Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 III 359



Urteilskopf

135 III 359

53. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. KG gegen
Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum (IGE) (Beschwerde in
Zivilsachen)
4A_566/2008 vom 7. April 2009

Regeste

Art. 1 und 2 lit. a MSchG; Schutzfähigkeit eines akustischen Zeichens.
Auch ein visuell nicht wahrnehmbares akustisches Zeichen weist die
Begriffsmerkmale einer Marke nach Art. 1 MSchG auf (E. 2.4).
Beurteilung der konkreten Unterscheidungskraft (Art. 2 lit. a MSchG) eines
akustischen Zeichens ohne sprachliche Elemente, das aus einer kurzen Melodie
besteht (E. 2.5).

Sachverhalt ab Seite 360

BGE 135 III 359 S. 360

A. Die internationale Marke IR Nr. 858'788, eine auf eine deutsche
Basiseintragung gestützte Abfolge von sieben Tönen, wird von der X. KG
(Beschwerdeführerin) unter anderem auch für das Gebiet der Schweiz beansprucht.
Die Eintragung der Marke wurde dem Eidgenössischen Institut für Geistiges
Eigentum (IGE; Beschwerdegegner) am 15. September 2005 mitgeteilt. Die Marke
ist für die Waren "Confiserie, chocolat et produits de chocolat, pâtisserie" in
Klasse 30 registriert und im internationalen Register wie folgt wiedergegeben:
[displayimage]

B.

B.a Mit "Notification de refus provisoire total (sur motifs absolus)" vom 15.
September 2006 verweigerte das IGE der Marke den Schutz für das Gebiet der
Schweiz. Am 11. Dezember 2007 verweigerte es der Marke den Schutz in der
Schweiz definitiv.

B.b Mit Urteil vom 27. Oktober 2008 wies das Bundesverwaltungsgericht eine von
der Beschwerdeführerin gegen die Verfügung des IGE vom 11. Dezember 2007
erhobene Beschwerde ab und bestätigte den angefochtenen Entscheid.

C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem
Bundesgericht, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2008
sei aufzuheben und das IGE sei anzuweisen, der internationalen Registrierung
Nr. 858'788 den Schutz in der Schweiz für sämtliche beanspruchten Waren zu
erteilen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2008 auf und weist das IGE an, der
internationalen Registrierung der Beschwerdeführerin den Schutz in der Schweiz
für die in Klasse 30 beanspruchten Waren "Confiserie, chocolat et produits de
chocolat, pâtisserie" zu erteilen.
(Zusammenfassung)
BGE 135 III 359 S. 361

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2. Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz vor, sie habe die Hörmarke IR
Nr. 858'788, die durchaus unterscheidungskräftig sei, bundesrechtswidrig als
Gemeingut qualifiziert.

