Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 V 64



Urteilskopf

134 V 64

10. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S.
Pensionskasse X. gegen A. (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
B 10/07 vom 6. Februar 2008

Regeste

Art. 34a Abs. 1 BVG; Art. 24 Abs. 2 BVV 2 (in der seit 1. Januar 2005 geltenden
Fassung); Ermittlung des anrechenbaren Einkommens. Bei der
Überentschädigungsberechnung Teilinvalider in der beruflichen Vorsorge ist seit
1. Januar 2005 nicht mehr nur das effektiv erzielte, sondern neu auch das
zumutbarerweise erzielbare Erwerbseinkommen anzurechnen (E. 2.1). Es besteht
eine Vermutung, wonach das zumutbarerweise noch erzielbare Erwerbseinkommen mit
dem von der IV-Stelle ermittelten Invalideneinkommen übereinstimmt (E. 4.1.3).
Der versicherten Person ist das Gehörsrecht mit Bezug auf persönliche Umstände
und tatsächliche Lage auf dem im Einzelfall relevanten Arbeitsmarkt zu gewähren
(E. 4.2.1). Die versicherte Person trifft dabei eine Mitwirkungspflicht (E.
4.2.2).

Sachverhalt ab Seite 65

BGE 134 V 64 S. 65

A. Die 1967 geborene, verheiratete A. reiste 1992 in die Schweiz ein. Ab 2.
April 1996 war sie in der Firma Y. als Mitarbeiterin in der Abwaschküche tätig
und bei der Pensionskasse X. (im Folgenden: Pensionskasse)
berufsvorsorgeversichert. Am 7. April 2004 meldete sie sich bei der
Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Die IV-Stelle ermittelte einen
Invaliditätsgrad von 60 % und sprach A. mit Verfügung vom 13. Januar 2005 mit
Wirkung ab 1. Juni 2004 eine Dreiviertels-Invalidenrente nebst drei
Kinderrenten zu. Die Arbeitgeberfirma löste das Arbeitsverhältnis auf den 31.
Juli 2004 auf.
Mit Schreiben vom 8. Juni 2005 teilte die Pensionskasse A. mit, für die Zeit
vom 1. August bis 31. Dezember 2004 stehe ihr eine 60%ige Invalidenrente von
Fr. 584.- nebst drei Kinderrenten à Fr. 134.- monatlich zu. Dieser
Rentenanspruch werde gestützt auf die neuen, am 1. Januar 2005 in Kraft
getretenen Reglementsbestimmungen und das zumutbarerweise noch erzielbare
Erwerbseinkommen von Fr. 17'618.- pro Jahr ab 1. Januar 2005 auf Fr. 0.-
gekürzt. In der nachfolgenden Korrespondenz mit dem Rechtsvertreter der
Versicherten hielt die Pensionskasse an ihrem Kürzungsentscheid fest.

B. Am 3. Januar 2006 liess A. Klage erheben mit dem Rechtsbegehren, die
Pensionskasse sei zu verpflichten, die Rentenkürzung ab 1. Januar 2005
rückgängig zu machen und der Klägerin rückwirkend die volle Rente nebst 5 %
Zins seit mittlerem Verfall auszurichten; eventuell sei die Beklagte zu
verpflichten, bei der Berechnung des zumutbarerweise erzielbaren
Erwerbseinkommens die konkreten Umstände zu berücksichtigen, subeventuell den
Beginn der Rentenkürzung auf später festzusetzen. Das Versicherungsgericht des
Kantons St. Gallen führte einen doppelten Schriftenwechsel durch und zog die
Akten der IV-Stelle bei. Mit Entscheid vom 20. Dezember 2006 hiess es die Klage
teilweise gut und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin ab 1. Januar 2005
unter Anrechnung
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der bereits erbrachten Leistungen eine auf die Überentschädigungsgrenze von 90
% gekürzte Rente zuzüglich Zins von 5 % seit 3. Januar 2006 auf den
ausstehenden Leistungen zu erbringen.

