Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 V 428



Urteilskopf

134 V 428

50. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S.
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen L.
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
U 50/07 vom 4. August 2008

Regeste

Art. 13 Abs. 1 und 2 lit. a, Art. 14 Abs. 1 lit. a der Verordnung (EWG) Nr.
1408/71; Art. 11 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72; entsandter Arbeitnehmer. Ein
Arbeitnehmer, der von einem Schweizer Unternehmen in einem Mitgliedstaat
rekrutiert wird, um unmittelbar in einem weiteren Mitgliedstaat die
Erwerbstätigkeit aufzunehmen, erfüllt die Voraussetzungen einer Entsendung im
Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht und
unterliegt daher den Rechtsvorschriften des Beschäftigungslandes gemäss Art. 13
Abs. 2 lit. a dieser Verordnung (E. 2-10).

Sachverhalt ab Seite 429

BGE 134 V 428 S. 429

A. L., geboren 1970, österreichischer Staatsangehöriger, schloss am 10./18.
Februar 2005 mit der E. Ltd. einen "Arbeitsvertrag" ab, gemäss welchem er "ab
ca. 13.02.2005" als "Forstarbeiter - Schweiz/ Schweden" beschäftigt wurde.
Zwischen dieser Firma und der S. AB bestand ein "Individual Contractor
Agreement Forest Operations in Windthrown Forests" vom 2. Februar 2005, mit
welchem sich diese verpflichtete, vom 1. März bis 31. Dezember 2005 in Schweden
Forstarbeiten durchzuführen.
L. reiste am 17. Februar 2005 von Österreich kommend in die Schweiz zum Sitz
der E. Ltd. Laut Arbeitsrapport wurde er an den beiden folgenden Tagen in die
vorgesehene Tätigkeit eingeführt, um am 20. Februar 2005 die Fahrt zu seinem
Einsatzort in Schweden anzutreten. Dort nahm er am 25. Februar 2005 die
Holzarbeiten auf. Am 7. März 2005 wurde er bei der Arbeit von einem
umstürzenden Baum getroffen und erlitt dabei verschiedene Verletzungen
(Serienrippenfraktur rechts, Lungenverletzung, Oberschenkelfraktur links,
verschiedene Bandläsionen am Knie links, Sprunggelenksfraktur links). In der
Folge war er zunächst in Schweden hospitalisiert, bevor er in einem Krankenhaus
und später in einer Rehabilitationsklinik in Österreich stationär
weiterbehandelt wurde. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
übernahm die Heilungskosten und richtete Taggelder aus. Zur Beurteilung des
medizinischen Zustandes veranlasste sie die kreisärztliche Untersuchung vom 28.
November 2005. Kreisarzt Dr. med. F. hielt dabei eine Arbeitsunfähigkeit im
angestammten Beruf als Forstarbeiter fest und befürwortete eine Umschulung zum
Maschinenführer auf einer Forstmaschine. Mit Verfügung vom 17. Mai 2006 stellte
die SUVA ihre Leistungen mit sofortiger Wirkung ein mit der Begründung, es habe
sich nachträglich herausgestellt, dass L. nicht der Status eines entsandten
Arbeitnehmers zukomme, weshalb bei ihr keine Versicherungsdeckung bestehe.
Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 18. Juli 2006 fest.

B. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons
Schwyz mit Entscheid vom 13. Dezember 2006 gut und
BGE 134 V 428 S. 430
wies die Sache zur Prüfung der Frage, ob die E. Ltd. ihre Geschäftstätigkeit
gewöhnlich in der Schweiz ausübe, im Sinne der Erwägungen an die SUVA zurück.

C. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt die SUVA beantragen, es sei der
vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 18. Juli
2006, womit die Versicherungsleistungen ex nunc et pro futuro eingestellt
worden seien, zu bestätigen.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und L. schliessen auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV)
lässt sich in gutheissendem Sinne vernehmen.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2. Streitig ist, ob der aus Österreich stammende Beschwerdegegner im Zeitpunkt
des Unfallereignisses in Schweden vom 7. März 2005 bei der SUVA gegen Unfall
versichert war und somit Anspruch auf die entsprechenden
Versicherungsleistungen hat.

2.1 Nach Art. 1a UVG (SR 832.20) sind die in der Schweiz beschäftigten
Arbeitnehmer obligatorisch versichert. Art. 2 Abs. 1 UVG dehnt den
Geltungsbereich räumlich insoweit aus, als die Versicherungspflicht nicht
unterbrochen wird, wenn der Arbeitnehmer eines Arbeitgebers in der Schweiz für
beschränkte Zeit im Ausland beschäftigt wird. Nach dem diese Regelung
konkretisierenden Art. 4 UVV (SR 832.202) wird die Versicherung nicht
unterbrochen, wenn ein Arbeitnehmer unmittelbar vor seiner Entsendung ins
Ausland in der Schweiz obligatorisch versichert war und weiterhin zu einem
Arbeitgeber mit Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz in einem Arbeitsverhältnis
bleibt und diesem gegenüber einen Lohnanspruch hat. Die Weiterdauer der
Versicherung beträgt zwei Jahre. Sie kann auf Gesuch hin vom Versicherer auf
insgesamt sechs Jahre verlängert werden. Zu prüfen ist, ob die schweizerischen
Rechtsvorschriften im vorliegenden Fall zur Anwendung kommen.

