Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 I 83



Urteilskopf

134 I 83

10. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Labo
Cosprophar AG gegen Allergan Inc. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_221/2007 / 4P.239/2006 vom 20. November 2007

Regeste

Entscheid über vorsorgliche Massnahmen. Qualifikation eines Entscheids über
vorsorgliche Massnahmen als End- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 90
bzw. 93 BGG. Bejahung der Eignung, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil
gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zu bewirken (E. 3.1). Nach Art. 98 BGG
zulässige Rügen und Rügeprinzip (E. 3.2).

Regeste

Art. 29 Abs. 2 BV; Begründungsanforderungen an einen immaterialgüterrechtlichen
Massnahmenentscheid wegen glaubhaft gemachter Verwechslungsgefahr. Die
verfassungsrechtlichen Minimalanforderungen an die Begründung von Entscheiden
gelten auch für die Anordnung von vorsorglichen Massnahmen. Ungenügen der
Begründung einer Verbotsverfügung, aus der nicht hervorgeht, welcher konkrete
immaterialgüterrechtliche Schutzanspruch des Massnahmegesuchstellers nach
welchen Gesetzesbestimmungen, namentlich des MSchG oder des UWG, glaublich
beeinträchtigt sein soll (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 84

BGE 134 I 83 S. 84
Die Allergan Inc. (Beschwerdegegnerin), ein Pharmaunternehmen des
amerikanischen Rechts mit Sitz in Kalifornien, hat verschiedene Marken mit dem
Bestandteil BOTOX registrieren lassen. Die Labo Cosprophar AG
(Beschwerdeführerin) mit Sitz in Basel vertreibt unter der Marke BOTOINA eine
Kosmetiklinie zur Entspannung von Ausdrucksfalten. Am 17. Februar 2006 reichte
die Beschwerdegegnerin beim Zivilgericht Basel-Stadt eine Klage ein, mit der
sie u.a. begehrte, es sei der Beschwerdeführerin zu verbieten, das Zeichen
BOTOINA zur Kennzeichnung von Kosmetika und pharmazeutischen Produkten zu
gebrauchen sowie kosmetische Präparate zur Entspannung der Ausdrucksfalten
dominant mit der Abbildung einer Spritze zu bewerben. Mit der Klage verband sie
das Gesuch, die Verbote bereits als vorsorgliche Verfügung zu erlassen.
Die verfahrensleitende Zivilgerichtspräsidentin kam nach der Prüfung dieses
Gesuchs zum Schluss, die Marke und das Erscheinungsbild der BOTOINA-Produkte
liessen beim Letztabnehmer den Eindruck entstehen, dass zwischen der Marke
BOTOINA und der Marke BOTOX eine Verbindung bestehe bzw. dass in den Produkten
der Marke BOTOINA der Wirkstoff Botox enthalten sei, was unbestritten nicht der
Fall sei. Damit sei aber zumindest eine mittelbare Verwechslungsgefahr gegeben.
Sie gab dem Gesuch in der Folge mit Verfügung vom 16./17. August 2006
(Rektifikat vom 1./4.
BGE 134 I 83 S. 85
September 2006) teilweise statt und setzte der Beschwerdegegnerin Frist zur
Leistung einer Sicherheit von Fr. 400'000.-, indem sie wie folgt verfügte:
"1. (...)
2. Der Beklagten 1 [= Beschwerdeführerin] wird vorsorglich verboten unter
Androhung der Überweisung der verantwortlichen Organe an den Strafrichter im
Widerhandlungsfalle zur Bestrafung mit Haft oder Busse gemäss Art. 292 StGB:
a) das Zeichen Botoina zur Kennzeichnung von Kosmetika zu gebrauchen;
b) Kosmetika, die mit dem Zeichen Botoina gekennzeichnet sind, anzubieten, in
Verkehr zu bringen, einzuführen und zu lagern;
c) Das Zeichen Botoina im Zusammenhang mit dem Anbieten, Vertreiben und
Inverkehrbringen von Kosmetika in der Werbung, auf Geschäftspapieren, im
Internet, als Domainname oder sonst in irgendeiner Form im Geschäftsverkehr zu
gebrauchen.
3. Der Beklagten 1 wird vorsorglich verboten, kosmetische Präparate zur
Entspannung der Ausdrucksfalten, insbesondere die unter der Bezeichnung Botoina
vertriebenen Produkte, im Internet, in Prospekten, auf Schaufensterdisplays
oder sonstigen Werbematerialien dominant mit einer Spritze zu bewerben.
4. Die Klägerin [= Beschwerdegegnerin] hat innert einer Frist von 30 Tagen ab
Zustellung eine Sicherheitsleistung von Fr. 400'000.- zu leisten.
5. Die weiteren Rechtsbegehren werden abgewiesen.
6. (...)."
Dagegen gelangte die Beschwerdeführerin mit einer sogenannten
"Verfahrensmangelbeschwerde" an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt
und rügte eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs durch mangelnde Begründung
der angefochtenen Verfügung. Das Appellationsgericht wies dieses Rechtsmittel
am 31. Januar 2007 ab.
Die Beschwerdeführerin erhob in der Folge Beschwerde in Zivilsachen sowie
vorsorglich subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Sie beantragt, das Urteil des
Appellationsgerichts vom 31. Januar 2007 sowie die Ziffern 2 und 3 der
Verfügung des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 16./17. September 2006 bzw. des
Rektifikats vom 1./4. September 2006 seien aufzuheben; sodann sei das Gesuch um
Erlass einer vorsorglichen Verfügung vom 17. Februar 2006 vollumfänglich
abzuweisen, eventualiter die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
BGE 134 I 83 S. 86
Das Bundesgericht tritt auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht ein. Die
Beschwerde in Zivilsachen heisst es gut, hebt das Urteil des
Appellationsgerichts sowie die Ziffern 2 und 3 der Verfügung der
Zivilgerichtspräsidentin vom 16./17. August 2006 und des Rektifikats vom 1./4.
September 2006 auf und weist die Sache an die Zivilgerichtspräsidentin zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

