegenstand zu. Damit entfällt auch die Möglichkeit, einen von
der güterrechtlichen Auseinandersetzung erfassten Vermögenswert ausserbuchlich
zu erwerben. Schliesslich verweist der Beschwerdeführer auf das Schreiben des
Konkursamtes vom 18. Januar 2007 und will daraus die Zustimmung für die in
Frage stehende Eigentumsübertragung ableiten. Die Lektüre dieses Dokumentes
ergibt indessen, dass das Konkursamt - wie der Beschwerdeführer - von einer
unzutreffenden Auslegung des Art. 204 Abs. 2 ZGB ausgegangen ist. Damit konnte
es auch nicht konkrete Eigentumsansprüche der Ehefrau anerkennen. Zudem machte
das Konkursamt einen Vorbehalt hinsichtlich der Rechte der Gläubiger nach Art.
253 SchKG und der Abtretung bestrittener Forderungen nach Art. 260 SchKG.
Selbst wenn man das genannte Schreiben des Konkursamtes als Zustimmung zu einer
Eigentumsübertragung und damit als Bestandteil der Anmeldung verstehen möchte,
hätte diese unbedingt und vorbehaltlos erfolgen müssen (Art. 12 Abs. 1 GBV). Da
dieses gesetzliche Erfordernis nicht erfüllt war, musste der Grundbuchverwalter
die Anmeldung abweisen (Art. 24 Abs. 1 GBV). Eine vorläufige Eintragung kam
nicht in Frage, da es sich nicht um eine blosse Ergänzung des Ausweises über
das Verfügungsrecht handelte (Art. 966 Abs. 2 ZGB; ARTHUR HOMBERGER, Zürcher
Kommentar, 2. Auflage 1938, N. 8 zu Art. 966 ZGB; HENRI DESCHENAUX, Das
Grundbuch, SPR Bd. V/3.I, 1988, S. 531/532).