Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 135 III 14



Urteilskopf

135 III 14

2. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y.
(Beschwerde in Zivilsachen)
5A_284/2008 vom 2. Oktober 2008

Regeste

aArt. 39 Abs. 1 Ziff. 5, Art. 171 ff. SchKG; Änderung des Anwendungsbereichs
der Konkursbetreibung und übergangsrechtliche Folgen. Über das
geschäftsführende Mitglied einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nach
dem 1. Januar 2008 kein Konkurs zu eröffnen (E. 3-5).

Sachverhalt ab Seite 14

BGE 135 III 14 S. 14
In der mit Zahlungsbefehl vom 3. September 2002 gegen X. angehobenen Betreibung
Nr. x des Betreibungsamtes Zürich 4 über den Betrag von insgesamt Fr.
2'084'761.65 zuzüglich Zinsen ab Verfall sowie Kosten stellte Y. am 19.
November 2007 das Begehren um Fortsetzung der Betreibung. Die Zustellung der
Konkursandrohung erfolgte am 3. Dezember 2007. Bis am 10. Dezember 2007 war X.
BGE 135 III 14 S. 15
als Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift für die Z. GmbH
im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragen. Die Löschung wurde im
Schweizerischen Handelsamtsblatt vom 14. Dezember 2007 publiziert.
Am 7. Januar 2008 stellte Y. beim Bezirksgericht Zürich das Begehren um
Eröffnung des Konkurses über X. Anlässlich der Hauptverhandlung vom 26. Februar
2008 machte dieser geltend, dass er infolge Aufhebung von Art. 39 Abs. 1 Ziff.
5 SchKG per 1. Januar 2008 nicht mehr der Konkursbetreibung unterliege. Mit
Verfügung vom 29. Februar 2008 wurde über X. der Konkurs eröffnet. Das
Obergericht des Kantons Zürich wies einen gegen diese Verfügung gerichteten
Rekurs des Schuldners am 8. April 2008 ab.
X. (nachfolgend: Beschwerdeführer) ist mit einer als "Beschwerde in Zivilsachen
und subsidiärer Verfassungsbeschwerde" bezeichneten Eingabe vom 30. April 2008
an das Bundesgericht gelangt. Er beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen
Beschlusses. Y. (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) schliesst auf Abweisung der
Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in Zivilsachen gut.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

3. Die Betreibungsart wird vom Betreibungsbeamten nach Eingang des
Fortsetzungsbegehrens bestimmt (Art. 38 Abs. 3 SchKG). Personen, die im
Handelsregister eingetragen waren, unterliegen, nachdem die Streichung durch
das Schweizerische Handelsamtsblatt bekanntgemacht worden ist, noch während
sechs Monaten der Konkursbetreibung (Art. 40 Abs. 1 SchKG). Stellt der
Gläubiger vor Ablauf dieser Frist das Fortsetzungsbegehren, so wird die
Betreibung auf dem Weg des Konkurses fortgesetzt (Art. 40 Abs. 2 SchKG). Die
Regeln über die Wirkungsdauer des Handelsregistereintrages sollen verhindern,
dass ein Schuldner sich zum Schaden der Gläubiger durch eine unerwartete
Streichung der Konkursbetreibung entziehen kann. Erfolgt die Streichung im
Handelsregister infolge Konkurses des eingetragenen Schuldners, kommt der
Schutzgedanke der Nachwirkungsfrist von Art. 40 SchKG nicht zum Tragen. Sie
gilt zudem nur für natürliche Personen, die ihre Kaufmannseigenschaft
verlieren, aber im Übrigen weiter betrieben werden können. Wird hingegen eine
juristische Person im Handelsregister gelöscht, so kann gegen sie weder eine
Betreibung angehoben noch fortgesetzt werden
BGE 135 III 14 S. 16
(ACOCELLA, Basler Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs,
N. 1, 3 f. und 9 zu Art. 40 SchKG; WERNER BAUMANN, Die Konkurseröffnung nach
dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Diss. Zürich 1979, S. 5
ff.).