2.2 Am 1. Juni 2002 - und somit vor der Verwirklichung des vorliegend zu
beurteilenden Sachverhalts - ist das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft
und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit
(Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR 0.142.112.681) in Kraft getreten.
BGE 134 V 428 S. 431

2.3 Gemäss Art. 1 Abs. 1 von Anhang II des FZA, der den Titel "Koordinierung
der Systeme der sozialen Sicherheit" trägt, auf Art. 8 des Abkommens beruht und
integrierenden Bestandteil des Abkommens bildet (Art. 15 FZA), in Verbindung
mit dem Abschnitt A dieses Anhanges wenden die Vertragsparteien im Rahmen ihrer
Beziehungen insbesondere die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.
Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer
und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der
Gemeinschaft zu- und abwandern (nachfolgend: Verordnung Nr. 1408/71 [SR
0.831.109.268.1]) sowie die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März
1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung
der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie
deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern
(nachfolgend: Verordnung Nr. 574/ 72 [SR 0.831.109.268.11]) oder gleichwertige
Vorschriften an.

2.4 Die erwähnten Koordinationsverordnungen sind unter anderem anwendbar auf
die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzende Erwerbstätige, für die
wie für den Beschwerdegegner die Rechtsvorschriften mindestens eines
Mitgliedstaates gelten oder galten (Art. 2 der Verordnung Nr. 1408/71), und auf
Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die wie das vorliegend
interessierende Bundesgesetz über die Unfallversicherung Leistungen bei
Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten vorsehen (Art. 4 Abs. 1 lit. e der
Verordnung Nr. 1408/71). Der am 1. Juni 2002 in Kraft getretene Art. 115a UVG
verweist in lit. a auf das FZA und die erwähnten Koordinationsverordnungen.

3.

3.1 Art. 42 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, in der dem
Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages am 1. Mai 1999 folgenden Fassung, auf
den sich die Verordnung Nr. 1408/71 insbesondere stützt, sieht lediglich eine
Koordination, nicht aber eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit vor, sodass die
materiellen und formellen Unterschiede zwischen den Systemen der sozialen
Sicherheit der einzelnen Mitgliedstaaten und folglich zwischen den Ansprüchen
der dort Beschäftigten bestehen bleiben. Das Gemeinschaftsrecht, welches
hinsichtlich der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom FZA
übernommen wurde, lässt die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung
ihrer Systeme der sozialen
BGE 134 V 428 S. 432
Sicherheit unberührt; mangels einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene
bestimmt das Recht jedes Mitgliedstaates, unter welchen Voraussetzungen zum
einen ein Recht auf Anschluss an ein System der sozialen Sicherheit oder eine
Verpflichtung hierzu besteht und zum anderen Leistungen der sozialen Sicherheit
gewährt werden; gleichwohl müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser
Befugnis das Gemeinschaftsrecht beachten (BGE 132 V 423 E. 7.1 S. 432 mit
Hinweisen).

3.2 Der aus den Art. 13 bis 17a bestehende Titel II ("Bestimmung der
anzuwendenden Rechtsvorschriften") der Verordnung Nr. 1408/ 71 bestimmt, den
Rechtsvorschriften welches Mitgliedstaats - ausnahmsweise welcher
Mitgliedstaaten - eine Person unterliegt. Eine erwerbstätige Person, für die
die Verordnung gilt, unterliegt den Sozialversicherungsvorschriften nur eines
Mitgliedstaates, sofern nicht ausdrücklich eine Ausnahme von dieser Regel
vorgesehen ist (vgl. Art. 13 Abs. 1). Es sind dies grundsätzlich die
Rechtsvorschriften des bzw. eines Staates, in dem die betroffene Person
abhängig beschäftigt ist (Art. 13 Abs. 2 lit. a) oder eine selbstständige
Tätigkeit ausübt (Art. 13 Abs. 2 lit. b). Der Wanderarbeitnehmer oder ein
entsprechender Selbstständiger sind demnach in der Regel im Beschäftigungsstaat
gegen Arbeitsunfall und Berufskrankheit versichert. Eine Ausnahme ist unter
anderem vorgesehen für entsandte Arbeitnehmer (Art. 14 Abs. 1). Danach
unterliegt eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats von einem
Unternehmen, dem sie gewöhnlich angehört, abhängig beschäftigt wird und die von
diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das
Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wird, weiterhin den
Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer
dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und sie nicht eine andere Person
ablöst, für welche die Entsendungszeit abgelaufen ist (Abs. 1 lit. a). Geht
eine solche Arbeit, deren Ausführung aus nicht vorhersehbaren Gründen die
ursprünglich vorgesehene Dauer überschreitet, über zwölf Monate hinaus, so
gelten die Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaates bis zur Beendigung
dieser Arbeit weiter, sofern die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in
dessen Gebiet der Betreffende entsandt wurde, oder die von dieser Behörde
bezeichnete Stelle dazu ihre Genehmigung erteilt; diese Genehmigung ist vor
Ablauf der ersten zwölf Monate zu beantragen. Sie darf nicht für länger als
zwölf Monate erteilt werden (Abs. 1 lit. b).
BGE 134 V 428 S. 433