3.

3.1 Die Beschwerde in Zivilsachen ist grundsätzlich nur gegen Endentscheide im
Sinne von Art. 90 BGG zulässig, d.h. gegen Entscheide, die das Verfahren
abschliessen. Das Bundesgericht soll sich als oberste rechtsprechende Behörde
des Bundes in der Regel nur ein Mal mit der gleichen Angelegenheit befassen
müssen. Anders als nach der Praxis zur (altrechtlichen) Berufung (Art. 48 Abs.
1 OG), wonach ein Endentscheid nur dann vorlag, wenn das kantonale Sachgericht
über den im Streit stehenden Anspruch materiell entschieden oder dessen
Beurteilung aus einem Grund abgelehnt hatte, der endgültig verbot, dass der
gleiche Anspruch nochmals geltend gemacht wird (BGE 132 III 178 E. 1.1 S. 180
mit Hinweisen; vgl. auch BGE 133 III 393 E. 4), genügt für die neurechtliche
Beschwerde allgemein der rein formelle Abschluss eines Verfahrens (Urteil 5A_9/
2007 vom 20. April 2007, E. 1.2.2; vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur
Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4331 Ziff. 4.1.4.1; Spühler/
Dolge/Vock, Kurzkommentar zum BGG, Zürich/St. Gallen 2006, N. 3 zu Art. 90 BGG;
Bernard Corboz, Le recours en matière civile selon le projet de loi sur le
Tribunal fédéral, Schweizerische Zeitschrift für Zivilprozessrecht [SZZP] 2005
S. 79 ff., 82; Denis Tappy, Le recours en matière civile, in: Wurzburger et
al., La nouvelle loi sur le Tribunal fédéral, Lausanne 2007, S. 76; Peter
Karlen, Das neue Bundesgerichtsgesetz, Die wesentlichen Neuerungen und was sie
bedeuten, Basel 2006, S. 35; FABIENNE HOHL, Le recours en matière civile selon
la Loi sur le Tribunal fédéral du 17 juin 2005, in: Foëx/Hottelier/ Jeandin
[Hrsg.], Les recours au Tribunal fédéral, Genève 2007, S. 86).
Entscheide über vorsorgliche Massnahmen sind nur dann Endentscheide, wenn sie
in einem eigenständigen Verfahren ergehen. Selbständig eröffnete
Massnahmenentscheide, die vor oder während eines Hauptverfahrens erlassen
werden und nur für die Dauer des Hauptverfahrens bzw. unter der Bedingung, dass
ein
BGE 134 I 83 S. 87
Hauptverfahren eingeleitet wird, Bestand haben, stellen dagegen
Zwischenentscheide im Sinne von Art. 93 BGG dar (vgl. Botschaft, a.a.O., S.
4332 f.; von Werdt, in: Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz,
Stämpflis Handkommentar, Bern 2007, N. 6 zu Art. 90 BGG; Tappy, a.a.O., S. 76
f.; Bernard Corboz, Introduction à la nouvelle loi sur le Tribunal fédéral, in:
Bundesrechtsmittel, Schriftenreihe SAV, Bd. 20, Bern 2007, S. 4 ff., 9; Hans
Peter Walter, Neue Zivilrechtspflege, in: Tschannen [Hrsg.], Neue
Bundesrechtspflege, Berner Tage für die juristische Praxis [BTJP] 2006, Bern
2007, S. 131; Christoph Auer, Der Rechtsweg in Zivilsachen, in: Ehrenzeller/
