Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 III 40



Urteilskopf

135 III 40

6. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y.,
als ausseramtlicher Konkursverwalter im Konkurs der B. AG (Beschwerde in
Zivilsachen)
5A_222/2008 vom 23. September 2008

Regeste

Anerkennung des ausländischen Konkursdekretes (Art. 166 ff. IPRG);
Prozessführungsbefugnis einer ausländischen Konkursmasse. Frage, ob ein
ausländischer Konkursverwalter im Konkurs des Schuldners in der Schweiz eine
Forderung eingeben und ein Beschwerdeverfahren (Art. 17 ff. SchKG) weiterführen
kann (E. 2).

Sachverhalt ab Seite 40

BGE 135 III 40 S. 40
Über die A. GmbH & Co. KG mit Sitz in Frankfurt am Main wurde mit Beschluss des
dortigen Amtsgerichts vom 19. März 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet. X.
wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 29. April 2002 eröffnete der
Konkursrichter des Bezirksgerichts Bülach den Konkurs über die B. AG mit Sitz
in Wallisellen. X. meldete in diesem Verfahren eine Forderung der A. GmbH & Co.
KG von 639'936.42 EURO an.
Der ausseramtliche Konkursverwalter der B. AG in Liquidation erliess am 30.
April 2007 die Kollokationsverfügung Nr. 12. Er trat
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auf die Forderungseingabe von X. nicht ein, eventualiter wies er sie wegen
fehlender Aktivlegitimation ab. Die angemeldete Forderung wurde zum Wert der
Konkurseröffnung in Fr. 932'771.35 umgerechnet und eventualiter nach Bestand,
Höhe und Rang bestritten und daher abgewiesen. Der Kollokationsplan der B. AG
in Liquidation wurde im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) vom 4. Mai 2007
publiziert.
Mit Verfügung des Konkursrichters des Bezirksgerichts Bülach vom 2. August 2007
wurde der Insolvenzeröffnungsbeschluss über die A. GmbH & Co. KG mit Sitz in
Frankfurt für die ganze Schweiz anerkannt und zugleich über das hier gelegene
Vermögen der Konkurs gemäss Art. 166 ff. IPRG (SR 291) eröffnet. Die
Publikation im SHAB erfolgte am 17. August 2007. Das IPRG-Konkursverfahren wird
vom Konkursamt Wallisellen durchgeführt.
Das Bezirksgericht Bülach als untere kantonale Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen wies die von X. gegen die
Kollokationsverfügung Nr. 12 erhobene Beschwerde am 6. November 2007 ab. Der
gegen den bezirksgerichtlichen Beschluss von X. daraufhin erhobene Rekurs wurde
vom Obergericht des Kantons Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen am 18. März 2008 ebenfalls abgewiesen.
Über die von der Insolvenzmasse A. GmbH & Co. KG, Frankfurt am Main, und X. als
Insolvenzverwalter am 23. Mai 2007 beim Bezirksgericht Bülach gegen die B. AG
in Liquidation eingereichte Kollokationsklage ist bisher kein Entscheid
ergangen.
X. ist mit Beschwerde in Zivilsachen vom 9. April 2008 an das Bundesgericht
gelangt. Der Beschwerdeführer beantragt, den Beschluss der oberen kantonalen
Aufsichtsbehörde aufzuheben, den Kollokationsplan der B. AG in Liquidation
dahingehend abzuändern, dass auf seine Forderungsanmeldung eingetreten werde,
und die angefochtene Kollokationsverfügung Nr. 12 im Übrigen aufzuheben. Der
ausseramtliche Konkursverwalter sei zu verpflichten, die Forderungsanmeldung
materiell zu prüfen, den Kollokationsplan neu aufzulegen und eine allfällige
Abweisung der Forderung zu begründen. Eventualiter sei dem Konkursamt
Wallisellen Frist anzusetzen zur Erklärung, ob es in das vorliegende
Beschwerdeverfahren eintreten wolle.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2. Anlass der vorliegenden Beschwerde bildet die Frage nach dem Vorgehen,
welches im Hinblick auf Anmeldung einer Forderung einer ausländischen
Gesellschaft (als Gläubigerin), über die an ihrem Sitz ein Insolvenzverfahren
eröffnet worden ist, im Konkursverfahren gegen einen Schuldner in der Schweiz
zu wählen ist.