2.1 Während das IGE Melodien ohne Text die originäre Unterscheidungskraft
abspricht, findet nach Ansicht der Vorinstanz eine grundsätzliche Ablehnung
nichtsprachlicher Hörmarken ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls
in den Gewohnheiten des täglichen Zeichengebrauchs keine Stütze. Für die
Prüfung der Unterscheidungskraft sei vielmehr die Art der Waren und
Dienstleistungen zu berücksichtigen, für welche die Marke beansprucht werde;
insbesondere sei zu prüfen, ob dekorative Untermalungen und beschreibende
akustische Hinweissignale bei solchen Waren oder Dienstleistungen üblich oder
vernünftigerweise zu erwarten seien. Auch wenn musikalische Untermalung im
Bereich der Zuckerbackwaren in der Werbung verbreitet sei, müsse der
Beschwerdeführerin zugutegehalten werden, dass "Confiserie, chocolat et
produits de chocolat, pâtisserie" häufig in Schachteln oder Dosen angeboten
würden. Solche Verpackungen könnten, so die Vorinstanz weiter, "das für Augen
und Nase bisweilen verführerisch präsentierte Sortiment mit Hilfe eines
Klanggenerators akustisch begleiten"; die strittige Marke wäre zu einem solchen
Gebrauch grundsätzlich geeignet, weshalb die Beurteilung nicht allein auf den
Gebrauch in der Werbung beschränkt erfolgen dürfe, wie dies das IGE getan habe.
Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft sei auch zu berücksichtigen, ob
die Hörmarke einen erkennbaren Sinngehalt aufweise, wobei ein solcher im zu
beurteilenden Fall nicht vorliege. Zur Unterscheidungskraft solcher Zeichen
ohne Sinngehalt hätten Lehre und Rechtsprechung detaillierte Regeln entwickelt,
und zwar vor allem mit Bezug auf sogenannte Elementar- oder Primitivzeichen
einerseits sowie für Formmarken andererseits. Wie bei verbalen Kennzeichen
vermöge das Publikum in der Regel auch bei Klangfolgen leicht zwischen blossen
Untermalungen und als Signal verstandenen Hörzeichen zu unterscheiden. Es
brauche eine unterscheidungskräftige Melodie nicht aktiv singen und in der
Erinnerung wiederholen zu können, um sie wiederzuerkennen; stattdessen genüge
es, dass es sich an sie erinnere, wenn es sie höre. Einfache
BGE 135 III 359 S. 362
Melodien bedürften dafür jedoch, wie andere Zeichen ohne Sinngehalt,
ungebräuchlicher und charakteristischer Merkmale, um beim erneuten Hören ein
Wiedererinnern zu ermöglichen und als Hörmarke geschützt werden zu können.
Die Vorinstanz erwog weiter, dass es sich bei der zu prüfenden Marke um eine
verhältnismässig kurze, trochäisch rhythmisierte Abfolge der ersten vier Töne
einer Fis-Dur-Tonleiter handle. Ausgehend vom Grundton "Fis" werde je einmal
die Quarte, die Terz und schliesslich die Sekunde gespielt. Dazwischen, ausser
von der Quarte zur Terz, werde stets der Grundton "Fis" wiederholt, der in den
sieben Tönen viermal erklinge. Die absteigende Tonleiter von der vierten zur
zweiten Stufe führe ebenfalls geradewegs auf diesen Grundton zu und bewahre
damit die Grundtonart in einfachster Weise. Die Tonfolge werde eher als
Umspielung oder banale Verzierung des Grundtons "Fis" denn als Melodie
wahrgenommen. Da sie weder eine Tonarten-Modulation noch eine in anderer
Hinsicht auffällige oder unerwartete Entwicklung enthalte, die die Erinnerung
besonders prägen könnte, andere Stimmen, Instrumentierungs- und Dynamikangaben
fehlten und die im Notenbild verwendeten Phrasierungszeichen (Punkte auf den
Viertelnoten, Keile auf den Schlussnoten) nur anzeigten, dass die
entsprechenden Noten kurz gespielt werden, was im Verkaufsumfeld von
Confiserie, Schokolade und Patisserie kaum auffalle, werde diese Marke bei den
angesprochenen Abnehmerkreisen als Dekoration und Stimmungsmache wahrgenommen
und weder in der Erinnerung haften bleiben noch zur Unterscheidung der damit
versehenen Waren dienen. Die Marke sei deshalb Gemeingut.

2.2 Die Beschwerdeführerin bringt hiergegen vor, die vorinstanzliche Einordnung
des Zeichens beruhe auf einer Melodienanalyse, die nicht anhand markenrechtlich
relevanter, sondern allenfalls urheberrechtlicher Kriterien vorgenommen worden
sei. Die Vorinstanz verkenne damit das Wesen von Hörmarken. Derartige Sound
Logos seien das Pendant zum visuellen Logo und zeichneten sich durch eine
kurze, markante Tonfolge oder eine Sequenz von Geräuschen aus, die überwiegend
am Beginn oder am Ende eines Werbespots zu finden sei. Um kennzeichenmässig
wirksam zu sein, müsse ein solches Sound Logo insbesondere einprägsam sein, was
dadurch erreicht werde, dass es so einfach wie möglich aufgebaut sei. Es gehe
bei Hörmarken eben gerade nicht darum, eine im urheberrechtlichen Sinne
individuelle Prägung der Melodie zu
BGE 135 III 359 S. 363
schaffen, sondern die Melodie müsse vielmehr eingängig sein, damit sie ihren
kennzeichenmässigen Zweck erfüllen könne. Die Erfahrung zeige, dass es sich das
Publikum heute gewohnt sei, dass kurze, einprägsame Tonfolgen von Unternehmen
im Zusammenhang mit Produkten als Herkunftshinweis und damit markenmässig
verwendet würden. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz liessen sich überdies
Hörmarken ohne bestimmten Sinngehalt (insbesondere Melodien ohne Wortelemente)
nicht einfach mit Elementar- und Primitivzeichen bzw. Formmarken gleichsetzen.
Schliesslich wirft die Beschwerdeführerin der Vorinstanz ein zu enges
Markengebrauchsverständnis vor. Da es sich bei der Hörmarke IR Nr. 858'788 um
eine kurze, gleichwohl markante Tonfolge handle, die unverwechselbar und
einprägsam sei, hätte die Schutzfähigkeit nach Ansicht der Beschwerdeführerin
bejaht werden müssen.