4. Art. 11 der Verordnung Nr. 574/72 enthält die Formvorschriften bei
Entsendung eines Arbeitnehmers gemäss Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/
71. Danach stellt der Träger, den die zuständige Behörde desjenigen
Mitgliedstaates bezeichnet, dessen Rechtsvorschriften weiterhin anzuwenden
sind, auf Antrag des Arbeitnehmers oder dessen Arbeitgebers eine Bescheinigung
darüber aus, dass und bis zu welchem Zeitpunkt diese Rechtsvorschriften
weiterhin für den Arbeitnehmer gelten (Art. 11 Abs. 1 lit. a). In der Schweiz
fällt diese Aufgabe den Ausgleichskassen der AHV/IV zu (Art. 4 Abs. 10 der
Verordnung Nr. 574/72 in Verbindung mit Abschnitt A Nr. 2 lit. j Ziff. 1a
Anhang II FZA). Sie bekunden mit der Bescheinigung E101 den während des
Entsendezeitraums fortwährenden sozialrechtlichen Schutz des Entsandten nach
den Regeln des Entsendestaates (vgl. BETTINA KAHIL-WOLFF/CORINNE PACIFICO,
Sécurité sociale, droit du travail et fiscalité: le droit applicable en cas de
situations transfrontalières, in: Assujettissement, cotisations et questions
connexes selon l'Accord sur la libre circulation des personnes CH-CE, Bern
2004, S. 36). Diese Erklärung wirkt deklaratorisch und nicht konstitutiv und
stellt somit eine Wissens- und nicht eine Willenserklärung dar. Die
Bescheinigung begründet weder die Zuständigkeit des diese ausstellenden
Mitgliedstaates noch begründet sie die Versicherungspflicht. Diese folgt
vielmehr aus dem materiellen Recht des zur Regelung des sozialrechtlichen
Sachverhalts berufenen Mitgliedstaates (EBERHARD EICHENHOFER, Anknüpfungen im
internationalen Sozialrecht: Betrachtungen zu den Fragen, welche Wirkungen die
Entsendebescheinigung entfaltet, und welche Aufgaben den im Gemeinschaftsrecht
verankerten Kollisionsnormen zukommt, in: ZESAR 2002 S. 21 ff.; HEINZ-DIETRICH
STEINMEYER, in: Maximilian Fuchs [Hrsg.], Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl.,
Baden-Baden 2005, N. 20 f. zu Art. 14 der Verordnung Nr. 1408/71; vgl. Urteile
des EuGH vom 30. März 2000 in der Rechtssache C-178/97, Banks, Slg. 2000,
I-2005 und vom 10. Februar 2000 in der Rechtssache C-202/97, Fitzwilliam, Slg.
2000, I-883; vgl. auch Urteil des EuGH vom 26. Januar 2006 in der Rechtssache
C-2/05, Herbosch Kiere, Slg. 2006, I-1079). Liegt das Formular E101 - wie
vorliegend mit Bezug auf den Beschwerdegegner - nicht vor, bestimmt sich nach
den allgemeinen Grundsätzen der Verordnung Nr. 1408/71, welches das massgebende
Sozialversicherungsstatut ist (UELI KIESER, Sozialversicherungsbeiträge bei
grenzüberschreitender Tätigkeit und ausländischem Beschäftigungsland, in: Hill
2004 N. 16).

