Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 III 212



Urteilskopf

135 III 212

30. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.C. und B.C.
gegen X. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_394/2008 vom 15. Januar 2009

Regeste

Art. 91 lit. a BGG; Teilentscheid; unabhängige Beurteilungsmöglichkeit objektiv
gehäufter Rechtsbegehren. Voraussetzungen der Unabhängigkeit i.S. von Art. 91
lit. a BGG (E. 1.2.2), insbesondere bei selbständig eröffneter Abweisung eines
Hauptbegehrens (E. 1.2.3).

Regeste

Art. 97 OR; nachträglich subjektive Leistungsunmöglichkeit. Subjektive
Leistungsunmöglichkeit besteht erst, wenn das Leistungshindernis für den
Schuldner geradezu unüberwindbar ist; fehlende Verfügungsmacht über den
Leistungsgegenstand führt zu Leistungsunmöglichkeit, wenn aussichtslos
erscheint, dass der Schuldner sie zurückerlangen kann (E. 3.1).

Sachverhalt ab Seite 213

BGE 135 III 212 S. 213

A.

A.a A.C. und B.C. (Beschwerdeführer) sind Eigentümer einer Wohn- und
Geschäftsliegenschaft an der Via D./Via E. in F. (Parzelle Nr. 1 des
Grundbuches der Gemeinde F.). Ausserdem waren sie Berechtigte aus einem
selbständigen und dauernden Baurecht (Parzelle Nr. 2 des Grundbuches der
Gemeinde F.) auf Errichtung einer Parkplatzanlage auf dem belasteten, ebenfalls
an der Via E. befindlichen Grundstück (Parzelle Nr. 3 des Grundbuches der
Gemeinde F.). Bis zur Begründung von Stockwerkeigentum und der anschliessenden
Überbauung mit einem Wohn- und Geschäftshaus samt einer sechsstöckigen
Tiefgarage war die X. AG (Beschwerdegegnerin) Alleineigentümerin des
baurechtsbelasteten Grundstücks (Parzelle Nr. 3).

A.b Am 20. Juni 2003 unterzeichneten die Beschwerdeführer auf der einen und H.
auf der anderen Seite einen Vorvertrag auf Abschluss einer Vereinbarung über
die Aufhebung eines Baurechts. In den Vorbemerkungen der Vertragsurkunde
hielten sie nicht nur die oben erwähnten Berechtigungen an der Parzelle Nr. 3
fest (Eigentum, Baurecht), sondern erklärten darüber hinaus, dass Dr. H. einen
Anspruch auf den Erwerb sämtlicher Aktien der Beschwerdegegnerin habe und
befugt sei, die Rechte aus dem Vorvertrag gegen Übernahme der entsprechenden
Pflichten auf diese oder eine andere Gesellschaft zu übertragen.

A.c Für den Fall, dass die in den Vorbemerkungen umschriebene Voraussetzung
erfüllt werde, trafen die Parteien unter anderem die
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folgenden Vereinbarungen: Aufhebung des auf der Parzelle Nr. 3 lastenden
Baurechts gegen Überlassung von zwanzig Autoabstellplätzen durch die
Beschwerdegegnerin in der von ihr auf der Parzelle Nr. 3 geplanten Tiefgarage;
Verpflichtung der Beschwerdegegnerin, bei der Überbauung der Parzelle Nr. 3
eine Höhenbeschränkung von 8,5 Metern ab einem bestimmten Referenzpunkt
(1819,498 m.ü.M.) einzuhalten; gemeinsame Grundbuchanmeldung durch die beiden
Rechtsvertreter und gleichzeitige Grundbucheintragung der Verträge auf
Aufhebung des Baurechts und auf Überlassung der zwanzig Autoabstellplätze.

A.d Am 30. März 2004 unterzeichneten die Beschwerdeführer und die
Beschwerdegegnerin einen Vertrag auf Aufhebung des Baurechts, wobei die
Beschwerdegegnerin durch die kollektiv zeichnungsberechtigten Angehörigen des
Verwaltungsrates H. (Präsident) und I. (Mitglied) vertreten wurde. Die Parteien
hielten in der öffentlichen Urkunde fest, dass sich die Beschwerdeführer
bereits im Vorvertrag vom 20. Juni 2003 zur Aufhebung des auf der Parzelle Nr.
3 lastenden Baurechts verpflichtet hätten, und zwar Zug um Zug gegen
Übertragung des Eigentums an zwanzig im Rahmen der geplanten Überbauung der
Parzelle Nr. 3 erst noch zu errichtenden Autoabstellplätzen. Nach den weiteren
Ausführungen im Vertrag vom 30. März 2004 war zu diesem Zeitpunkt an der
Parzelle Nr. 3 noch kein Stockwerkeigentum begründet worden, weshalb die
Beschwerdegegnerin vorerst nicht in der Lage war, die genannte und von ihr
ausdrücklich als eigene Verpflichtung anerkannte Eigentumsverschaffung zu
erfüllen. Um den Baubeginn nicht zu verzögern, erklärten sich die
Beschwerdeführer gegen Einräumung finanzieller Sicherheiten trotzdem damit
einverstanden, dass das Baurecht bereits auf den 1. April 2004 aufgehoben und
die Baurechtsparzelle Nr. 2 im Grundbuch gelöscht werde.