4. Die Beschwerdegegnerin stellte am 19. November 2007 das Begehren um
Fortsetzung der Betreibung. Die Zustellung der Konkursandrohung erfolgte am 3.
Dezember 2007. Der Beschwerdeführer war bis am 10. Dezember 2007 als
geschäftsführendes Mitglied einer GmbH im Handelsregister des Kantons Zürich
eingetragen. Die Löschung wurde im Schweizerischen Handelsamtsblatt vom 14.
Dezember 2007 publiziert. Damit wurde das Fortsetzungsbegehren nicht nur vor
Ablauf, sondern sogar vor Beginn der Nachwirkungsfrist von Art. 40 Abs. 2 SchKG
gestellt. Die Fortsetzung der Betreibung auf dem Wege des Konkurses hätte
einzig auf dem Beschwerdeweg angefochten werden können (BGE 122 III 295 E. 1 S.
296), welchem Ansinnen kaum Erfolg beschieden gewesen wäre. Dass bis Ende 2007
ein Anlass zum Eingreifen von Amtes wegen bestanden habe, weil die Betreibung
unrichtigerweise auf Konkurs fortgesetzt wurde (vgl. BGE 94 III 65 E. 2 S. 68),
behauptet der Beschwerdeführer nicht.

5. Das Begehren um Eröffnung des Konkurses erfolgte am 7. Januar 2008. Mit
Verfügung vom 29. Februar 2008 sprach der zuständige Konkursrichter den Konkurs
über den Beschwerdeführer aus. Die Streichung von Art. 39 Abs. 1 Ziff. 5 SchKG
trat indes bereits am 1. Januar 2008 in Kraft, ab welchem Zeitpunkt ein
vormalig geschäftsführendes Mitglied einer GmbH nicht mehr der
Konkursbetreibung unterliegt. Damit stellt sich die Frage, ob diese Neuerung
auch für die gegen den Beschwerdeführer bereits laufenden Betreibungsverfahren
gilt.

5.1 Die Vorinstanz verneinte dies mit Hinweis auf den ihrer Ansicht nach hier
allein massgeblichen Zeitpunkt des Fortsetzungsbegehrens, welcher sich aus Art.
40 Abs. 2 SchKG ergebe. Dannzumal war Art. 39 Abs. 1 Ziff. 5 SchKG noch in
Kraft und der Beschwerdeführer in der dort aufgeführten Eigenschaft im
Handelsregister eingetragen. Die Anwendung des neuen Rechts auf laufende
Betreibungsverfahren hätte - so die Vorinstanz - aus Gründen des
Vertrauensschutzes intertemporalrechtlich ausdrücklich vorgesehen werden oder
klar gewollt sein müssen, was gerade nicht der Fall sei. Öffentliche Interessen
für eine Rückwirkung hätten sich ebenfalls
BGE 135 III 14 S. 17
nicht aufgedrängt. Der Gesetzgeber habe Übergangsbestimmungen als nicht
notwendig erachtet und daher auf den Erlass solcher verzichtet.

5.2 Demgegenüber vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, dass für die
materiell-rechtliche Frage der Konkursfähigkeit auf den Zeitpunkt der
Konkurseröffnung abzustellen sei und dieselbe an der Konkursverhandlung hätte
geprüft werden müssen. Seit dem 1. Januar 2008 fehle es an einer gesetzlichen
Grundlage, gegen ihn als ehemaliges geschäftsführendes Mitglied einer GmbH den
Konkurs zu eröffnen. Die Beschwerdegegnerin macht im Wesentlichen geltend, dass
für die verfahrensrechtliche Frage, welcher Betreibungsart der Schuldner
unterliege, das Fortsetzungsbegehren massgebend sei. In diesem Sinne äussern
sich LORANDI/SCHWANDER, nach deren Auffassung diejenigen Entscheidungen über
das einzuschlagende Verfahren, welche vor dem 1. Januar 1997 ergangen sind,
auch unter dem neuen Recht aufrechtbleiben, wenn dieses eine Änderung über die
Konkursfähigkeit mit sich bringt (LORANDI/SCHWANDER, Übergangsbestimmungen des
revidierten SchKG, AJP 1996 S. 1465, mit Hinweis auf Art. 2 Abs. 1 der
Übergangsbestimmungen zur SchKG-Revision von 16. Dezember 1994).