2.3 Das IGE macht demgegenüber geltend, der Prüfungsgrundsatz des Instituts sei
gestützt auf den Erfahrungssatz entwickelt worden, nach welchem das Publikum
anders als bei Wörtern und Bildern grundsätzlich nicht gewohnt sei, eine
Melodie ohne sprachliche Untermalung als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen
wahrzunehmen. Das Bundesgericht habe den analogen Erfahrungssatz für
Warenformen in BGE 134 III 547 E. 2.3.4 bestätigt. In Analogie zu den
Warenformen würden Melodien ohne Wortelemente beim unbefangenen erstmaligen
Zuhören nicht als Hinweise auf die betriebliche Herkunft von Produkten
aufgefasst, weil sie ebenfalls in erster Linie funktional oder ästhetisch
wahrgenommen würden und primär andere Funktionen (emotionale
Kommunikationsmittel, Aufmerksamkeitserreger, Warnsignale oder einfache
Unterhaltung) erfüllten. In Anbetracht der grossen Melodienvielfalt auf dem
Markt werde der Abnehmer beim erstmaligen Hören einer Melodie keinen
betrieblichen Herkunftshinweis erkennen. Nach Ansicht des IGE werde der
Abnehmer erst durch mehrfaches Hören der gleichen Melodie im Zusammenhang mit
einem bestimmten Produkt möglicherweise den direkten Bezug zwischen dem Klang
und der betrieblichen Herkunft der Produkte herstellen, was im Rahmen der
Verkehrsdurchsetzung glaubhaft gemacht werden könne. Das Publikum sei sich
gewohnt, in einer Tonabfolge von sieben Tönen wie dem strittigen Zeichen
Hintergrundmusik oder ein reines Aufmerksamkeitssignal zu erkennen, weshalb es
an der originären Unterscheidungskraft fehle.
BGE 135 III 359 S. 364

2.4 Nach der Legaldefinition von Art. 1 Abs. 1 MSchG (SR 232.11) ist die Marke
ein Zeichen, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens
von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Zwar erwähnt Art. 1 Abs. 2
MSchG, wonach als Marken "insbesondere Wörter, Buchstaben, Zahlen, bildliche
Darstellungen, dreidimensionale Formen oder Verbindungen solcher Elemente
untereinander oder mit Farben" in Frage kommen, nur visuell wahrnehmbare
Zeichen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine abschliessende
Aufzählung zulässiger Markenformen. Die Bestimmung schliesst daher Zeichen, die
als solche nicht mit dem Auge wahrnehmbar sind, sondern etwa nur über das
Gehör, nicht vom Markenschutz aus (vgl. bereits die Botschaft vom 21. November
1990 zu einem Bundesgesetz über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben, BBl
1991 I 19 f. Ziff. 222.11). Akustische Zeichen sind zudem nicht von Grund auf
ungeeignet, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen
anderer Unternehmen zu unterscheiden. Wie die Vorinstanz unter Berufung auf die
herrschende Lehre zutreffend darlegt und zwischen den Parteien unbestritten
ist, weist auch ein visuell nicht wahrnehmbares akustisches Zeichen die
Begriffsmerkmale einer Marke nach Art. 1 MSchG auf (EUGEN MARBACH, in:
Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht [SIWR], Bd. III:
Kennzeichenrecht, von Büren/ David [Hrsg.], 1996, S. 21; LUCAS DAVID, Lexikon
des Immaterialgüterrechts, SIWR, Bd. I/3, 2005, S. 190; CHRISTOPH WILLI,
Markenschutzgesetz, 2002, N. 27 zu Art. 1 MSchG; IVAN CHERPILLOD, Le droit
suisse des marques, 2007, S. 60 f.; KAMEN TROLLER, Grundzüge des
schweizerischen Immaterialgüterrechts, 2. Aufl. 2005, S. 66 f.; ROLAND VON
BÜREN UND ANDERE, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2008, Rz.
564; JOACHIM NOVAK, Die Darstellung von besonderen Markenformen, 2007, S. 60;
vgl. auch Urteile des EuGH vom 27. November 2003 C-283/01 Shield Mark BV,
Randnrn. 34 ff., und vom 12. Dezember 2002 C-273/00 Ralf Sieckmann, Randnr.
45).
Die akustische Marke IR Nr. 858'788 der Beschwerdeführerin lässt sich überdies
in Notenschrift niederschreiben und ist im internationalen Register als ein in
Takte gegliedertes Notensystem mit Notenschlüssel, Noten-, Pausen- und
Phrasierungszeichen hinterlegt. Die zu beurteilende Tonfolge ist damit
Gegenstand einer registerrechtlich gebotenen klaren und verständlichen
graphischen Darstellung (vgl. Art. 10 Abs. 1 MSchV [SR 232.111]; MARBACH,
a.a.O., S. 16). Ob und unter welchen Voraussetzungen auch Hörzeichen
BGE 135 III 359 S. 365
dem Markenschutz zugänglich sind, die nicht in einer Melodie bestehen und sich
daher nicht in Notenschrift darstellen lassen (wie das etwa bei Geräuschen der
Fall ist), steht hier nicht zur Diskussion.