A.e Die Dachoberkante des in der Folge auf der Parzelle Nr. 3 errichteten Wohn-
und Geschäftshauses samt Tiefgarage liegt gerade noch innerhalb der im
Vorvertrag vom 20. Juni 2003 festgelegten Bauobergrenze von 1827,998 m.ü.M.,
drei Aufbauten, die offenbar Liftmotoren und Kamine enthalten, hingegen nicht
mehr.

B.

B.a Am 31. Oktober 2006 erhoben die Beschwerdeführer beim Bezirksgericht Maloja
Klage mit folgenden Begehren: Erstens sei die beklagte X. AG unter
Strafandrohung zu verpflichten, die
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Dachaufbauten auf dem Gebäude der Parzelle Nr. 3 innert angemessener Frist zu
beseitigen, soweit sie die vereinbarte Höherbaubeschränkung verletzen; zweitens
sei das Grundbuchamt G. anzuweisen, die Höherbaubeschränkung zulasten des
Grundstücks Parzelle Nr. 3 und zugunsten der Parzelle Nr. 1 als
Grunddienstbarkeit im Grundbuch einzutragen; drittens sei die Beklagte
eventualiter zu verpflichten, Schadenersatz von Fr. 300'000.-, evtl. nach
richterlichem Ermessen, zuzüglich Zins zu bezahlen. In ihrer Prozessantwort
schloss die Beschwerdegegnerin auf Abweisung der Klage. Anlässlich der
erstinstanzlichen Hauptverhandlung zogen die Beschwerdeführer ihr Begehren auf
Eintragung einer Grunddienstbarkeit vorbehaltlos zurück.

B.b Mit Urteil vom 3. Juli 2007 hiess das Bezirksgericht Maloja die Klage gut
und verurteilte die Beschwerdegegnerin, die Dachaufbauten zu beseitigen.
Dagegen erhob die Beschwerdegegnerin Berufung beim Kantonsgericht von
Graubünden mit dem Begehren, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage
abzuweisen.

B.c Mit Urteil vom 12. Februar 2008 hiess das Kantonsgericht die Berufung unter
Abweisung des Beseitigungsbegehrens teilweise gut und wies die Sache zur
Behandlung des eventualiter gestellten Schadenersatzbegehrens sowie zur
Neubeurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz zurück.
Das Kantonsgericht kam zum Schluss, dass die Beschwerdegegnerin zwar die
Höherbaubeschränkung verletzt habe, weshalb das Beseitigungsbegehren an sich
gutzuheissen wäre. Da aber die Liegenschaft Parzelle Nr. 3 zu Stockwerkeigentum
aufgeteilt sei, die Dachaufbauten dem gemeinschaftlichen Bereich zuzuordnen und
daher nicht der Ausscheidung zu Sonderrecht zugänglich seien, könne die
Beschwerdegegnerin die Beseitigung nicht von sich aus an die Hand nehmen; die
nötigen Mehrheiten dafür werde sie bei den übrigen Stockwerkeigentümern nicht
finden. Die Beseitigungsleistung erweise sich daher als unmöglich, weshalb das
Hauptbegehren abgewiesen werden müsse. Da die Vorinstanz sich noch nicht mit
dem eventualiter gestellten Schadenersatzbegehren habe befassen müssen, sei die
Streitsache zur Beurteilung dieses Begehrens an die Vorinstanz zurückzuweisen.

C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 1. September 2008 beantragen die
Beschwerdeführer dem Bundesgericht, es sei das Urteil des Kantonsgerichts von
Graubünden aufzuheben und die Beschwerdegegnerin unter Strafandrohung zu
verurteilen, die bereits
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errichteten Dachaufbauten auf dem Gebäude der Parzelle Nr. 3 (Grundbuch F.)
innert angemessener und richterlich anzusetzender Frist zu entfernen, soweit
sie die vereinbarte privatrechtliche Baubeschränkung (Höhenbeschränkung auf
1827,998 m.ü.M.) verletzen.