5. Soweit für die Anwendung des Abkommens Begriffe des Gemeinschaftsrechts
herangezogen werden, wird hierfür die einschlägige
BGE 134 V 428 S. 434
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vor dem
Zeitpunkt der Unterzeichnung (21. Juni 1999) berücksichtigt (Art. 16 Abs. 2
FZA). Dies schliesst allerdings nicht aus, dass nach dem 21. Juni 1999
ergangene Urteile gegebenenfalls dennoch zum Zwecke der Auslegung des FZA
herangezogen werden können, vor allem wenn sie nichts anderes tun, als eine
vorherige Rechtsprechung zu präzisieren (BGE 132 V 423 E. 9.2 S. 437, BGE 132 V
53 E. 2 S. 56; BGE 130 II 113 E. 5.2 S. 119). In BGE 132 V 423 stellte das
Gericht klar, dass nicht eine neue Rechtsprechung im Sinne der obigen
Bestimmung, sondern eine unter die in dieser Vorschrift vorgesehene
Berücksichtigung fallende Rechtsprechung vorliegt, wenn ein nach dem 21. Juni
1999 gefälltes Urteil sich darauf beschränkt, bereits bekannte Grundsätze zu
wiederholen und ohne neue Elemente auf einen gleichartigen Fall anzuwenden (E.
9.3 und 9.4 S. 437 ff.). Es liess offen, ob für eine im Sinne von Art. 16 Abs.
2 FZA neue und daher (vorbehältlich der Befugnisse des Gemischten Ausschusses;
vgl. Art. 16 Abs. 2 Satz 3 FZA) nicht unter die in dieser Bestimmung
vorgesehene Berücksichtigung fallende Rechtsprechung dennoch aufgrund des vom
FZA verfolgten Zwecks, im erfassten Bereich für die Angehörigen der
Vertragsparteien die gleichen Rechte und Pflichten vorzusehen wie das
Gemeinschaftsrecht (vgl. Präambel und Art. 16 Abs. 1 FZA), eine
Berücksichtigung bestehen kann (BGE 132 V 423 E. 9.5.2 S. 440).

6.

6.1 Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 wurde von der
Verwaltungskommission der Europäischen Gemeinschaften für die soziale
Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (auf der Grundlage von Art. 81 lit. a der
Verordnung Nr. 1408/71) im Beschluss Nr. 181 vom 13. Dezember 2000 "zur
Auslegung des Artikels 14 Absatz 1, des Artikels 14a Absatz 1 und des Artikels
14b Absätze 1 und 2 der Verordnung [EWG] Nr. 1408/71 des Rates hinsichtlich der
auf entsandte Arbeitnehmer sowie auf Selbstständige, die vorübergehend eine
Tätigkeit in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat ausüben,
anzuwendenden Rechtsvorschriften" erläutert (ABl. L 329 vom 14. Dezember 2001
S. 73; nachstehend: Beschluss Nr. 181). Dieser Beschluss gehört zu den
Rechtsakten, welche die Schweiz berücksichtigt (vgl. Art. 2 Abs. 1 von Anhang
II FZA in Verbindung mit Abschnitt B Ziff. 4.66 dieses Anhangs). Wie die
übrigen Beschlüsse der Verwaltungskommission ist auch dieser Rechtsakt ein
Auslegungstext, der weder für das Gericht noch für die nationalen
BGE 134 V 428 S. 435
Sozialversicherungsinstitutionen verbindlich ist. Er kann den betroffenen
Institutionen jedoch eine Auslegungshilfe bieten (BGE 131 V 222 E. 7.2 S. 229).

6.2 Der Beschluss Nr. 181 (welcher den Beschluss Nr. 162 vom 31. Mai 1996 [ABl.
L 241 vom 21. September 1996 S. 28] ablöst, der seinerseits den Beschluss Nr.
128 vom 17. Oktober 1985 abgelöst hatte) unterscheidet in Ziff. 3 zwischen der
"Entsendung von gewöhnlichem Personal" (lit. a) und der "Entsendung von
Personal, das zu diesem Zweck eingestellt wurde" (lit. b). Nach Ziff. 3 lit. b
gilt Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 insbesondere dann weiter, "wenn
der gemäss Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften eines
Mitgliedstaats unterliegende Arbeitnehmer in diesem Mitgliedstaat, in dem das
Unternehmen seinen Sitz oder seine Betriebsstätte hat, eingestellt wird, um für
die Rechnung dieses Unternehmens in einen anderen Mitgliedstaat oder an Bord
eines Schiffes entsandt zu werden, das unter der Flagge eines anderen
Mitgliedstaates fährt, sofern: i) zwischen diesem Unternehmen und dem
Arbeitnehmer während dessen Entsendung weiterhin eine arbeitsrechtliche Bindung
besteht; und ii) dieses Unternehmen seine Geschäftstätigkeit gewöhnlich im
ersten Mitgliedstaat ausübt, d.h. sofern das Unternehmen gewöhnlich eine
nennenswerte Tätigkeit im Gebiet des ersten Mitgliedstaats verrichtet". So kann
insbesondere ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, das Arbeitnehmer
in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsendet und im ersten
Mitgliedstaat rein interne Verwaltungstätigkeiten ausführt, nicht Art. 14 Abs.
1 lit. a der Verordnung Nr. 1408/71 für sich geltend machen (vgl. Ziff. 3 lit.
b/ii Abs. 3 des Beschlusses). Wie die nachstehenden Erwägungen zeigen, beruht
der Beschluss Nr. 181 im Wesentlichen auf der Rechtsprechung des EuGH.

7.

