Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 III 220



Urteilskopf

135 III 220

31. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und B.
gegen X. Gesellschaft (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_497/2008 vom 10. Februar 2009

Regeste

Formularpflicht bei Mietzinserhöhungen (Art. 269d Abs. 1 und 2 OR und Art. 19
VMWG). Unterscheidet sich das für die Mietzinserhöhung verwendete Formular von
einem vom Kanton genehmigten einzig in der Firma und dem Kennzeichen des
unterzeichnenden Unternehmens, ist dem Formerfordernis von Art. 269d OR Genüge
getan (E. 1).

Sachverhalt ab Seite 221

BGE 135 III 220 S. 221

A. A. und B. (Beschwerdeführer 1) bewohnen eine 4 1/2-Zimmerwohnung an der
D.-Strasse 308 in Basel. C. (Beschwerdeführerin 2) ist Mieterin einer 2 1/
2-Zimmerwohnung an der D.-Strasse 310 in Basel. Aufgrund einer Sanierung im
Jahre 2002 zeigte die X. Gesellschaft (Beschwerdegegnerin), vertreten durch
ihre Tochtergesellschaft X. Immobilien AG, am 7. November 2003
Mietzinserhöhungen an, den Beschwerdeführern 1 von Fr. 1'204.- auf Fr. 1'314.-,
der Beschwerdeführerin 2 von Fr. 717.- auf Fr. 798.-. Nachdem vor der
Schlichtungsstelle keine Einigung erzielt werden konnte, gelangte die
Beschwerdegegnerin an das Zivilgericht Basel-Stadt und beantragte, die
Mietzinse entsprechend den bekanntgegebenen Erhöhungen festzusetzen. Der
Zivilgerichtspräsident hiess beide Klagen am 27. August 2007 gut. Die gegen
diese Entscheide ergriffene kantonale Beschwerde wies das Appellationsgericht
Basel-Stadt am 30. April 2008 ab.

B. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragen die Beschwerdeführer im
Wesentlichen, es sei festzustellen, dass die Mietzinserhöhungen missbräuchlich
seien. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf kostenfällige Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

1. Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, die Mietzinserhöhung sei nichtig,
da sie nicht auf einem von der zuständigen Behörde genehmigten Formular erfolgt
sei. Sowohl der Vertreter der Beschwerdeführer als auch der erstinstanzliche
Richter hätten von der zuständigen Behörde die Auskunft erhalten, das
verwendete Formular sei nicht genehmigt worden. Indem die kantonalen Instanzen
dennoch von einem genehmigten Formular ausgingen, hätten sie sich eine
Zuständigkeit angemasst, die ihnen nicht zukomme.
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1.1 Die Vorinstanz hielt in tatsächlicher Hinsicht fest, die
Tochtergesellschaft der Beschwerdegegnerin, welche diese vertreten hatte, habe
ihre Firma geändert, aber noch unter der ursprünglichen Firma die Genehmigung
für ein Erhöhungsformular erhalten. Daher sei sie nicht verpflichtet gewesen,
nach dem Firmenwechsel eine erneute Genehmigung einzuholen, da es sich um
dieselbe Rechtsperson handle, der das Formular bewilligt worden war.

1.2 Nach Art. 269d Abs. 1 OR muss der Vermieter eine Mietzinserhöhung auf einem
vom Kanton genehmigten Formular mitteilen und begründen. Die Mietzinserhöhung
ist nichtig, wenn der Vermieter sie nicht mit dem vorgeschriebenen Formular
mitteilt (Art. 269d Abs. 2 lit. a OR). Das Formular für die Mitteilung von
Mietzinserhöhungen muss nach Art. 19 der Verordnung vom 9. Mai 1990 über die
Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG; SR 221.213.11) den
bisherigen Mietzins sowie die bisherige Belastung des Mieters für Nebenkosten,
den neuen Mietzins sowie die neue Belastung des Mieters für Nebenkosten, den
Zeitpunkt, auf den die Erhöhung in Kraft tritt, und die klare Begründung der
Erhöhung enthalten. Werden mehrere Erhöhungsgründe geltend gemacht, so sind
diese je in Einzelbeträgen auszuweisen. Dass ein Formular inhaltlich den
Anforderungen von Art. 19 VMWG entspricht, genügt nicht. Aus Gründen der
Klarheit und einheitlichen Handhabung sowie der Rechtssicherheit ist notwendig,
dass das Formular von der zuständigen kantonalen Instanz genehmigt wurde (BGE
121 III 214 E. 3b S. 217).