2.5 Im Zentrum des vorliegenden Verfahrens steht die Frage, ob die Vorinstanz
der akustischen Marke IR Nr. 858'788 zu Recht aufgrund fehlender konkreter
Unterscheidungskraft (Art. 2 lit. a MSchG) die Schutzfähigkeit abgesprochen
hat.

2.5.1 Sowohl Deutschland als auch die Schweiz sind Vertragsstaaten des Madrider
Abkommens über die internationale Registrierung von Marken (MMA; SR
0.232.112.3; revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967). Beide Staaten sind auch
dem Protokoll vom 27. Juni 1989 zum Madrider Abkommen über die internationale
Registrierung von Marken (SR 0.232.112.4; im Folgenden: MMP) beigetreten.
Sowohl Art. 5 Abs. 1 MMA als auch Art. 5 Abs. 1 MMP verweisen bezüglich der
zulässigen Gründe für eine Schutzverweigerung auf die Pariser Übereinkunft zum
Schutz des gewerblichen Eigentums, revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967
(PVÜ; SR 0.232.04). Nach Art. 6^quinquies lit. B Ziff. 2 und 3 PVÜ ist eine
Schutzverweigerung unter anderem in Fällen statthaft, in denen die Marke jeder
Unterscheidungskraft entbehrt bzw. als Gemeingut anzusehen ist. Diese
zwischenstaatliche Regelung entspricht den in Art. 2 MSchG vorgesehenen
Ablehnungsgründen, wonach namentlich Zeichen, die zum Gemeingut gehören (lit.
a), vom Markenschutz ausgeschlossen sind (BGE 128 III 454 E. 2 S. 457 mit
Hinweisen).