C. Die Pensionskasse lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem
Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben.
A. lässt in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen (BSV) hat eine Vernehmlassung erstattet, stellt aber
keinen bestimmten Antrag.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Das kantonale Gericht hat die ab 1. Januar 2005 anwendbaren gesetzlichen
Bestimmungen über die Verhinderung ungerechtfertigter Vorteile des Versicherten
oder seiner Hinterlassenen beim Zusammentreffen mehrerer Leistungen (Art. 34a
Abs. 1 BVG in Verbindung mit Art. 24 BVV 2 in der seit 1. Januar 2005 gültigen
Fassung) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen, namentlich auf Art. 24
Abs. 2 Satz 2 BVV 2, wonach Bezügern von Invalidenleistungen in der
Überentschädigungsberechnung nicht nur das weiterhin effektiv erzielte, sondern
- im Gegensatz zur unter der Herrschaft der bis 31. Dezember 2004 in Kraft
gestandenen Fassung entwickelten Rechtsprechung (BGE 123 V 88 E. 4 S. 94 f.) -
auch das "zumutbarerweise noch erzielbare Erwerbs- oder Ersatzeinkommen"
anzurechnen ist.

2.2 Die Pensionskasse hat ihr Vorsorgereglement im Jahre 2004 revidiert und das
geänderte Reglement (im Folgenden: Reglement 2005) auf den 1. Januar 2005 in
Kraft gesetzt. Dieses neue Reglement 2005 ersetzte das am 1. Januar 1998 in
Kraft getretene (im Folgenden: Reglement 1998; Art. 91 Abs. 1 Reglement 2005).
In Art. 20 Abs. 1 und 2 Reglement 2005 hat die Pensionskasse folgende
Überentschädigungsregelung getroffen:
"Art. 20 Anrechnung anderer Versicherungsleistungen/Anrechnung von
Schadenersatzansprüchen/Leistungskürzungen
^1 Die Kasse kürzt die Hinterlassenen- und Invalidenleistungen, soweit sie
zusammen mit anderen anrechenbaren Einkünften (siehe Absatz 2) 90 Prozent des
mutmasslich entgangenen Verdienstes der versicherten Person übersteigen.
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^2 Als anrechenbare Einkünfte im Sinne von Abs. 1 gelten:
- Leistungen der AHV/IV (und/oder in- und ausländischer Sozialversicherungen)
mit Ausnahme von Hilflosenentschädigungen, Abfindungen und ähnlichen
Leistungen.
- Leistungen der betrieblichen Unfallversicherung oder der Militärversicherung.
- bei ehe-ähnlicher Lebensgemeinschaft (Art. 37): Leistungen aus
Scheidungsurteil und beruflicher Vorsorge, soweit diese zur Besserstellung
gegenüber der Ehe führen.
- das weiterhin erzielte sowie das zumutbarerweise noch erzielbare
Erwerbseinkommen (und/oder Erwerbsersatzleistungen) bei Bezug von
Invalidenleistungen."
In Abs. 1 dieser Reglementsbestimmung hat die Pensionskasse festgehalten, dass
sie von dem ihr in Art. 24 Abs. 1 BVV 2 eingeräumten Ermessen, die
Überentschädigungsgrenze auf 90 % des mutmasslich entgangenen Verdienstes
anzusetzen, Gebrauch macht. In Abs. 2 werden die einzelnen, in der
Überentschädigungsberechnung anrechenbaren Einkünfte aufgezählt und in Alinea 4
von Abs. 2 wird die in Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BVV 2 vorgeschriebene Anrechnung
des weiterhin erzielten oder zumutbarerweise erzielbaren Erwerbs- oder
Ersatzeinkommens reglementarisch statuiert.

2.3

2.3.1 Die Vorinstanz hat zutreffend dargelegt, dass die Delegiertenversammlung
der Pensionskasse gemäss Art. 67 Ziff. 1 und Art. 89 Reglement 1998 zu diesen
Reglementsänderungen ermächtigt war und dabei die formellen Anforderungen einer
Reglementsänderung beachtet wurden. Intertemporalrechtlich hat das kantonale
Gericht ferner richtig festgehalten, dass nach der Rechtsprechung neue
gesetzliche Überentschädigungsregelungen auch auf laufende Renten anwendbar
sind (BGE 122 V 316 E. 3c S. 319). Das gilt für die Änderung reglementarischer
Überentschädigungsregelungen analog. Die Pensionskasse hat daher die
Überentschädigungsberechnung betreffend die Invalidenrente der
Beschwerdegegnerin per 1. Januar 2005 intertemporalrechtlich korrekt nach
Massgabe von Art. 20 Abs. 1 und 2 des auf diesen Zeitpunkt in Kraft getretenen
Reglementes 2005 durchgeführt (vgl. - die Beschwerdeführerin betreffend - SVR
2007 BVG Nr. 35 S. 125, B 82/06).

