Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 III 334



Urteilskopf

135 III 334

49. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Z.und Mitb.
gegen V. Versicherungen AG und X. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_527/2008 vom 11. März 2009

Regeste

Bindung an den Rückweisungsentscheid nach dem Bundesgerichtsgesetz (BGG).
Bindung des Bundesgerichts und der kantonalen Gerichte an einen
Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts (E. 2).
Die Vereinigung des Verfahrens nach erfolgtem Rückweisungsentscheid mit einem
nicht von diesem betroffenen ist an sich unzulässig. Erheben die Betroffenen
dagegen im kantonalen Verfahren aber keine Einwände, wird angenommen, sie
liessen den Rückweisungsentscheid gegen sich gelten (E. 2.2).

Auszug aus den Erwägungen: ab Seite 335

BGE 135 III 334 S. 335
Aus den Erwägungen:

2. Vor Einführung des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) durfte die kantonale
Instanz, an die eine Sache zurückgewiesen wurde, nach Art. 66 Abs. 1 OG neues
Vorbringen berücksichtigen, soweit es nach dem kantonalen Prozessrecht noch
zulässig war. Die nach kantonalem Prozessrecht zulässigen Noven hatten sich
dabei stets innerhalb des rechtlichen Rahmens zu bewegen, den das Bundesgericht
mit seinem Rückweisungsentscheid vorgegeben hatte. Der von der Rückweisung
erfasste Streitpunkt durfte also nicht ausgeweitet oder auf eine neue
Rechtsgrundlage gestellt werden (BGE 131 III 91 E. 5.2 S. 94; BGE 116 II 220 E.
4a S. 222; je mit Hinweisen). Die mit der Neubeurteilung befasste kantonale
Instanz hatte vielmehr die rechtliche Beurteilung, mit der die Rückweisung
begründet wurde, ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Diese Beurteilung band
auch das Bundesgericht (BGE 133 III 201 E. 4.2 S. 208; BGE 125 III 421 E. 2a S.
423). Wegen dieser Bindung der Gerichte war es ihnen wie auch den Parteien,
abgesehen von allenfalls zulässigen Noven, verwehrt, der Beurteilung des
Rechtsstreits einen anderen als den bisherigen Sachverhalt zu unterstellen oder
die Sache unter rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, die im
Rückweisungsentscheid ausdrücklich abgelehnt oder überhaupt nicht in Erwägung
gezogen worden waren (BGE 131 III 91 E. 5.2 S. 94; BGE 116 II 220 E. 4a S. 222;
enger BGE 111 II 94 E. 2 S. 95; je mit Hinweisen). Wie weit die Gerichte und
Parteien an die erste Entscheidung gebunden waren, ergab sich aus der
Begründung der Rückweisung, die sowohl den Rahmen für die neuen
Tatsachenfeststellungen als jenen für die neue rechtliche Begründung vorgab.
Jedenfalls durfte der zuvor obsiegende Berufungskläger im neuen Verfahren keine
Verschlechterung seiner Rechtsstellung erleiden. Im für ihn ungünstigsten Fall
musste er sich mit dem bisherigen, von der Gegenpartei nicht angefochtenen
Ergebnis abfinden (BGE 131 III 91 E. 5.2 S. 94; BGE 116 II 220 E. 4a S. 222).

2.1 Entsprechende Bestimmungen finden sich im BGG nicht, da die Bindung der
kantonalen Instanz an den Rückweisungsentscheid als selbstverständlich
angesehen wurde (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege, BBl 2001 4346 Ziff. 4.1.4.5 zu Art. 101 E-BGG am Ende).
Daher besteht kein Anlass, unter der Herrschaft des BGG von der zu Art. 66 Abs.
1 OG ergangenen Rechtsprechung abzuweichen (Urteil des Bundesgerichts
BGE 135 III 334 S. 336
4A_71/2007 vom 19. Oktober 2007 E. 2.1 f.). Offen ist lediglich, ob auch gemäss
BGG der Umfang der Bindung je nach dem Grund der Rückweisung unterschiedlich
ist, analog der unterschiedlichen Wirkung der Rückweisung im Berufungsverfahren
und im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde (Urteil des Bundesgerichts
4A_5/2008 vom 22. Mai 2008 E. 1.1-1.3). Mit Blick auf die Bindung des
Bundesgerichts und des Handelsgerichts an den Rückweisungsentscheid sind
jedenfalls die vom Bundesgericht bereits entschiedenen Fragen nicht mehr zu
überprüfen. Diesbezüglich kann die seither ergangene Rechtsprechung des
Bundesgerichts oder des EuGH nicht berücksichtigt werden, und sind neue
rechtliche Vorbringen entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer unzulässig.

2.2 Vor diesem Hintergrund erscheint die Vereinigung zweier Verfahren
problematisch, wenn nur eines vom Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts
betroffen war. Die Verfahren befinden sich nicht im selben Prozessstadium (vgl.
MAX GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 303; STEFAN
KRAFT, Die gerichtliche Trennung und Vereinigung von Prozessen im zürcherischen
Zivilprozess, 1959, S. 81), so dass die Ausdehnung des Rückweisungsentscheides
auf daran nicht Beteiligte deren Rechte verkürzt. Die Beschwerdeführer 25 und
26 erheben diesbezüglich aber keine Rügen und sind mit der Vereinigung der
Verfahren offensichtlich einverstanden. Andernfalls hätten sie sich dagegen
bereits im kantonalen Verfahren umgehend zur Wehr setzen müssen, da es nach dem
Grundsatz von Treu und Glauben und dem Verbot des Rechtsmissbrauchs nicht
zulässig ist, formelle Rügen, die in einem früheren Prozessstadium hätten
geltend gemacht werden können, bei ungünstigem Ausgang noch später vorzubringen
(BGE 134 I 20 E. 4.3.1 S. 21; BGE 132 II 485 E. 4.3 S. 496; BGE 130 III 66 E.
4.3 S. 75). Daher gilt die Bindungswirkung des Rückweisungsentscheides auch für
die Beschwerdeführer 25 und 26.