2.5.2 Wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, ist eine Schutzverweigerung
allein aus dem Grund, dass ein akustisches Zeichen keine sprachlichen Elemente
aufweist, nicht haltbar. Entgegen der Ansicht des IGE (vgl. die Richtlinien in
Markensachen des IGE vom 1. Juli 2008, S. 96) schliesst der Umstand, dass Musik
in der Werbung häufig eingesetzt wird, die Unterscheidungskraft einer kurzen
Melodie ohne Wortelemente nicht ohne Weiteres aus. Es ist nicht von der Hand zu
weisen, dass nichtsprachliche akustische Signale immer häufiger zur
Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen eingesetzt werden, sei es
unmittelbar produktbezogen (wie etwa bei Computern bzw. Computerprogrammen und
anderen Elektronikgeräten), sei es in der Radio-, Fernseh- und Internetwerbung
(vgl. CHERPILLOD, a.a.O., S. 65; LEONZ MEYER, Urheber- und markenrechtliche
Überlegungen zum Klingelton, Medialex 2003
BGE 135 III 359 S. 366
S. 154; IVO LEWALTER, Akustische Marken, Gewerblicher Rechtsschutz und
Urheberrecht [GRUR] 2006 S. 546; ROMAN A. BECKER, Kennzeichenschutz der
Hörmarke, Wettbewerb in Recht und Praxis [WRP] 1/2000 S. 57). Im Fernsehen und
im Radio kommen akustische Zeichen neben der Werbung häufig zum Einsatz, um
einzelne Sender oder Sendungsformate zu identifizieren (STEPHAN BAHNER, Der
Schutz akustischer Marken nach dem deutschen Markengesetz und der europäischen
Gemeinschaftsmarkenverordnung, Berlin 2005, S. 33; KARL-HEINZ FEZER,
Markenrecht, 3. Aufl., München 2001, N. 272a zu § 3 MarkenG). Mit der
Vorinstanz ist davon auszugehen, dass das Publikum wie bei verbalen Kennzeichen
in der Regel auch bei Tonfolgen leicht zwischen blossen musikalischen
Untermalungen und als Signal verstandenen Hörzeichen zu unterscheiden vermag.
Dabei ist zu beachten, dass auch der Gebrauch in der Werbung als
kennzeichenmässiger Gebrauch gilt (vgl. Art. 13 Abs. 2 lit. e MSchG; WILLI,
a.a.O., N. 13 zu Art. 13 MSchG). Ein kurzes, in sich geschlossenes
musikalisches Thema kann vom Abnehmer durchaus auch beim erstmaligen Hören als
betrieblicher Herkunftshinweis erkannt werden und ist damit grundsätzlich
geeignet, Waren oder Dienstleistungen zu unterscheiden (CHERPILLOD, a.a.O., S.
64 f.). Dies setzt voraus, dass das akustische Zeichen verkehrsüblich
eingesetzt wird, typischerweise zu Beginn oder am Ende eines Werbespots. Wie
Wort- und Bildmarken nicht als Kennzeichnungsmittel erkannt werden, wenn sie an
wenig sichtbarer Stelle auf der Unter- oder Rückseite der Verpackung angebracht
oder im Kleingedruckten der warenbeschreibenden Angaben unauffällig aufgedruckt
sind (vgl. WILLI, a.a.O., N. 18 zu Art. 11 MSchG), müssen auch Hörmarken dem
Präsentationsumfeld elektronischer Medien entsprechend verwendet werden, um in
der Werbung ohne weitere Gedankenarbeit als kennzeichnender Hinweis
wahrgenommen zu werden. Dies beschlägt jedoch das Erfordernis des
markenmässigen Gebrauchs des Zeichens (vgl. Art. 11 MSchG), das für sämtliche
Markenformen gilt. Entscheidend ist, dass auch das Hörzeichen - sofern richtig
eingesetzt - geeignet ist, als Herkunftszeichen erkannt zu werden. Der Umstand,
dass die Verwendungsmöglichkeiten von Hörmarken im Vergleich zu visuell
wahrnehmbaren Marken wesentlich eingeschränkt sind, darf jedoch nicht zu
strengeren Anforderungen an die Beurteilung der Unterscheidungskraft führen.
BGE 135 III 359 S. 367

