Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 III 433



Urteilskopf

135 III 433

65. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B.
(Beschwerde in Zivilsachen)
4A_398/2007 vom 23. April 2009

Regeste

Art. 160 Abs. 1 OR; Inhalt der Konventionalstrafe; Bestimmtheit der
strafbewehrten Pflichten.
Als Konventionalstrafe kann sowohl eine positive Leistung als auch ein
Rechtsverlust vereinbart werden, z.B. die Reduktion einer Kaufpreisforderung
(Änderung der Rechtsprechung; E. 3).
Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot findet bei der Umschreibung der
strafbewehrten Pflichten keine Anwendung; Generalklauseln, nach denen für jede
Vertragsverletzung eine Strafe geschuldet ist, sind zulässig (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 434

BGE 135 III 433 S. 434

A.

A.a B. (Beschwerdegegner) führte über Jahrzehnte eine zahnärztliche Praxis in
Zürich. Im Hinblick auf die Aufgabe seiner Berufstätigkeit schloss er am 31.
Dezember 1999 mit A. (Beschwerdeführerin) einen Praxisübernahmevertrag ab, mit
dem er sich zur Übertragung seiner Praxis einschliesslich der gesamten
Patientenkartei (Ziff. 5 Abs. 1 des Vertrags) verpflichtete.

A.b Im Rahmen der Praxisübergabe kam es zu Differenzen zwischen den Parteien,
insbesondere wegen angeblich negativer Äusserungen des Beschwerdegegners über
die Beschwerdeführerin gegenüber Patienten. Infolgedessen modifizierten die
Parteien am 19. Juli 2001 den ursprünglichen Praxisübernahmevertrag mit einer
Änderungsvereinbarung, deren Ziffern 3.1 und 3.2 wie folgt lauten:
"3.1 In Abänderung von Ziff. 3 des Kaufvertrages vereinbaren die Parteien als
Restzahlung aus der Praxisübernahme für die Jahre 2000 und 2001 den Betrag von
CHF 690'000.-, zahlbar in zwei Raten wie folgt: CHF 350'000.- bis spätestens am
30. Juli 2001; CHF 340'000.- bis spätestens 28. Februar 2002.
3.2 Diese Zahlung steht unter der Bedingung, dass sich beide Parteien getreu
und vertragsgemäss verhalten.
Insbesondere wird Dr. B. im Sinne von Ziff. 5 des Kaufvertrages dafür besorgt
sein, dass die von ihm behandelten Patienten bei Dr. A.
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eingeführt und von dieser weiter behandelt werden. Er wird sich jeglicher
Abwerbung enthalten.
Beide Parteien verpflichten sich, sich jeglicher Kritik an der Person oder an
der Arbeit der anderen Partei zu enthalten.
Dr. A. dankt Dr. B. für die geleistete Arbeit und sichert zu, die übernommenen
Patienten fachgerecht weiterzubehandeln."
Die erste Rate von Fr. 350'000.- bezahlte die Beschwerdeführerin fristgerecht
am 30. Juli 2001.

A.c In der Folge ergaben sich jedoch weitere Differenzen zwischen den Parteien,
namentlich bezüglich der Frage, ob der Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin
sämtliche Patientendaten ordnungsgemäss übergeben habe. Mit Schreiben vom 9.
Oktober 2001 setzte die Beschwerdeführerin dem Beschwerdegegner Frist bis am
17. Oktober 2001, um unter anderem alle Patientenkarten und alle vom Computer
heruntergeladenen Dateien in die Praxis zurückzubringen. Der Beschwerdegegner
brachte hierauf einen Teil der zurückbehaltenen Patientenkarten zurück,
entfernte im gleichen Zug jedoch die Datenbank-Software "C." vom Computer der
Beschwerdeführerin.
Daraufhin teilte ihm die Beschwerdeführerin mit, er habe nicht getreu und
vertragsgemäss gehandelt, weshalb die Bedingungen für die zweite Zahlung zur
Zeit nicht erfüllt seien. Sie bestehe auf der vollständigen Rückgabe aller
Sachen, namentlich der Datenbank-Software sowie noch fehlender
Patientenunterlagen.
Im Januar 2002 liess der Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin eine
Backup-Kopie der Datenbank-Software "C." zukommen.
Die zweite Kaufpreisrate in der Höhe von Fr. 340'000.-, die gemäss der
Vereinbarung vom 19. Juli 2001 am 28. Februar 2002 fällig geworden wäre,
bezahlte die Beschwerdeführerin nicht.