1.3 Eine Verletzung der Zuständigkeitsvorschriften, wie sie die
Beschwerdeführer geltend machen, läge vor, wenn die kantonalen Gerichte das
betreffende Formular selbst an Stelle der kantonalrechtlich hierfür
vorgesehenen Behörde genehmigt hätten. Kommt demgegenüber der Richter im Rahmen
eines Prozesses zum Ergebnis, das für die Erhöhung verwendete Formular sei von
der zuständigen Behörde genehmigt worden, stellt er lediglich den im Prozess
massgeblichen Sachverhalt fest. Ausserhalb des Prozesses kommt dieser
Sachverhaltsfeststellung keine Bedeutung zu. Da der Richter keine Genehmigung
des Formulars vornimmt, ist auch keine Verletzung der Zuständigkeitsordnung
gegeben. Es stellt sich einzig die Frage, ob die Sachverhaltsfeststellung
angesichts der anderslautenden Auskünfte der zuständigen Behörden korrekt
erfolgte.

1.4 Auf Beschwerde in Zivilsachen hin kann das Bundesgericht zwar prüfen, ob
eine Feststellung in tatsächlicher Hinsicht
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offensichtlich unrichtig und damit willkürlich ist (Art. 97 Abs. 1 BGG). Der
Rechtsuchende hat indessen im Einzelnen darzulegen, weshalb die Auffassung der
Vorinstanz offensichtlich unhaltbar und damit willkürlich sein soll (BGE 133 II
249 E. 1.4.3 S. 254 f.; BGE 133 III 462 E. 2.4 S. 466 f.). Die Beschwerdeführer
berufen sich auf die von den zuständigen Behörden erteilten Auskünfte und
machen geltend, es sei von der urteilenden Instanz nicht nachzuprüfen, ob diese
Auskunft richtig oder falsch sei. Zur Begründung einer Willkürrüge müssten die
Beschwerdeführer aber darlegen, inwiefern die Annahme, die Auskünfte seien
falsch, offensichtlich unhaltbar und damit willkürlich ist. Dazu genügen ihre
Ausführungen nicht, so dass der angefochtene Entscheid insoweit nicht zu
überprüfen ist.

1.5 Als aktenwidrig rügen die Beschwerdeführer die Feststellung der Vorinstanz,
die Beschwerdegegnerin habe für die Mietzinserhöhung das genehmigte Formular
verwendet. Nicht nur die grafische Gestaltung sei völlig unterschiedlich, auch
die Firmierung sei eigenhändig abgeändert worden. Zudem sei der Hinweis
"Formular genehmigt durch die zuständige Amtsstelle" beigefügt worden.

1.5.1 Der Vorinstanz ist nicht entgangen, dass die beiden Formulare nicht
identisch sind, wies sie doch ausdrücklich auf die Firmenänderung hin. Die
Vorinstanz ging vielmehr davon aus, die abweichende Gestaltung ändere nichts
daran, dass es sich um ein genehmigtes Formular handle. Ob diese Annahme
zutrifft, ist eine Rechtsfrage, welche das Bundesgericht unter dem Blickwinkel
des Bundesrechts (mit Ausnahme der verfassungsmässigen Rechte der
Beschwerdeführer) von Amtes wegen prüfen kann (Art. 106 BGG). Soweit keine
hinreichend begründeten Sachverhaltsrügen erhoben werden (Art. 97 Abs. 1 und
Art. 105 Abs. 2 BGG), stützt sich das Bundesgericht dabei grundsätzlich aber
auf die im angefochtenen Entscheid enthaltenen tatsächlichen Feststellungen
(Art. 105 Abs. 1 BGG).