7.1 Danach ist die Entsenderegelung auch auf einen Arbeitnehmer anwendbar, der
ausschliesslich für Arbeiten im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates als
desjenigen eingestellt wird, in dessen Hoheitsgebiet sich der Betrieb befindet,
dem er gewöhnlich angehört, sofern die voraussichtliche Dauer der Beschäftigung
im Hoheitsgebiet dieses Staates zwölf Monate nicht übersteigt. Um den Betrieb
zu bestimmen, dem der Arbeitnehmer "gewöhnlich angehört", komme es darauf an,
ob sich aus den gesamten Umständen des Beschäftigungsverhältnisses ergebe, dass
er diesem Betrieb unterstehe (Urteil des EuGH vom 5. Dezember 1967 in der
Rechtssache 19/67, Van der Vecht, Slg. 1967, 461). Im Urteil vom 17. Dezember
1970 in der Rechtssache 35/70, Manpower, Slg. 1970, 1251 hat der EuGH
festgehalten, der Umstand, dass ein Arbeitnehmer für Arbeiten im Hoheitsgebiet
eines anderen Mitgliedstaates als des Sitzstaats des ihn beschäftigenden
Unternehmens eingestellt worden sei, schliesse für sich allein die
Anwendbarkeit der Entsendebestimmungen nicht aus. Mit Bezug auf Arbeitnehmer
eines Unternehmens, die grenzüberschreitend zur Deckung eines vorübergehenden
Bedarfs an Fachkräften einem anderen Unternehmen überlassen werden, hat der
Gerichtshof in diesem Fall entschieden, der betreffende Arbeitnehmer sei
weiterhin als dem Verleihunternehmen zugehörig zu betrachten und nicht jenem
des Entleihers. In den Erwägungen führte er aus, es sei das Verleihunternehmen,
das mit den Fachkräften Arbeitsverträge abschliesse, in denen die
beiderseitigen Rechte und Pflichten geregelt seien, die zwischen ihm und seinen
Zeitarbeitnehmern hinsichtlich der von diesen bei den Entleihunternehmen zu
verrichtenden Arbeit bestehen. Zwar sei nach diesem Arbeitsvertrag jeder
Zeitarbeitnehmer verpflichtet, die Arbeitsbedingungen und
Disziplinarvorschriften der Betriebsordnung des Betriebes einzuhalten, in den
er entsandt werde. Doch bleibe das Unternehmen, das ihn eingestellt habe, der
Mittelpunkt der verschiedenen Rechtsverhältnisse, da es gleichzeitig
Vertragspartner des Arbeitnehmers und des Entleihunternehmens sei.
Vorausgesetzt wird nach dem Urteil Manpower eine Bindung des
Zeitarbeitsunternehmens an den Mitgliedstaat, in dem es seine Betriebsstätte
hat.

7.2 Im bereits erwähnten Urteil Fitzwilliam vom 10. Februar 2000 hat der EuGH
diese Voraussetzung als weiterhin anwendbar erklärt und dabei klargestellt, aus
dem Zusammenhang des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71 und dem Sinn und
Zweck des Art. 14 Abs. 1 lit. a ergebe sich, dass nur ein Unternehmen, das im
Mitgliedstaat seiner Betriebsstätte gewöhnlich eine nennenswerte
Geschäftstätigkeit ausübe, unter diese Bestimmung falle. Überdies hat es
Kriterien angeführt, welche eine diesbezügliche Feststellung erlauben. Diese
werden im daraufhin ergangenen Beschluss Nr. 181 im Wesentlichen wiedergegeben
(vgl. Ziff. 3 lit. b/ii Abs. 2). Diese Rechtsprechung hat der Gerichtshof im
Fall Plum bestätigt (Urteil des EuGH vom 9. November 2000 in der Rechtssache
C-404/98, Slg. 2000, I-9379). Danach gilt die Vorschrift von Art. 14 Abs. 1
lit. a nicht für Arbeitnehmer eines Unternehmens mit Sitz in einem
Mitgliedstaat, die bei Arbeiten im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates
eingesetzt werden,
BGE 134 V 428 S. 437
in dem dieses Unternehmen, abgesehen von reiner Verwaltungstätigkeit, seine
gesamte Geschäftstätigkeit ausübt.

8.

8.1 Das kantonale Gericht hat mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH und den
Beschluss Nr. 181 Ziff. 3 lit. b erwogen, der Arbeitnehmer unterliege auch dann
den Rechtsvorschriften der Schweiz, wenn die schweizerische Arbeitgeberin ihn
lediglich für die Erledigung des Auftrages in Schweden eingestellt habe, was
von dieser im Übrigen nicht bestritten werde. Eine produktive Beschäftigung in
der Schweiz vor der Entsendung sei nicht erforderlich. Ob nach Abschluss der
Arbeiten in Schweden eine Weiterbeschäftigung in der Schweiz vorgesehen gewesen
sei, könne offenbleiben. Nachdem unbestritten und aktenmässig erstellt sei,
dass zwischen der E. Ltd. und dem Forstarbeiter während der Entsendung nach
Schweden eine arbeitsrechtliche Bindung bestanden habe, stelle sich einzig noch
die Frage, ob diese Firma ihre Geschäftstätigkeit gewöhnlich in der Schweiz
ausübe. Nur unter dieser Voraussetzung seien die Rechtsvorschriften der Schweiz
im vorliegenden Fall anwendbar. Die Vorinstanz wies daher die Sache zur
Abklärung der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der E. Ltd. und abschliessenden
Beurteilung an die SUVA zurück.