B.

B.a Am 20. Juni 2002 klagte der Beschwerdegegner gegen die Beschwerdeführerin
beim Bezirksgericht Zürich auf Zahlung der ausstehenden Kaufpreisrate nebst
Zins sowie Betreibungskosten. Mit Urteil vom 7. April 2006 wies das
Bezirksgericht die Klage ab.

B.b Dagegen erhob der Beschwerdegegner Berufung beim Obergericht des Kantons
Zürich mit dem Antrag, das Urteil des Bezirksgerichts sei aufzuheben und die
Klage sei gutzuheissen. Mit Urteil vom 21. August 2007 hiess das Obergericht
die Klage gut und verurteilte die Beschwerdeführerin zur Zahlung von Fr.
340'000.- nebst Zins.
BGE 135 III 433 S. 436
Das Obergericht kam zum Schluss, dass Ziff. 3.2 Abs. 1 der Vereinbarung vom 19.
Juli 2001 entgegen der Auffassung der ersten Instanz und der Beschwerdeführerin
die Pflicht zur Zahlung der letzten Kaufpreisrate nicht beeinträchtige. Diese
Klausel enthalte weder eine auflösende Bedingung noch eine wirksame
Vereinbarung einer Konventionalstrafe. Zudem habe der Beschwerdegegner den
Vertrag mit der Beschwerdeführerin nicht verletzt.

C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 1. Oktober 2007 beantragt die
Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, es sei das Urteil des Obergerichts des
Kantons Zürich aufzuheben und die Klage abzuweisen. Eventualiter sei die Sache
zu neuem Entscheid an das Obergericht zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin schliesst in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung der
Beschwerde. Das Obergericht verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, hebt das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 21. August 2007 auf und weist die Sache zur
Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

3. Die Beschwerdeführerin beanstandet die Erwägung der Vorinstanz, dass Ziff.
3.2 Abs. 1 der Vereinbarung vom 19. Juli 2001 schon nur deshalb keine
Resolutivbedingung enthalten könne, weil getreues und vertragsgemässes
Verhalten nicht zum Gegenstand einer Bedingung gemacht werden könne. Sie rügt,
damit würden die Vertragsinhaltsfreiheit (Art. 19 Abs. 1 OR) sowie die Normen
des Bedingungsrechts (Art. 151 ff. OR) verletzt.