1.5.2 Soweit sich Abweichungen zwischen dem genehmigten und dem verwendeten
Formular nicht bereits aus den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen
Entscheid ergeben, müssten die Beschwerdeführer diesbezüglich substantiiert
eine Ergänzung des Sachverhalts beantragen und danach ausführen, inwiefern die
Annahme, das Formular habe trotz der Änderung als genehmigt zu gelten, Recht
verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Diesen Anforderungen genügen die Vorbringen der
Beschwerdeführer nicht. Ob eine
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Abänderung dazu führt, dass das geänderte Formular als nicht genehmigt
anzusehen ist, kann nämlich nicht ohne Rücksicht auf die vorgenommenen
Modifikationen und den mit dem Formularzwang verfolgten Zweck entschieden
werden. So unterscheidet sich das verwendete vom genehmigten Formular
beispielsweise darin, dass die Adresse der Mietschlichtungsstelle aktualisiert
wurde. Es versteht sich von selbst, dass die korrekte Adressangabe vom Gesetz
gewollt ist und der Nachvollzug der Adressänderung nicht dazu führt, dass
erneut eine Genehmigung eingeholt werden müsste.

1.5.3 Auf die einzelnen Abweichungen braucht indessen nicht näher eingegangen
zu werden, denn die Beschwerdegegnerin verweist auf zwei bei den Akten liegende
genehmigte Formulare anderer Liegenschaftsverwaltungen, die mit Ausnahme der
Geschäftsfirma und deren Logo mit dem von der Beschwerdegegnerin verwendeten
Formular identisch sind. Die Beschwerdeführer berufen sich zwar auf ein im
Kanton Luzern ergangenes Urteil (LGVE 1993 I Nr. 9 S. 10 ff.), gemäss welchem
die Genehmigung privat kreierter Formulare personenbezogen zu erfolgen hat,
damit der zuständigen Behörde bei Anfragen eine effiziente Kontrolle, ob ein
Formular genehmigt wurde, ermöglicht wird. Diese liesse sich indessen besser
erreichen, indem das Formular mit einer Identifikationsnummer versehen wird.
Der Umfang des notwendig vorformulierten Formularinhalts wird abschliessend
durch Art. 19 VMWG geregelt (HIGI, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1998, N. 190 zu
Art. 269d OR mit Hinweis). Aus Art. 19 Abs. 4 VMWG ergibt sich, dass der
Vermieter genehmigte Erhöhungsformulare beziehen können muss, was voraussetzt,
dass unpersönliche Formulare zur Verfügung gestellt werden. Unterscheidet sich
das verwendete Formular von einem genehmigten nur in der Firma und dem
Kennzeichen des unterzeichnenden Unternehmens, betrifft die Abweichung den
individuell auszufüllenden und nicht den allgemeingültigen und damit der
Formalisierung überhaupt zugänglichen Teil des Formulars. Mit der Bezeichnung
der Vermieterschaft oder der für diese handelnden Gesellschaft wird für den
Mieter ersichtlich, wer das Formular verwendet. Dass der Mieter die notwendigen
Informationen in der vom Kanton genehmigten Form erhält, bleibt garantiert,
solange weder inhaltlich noch in der Darstellung weitere Änderungen vorgenommen
werden. Damit ist dem Zweck von Art. 269d OR, dem Mieter den Rechtsweg
aufzuzeigen und ihm eine möglichst einfache Beurteilung seiner Chancen zu
sichern, die angekündigte
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Mietzinserhöhung anzufechten, Genüge getan und diesbezüglich die vom Gesetz
gewollte vorgängige Kontrolle gewährleistet (BGE 121 III 214 E. 3b S. 217 mit
Hinweisen). Aufgrund der Aktenlage ist somit erstellt, dass das verwendete
Formular einem von der zuständigen Behörde genehmigten entspricht. Gegenüber
wem und mit welchem Firmenlogo diese Genehmigung erfolgte, ist nicht
massgebend.