8.2 Die SUVA stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, die betreffende
Person müsse vor ihrem Einsatz im Ausland den Rechtsvorschriften des
Entsendestaates unterstellt gewesen sein, wie sich insbesondere aus dem
Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 lit. a der Verordnung Nr. 1408/71 ("weiterhin den
Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaates" unterliegt) ergebe. Diese
Voraussetzung sei nicht erfüllt, da der Betroffene weder gewöhnlich einem
Schweizer Arbeitgeber angehört habe noch für ihn in der Schweiz tätig gewesen
sei. Er habe sich vor dem Auslandeinsatz höchstens zwei Tage in der Schweiz bei
seinem Arbeitgeber für Besprechungen, Instruktionen, Schulung und Einarbeitung
aufgehalten. Zudem sei nicht erstellt, dass er nach der Tätigkeit im Ausland
eine Beschäftigung im Betrieb in der Schweiz hätte aufnehmen können. Überdies
sei von der Arbeitgeberin nie eine Entsandtenbescheinigung mittels Formular
E101 eingeholt worden. Sodann könne, entgegen der Auffassung der Vorinstanz,
dem Beschluss Nr. 181 nicht entnommen werden, dass für nur zum Zweck der
Entsendung eingestelltes Personal, welches vor Beginn der Entsendung noch nicht
dem Recht des Entsendestaates unterstanden habe, die Rechtsvorschriften dieses
Staates geltend würden.
BGE 134 V 428 S. 438

8.3 Das BSV führt in seiner Vernehmlassung aus, Zweck der Entsenderegelung sei
es, eine kurzfristige Unterbrechung der Versicherungskarriere zu vermeiden, und
nicht, eine faktische Rechtswahl zu ermöglichen. Arbeitgeber könnten sonst die
Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates dadurch umgehen, dass sie Personen
zum Zweck der Entsendung einstellten und damit die Anwendung günstigerer
Rechtsvorschriften herbeizuführen vermöchten. Daher werde seit dem 1. Januar
2006 in Rz. 2017.1 der Wegleitung des BSV über die Versicherungspflicht in der
AHV/IV (WVP) festgehalten, dass Arbeitnehmende, die ausschliesslich zum Zweck
der Entsendung eingestellt würden, nicht als Entsandte betrachtet werden
könnten. Eine Entsendung sei in solchen Fällen nur ausnahmsweise zulässig, wenn
die Arbeitnehmer vor der Einstellung bereits in der Schweiz versichert gewesen
seien.

9.

9.1 Beim Beschwerdegegner handelt es sich um einen österreichischen
Staatsangehörigen, der am 17. Februar 2005 eigens zum Zwecke der Instruktion
und Vertragsunterzeichnung für zwei Tage in die Schweiz einreiste, ohne
unmittelbar vorher als Arbeitnehmer der E. Ltd. oder eines anderen Unternehmens
in der Schweiz obligatorisch versichert gewesen zu sein. Ob er bereits in
früheren Zeiten vorübergehend in der Schweiz einer Beschäftigung nachgegangen
war, ist für die vorliegenden Belange unerheblich (vgl. BGE 132 V 244 E. 4.3.1
S. 248). Der zweitägige Aufenthalt beim Schweizer Unternehmen vom 18. und 19.
Februar 2005 diente gemäss Arbeitsrapport der Besprechung, Instruktion,
Schulung und Einarbeitung und somit der Vorbereitung des Einsatzes in Schweden.
Eine eigentliche Arbeitsleistung kann darin nicht erblickt werden. Vielmehr
handelte es sich lediglich um Vorbereitungshandlungen für den von allem Anfang
an in Schweden beabsichtigten Arbeitseinsatz. Am 20. Februar 2005 verliess der
Beschwerdegegner die Schweiz Richtung Schweden, wo er die im Arbeitsvertrag
vorgesehene Tätigkeit in der vereinbarten Funktion als Forstarbeiter aufnahm.
Erst mit dieser Beschäftigung, bei der es gemäss dem "Agreement" zwischen der
E. Ltd. und der S. AB darum ging, in Schweden bestimmte vom Sturm zerstörte
Waldflächen zu säubern, nahm die vertragsgemässe, wirtschaftlich produktive
Arbeit ihren Anfang. Somit geht es um einen unmittelbar in einem dritten
Mitgliedstaat rekrutierten Arbeitnehmer, welcher zu jenem Zeitpunkt keine
aufenthalts- oder beschäftigungsbedingte Anknüpfung an die Schweiz hatte, der
von einem schweizerischen
BGE 134 V 428 S. 439
Unternehmen aus zur vorübergehenden Arbeitsausübung nach Schweden vermittelt
wurde.