3.1 Bedingt ist ein Vertrag, wenn seine Wirksamkeit oder einzelne seiner
Wirkungen von einem nach den Vorstellungen der Parteien ungewissen zukünftigen
Ereignis abhängen, wenn die Verpflichtung des Schuldners im Grundsatz und nicht
bloss hinsichtlich des Erfüllungszeitpunkts noch ungewiss ist (Art. 151 Abs. 1
OR; vgl. BGE 122 III 10 E. 4b S. 15 f.). Zum Gegenstand der Bedingung können
sowohl vom Willen der Parteien unabhängige als auch davon abhängige Ereignisse
gemacht werden. Im ersten Fall spricht man von kasuellen Bedingungen, im
letzteren von Potestativbedingungen (statt aller HEINRICH HONSELL, in: OR, Art.
1-529, Kurzkommentar; ders. [Hrsg.], 2008, N. 2 zu Art. 151 OR). Weist die
Bedingung sowohl
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potestative als auch kasuelle Elemente auf, ist sie gemischt ("condition
mixte"; BGE 41 II 132 E. 2 S. 135).
Auch das vertragsgemässe Verhalten kann als willensabhängiges Ereignis zum
Gegenstand einer Potestativbedingung gemacht werden. Vertragsgemässes Verhalten
heisst Unterlassen vertragswidrigen Verhaltens. Ist das Leistungsversprechen
des Schuldners aber vom Eintritt der ungewissen Tatsache abhängig, dass dieser
die Hauptleistung nicht, schlecht oder spät erbringt, handelt es sich dabei um
eine Konventionalstrafe (vgl. BGE 122 III 420 E. 2a S. 422; BERNHARD BERGER,
Allgemeines Schuldrecht, 2008, Rz. 1779). Die Funktion eines solchermassen
bedingten Leistungsversprechens besteht primär darin, das Interesse der
Gläubigerin an der Vertragsdurchführung zu sichern (ALFRED KOLLER,
Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2009, § 81 Rz.
15; MICHEL MOOSER, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2003,
N. 2 zu Art. 160 OR; PIERRE TERCIER, Le droit des obligations, 3. Aufl. 2004,
Rz. 1255; vgl. auch Art. 1226 des französischen Code civil: "La clause pénale
est celle par laquelle une personne, pour assurer l'exécution d'une convention,
s'engage à quelque chose en cas d'inexécution"). Der Schuldner soll mithin in
verstärktem Masse zur Vertragstreue angehalten werden (BERNHARD BERGER, a.a.O.,
Rz. 1780). Zudem verbessert die Konventionalstrafe die Rechtsstellung der
Gläubigerin insofern, als sie vom Schadensnachweis befreit wird. Denn die
Konventionalstrafe ist ohne gegenteilige Abrede auch dann verfallen, wenn der
Gläubigerin kein Schaden entstanden ist (vgl. Art. 161 Abs. 1 OR; BGE 122 III
420 E. 2a S. 422).

3.2 Die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass entgegen den Ausführungen der
Vorinstanz auch vertragsgemässes Verhalten, d.h. das Unterlassen einer
Vertragsverletzung zum Gegenstand einer (Potestativ-)Bedingung gemacht werden
kann, trifft grundsätzlich zu. Allerdings finden nach dem Gesagten auf
solchermassen bedingte Leistungsversprechen nicht die Art. 151 ff. OR
Anwendung, sondern die Regeln über die Konventionalstrafe.
Die Beschwerdeführerin macht unter Hinweis auf BGE 80 II 123 E. 3 freilich
geltend, dass Ziff. 3.2 Abs. 1 der Vereinbarung vom 19. Juli 2001, wonach die
Zahlung des Restkaufpreises unter der Bedingung des getreuen und
vertragsgemässen Parteiverhaltens steht, schon nur deshalb keine
Konventionalstrafe regeln könne, weil darin keine Pflicht zu einer positiven
Leistung vereinbart werde, sondern ein Verlust von Ansprüchen.
BGE 135 III 433 S. 438
3.3 Das Bundesgericht hat in dem von der Beschwerdeführerin angerufenen
Entscheid die statutarisch vorgesehene Verwirkung des Rentenanspruchs gegen
eine Pensionskasse bei Verletzung von Mitgliederpflichten nicht als
Konventionalstrafe qualifiziert mit der Begründung, dass das Versprechen einer
(positiven) Leistung für eine Konventionalstrafe begriffswesentlich sei (BGE 80
II 123 E. 3 S. 132).
Dieser Rechtsprechung ist in der Lehre verbreitet Kritik erwachsen. Ein Teil
der Lehre hält es für unerheblich, ob die Strafleistung in einem Geldtransfer
oder einem Rechtsverlust besteht; entscheidend sei die wirtschaftliche
Gleichwertigkeit (HANS MICHAEL RIEMER, Konventionalstrafen in Gestalt von
Verfall- oder Verwirkungsklauseln, in: Hundert Jahre Schweizerisches
Obligationenrecht, 1982, S. 450 f.). Wirtschaftlich entspreche das Versprechen
einer bestimmten Geldsumme einem Verzicht auf die gleiche Summe (PIERRE ENGEL,
Traité des obligations en droit suisse, 2. Aufl. 1997, S. 862; GASPARD
COUCHEPIN, La clause pénale, 2008, Rz. 984; EUGEN BUCHER, Schweizerisches
Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1989, S. 522 f., Fn. 6 f.). Die
drohende Verwirkung von Rechten könne die Funktion der Gläubigersicherung
ebenso wahrnehmen wie eine drohende Zahlungspflicht (GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER,
Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 9. Aufl. 2008, Bd. II, Rz.
3790; COUCHEPIN, a.a.O. Rz. 984). Zudem spreche gerade der Zweck von Art. 163
Abs. 3 OR, wonach der Richter übermässig hohe Konventionalstrafen nach seinem
Ermessen herabzusetzen hat, für eine Gleichbehandlung; denn es sei nicht
einzusehen, weshalb ein Schuldner nur im Falle eines positiven
Leistungsversprechens und nicht auch bei der Übernahme eines Rechtsnachteils
vor unverhältnismässiger Härte geschützt sein solle (CLAIRE HUGUENIN,
Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2008, Rz. 1209). Schliesslich
sehen einige Autoren gerade in der Reduktion eines Kaufpreises einen
Anwendungsfall einer Konventionalstrafe (ENGEL, a.a.O., S. 862; BUCHER, a.a.O.,
S. 523, Fn. 7; HERMANN BECKER, Berner Kommentar, 1913, N. 3 zu Art. 160 OR).
Dies entspricht zudem auch der Rechtslage in benachbarten Rechtsordnungen (für
das italienische Recht vgl. die Urteile der italienischen Corte di Cassazione
vom 7. Juni 1966, Ziff. 1489 und vom 8. August 1962, Ziff. 2454, wonach
Gegenstand einer Konventionalstrafe ein Verlust von Rechten ["decadenza di
diritti"] bzw. eine Befreiung des Gläubigers von einer Schuld gegenüber dem
Schuldner der Konventionalstrafe ["liberazione del creditore da un proprio
debito"] sein könne; Gleiches gilt im deutschen
BGE 135 III 433 S. 439
Recht: vgl. statt aller PETER GOTTWALD, in: Münchener Kommentar zum
Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 2, 5. Aufl. 2007, N. 27 ff. vor § 339 BGB, N. 1 zu
§ 343 BGB). Weiter wird in der schweizerischen Literatur auch vertreten, dass
auf einen Rechtsverlust, der an einen Nichterfüllungstatbestand geknüpft ist,
die Bestimmungen über die Konventionalstrafe zwar nicht direkt, aber immerhin
analog Anwendung finden (KOLLER, a.a.O., § 81 Rz. 6; ROLAND BENTELE, Die
Konventionalstrafe nach Art. 160-163 OR, 1994, S. 131 ff.; MEHMET ERDEM, La
clause pénale, 2006, S. 42).