D. Die Beschwerdegegnerin und das Kantonsgericht schliessen in ihren
Vernehmlassungen auf Abweisung der Beschwerde, sofern auf sie einzutreten sei.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

1. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 134 III 520 E. 1 S. 521; BGE
133 III 462 E. 2 S. 465; je mit Hinweisen).

1.1 Gegenstand des Verfahrens bildet eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG). Die
Rechtsbegehren der Beschwerdeführer sind im kantonalen Verfahren nicht
vollständig geschützt worden (Art. 76 Abs. 1 BGG), das Vermögensinteresse
bezüglich des vorliegend verlangten Abbaus der Dachaufbauten erreicht
offensichtlich den massgebenden Streitwert von Fr. 30'000.- (Art. 51 i.V.m.
Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Die Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 Abs.
1 BGG i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. b BGG). Zu prüfen bleibt, ob der angefochtene
Entscheid ein beschwerdefähiges Anfechtungsobjekt bildet.

1.2 Die Beschwerde ist in der Regel erst gegen Endentscheide der oberen
kantonalen Gerichte zulässig (Art. 90 BGG). Gemeint sind Entscheide, die den
Prozess beenden (BGE 133 III 393 E. 4 S. 395). Vorliegend hat das
Kantonsgericht nur über das Hauptbegehren entschieden und die Sache an die
Vorinstanz zum Entscheid über das Eventualbegehren zurückgewiesen.
Rückweisungsentscheide schliessen das Verfahren nicht ab und sind somit nach
der Regelung des BGG keine Endentscheide (BGE 134 II 124 E. 1.3 S. 127; BGE 133
V 477 E. 4.2 S. 481 f. mit Hinweisen). Es handelt sich vielmehr um
Zwischenentscheide, die nur unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG
selbständig angefochten werden können (BGE 133 V 477 E. 4.2 S. 481). Der
angefochtene Entscheid enthält indessen nicht nur einen Rückweisungsentscheid,
sondern auch einen materiellen Entscheid über einen Teil des Streitgegenstands.
Angefochten ist denn auch nur die Abweisung des Hauptbegehrens. Es
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ist daher zu prüfen, ob das vorinstanzliche Urteil einen beschwerdefähigen
Teilentscheid im Sinne von Art. 91 lit. a BGG darstellt.

1.2.1 Ein Teilentscheid ist eine Variante des Endentscheids. Mit ihm wird über
eines oder einige von mehreren Rechtsbegehren (objektive oder subjektive
Klagenhäufung) abschliessend befunden (BGE 134 III 426 E 1.1 S. 428; BGE 133 V
477 E. 4.1.2 S. 480; Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege [nachfolgend: Botschaft BGG], BBl 2001 4202 ff., 4332 Ziff.
4.1.4.1). Es handelt sich dabei nicht um verschiedene materiellrechtliche
Teilfragen eines Rechtsbegehrens, sondern um verschiedene Rechtsbegehren (BGE
133 V 477 E. 4.1.2 S. 480). Ein Entscheid, der nur einen Teil der gestellten
Begehren behandelt, ist jedoch nur dann ein vor Bundesgericht anfechtbarer
Teilentscheid, wenn diese Begehren unabhängig von den anderen beurteilt werden
können (Art. 91 lit. a BGG).

1.2.2 Unabhängigkeit im Sinne von Art. 91 lit. a BGG ist zum einen so zu
verstehen, dass die gehäuften Begehren auch Gegenstand eines eigenen Prozesses
hätten bilden können (Botschaft BGG, BBl 2001 4202 ff., 4332 Ziff. 4.1.4.1; so
auch schon die Praxis unter der Herrschaft des Bundesgesetzes über die
Organisation der Bundesrechtspflege [OG], statt aller BGE 131 III 667 E. 1.3 S.
669 f. mit ausführlichen Hinweisen auf die bundesgerichtliche Praxis; FELIX
UHLMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 5 zu Art. 91
BGG). Vorliegend haben die Beschwerdeführer im Hauptbegehren einen Anspruch auf
Beseitigung des vertragswidrigen Zustands und im Eventualbegehren einen
Anspruch auf Schadenersatz geltend gemacht. Zwar hängen diese Ansprüche
gleichermassen von der Vorfrage der Vertragsverletzung ab, sind aber auf eine
andere Rechtsfolge ausgerichtet. Die Ansprüche sind somit nicht identisch,
weshalb die beiden eventualgehäuften Begehren auch Gegenstand zweier separater
Prozesse hätten bilden können.