Schwander [Hrsg.], Reorganisation der Bundesrechtspflege - Neuerungen und
Auswirkungen in der Praxis, St. Gallen 2006, S. 72 f. und S. 74 Fn. 31; Tarkan
Göksu, Die Beschwerden ans Bundesgericht, St. Gallen 2007, Rz. 80; vgl. auch
Spühler/Dolge/Vock, a.a.O., N. 4 zu Art. 90 BGG; ISAAK MEIER, Rechtsmittel an
das Bundesgericht in Zivilsachen nach dem BGG, in: Meier et al. [Hrsg.], Wege
zum Bundesgericht in Zivilsachen nach dem Bundesgerichtsgesetz, Zürich/St.
Gallen 2007, S. 26 f.). Gegen solche ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie
einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit.
a BGG [Die Variante nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt bei
Massnahmenentscheiden von vornherein ausser Betracht]). Dabei muss es sich -
entsprechend dem Begriff des Nachteils im Sinne von Art. 87 OG - um einen
Nachteil rechtlicher Natur handeln, der auch durch einen für den
Beschwerdeführer günstigen Entscheid in der Zukunft nicht mehr behoben werden
kann (BGE 133 IV 139 E. 4; BGE 133 V 477 E. 5.2.1; Urteil 4A_85/2007 vom 11.
Juni 2007, E. 3.1).
Gegenstand der angefochtenen Entscheide sind während des Hauptverfahrens
erlassene vorsorgliche Massnahmen. Demnach handelt es sich bei diesen
Entscheiden um Zwischenentscheide nach Art. 93 BGG. Es liegt auf der Hand und
wurde auch in konstanter Praxis zur staatsrechtlichen Beschwerde bejaht, dass
ein solcher Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von
Art. 87 OG bewirken kann und daher vor Bundesgericht anfechtbar ist (vgl. BGE
116 Ia 446 ff.; BGE 114 II 368 E. 2a S. 369; BGE 108 II 69 E. 1 S. 71, je mit
Hinweisen).
Die Beschwerde in Zivilsachen steht somit gegen die angefochtenen Entscheide
grundsätzlich offen. Damit erweist sich die vorsorglich erhobene subsidiäre
Verfassungsbeschwerde als unzulässig (Art. 113 BGG) und es ist darauf nicht
einzutreten.
BGE 134 I 83 S. 88

3.2 Da mit der vorliegenden Beschwerde Entscheide angefochten werden, die eine
vorsorgliche Massnahme zum Gegenstand haben, kann einzig die Verletzung
verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG). Die Verletzung von
Grundrechten prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der
Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das
bedeutet, dass - entsprechend den altrechtlichen Begründungsanforderungen von
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG - klar und detailliert anhand der Erwägungen des
angefochtenen Entscheids darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte
verletzt worden sein sollen (BGE 133 III 393 E. 6, BGE 133 III 439 E. 3.2; BGE
133 II 249 E. 1.4.2; vgl. zu Art. 90 OG: BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f. mit
Hinweisen).