2.3.2 Soweit die Beschwerdegegnerin die Rechtmässigkeit der von der
Pensionskasse durchgeführten Reglementsrevision unter Hinweis auf Art. 86 Ziff.
1 lit. a Reglement 1998 bestreitet, übersieht
BGE 134 V 64 S. 68
sie, dass es sich dabei um eine Besitzstandsbestimmung für die "bisherigen
Leistungszusagen", d.h. solche nach dem bis zum 1. Januar 1998 gültigen
Reglement 1990, handelt. Eine derartige, auf dem Reglement 1990 beruhende
"Leistungszusage" steht hier nicht zur Diskussion.

2.3.3 Die Beschwerdegegnerin ersucht ferner um eine Änderung der Rechtsprechung
betreffend die Anwendung geänderter Überentschädigungsregelungen auf laufende
Renten (BGE 122 V 316 E. 3c S. 319). Dazu besteht kein Anlass. Die für eine
Praxisänderung erforderlichen Voraussetzungen sind nicht gegeben (vgl. BGE 133
V 37 E. 5.3.3 S. 39; BGE 132 V 357 E. 3.2.4.1 S. 360 mit Hinweisen).

3.

3.1 Streitgegenstand bildet die Kürzung der der Beschwerdegegnerin zustehenden
berufsvorsorgerechtlichen Invalidenrente per 1. Januar 2005. Dabei ist im
letztinstanzlichen Verfahren - von den beiden soeben dargelegten
übergangsrechtlichen Streitpunkten abgesehen - nur noch die Art und Weise, wie
das in der Überversicherungsberechnung gemäss Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BVV 2
anzurechnende "zumutbarerweise erzielbare Erwerbs- oder Ersatzeinkommen" zu
ermitteln ist, umstritten.

3.2 Das kantonale Gericht hat erwogen, angesichts der weitreichenden
Konsequenzen, welche dem anrechenbaren Einkommen für die effektive Höhe der
berufsvorsorgerechtlichen Invalidenleistungen zukomme, dränge sich eine
diesbezügliche Einzelfallprüfung auf. Namentlich bei einem hohen
Invaliditätsgrad sei die Verwertung der Restarbeitsfähigkeit häufig in Frage
gestellt, weshalb eine generelle Anrechnung des von der IV-Stelle ermittelten
Invalideneinkommens den konkreten Umständen des Einzelfalles nicht gerecht
werde. Auch beim mutmasslich entgangenen Verdienst seien die spezifischen
Gegebenheiten und tatsächlichen Chancen der versicherten Person auf dem
jeweiligen lokalen und regionalen Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Eine solche
Einzelfallprüfung gelte analog für die Festlegung des zumutbarerweise
erzielbaren Erwerbseinkommens.

3.3 Die Beschwerde führende Pensionskasse vertritt demgegenüber die Auffassung,
für die Ermittlung des zumutbarerweise erzielbaren Resterwerbseinkommens sei im
Grundsatz vom invalidenversicherungsrechtlich festgelegten Invalideneinkommen
auszugehen,
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weil die Invalidenversicherung dabei auf die konkrete beruflich-erwerbliche
Situation der versicherten Person abstelle. Die weitgehende Parallelität von
Valideneinkommen und mutmasslich entgangenem Verdienst gelte auch für das
Verhältnis von Invalideneinkommen und zumutbarem Resterwerbseinkommen. Mit Art.
24 Abs. 2 Satz 2 BVV 2 sei den Bezügern von berufsvorsorgerechtlichen
Invalidenleistungen eine Schadenminderungspflicht auferlegt worden. Falls bei
der Bestimmung des zumutbarerweise erzielbaren Resterwerbseinkommens der
konkrete Arbeitsmarkt zu berücksichtigen sei, gebiete die
Schadenminderungspflicht jedenfalls, dass die versicherte Person ihre
(vergeblichen) Bemühungen um Verwertung ihrer Resterwerbsfähigkeit darlege.

3.4 Das BSV weist auf seine Mitteilungen über die berufliche Vorsorge Nr. 82
vom 24. Mai 2005, Rz. 478 hin, mit denen es sich dazu geäussert hat, was unter
dem Begriff des zumutbarerweise noch erzielbaren Erwerbs- oder Ersatzeinkommens
zu verstehen ist. Ergänzend führt es an, es dürfe bei der Ermittlung des
zumutbaren Resterwerbseinkommens nicht von der Fiktion eines ausgeglichenen
Arbeitsmarktes ausgegangen werden. Entscheidend sei vielmehr, ob es für die
versicherte Person möglich und zumutbar sei, eine Stelle zu finden. Die
Beweislast, dass es auf dem tatsächlichen Arbeitsmarkt möglich sei,
überversicherungsrechtlich anrechenbares Erwerbseinkommen zu erzielen, trage
die Vorsorgeeinrichtung.