1.2.3 Zum anderen erfordert die Unabhängigkeit, dass der angefochtene Entscheid
einen Teil des gesamten Prozessgegenstands abschliessend beurteilt, so dass
keine Gefahr besteht, dass das Schlussurteil über den verbliebenen
Prozessgegenstand im Widerspruch zum bereits rechtskräftig ausgefällten
Teilurteil steht (in diesem Sinne auch HANS PETER WALTER, Das Teilurteil vor
Bundesgericht, in: Der Weg zum Recht, 2008, S. 248). Bei Eventualhäufungen
bewirkt die prozessuale Verknüpfung der Urteile über das Haupt- und das
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Eventualbegehren, dass kein Widerspruch zwischen dem Teil- und Schlussurteil
entstehen kann, da der allenfalls separat auszufällende Entscheid über das
Eventualbegehren nur dann Bestand hat, wenn die Abweisung des Hauptbegehrens in
Rechtskraft erwächst. Eine selbständig eröffnete Abweisung des Hauptbegehrens
ist daher grundsätzlich als anfechtungspflichtiger Teilentscheid zu betrachten
(vgl. auch schon WALTHER WÜTHRICH, Teilklage und Teilurteil, 1952, S. 38; zur
Obliegenheit der Anfechtung BGE 134 III 426 E. 1.1 S. 428). Der vorliegend
angefochtene Entscheid ist damit ein beschwerdefähiger Teilentscheid gemäss
Art. 91 lit. a BGG.
(...)

3. In materiellrechtlicher Hinsicht werfen die Beschwerdeführer der Vorinstanz
vor, sie habe den Begriff der nachträglichen Leistungsunmöglichkeit im Sinne
des Art. 97 Abs. 1 OR verkannt. Die Erbringung der Beseitigungsleistung sei
nicht unmöglich.

3.1 Kann die Erfüllung einer Forderung nach Vertragsschluss überhaupt nicht
mehr bewirkt werden, liegt ein Fall nachträglicher Unmöglichkeit vor. Dabei ist
zwischen objektiver und subjektiver Unmöglichkeit zu unterscheiden. Erstere ist
gegeben, wenn niemand mehr in der Lage ist, die Forderung zu erfüllen;
Letztere, wenn die Erfüllung zwar an sich möglich, aber der Schuldner dazu
ausserstande ist. Die Leistung ist namentlich dann subjektiv unmöglich, wenn
nach Treu und Glauben im Verkehr dem Schuldner die weitere Erfüllung nicht mehr
zumutbar ist (BGE 82 II 332 E. 5 S. 338). Dabei genügt jedoch nicht, dass die
Leistung bloss erheblich erschwert ist; das Leistungshindernis muss sich für
den Schuldner vielmehr als geradezu unüberwindbar herausstellen. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts kann das Leistungshindernis in der
nachträglich weggefallenen Verfügungsmacht des Schuldners über den
Leistungsgegenstand bestehen (BGE 84 II 6 E. 1 S. 10). Dabei ist einschränkend
zu präzisieren, dass das Leistungshindernis für den Schuldner erst dann
unüberwindbar wird, wenn dieser überhaupt keine Möglichkeit mehr hat, die
Verfügungsmacht zurückzuerlangen oder die zur Leistungserfüllung notwendigen
Zustimmungen der Verfügungsberechtigten einzuholen. Dies entspricht auch der
Rechtsprechung und Lehre zu mit Art. 97 OR vergleichbaren Regeln in
Nachbarrechtsordnungen (Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs vom 26. März
1999, in: NJW 1999 S. 2034 ff.; WOLFGANG ERNST, in: Münchener Kommentar zum
Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. II, 5. Aufl. München 2007, N. 53 zu § 275 BGB;
STAUDINGER/LÖWISCH,
BGE 135 III 212 S. 219
Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Stand: Januar 2004, N. 61 zu § 275 BGB;
für das italienische Recht DANIELA MEMMO, in: Commentario breve al Codice
civile, Galgano [Hrsg.], Piacenza 2006, N. 6 zu Art. 1218 CCit, wonach
subjektive Unmöglichkeit erst dann vorliegt, wenn das Leistungshindernis vom
Schuldner überhaupt nicht mehr beseitigt werden kann; für das österreichische
Recht RUDOLF REISCHAUER, in: Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch,
Rummel [Hrsg.], Bd. I, 2. Aufl., Wien 1990, N. 10 zu § 920 ABGB).