2.1 Die Vorinstanz hat auf die unterschiedlichen Folgen einer direkten (durch
den ausländischen Insolvenzverwalter erfolgenden) Forderungsanmeldung im
schweizerischen Konkursverfahren und derjenigen einer Forderungsanmeldung durch
die (schweizerische) Konkursverwaltung in einem Anschlusskonkurs gemäss Art.
166 ff. IPRG im Hinblick auf eine allfällige Dividende hingewiesen. Die damit
verbundenen Fragen seien schwerpunktmässig materiell-rechtlicher Natur und
daher ausschliesslich im Rahmen der Kollokationsklage zu beantworten. Nicht
strittig sei vorliegend die ausschliesslich im Verfahrensrecht geregelte
Rechtsstellung des ausländischen Insolvenzverwalters. Die obere
Aufsichtsbehörde hat geschlossen, dass auf die Beschwerde an die Erstinstanz
daher nicht einzutreten gewesen wäre.

2.2 Der Beschwerdeführer gesteht zwar "gewisse Bezüge" der Zulässigkeit einer
direkten Forderungsanmeldung zum materiellen Recht ein, verneint indes die
Zuständigkeit des Kollokationsrichters zu deren Prüfung. Zumindest
vorfrageweise hätte die obere Aufsichtsbehörde über diese Frage befinden
müssen, zumal der Kollokationsrichter hierüber noch nicht entschieden habe.

2.3 Im vorliegenden Fall wurde der Kollokationsplan der B. AG in Liquidation
von der Gläubigerin sowohl mit einer Kollokationsklage nach Art. 250 Abs. 1
SchKG als auch mit einer Beschwerde nach Art. 17 SchKG angefochten. Angesichts
der im Vordergrund stehenden Rechtsfragen materieller Natur sah die Vorinstanz
die Kollokationsklage als das einzig zutreffende Vorgehen. Ihre Überlegungen
zur Anmeldung einer ausländischen Forderung im schweizerischen Konkurs im
Vergleich mit einer solchen im Anschlusskonkurs entsprechen der
bundesgerichtlichen Auslegung des Verfahrens nach Art. 166 ff. IPRG (vgl. BGE
134 III 366 E. 9.2.4 S. 377). Zwar hat die Vorinstanz auf die Anerkennung des
ausländischen Konkursdekretes und die Eröffnung eines Anschlusskonkurses für
das in der Schweiz gelegene Vermögen Bezug genommen. Sie hat
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darauf hingewiesen, dass jedenfalls ab Eröffnung des Anschlusskonkurses in der
Schweiz der ausländische Insolvenzverwalter keine direkte Forderungsanmeldung
mehr vornehmen darf. Hingegen ist sie auf die Auswirkungen dieses während des
Beschwerdeverfahrens ergangenen Entscheides auf das vor ihrer Instanz hängige
Verfahren nicht eingegangen. Die Erstinstanz hatte die Frage aufgeworfen und
dann offengelassen, ob nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem
Insolvenzverwalter die Prozessführungsbefugnis zustehe und dieser in der
Schweiz auch ausserhalb des Anschlusskonkurses selbständig eine Forderung
geltend machen könne. Es gehe vorliegend gerade nicht um ein Zivilverfahren,
sondern um eine Forderungsanmeldung in einem Konkurs. Der ausländische
Konkursverwalter könne im Hinblick auf ein schweizerisches
Zwangsvollstreckungsverfahren nur den Antrag auf Anerkennung des ausländischen
Konkurses und zur Anordnung sichernder Massnahmen stellen und im Falle eines
Anschlusskonkurses eine Anfechtungsklage erheben. Im Übrigen habe er stets ein
Verfahren nach Art. 166 ff. IPRG einzuleiten, was der ausländische
Insolvenzverwalter nicht getan habe. Daher fehle ihm vorliegend die
Legitimation zur Geltendmachung von Forderungen. Die Erstinstanz stützte sich
bei ihrer Argumentation auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung und die
massgebende Lehre.

2.4 Zu entscheiden ist vorliegend nicht, ob der ausländische Insolvenzverwalter
in einem schweizerischen Konkurs eine Forderung anmelden kann oder ob er zuerst
einen Anschlusskonkurs erwirken muss. Diese Fragen sind zudem von der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung bereits geklärt worden. Demnach darf der
ausländische Konkursverwalter in der Schweiz keine Betreibungshandlungen
vornehmen und keine Forderungsklagen einreichen, sofern er nicht zuerst die
Anerkennung des ausländischen Konkursdekretes erwirkt hat (BGE 134 III 366 E.
9.2.3 und 9.2.5 S. 376 ff. mit Hinweisen). Im konkreten Fall ist das
ausländische Konkursdekret in der Schweiz anerkannt und ein Anschlusskonkurs
eröffnet worden. Der entsprechende Gerichtsentscheid erging nach Anfechtung der
Kollokationsverfügung Nr. 12 durch den Beschwerdeführer. Die schweizerische
Konkursverwaltung hat grundsätzlich die Möglichkeit, die Forderung im Konkurs
eines Schuldners verspätet einzugeben (Art. 251 SchKG). Ob der Beschwerdeführer
als ausländischer Insolvenzverwalter zur einstweiligen Beschwerdeführung (und
zur Einreichung der Kollokationsklage) dennoch berechtigt war, da
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ansonsten die Verfügung in Rechtskraft erwachsen wäre, ist an dieser Stelle
nicht zu befinden.