4.

4.1

4.1.1 Auszugehen ist vom Zweck der in Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BVV 2
vorgeschriebenen Anrechenbarkeit des zumutbarerweise erzielbaren
Erwerbseinkommens: Dieser besteht darin, teilinvalide Versicherte, welche die
ihnen zumutbare Restarbeitsfähigkeit nicht verwerten, finanziell denjenigen
gleichzustellen, die - in Erfüllung der Schadenminderungspflicht - das ihnen
zumutbare Invalideneinkommen tatsächlich erzielen. So hält das BSV in seinen
Mitteilungen über die berufliche Vorsorge Nr. 75 vom 2. Juli 2004 in den
Erläuterungen zur Änderung der BVV 2 zu Art. 24 Abs. 2 denn auch fest, mit dem
2. Satz des Absatzes 2 werde mit der Ergänzung "zumutbarerweise noch erzielbare
Einkommen" sichergestellt, dass Teilinvalide im Rahmen der Schadenminderung
Erwerbseinkommen erzielen müssen, und dass das Ersatzeinkommen, beispielsweise
die Taggelder der Arbeitslosenversicherung (ALV), bei Vermittelbarkeit
ebenfalls angerechnet werden müssen.

4.1.2
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Zu berücksichtigen ist weiter der funktionale Zusammenhang zwischen erster
(Invalidenversicherung) und zweiter Säule (berufliche Vorsorge), wie er in den
Art. 23, 24 Abs. 1 und Art. 26 Abs. 1 BVG positivrechtlich verankert ist. Er
besteht darin, dass sich der Leistungsanspruch auf eine Invalidenrente der
obligatorischen beruflichen Vorsorge an den sachbezüglichen Voraussetzungen des
IVG orientiert (Art. 23 lit. a BVG in der seit 1. Januar 2005 gültigen
Fassung), die Höhe der berufsvorsorgerechtlichen Rente analog zu derjenigen
nach IVG bestimmt wird (Art. 24 Abs. 1 BVG in der seit 1. Januar 2005 gültigen
Fassung) und für den Beginn des Anspruches auf eine BVG-Invalidenrente gemäss
Art. 26 Abs. 1 BVG sinngemäss die entsprechenden
invalidenversicherungsrechtlichen Bestimmungen (Art. 29 IVG) gelten. Zweck
dieser gesetzlichen Konzeption ist es, einerseits eine weitgehende
materiellrechtliche Koordination zwischen erster und zweiter Säule zu
erreichen. Anderseits sollen damit die Organe der beruflichen Vorsorge von
eigenen aufwändigen Abklärungen bezüglich der Voraussetzungen des Umfanges und
des Beginns des Invalidenrentenanspruches in der zweiten Säule möglichst
freigestellt werden (BGE 133 V 67 E. 4.3.2 S. 69; BGE 132 V 1 E. 3.2 S. 4).

4.1.3 Sind nach der gesetzlichen Konzeption der Invalidenleistungen aus der
ersten und zweiten Säule die Festlegungen der IV-Stelle bezüglich Entstehung,
Höhe und Beginn des Rentenanspruches grundsätzlich für die Invalidenrente der
obligatorischen beruflichen Vorsorge massgebend und verbindlich, muss das im
invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren festgelegte Invalideneinkommen dem
Grundsatz nach auch in der berufsvorsorgerechtlichen
Überentschädigungsberechnung Berücksichtigung finden. Ausgangspunkt ist daher
der Grundsatz der Kongruenz von Invalideneinkommen und zumutbarerweise noch
erzielbarem Erwerbseinkommen im Sinne des revidierten Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BVV
2. Im gleichen Verhältnis stehen Valideneinkommen und mutmasslich entgangener
Verdienst (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 17/03 vom 2. September
2004, zusammengefasst in: SZS 2005 S. 321). Damit ist im Sinne einer Vermutung
davon auszugehen, dass das von der IV-Stelle festgelegte Invalideneinkommen dem
zumutbarerweise noch erzielbaren Erwerbseinkommen nach Art. 24 Abs. 2 Satz 2
BVV 2 entspricht.