2.5.3 Damit eine akustische Marke ihre Unterscheidungs- und Herkunftsfunktion
erfüllen kann, ist nicht erforderlich, dass sie von den angesprochenen
Abnehmern eindeutig wiedergegeben werden kann (vgl. STRÖBELE/HACKER/KIRSCHNECK,
Markengesetz, 8. Aufl., Köln/ Berlin/München 2006, § 8 N. 171). Vielmehr genügt
es, dass die angesprochenen Verbraucher diese wiedererkennen können. Dies ist
bei einer Tonfolge umso eher der Fall, wenn es sich dabei um eine kurze,
eingängige und gut einprägsame Melodie handelt. Musikalischen Zeichen, die für
das menschliche Gehör besonders melodisch klingen und damit leichter zu merken
sind, kommt tendenziell höhere Kennzeichnungskraft zu. Stimmt die vom Zuhörer
antizipierte Fortsetzung der Tonfolge mit dem später Gehörten dagegen nicht
überein, empfindet sie der Adressat also nicht als melodisch, so ist das
Zeichen auch weniger eingängig und einprägsam. Die entscheidende Eingängigkeit
und Einprägsamkeit liegt eher bei solchen Zeichen vor, die eine
verhältnismässig einfache Struktur haben und sich an den Regeln einfacher
Unterhaltungsmusik orientieren. Damit ist am ehesten gewährleistet, dass das
musikalische Motiv von einer Vielzahl von Verbrauchern nachvollzogen und
memoriert werden kann, auch wenn sie musikalisch unerfahren sind (vgl. BAHNER,
a.a.O., S. 238 f.; BECKER, a.a.O., S. 66; vgl. auch PAUL STRÖBELE, Die
Eintragungsfähigkeit neuer Markenformen, GRUR 1999 S. 1045, wonach bei
einfachsten Lautfolgen keine hohen künstlerischen oder ästhetischen
Anforderungen gestellt werden dürfen, damit sie das Mindestmass der
Unterscheidungskraft erfüllen). Dies verkennt die Vorinstanz, wenn sie einem
Zeichen ohne Sinngehalt die Kennzeichnungskraft nur unter der Voraussetzung
zusprechen will, dass dieses ungebräuchliche und charakteristische Merkmale
aufweist bzw. eine auffällige oder unerwartete Entwicklung (etwa in Form einer
Tonarten-Modulation) enthält.
Zu beachten ist ausserdem, dass nach ständiger Rechtsprechung die
Schutzunfähigkeit einer registrierten Marke im Zivilprozess widerklage- oder
einredeweise geltend gemacht werden kann (BGE 130 III 328 E. 3.2 S. 332; BGE
128 III 447 E. 1.4 S. 450; BGE 124 III 277 E. 3c S. 286; je mit Hinweisen).
Daraus folgt, dass das IGE in Zweifelsfällen eine Marke einzutragen und die
endgültige Entscheidung dem Zivilrichter zu überlassen hat (BGE 130 III 328 E.
3.2 S. 332; BGE 103 Ib 268 E. 3b S. 275; vgl. auch BGE 129 III 225 E. 5.3 S.
229).

2.5.4 Wie bei Buchstabenkombinationen bzw. Wortmarken sind bei Tonfolgen, auch
wenn sie sich auf eine geringe Anzahl von Tönen
BGE 135 III 359 S. 368
beschränken, verschiedenste Kombinationen denkbar, die sich über die Höhe und
die Dauer der gespielten Töne voneinander unterscheiden. Eine grundsätzlich
unterschiedliche Behandlung von Wort- und Klangmarken hinsichtlich ihres
Gemeingutcharakters ist unter diesem Gesichtspunkt nicht angezeigt und der
Vergleich der Vorinstanz mit Elementar- oder Primitivzeichen verfängt nicht,
zumal es sich beim strittigen Zeichen nicht etwa um einen einzelnen Ton oder
einen einfachen Dreiklang handelt. Ebenso wenig stichhaltig ist ein Rückgriff
auf die von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Regeln zur
Unterscheidungskraft von Formmarken. Dreidimensionale Marken, die in der Form
der gekennzeichneten Ware selbst bestehen, weisen notwendigerweise eine
unmittelbare Beziehung zur Ware auf, weshalb sie sich von der als rein
funktional beurteilten Form durch ihre Eigenheiten abzuheben haben, um als
Unterscheidungsmerkmal zu dienen (vgl. BGE 134 III 547 E. 2.3.4 S. 553; BGE 133
III 342 E. 3.1 S. 345; BGE 120 II 307 E. 3b S. 310). Demgegenüber besteht eine
vergleichbare Nähe zur Ware bei Melodien nicht. Entsprechend kann von einem
akustischen Zeichen nicht wie bei einer Formmarke verlangt werden, dass es sich
vom Gewohnten und Erwarteten abhebt. Vielmehr ist im Einzelfall zu beurteilen,
ob das Zeichen im Zusammenhang mit den konkret beanspruchten Waren dem
Gemeingut (Art. 2 lit. a MSchG) zuzuordnen ist.