3.4 Die Einwände der nahezu einhelligen Lehre gegen die seit mehr als 50 Jahren
nicht mehr bestätigte Rechtsprechung überzeugen. Eine Konventionalstrafe kann
sowohl in einer Vermehrung der Passiven wie auch in einer Verminderung der
Aktiven bestehen. Somit sind auf einen Forderungsverlust, der an einen
Nichterfüllungstatbestand geknüpft ist, die Bestimmungen über die
Konventionalstrafe anwendbar. Dies bedeutet insbesondere, dass die Höhe des
Forderungsverlustes der richterlichen Herabsetzung gemäss Art. 163 Abs. 3 OR
untersteht, sofern sie sich als übermässig erweist.

3.5 Die Vorinstanz ist zutreffend zum Schluss gelangt, dass die Art. 151 ff. OR
über die Bedingungen auf Ziff. 3.2 Abs. 1 der Vereinbarung vom 19. Juli 2001
keine Anwendung finden, und hat zu Recht geprüft, ob die Klausel die
Voraussetzungen einer wirksamen Konventionalstrafe aufweist.

4. Für den Fall, dass auf die Klausel von Ziff. 3.2 Abs. 1 der Vereinbarung vom
19. Juli 2001 die Bestimmungen über die Konventionalstrafe Anwendung finden,
macht die Beschwerdeführerin geltend, die Strafabrede sei entgegen der
Auffassung der Vorinstanz gültig.