9.2 Hinzu kommt, dass die Arbeitsdauer im Arbeitsvertrag vom 10./ 18. Februar
2005 zwar mit "unbefristet" bezeichnet wurde, seitens der E. Ltd. jedoch keine
verbindliche Zusicherung über eine Zusammenarbeit nach dem Schwedeneinsatz
vorlag. Einzig im Vertrag zwischen dieser Firma und S. AB war eine Dauer von
März bis Dezember 2005 mit Verlängerungsoption ("with possibility to extend
[non-stop]") vereinbart worden. Die Arbeit in Schweden war von vornherein
begrenzt und wurde gemäss den Angaben des Beschwerdegegners im Dezember 2005
auch tatsächlich abgeschlossen. Überdies wird der Betrieb bei der E. Ltd. in
den Wintermonaten jeweils eingestellt. Eine spätere Weiterbeschäftigung beim
schweizerischen Unternehmen war lediglich eine Möglichkeit, welche mangels
konkreter Abrede indessen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit
voraussehbar war.

9.3 Weder aus der erwähnten Rechtsprechung des EuGH noch aus dem Beschluss Nr.
181 ergibt sich mit der notwendigen Klarheit, ob diese Konstellation der
Kollisionsnorm von Art. 13 Abs. 2 oder jener von Art. 14 Abs. 1 der Verordnung
Nr. 1408/71 zuzuordnen ist. Das Urteil Fitzwilliam vom 10. Februar 2000 betraf
ein Zeitarbeitsunternehmen irischen Rechts mit Sitz in Irland, das in Irland
ansässige Arbeitnehmer mit irischer Staatsbürgerschaft einem Entleiher in den
Niederlanden überlassen hatte.

10.

10.1 Ziel von Art. 14 Abs. 1 lit. a der Verordnung Nr. 1408/71 ist es nach der
Rechtsprechung des EuGH insbesondere, die Dienstleistungsfreiheit zugunsten von
Unternehmen zu fördern, die Arbeitnehmer in andere Mitgliedstaaten als den
Staat ihrer Betriebsstätte entsenden. Die Bestimmung soll Hindernisse für die
Freizügigkeit der Arbeitnehmer überwinden helfen sowie die gegenseitige
wirtschaftliche Durchdringung fördern und dabei administrative Schwierigkeiten
für die Arbeitnehmer und die Unternehmen vermeiden. Ohne die genannte
Bestimmung sei ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen verpflichtet,
seine im Übrigen dem System der sozialen Sicherheit dieses Staates
unterliegenden Arbeitnehmer beim entsprechenden System eines anderen
Mitgliedstaates anzumelden, wenn sie zur Verrichtung von Arbeiten von
begrenzter Dauer in diesen entsandt würden. Um dies zu vermeiden, könne es das
Unternehmen bei der Anmeldung seiner Arbeitnehmer beim System des ersten
BGE 134 V 428 S. 440
Mitgliedstaates belassen, soweit es die Voraussetzungen dieser
Dienstleistungsfreiheit beachte (vgl. bereits erwähnte EuGH-Urteile Fitzwilliam
, Randnrn. 28 f. und Manpower, Randnrn. 8 ff.). Dieselben Überlegungen liegen
auch dem Beschluss Nr. 181 zugrunde.

10.2 Auf der anderen Seite birgt die Anwendung der Entsenderegelung von Art. 14
Abs. 1 lit. a der Verordnung Nr. 1408/71 auf Einstellungen zum Zwecke der
Entsendung die Gefahr von Missbräuchen. Beim Beschluss Nr. 181, der sich
diesbezüglich an den Vorgaben des EuGH orientiert, ging es darum, rechtswidrige
Anwendungen und Missbräuche (wie namentlich das Phänomen von
"Briefkastenfirmen") zu verhindern, weshalb unter anderem gefordert wurde, dass
das entsendende Unternehmen "gewöhnlich eine nennenswerte Geschäftstätigkeit im
Gebiet" des Entsendestaates ausüben muss. Die Entsendebestimmung soll aber auch
keine Rechtswahl durch den Abschluss von Scheinverträgen ermöglichen (zum
Ganzen vgl. PRODROMOS MAVRIDIS, Détachement des travailleurs dans l'Union
européenne: le juge national, arbitre ou soumis au principe du pays d'origine?,
in: jtt 2006 Nr. 948 S. 225 ff.; STEINMEYER, a.a.O., N. 5 ff. zu Art. 14 der
Verordnung Nr. 1408/71).