2.5.5 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung bestimmt sich die Frage, ob ein
Zeichen infolge Fehlens jeglicher Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft zum
Gemeingut gehört, vorwiegend nach dem Kriterium des beschreibenden Charakters
des Zeichens. Nicht kennzeichnungskräftig sind demnach insbesondere
Sachbezeichnungen und Hinweise auf Eigenschaften wie bespielsweise die
Beschaffenheit, Bestimmung oder Wirkung der Waren oder Dienstleistungen, sofern
solche Hinweise vom angesprochenen Publikum ohne besondere Denkarbeit und ohne
Fantasieaufwand verstanden werden und sich nicht in blossen Anspielungen
erschöpfen (BGE 131 III 495 E. 5 S. 503; BGE 129 III 514 E. 4.1 S. 524 f.; BGE
128 III 454 E. 2.1 S. 457 f.).
Wie bei Wort- und Bildmarken ist auch bei einer Hörmarke, die aus einer Melodie
besteht, denkbar, dass diese einen Sinngehalt aufweist, der im Zusammenhang mit
bestimmten Waren zu einem absoluten Ausschlussgrund nach Art. 2 lit. a MSchG
führen kann. Dies dürfte einerseits bei Liedmelodien vorkommen, deren Text
allgemein bekannt ist; andererseits ist auch nicht auszuschliessen, dass
BGE 135 III 359 S. 369
sich ein Sinngehalt aus einer Melodie selbst ergibt, sofern sie eine bestimmte
Gedankenverbindung hervorzurufen vermag. Bei allgemein bekannten Kompositionen
könnte die Unterscheidungskraft je nach Bezug zu den beanspruchten Waren oder
Dienstleistungen fraglich sein, weil die massgebenden Verkehrskreise sie
womöglich weniger als Identifikationsmittel, sondern als beschreibenden Zusatz
auffassen. Als Gemeingut vom Markenschutz ausgeschlossen wäre etwa die Melodie
eines bekannten Weihnachtsliedes für Christbaumschmuck. Ähnlich einer
beschreibenden Wortmarke riefe ein solches Zeichen beim Durchschnittsabnehmer
unweigerlich eine Gedankenverbindung mit Weihnachten hervor und würde wegen des
direkten Bezugs zur Ware nicht als Hinweis auf deren betriebliche Herkunft
aufgefasst (vgl. BAHNER, a.a.O., S. 151). Bei Werken mit überragendem
Bekanntheitsgrad dürfte es zudem meist an der Unterscheidungskraft fehlen, da
diese häufig allgemein gebräuchliche Werbemotive darstellen, mit denen nach
Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise lediglich der Kaufanreiz gefördert
oder die Aufmerksamkeit des Publikums erregt werden soll (vgl. BAHNER, a.a.O.,
S. 155).
Soweit es sich beim Zeichen demgegenüber um eine eingängige und einprägsame
Melodie ohne bestimmten Sinngehalt handelt, die neu komponiert wurde, wird die
konkrete Unterscheidungskraft selten zu verneinen sein (vgl. BAHNER, a.a.O., S.
151).

2.5.6 Bei der strittigen Marke handelt es sich um eine verhältnismässig kurze
Melodie in Fis-Dur mit sieben Tönen auf Basis eines^6 /^8 -Taktes, die mit dem
Grundton "Fis" beginnt und mit einem Oktavsprung endet. Dazwischen wird einmal
die Quarte, die Terz und die Sekunde gespielt sowie der Grundton "Fis" zweimal
wiederholt. Die Tonfolge, die von der Grundtonart nicht abweicht, erscheint als
einfache Melodie, mit der auch das musikalisch ungeschulte Ohr leicht vertraut
wird, und die weder allgemein noch den Abnehmern von Confiserie, Schokolade und
Patisserie bekannt ist. Als solche ist sie eingängig und für den
durchschnittlichen Verbraucher derartiger Waren, dem keine besonderen
musikalischen Vorkenntnisse unterstellt werden können, einprägsam. Im
Zusammenhang mit den beanspruchten Waren ("Confiserie, chocolat et produits de
chocolat, pâtisserie") ist kein Sinngehalt der Melodie erkennbar, der zu einem
Ausschlussgrund führen könnte. Aufgrund der einfachen Struktur sowie der Kürze
des Motivs dürfte sie von den massgeblichen Verkehrskreisen im Kontext der
Werbung kaum
BGE 135 III 359 S. 370
als musikalische Untermalung, sondern - sofern richtig eingesetzt - durchaus
als Herkunftshinweis wahrgenommen werden.

2.5.7 Zusammenfassend ergibt sich, dass das Zeichen IR Nr. 858'788 für die
beanspruchten Waren ("Confiserie, chocolat et produits de chocolat,
pâtisserie") unterscheidungskräftig ist, weshalb es nicht als Gemeingut vom
Markenschutz ausgeschlossen werden kann (Art. 2 lit. a MSchG). Die Vorinstanz
hat der internationalen Marke die Schutzfähigkeit daher zu Unrecht verweigert.