4.1 Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass eine Strafabrede in Anlehnung an den
Grundsatz nulla poena sine lege so klar zu formulieren sei, dass dem
Pflichtigen die Folgen seines vertragswidrigen Verhaltens ohne weiteres klar
seien. Die Klausel gemäss Ziff. 3.2 Abs. 1 der Vereinbarung vom 19. Juli 2001
genüge diesen Anforderungen jedoch in mehrfacher Hinsicht nicht: Zum einen
werde darin das Wort "Konventionalstrafe" nicht verwendet; zum anderen sei die
Verpflichtung, sich "getreu und vertragsgemäss" zu verhalten, zu allgemein, um
Grundlage einer Vertragsstrafe zu bilden.

4.2 Eine Konventionalstrafe ist zwar eine Sanktion für ein vertragswidriges
Verhalten; mit einer Strafe für kriminelles Unrecht ist sie
BGE 135 III 433 S. 440
aber nicht vergleichbar. Das Prinzip nulla poena sine lege, das dem
Strafanspruch des Staates Schranken setzt, findet auf autonom gestaltete
Rechtsverhältnisse zwischen Privaten keine Anwendung. Es steht vielmehr im
Belieben der Parteien, wie sie das Verhalten, welches sie mit Vertragsstrafe
bewehren wollen, umschreiben. Sie können namentlich auch Generalklauseln
vereinbaren, nach denen Strafe für jede vertragliche Pflichtverletzung
geschuldet ist, um so einen allgemeinen Druck in Richtung vertragskonformes
Verhalten zu erzeugen (vgl. BENTELE, a.a.O., S. 45; ERDEM, a.a.O., S. 63;
weiter auch STAUDINGER/RIEBLE, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Stand:
Mai 2004, N. 85 vor § 339 BGB). Die Auslegung solcher Generalklauseln richtet
sich nach Art. 18 OR (vgl. dazu BGE 132 III 24 E. 4 S. 27 f. mit Hinweisen).

4.3 Ziff. 3.2 Abs. 1 der Vereinbarung vom 19. Juli 2001 stellt die Zahlung der
letzten beiden Kaufpreisraten unter die Bedingung des "getreuen und
vertragsgemässen" Verhaltens "beide[r] Parteien". Obwohl diese Klausel nach
ihrem Wortlaut auf das vertragsgemässe Verhalten beider Parteien hinwirken
soll, sanktioniert sie letztlich nur eine Vertragsverletzung des Verkäufers;
denn nur dieser wird in seinem Vermögen getroffen, wenn die Zahlung der letzten
beiden Kaufpreisraten wegen vertragswidrigen Verhaltens entfällt. Aus dem
systematischen Zusammenhang von Ziff. 3.2, namentlich aus deren Abs. 2, der auf
Ziff. 5 des ursprünglichen Praxisübernahmevertrages vom 19. März 1999 verweist,
ergibt sich denn auch, dass die Klausel in erster Linie auf die Sicherung der
Vertragstreue des Beschwerdegegners abzielt. Danach wird der Beschwerdeführerin
ohne Schadensnachweis ein Teil des Kaufpreises erlassen, wenn der
Beschwerdegegner namentlich seine Pflicht zur Übertragung des Patientenstammes
und der Praxiseinrichtung sowie die Pflicht zur Einführung der Patienten bei
der Beschwerdeführerin verletzt. Ziff. 3.2 Abs. 1 weist somit die typischen
Funktionen einer Konventionalstrafe auf, welche das vertragsgemässe Verhalten
des Verkäufers absichert. Dass sie nicht ausdrücklich als solche bezeichnet
wurde, schadet nichts (Art. 18 Abs. 1 OR). Aus dem systematischen Zusammenhang
der Klausel lässt sich ohne weiteres der Pflichtenkreis erschliessen, den die
Parteien mit einer Vertragsstrafe bewehrt haben. Gründe, an der Wirksamkeit der
Strafabrede zu zweifeln, sind nicht ersichtlich.

4.4 Die Beschwerde erweist sich damit insoweit als begründet, als die
Vorinstanz der Ziff. 3.2 Abs. 1 der Vereinbarung vom 19. Juli
BGE 135 III 433 S. 441
2001 die Wirksamkeit wegen angeblich fehlender Bestimmtheit des
strafauslösenden Verhaltens bzw. mangels ausdrücklicher Bezeichnung als
Konventionalstrafe versagt hat.