5.3 Der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden, soweit sie im konkreten Fall auf
Art. 40 Abs. 2 SchKG abstellt. Die Einreichung des Fortsetzungsbegehrens und
die Zustellung der Konkursandrohung erfolgten bereits vor der Publikation im
Schweizerischen Handelsamtsblatt, womit gar kein Nachwirkungstatbestand im
Sinne der genannten Bestimmung vorlag. Wie der Beschwerdeführer sodann zu Recht
anführt, lässt die Regelung von Art. 40 Abs. 2 SchKG zwar die Konkursfähigkeit
des Schuldners unter bestimmten Voraussetzungen für sechs Monate weiterdauern,
sie begründet aber eine solche nicht. Der Schutzgedanke von Art. 40 Abs. 2
SchKG geht überdies dahin, die Gläubiger vor den Folgen unerwarteter Löschungen
im Handelsregister zu schützen. Eine Gesetzesrevision kann aber nicht mit einem
allenfalls nicht schützenswerten Verhalten des Schuldners verglichen werden, da
sie in der Regel bekannt ist, nicht kurzfristig erfolgt und sich dem Verhalten
der Parteien ohnehin entzieht. Damit steht fest, dass Art. 40 Abs. 2 SchKG
nicht nur keine Anwendung im vorliegenden Fall findet, sondern auch keinen
Hinweis für die Weitergeltung von Art. 39 Abs. 1 Ziff. 5 SchKG über den 31.
Dezember 2007 hinaus geben kann.
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5.4 Auf jeden Fall ist der Konkursrichter gehalten, bei der Behandlung des
Konkursbegehrens auch die Konkursfähigkeit des Betriebenen zu prüfen (FRITZSCHE
/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. II, § 37
Rz. 31 S. 83). Gelangt er im konkreten Fall zum Schluss, dass im
vorangegangenen Verfahren eine nichtige Verfügung erlassen wurde, so überweist
er den Fall an die Aufsichtsbehörde zur Beurteilung des Konkursbegehrens (Art.
173 Abs. 2 SchKG). Ist der Konkursrichter der Ansicht, dass die Betreibung auf
dem Wege der Pfändung oder Pfandverwertung fortzuführen ist, so hat er in
gleicher Weise vorzugehen (GIROUD, in: Kommentar zum Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs, N. 6 zu Art. 173 SchKG; FRITZSCHE/WALDER, a.a.O.,
§ 36 Rz. 23 S. 42). Daraus folgt im Sinne einer allgemeinen Regel, dass die
Zustellung der Konkursandrohung eine Änderung des weiteren Verfahrens nicht
verhindern kann. Ergibt sich der Wegfall der Konkursfähigkeit, wie im
vorliegenden Fall, aus einer gesetzlichen Anordnung und ist nicht eine bisher
ergangene Verfügung zu überprüfen, so macht die Überweisung an die
Aufsichtsbehörden wenig Sinn. Der Konkursrichter kann die Frage der
Konkursfähigkeit selber prüfen, wie er auch eine offensichtliche Nichtigkeit
selber feststellen kann (AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und
Konkursrechts, 8. Aufl. 2008, § 36 Rz. 40; vgl. dazu GIROUD, a.a.O.).

5.5 Zu prüfen bleibt damit, ob übergangsrechtliche Gründe für eine weitere
Anwendung von Art. 39 Abs. 1 Ziff. 5 SchKG nach seiner Aufhebung am 1. Januar
2008 sprechen.