4.2

4.2.1 Das invalidenversicherungsrechtlich festgelegte Invalideneinkommen wird
auf der Grundlage eines ausgeglichenen Arbeitsmarktes (Art. 16 ATSG) ermittelt.
Der ausgeglichene Arbeitsmarkt ist ein theoretischer und abstrakter Begriff. Er
berücksichtigt die konkrete Arbeitsmarktlage nicht, umfasst in wirtschaftlich
schwierigen Zeiten auch tatsächlich nicht vorhandene Stellenangebote und sieht
von den fehlenden oder verringerten Chancen Teilinvalider, eine zumutbare und
geeignete Arbeitsstelle zu finden, ab (BGE 110 V 273 E. 4b S. 276).
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Das zumutbarerweise erzielbare Erwerbseinkommen im Sinne von Art. 24 Abs. 2
Satz 2 BVV 2 basiert demgegenüber auf dem Zumutbarkeitsgrundsatz, der die
Berücksichtigung der gesamten objektiven und subjektiven Umstände, auch in
arbeitsmarktlicher Hinsicht, verlangt (UELI KIESER, Bemerkungen, in: AJP 2005
S. 228, Ziff. 5.4.1; STEFAN HOFER, Überlegungen zum revidierten Art. 24 Abs. 2
BVV 2, in: HAVE 2005 S. 167 ff.). Allerdings bedeutet "subjektiv" nicht, dass
die subjektive Wertung des Betroffenen und damit seine eigene Meinung über das
ihm Zumutbare ausschlaggebend wäre. Vielmehr ist auch bei der Würdigung der
subjektiven Gegebenheiten und Möglichkeiten einer bestimmten versicherten
Person ein objektiver Massstab anzulegen (Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts B 115/04 vom 19. April 2005, E. 7.2; ALFRED MAURER,
Begriff und Grundsatz der Zumutbarkeit im Sozialversicherungsrecht, in:
Sozialversicherungsrecht im Wandel, Festschrift 75 Jahre Eidgenössisches
Versicherungsgericht, Bern 1992, S. 237; HARDY LANDOLT, Das
Zumutbarkeitsprinzip im schweizerischen Sozialversicherungsrecht, Diss. Zürich
1995, S. 118).
Bezogen auf das zumutbarerweise erzielbare Erwerbseinkommen verlangt der
Zumutbarkeitsgrundsatz, dass die Vorsorgeeinrichtung, welche eine Kürzung ihrer
obligatorischen Invalidenleistungen beabsichtigt, dem teilinvaliden
Versicherten vorgängig das rechtliche Gehör hinsichtlich jener
arbeitsmarktbezogenen und persönlichen Umstände gewähren muss, die ihm die
Erzielung eines Resterwerbseinkommens in der Höhe des Invalideneinkommens
erschweren oder verunmöglichen. Solche subjektiven Gegebenheiten, denen unter
Zumutbarkeitsgesichtspunkten Rechnung zu tragen ist, sind alle Umstände, welche
- im Rahmen einer objektivierenden Prüfung - für die effektiven Chancen des
betreffenden Versicherten, auf dem jeweiligen tatsächlichen Arbeitsmarkt eine
geeignete und zumutbare Arbeitsstelle zu finden, von wesentlicher Bedeutung
sind.

4.2.2 Verfahrensrechtlich steht dem Recht der versicherten Person, mit
subjektiven Gegebenheiten und tatsächlichen Arbeitsmarktchancen, welche die
Erzielung eines dem Invalideneinkommen quantitativ entsprechenden
Resterwerbseinkommens erschweren oder verunmöglichen, gehört zu werden, eine
diesbezügliche Mitwirkungspflicht gegenüber. Die versicherte Person hat die im
konkreten Einzelfall massgebenden persönlichen Umstände und tatsächlichen
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Arbeitsmarktchancen, welche der Erzielung eines mit dem Invalideneinkommen
äquivalenten Resterwerbseinkommens entgegenstehen, im
Überentschädigungsverfahren zu behaupten, zu substantiieren und hiefür soweit
möglich Beweise anzubieten, namentlich durch den Nachweis erfolglos gebliebener
Stellenbemühungen.

4.3 Zusammenfassend darf die Vorsorgeeinrichtung bei der Prüfung der Frage, ob
und in welchem Umfang die Invalidenleistung aus der obligatorischen beruflichen
Vorsorge für eine Teilinvalidität zu einer Überentschädigung führt, von der
Vermutung ausgehen, dass das zumutbarerweise noch erzielbare Erwerbseinkommen
mit dem von der IV-Stelle ermittelten Invalideneinkommen übereinstimmt. Sie hat
vorgängig der versicherten Person das Gehörsrecht mit Bezug auf persönliche
Umstände und die tatsächliche Lage auf dem im Einzelfall relevanten
Arbeitsmarkt zu gewähren. Die versicherte Person trifft dabei eine
Mitwirkungspflicht im umschriebenen Rahmen.