2.5 Hingegen ist zu prüfen, ob der ausländische Insolvenzverwalter nach der
Anerkennung des ausländischen Konkurses und der Aussprechung des
Anschlusskonkurses seine Aufgaben in der Schweiz wahrnehmen kann.

2.5.1 Die Anerkennung eines ausländischen Konkurses zieht, soweit das Gesetz
nichts anderes vorsieht, für das in der Schweiz gelegene Vermögen des
Schuldners die konkursrechtlichen Folgen des schweizerischen Rechts nach sich
(Art. 170 Abs. 1 IPRG; BERTI/ BÜRGI, in: Basler Kommentar, Internationales
Privatrecht, 2. Aufl. 2007, N. 4 zu Art. 170 IPRG). Dabei handelt es sich nicht
um die unmittelbare Erstreckung des ausländischen Konkurses auf das
schweizerische Territorium, sondern um eine Form von Rechtshilfe zu Gunsten
eines im Ausland durchgeführten Verfahrens. Die Durchführung des
Anschlusskonkurses liegt in der Zuständigkeit des schweizerischen Konkursamtes
(VOLKEN, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 5 ff. zu Art. 172,
N. 35 zu Art. 169 IPRG). Dieses ist ausschliesslich befugt, die zur
ausländischen Konkursmasse gehörenden Rechte auszuüben, soweit es um in der
Schweiz gelegenes Vermögen geht (BRACONI, La collocation des créances en droit
international suisse de la faillite, 2005, S. 29 f.; LORANDI,
Handlungsspielraum ausländischer Insolvenzmassen in der Schweiz, AJP 2008 S.
562; DANIEL STAEHELIN, Konkurs im Ausland, Drittschuldner in der Schweiz, in:
Festschrift für Karl Spühler, 2005, S. 407 f.). Damit bleiben für den
ausländischen Konkursverwalter in einem Anschlusskonkurs grundsätzlich keine
Befugnisse. Er kann höchstens subsidiär Anfechtungsansprüche nach Art. 285 ff.
SchKG geltend machen, d.h. solche, auf welche das schweizerische Konkursamt und
die kollozierten Gläubiger verzichtet haben (VOLKEN, a.a.O., N. 21 zu Art. 171
IPRG; STEPHEN V. BERTI, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 2.
Aufl. 2007, N. 10 zu Art. 171 IPRG).

2.5.2 Im vorliegenden Fall hat das Konkursamt Wallisellen - als
Konkursverwaltung der Partikularmasse der A. GmbH & Co. KG - am 31. Oktober
2007 die Forderung im Konkursverfahren über die B. AG in Liquidation
angemeldet. Dieser Umstand wurde von den kantonalen Instanzen nicht
berücksichtigt. Sie hätten sich die Frage stellen müssen, ob an der
Weiterführung des Verfahrens durch
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die Partikularmasse überhaupt ein Interesse besteht, zumal die Weiterführung
durch den ausländischen Konkursverwalter - wie dargelegt - ausser Betracht
fällt. Das Konkursamt Wallisellen hat mit der Forderungsanmeldung nicht nur die
Interessen der Partikularmasse gewahrt, sondern auch zum Ausdruck gebracht,
dass es an einer Übernahme des Beschwerdeverfahrens nicht interessiert ist und
offensichtlich auf dem Erlass einer an die Partikularmasse gerichteten (und
durch diese selbst anfechtbaren) Kollokationsverfügung besteht. Ob die
kantonalen Aufsichtsbehörden das Konkursamt Wallisellen nicht "in analoger
Anwendung von Art. 207 SchKG" zur Stellungnahme über einen allfälligen
Verfahrenseintritt auffordern hätten sollen, wie der Beschwerdeführer meint,
ist damit nicht zu erörtern.

2.6 War der Beschwerdeführer zur Beschwerde gegen die Kollokationsverfügung Nr.
12 nicht berechtigt, so besteht kein Interesse an der Prüfung seiner weiteren
Rügen. Die obere kantonale Aufsichtsbehörde durfte seine Beschwerde im Ergebnis
abweisen, ohne Bundesrecht zu verletzen.