10.3 Die in Erwägung 10.1 angeführte Zielsetzung von Art. 14 Abs. 1 lit. a der
Verordnung Nr. 1408/71 steht jedenfalls so lange im Vordergrund, als auch der
in einem Mitgliedstaat zum Zweck der Entsendung eingestellte Arbeitnehmer daran
interessiert sein dürfte, in seinem bisherigen Sozialleistungssystem zu
verbleiben (vgl. STEINMEYER, a.a.O., N. 7 zu Art. 14 der Verordnung Nr. 1408/
71). Auch wenn vom Wortlaut her die Anwendung der Regelung auf Arbeitnehmer
nicht ausgeschlossen ist, die nur zum Zwecke der Entsendung eingestellt worden
sind, gilt es dabei die weitere Aufgabe der Entsendevorschrift zu beachten,
welche in der Weiterunterstellung des betroffenen Arbeitnehmers unter die
Sozialversicherungspflicht der Rechtsvorschriften des Entsendestaates begründet
liegt. Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn ein Arbeitnehmer, der
von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen eingestellt wird,
um in einen anderen Mitgliedstaat entsandt zu werden, und zuvor den
Rechtsvorschriften eines dritten Mitgliedstaates oder eines Drittlandes
unterstellt war, und umso mehr, wenn er zuvor den Rechtsvorschriften des
Mitgliedstaates unterstellt war, in den er entsandt wird. Bei dieser Sachlage
bleibt auch der Verwaltungsaufwand, der durch Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr.
1408/71 vermieden werden soll, in jedem Fall bestehen, worauf in der
Begründungserwägung 13 des Beschlusses Nr. 181 ausdrücklich hingewiesen wird.
BGE 134 V 428 S. 441

10.4 Die Entsendung setzt definitionsgemäss das Weiterbestehen der
Unterstellung unter die Rechtsvorschriften des Ursprungslandes voraus. Die
Person, die normalerweise eine Erwerbstätigkeit in einem Mitgliedstaat ausübt,
und die von ihrem Arbeitgeber in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates
entsandt wird, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten
Mitgliedstaates (vgl. Art. 14 Abs. 1 lit. a der Verordnung Nr. 1408/71). Der
Begriff "Entsendung" geht insbesondere davon aus, dass der Arbeitnehmer
unmittelbar vor der Entsendung dem System der Sozialen Sicherheit dieses
Staates unterstellt war (BETTINA KAHIL-WOLFF, La coordination européenne des
systèmes nationaux de sécurité sociale, in: Ulrich Meyer [Hrsg.],
Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit, 2. Aufl.,
Basel 2007, S. 191 Rz. 58; KAHIL-WOLFF/PACIFICO, a.a.O., S. 34 f.).

10.5 In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass Art. 12 Abs. 1 der Verordnung
(EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004
zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166 vom 30. April
2004; berichtigte Fassung ABl. L 200 vom 7. Juni 2004), der Art. 14 Abs. 1 lit.
a der Verordnung Nr. 1408/71 ersetzen wird, die Weiterführung der
ursprünglichen Unterstellung in Betracht zieht: "Eine Person, die in einem
Mitgliedstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist,
eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen
Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung
auszuführen, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten
Mitgliedstaats, sofern die voraussehbare Dauer dieser Arbeit vierundzwanzig
Monate nicht überschreitet und diese Person nicht eine andere Person ablöst"
(in der französischen Fassung: "La personne qui exerce une activité salariée
dans un Etat membre pour le compte d'un employeur y exerçant normalement ses
activités..."; in der italienischen Fassung: "La persona che esercita
un'attività subordinata in uno Stato membro per conto di un datore di lavoro
che vi esercita abitualmente le sue attività ed è da questo distaccata ...").
Diese Verordnung begründet zwar keinen Anspruch für den Zeitraum vor dem Beginn
ihrer Anwendung (vgl. Art. 87 Abs. 1), doch kann sie gleichwohl zu
Interpretationszwecken herangezogen werden (vgl. Urteil des EuGH vom 16. Mai
2006 in der Rechtssache C-372/04, Watts, Slg. 2006, I-4325, Randnrn. 65 f.;
BETTINA KAHIL-WOLFF/CAROLE SONNENBERG/CHRISTOPH ROHRER, Récents développements
de la coordination des régimes nationaux de sécurité
BGE 134 V 428 S. 442
sociale, in: Schweizerisches Jahrbuch für Europarecht 2006/2007, Bern 2007, S.
139), was sich mit Bezug auf die erwähnte Bestimmung auch deshalb rechtfertigt,
weil sie die Rechtsprechung des EuGH nachvollzieht (STEINMEYER, a.a.O., N. 13
zu Art. 14 der Verordnung Nr. 1408/71).

10.6 Aus diesen Erwägungen folgt, dass ein Arbeitnehmer, der wie der
Beschwerdegegner, von einem Schweizer Unternehmen in einem Mitgliedstaat
rekrutiert wird, um unmittelbar in einem weiteren Mitgliedstaat die
Erwerbstätigkeit aufzunehmen, die Voraussetzungen einer Entsendung im Sinne von
Art. 14 Abs. 1 lit. a der Verordnung Nr. 1408/71 nicht erfüllt. Vielmehr
unterliegt er für die zu beurteilende Tätigkeit den Rechtsvorschriften des
Beschäftigungslandes gemäss Art. 13 Abs. 2 lit. a der Verordnung Nr. 1408/71.