5.5.1 Der Gesetzgeber sah für die hier in Frage stehende Vorschrift im
Gegensatz zu den SchKG-Änderungen vom 16. Dezember 1994, vom 24. März 2000, 19.
Dezember 2003 sowie vom 17. Juni 2005 keine eigene Schlussbestimmung vor (vgl.
Dreizehnter Titel des SchKG). Hingegen verwies er in Art. 1 Abs. 1 der
Übergangsbestimmungen zur Revision des OR vom 16. Dezember 2005 (nicht publ. E.
2) auf die allgemeine Regel im Schlusstitel des ZGB, soweit nichts anderes
vorgesehen sei. Spezielle Anpassungsfristen finden sich in Art. 1 Abs. 2 und
Art. 2 der Übergangsbestimmungen vor allem im Hinblick auf die Statuten der
Gesellschaften. Nach Art. 1 Abs. 1 SchlT ZGB richten sich die rechtlichen
Wirkungen von Tatsachen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts eingetreten
sind, auch nachher nach dem bisherigen Recht.
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5.5.2 Diese Regel der Nichtrückwirkung für abgeschlossene Sachverhalte erfasst
indessen so genannte Dauertatbestände nicht. Solche sind im Gesellschaftsrecht
von grosser Bedeutung. Demnach richtet sich die Organisation und die
Rechtsstellung der beteiligten Personen vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an
grundsätzlich nach neuem Recht (Botschaft zur Revision des OR, BBl 2002 3247
Ziff. 2.4). Soweit sich für den Gesellschafter und im Speziellen den
Geschäftsführer der GmbH durch das neue Recht Änderungen in seinen Rechten und
Pflichten ergeben, gelten diese somit ab seinem Inkrafttreten. Damit muss auf
den gleichen Zeitpunkt ebenfalls die Konkursfähigkeit des geschäftsführenden
Gesellschafters wegfallen. Denn von dieser Eigenschaft des Schuldners hängt
allein die Frage ab, ob die Zwangsvollstreckung auf dem Wege der
Generalexekution durchgeführt werden muss oder nicht (vgl. BAUMANN, a.a.O., S.
1 f.). Dass der geschäftsführende Gesellschafter weiterhin im Handelsregister
eingetragen bleibt (Art. 791 Abs. 1 und Art. 814 Abs. 6 OR), ist im Hinblick
auf das Konkursverfahren nicht mehr von Belang.

5.5.3 Dem bereits erwähnten Gebot der Nichtrückwirkung folgend bleibt die unter
altem Recht ergangene Konkursandrohung selbstredend bestehen, und die Folgen
einer allfälligen Zahlung seitens des Schuldners an das Betreibungsamt (Art. 12
SchKG) sind nach wie vor gültig. Der Konkursandrohung kommt im Weiteren eine
durchaus eigenständige und vom vorangegangenen und allenfalls weiteren
Verfahren unabhängige Bedeutung zu. Sie stellt eine ultimative
Zahlungsaufforderung dar, da bei Nichtleistung der in Betreibung gesetzten
Forderung innert 20 Tagen der Gläubiger den Konkurs verlangen kann (Art. 160
Abs. 1 Ziff. 3 SchKG). Hat die Konkursandrohung nicht zum gewünschten Erfolg
geführt, so kann der Gläubiger erst das Konkursbegehren stellen. Dabei handelt
es sich um einen nächsten Schritt auf dem Weg zur Konkurseröffnung. Seine
Voraussetzungen richten sich - wie die vorangegangen Vorkehren des Gläubigers -
nach dem im Zeitpunkt der Vornahme jeweils gültigen Recht. Ausgehend von der
eigenständigen Natur des Konkursbegehrens liegt somit kein Fall von Rückwirkung
vor. Damit ist nicht zu entscheiden, ob die Aufhebung von Art. 39 Abs. 1 Ziff.
5 SchKG ungeachtet seiner zwingenden Natur um der öffentlichen Ordnung und
Sittlichkeit willen im Sinne von Art. 2 SchlT ZGB erfolgt ist (vgl. dazu BGE
133 III 105 E. 2.1.3 S. 109).
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5.6 Für die sofortige Anwendung des neuen Rechts sprechen nach dem Gesagten
sowohl konkursrechtliche (E. 5.4) wie übergangsrechtliche Überlegungen (E.
5.5). Demzufolge unterlag der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der angefochtenen
Konkurseröffnung bereits nicht mehr der Konkursbetreibung, welcher Umstand zur
Gutheissung seiner Beschwerde führt. Die Anwendbarkeit des Grundsatzes, dass
ein unangefochten in Rechtskraft erwachsenes Konkursdekret für die
Konkursbehörden verbindlich ist und von diesen nicht auf seine Gesetzmässigkeit
überprüft werden kann (vgl. FRITZSCHE/WALDER, a.a.O., § 36 Rz. 27), ist in
Bezug auf Konkursdekrete, mit welchen nach dem 1. Januar 2008 über ein
geschäftsführendes Mitglied einer GmbH der Konkurs eröffnet wurde, vorliegend
nicht zu erörtern.