3.2 Vorliegend ist nicht bestritten, dass die Dachaufbauten, deren Beseitigung
die Beschwerdeführer verlangen, gemeinschaftliche Bauteile der im
Stockwerkeigentum stehenden Liegenschaft sind. Ein Stockwerkeigentümer ist zwar
in der baulichen Ausgestaltung seiner eigenen, d.h. zu Sonderrecht
ausgeschiedenen Räume frei, darf jedoch keine gemeinschaftlichen Bauteile,
Anlagen und Einrichtungen beschädigen oder in ihrer Funktion und äusseren
Erscheinung beeinträchtigen (Art. 712a Abs. 2 ZGB). Bei dieser
Unterlassungspflicht handelt es sich um eine unmittelbare gesetzliche
Eigentumsbeschränkung (MEIER-HAYOZ/REY, Berner Kommentar, 3. Aufl. 1988, N. 72
zu Art. 712a ZGB). Befugnisse des Stockwerkeigentümers zu eigenmächtigen
Umbauarbeiten an gemeinschaftlichen Teilen gibt es auch dann nicht, wenn damit
keine Beschädigungen oder Beeinträchtigungen verbunden wären. Dies wäre mit der
gesetzlichen Zuständigkeitsordnung in Bezug auf die gemeinschaftlichen Teile
betreffenden Verwaltungshandlungen und baulichen Massnahmen nicht vereinbar
(Art. 712a Abs. 2 ZGB). Diesbezüglich wird in Art. 712g Abs. 1 ZGB auf die
Bestimmungen über das Miteigentum (Art. 647a-e ZGB) verwiesen. Demnach bedürfen
notwendige bauliche Massnahmen, d.h. solche, die für die Erhaltung des Wertes
und der Sache nötig sind, der Zustimmung der Mehrheit aller Miteigentümer,
soweit sie nicht als gewöhnliche Verwaltungshandlungen von jedem Einzelnen
vorgenommen werden dürfen (Art. 647c ZGB). Nützliche bauliche Massnahmen
bedürfen dagegen der Zustimmung der Mehrheit aller Miteigentümer, die zugleich
den grösseren Teil der Sache vertritt (Art. 647d Abs. 1 ZGB), und der
Verschönerung und Bequemlichkeit dienende Massnahmen ebenfalls der Zustimmung
aller Miteigentümer (Art. 647e Abs. 1 ZGB).
Aus Sicht der Stockwerkeigentümerschaft erscheint der Abbau der Dachaufbauten
nicht notwendig im Sinne von Art. 647c ZGB, weshalb die Beschwerdegegnerin die
Beseitigung nicht gestützt auf
BGE 135 III 212 S. 220
Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB verlangen kann. In welche der anderen Kategorien
baulicher Massnahmen der Abbau der Dachaufbauten einzustufen wäre, ist
vorliegend unerheblich, da die Beschwerdegegnerin stets mindestens die
Zustimmung einer Mehrheit aller Stockwerkeigentümer bräuchte. Diese könnte nur
dann erzwungen werden, wenn die schuldrechtliche Höherbaubeschränkung auch die
anderen Stockwerkeigentümer binden würde. Das scheitert indessen daran, dass
eine obligatorische Unterlassungspflicht nur relative Wirkung entfaltet und
weder aus den Feststellungen der Vorinstanz ersichtlich ist noch von den
Parteien jemals behauptet wurde, dass diese auch den anderen
Stockwerkeigentümern vertraglich überbunden worden wäre. Fest steht zudem, dass
die vertragliche Höherbaubeschränkung nicht in eine (absolut wirkende)
Grunddienstbarkeit überführt wurde. Die Beschwerdegegnerin griffe also in
dingliche Rechtspositionen der anderen Stockwerkeigentümer ein, wenn sie die
Dachaufbauten eigenmächtig abbauen liesse. Sie würde sich dabei nicht nur
privatrechtlich, sondern auch strafrechtlich verantwortlich machen.

3.3 Daraus ergibt sich, dass die nötige Zustimmung der anderen
Stockwerkeigentümer rechtlich nicht erzwungen werden kann. Da sie gemäss den
verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz auch tatsächlich nicht eingeholt
werden kann, steht der Beschwerdegegnerin ein unüberwindbares
Leistungshindernis entgegen. Die Vorinstanz hat Art. 97 OR nicht verletzt, wenn
sie von subjektiver Unmöglichkeit der Beseitigungsleistung ausgegangen ist.