4. Die Beschwerdeführerin rügt, die Verfügung der Zivilgerichtspräsidentin vom
16./17. August 2006 genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die
Entscheidbegründung nicht. Das Appellationsgericht habe eine entsprechende
Gehörsverletzung zu Unrecht verneint.

4.1 Das rechtliche Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörde die
Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch
tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt (BGE 124 I
49 E. 3a, BGE 124 I 241 E. 2, je mit Hinweisen). Daraus folgt die Verpflichtung
der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist es nicht erforderlich,
dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und
jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf
die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so
abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids
Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz
weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen
genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich
ihr Entscheid stützt (vgl. BGE 133 III 439 E. 3.3; BGE 130 II 530 E. 4.3 S.
540; BGE 129 I 232 E. 3.2; BGE 126 I 97 E. 2b, je mit Hinweisen).
Diese verfassungsrechtlichen Minimalanforderungen an die Begründung gelten auch
für die Anordnung von vorsorglichen Massnahmen. Daran ändert nichts, dass diese
regelmässig aufgrund einer summarischen Beurteilung der Anspruchsgrundlage
erfolgen und ihrem Zweck nach rasch erlassen werden müssen und dass damit nicht
endgültig über materielle Gebrauchsrechte oder U
BGE 134 I 83 S. 89
nterlassungs ansprüche der Parteien entschieden wird (vgl. Guldener,
Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1979, S. 581; STAEHELIN/SUTTER,
Zivilprozessrecht, Zürich 1992, § 23 Rz. 22).

4.2 Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, die Zivilgerichtspräsidentin
habe ihre Pflicht zur Begründung ihrer Verfügung insoweit verletzt, als sie die
Rechtsnormen, die dieser zugrunde liegen, nicht genannt habe.

4.2.1 Das Appellationsgericht hielt dazu fest, die Parteien hätten Anspruch
darauf, dass sie über die Rechtsnormen Kenntnis erhielten, auf die sich der
Entscheid stütze. Dies brauche indessen nicht notwendigerweise ausdrücklich zu
geschehen. Oftmals machten die Parteien in ihren Rechtsschriften zum Teil
detaillierte Ausführungen zum Rechtlichen. Es sei nicht zu beanstanden, wenn in
der Folge die entscheidende Behörde die Rechtsauffassung der einen Partei als
zutreffend bezeichne und diese damit implizit zur Grundlage ihres Entscheides
mache. Im vorliegenden Fall habe die Zivilgerichtspräsidentin ein solches
Vorgehen gewählt. Damit habe der Beschwerdeführerin ausreichend klar sein
müssen, worauf sich die Verfügung stützte. Dass sie nicht in der Lage gewesen
sein will, den Entscheid sachgerecht beim Bundesgericht anzufechten, treffe
offensichtlich nicht zu, wenn man sich ihre staatsrechtliche Beschwerde vor
Augen führe.

4.2.2 Die Beschwerdeführerin rügt namentlich, das Appellationsgericht ignoriere
damit, dass die Beschwerdegegnerin in ihren Rechtsschriften mehrere
unterschiedliche Anspruchsgrundlagen geltend mache. So behaupte sie
insbesondere eine Verletzung von Art. 15 MSchG (SR 232.11 [berühmte Marke]),
von Art. 3 Abs. 2 lit. b MSchG (notorisch bekannte Marke), von Art. 3 Abs. 1
MSchG, Art. 3 lit. b und d UWG (SR 241) und Art. 5 des Bundesgesetzes vom 9.
Oktober 1992 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz,
LMG; SR 817.0). Diese Rechtsgrundlagen unterschieden sich in ihren
Tatbestandsvoraussetzungen wesentlich, so dass im Entscheid ausdrücklich hätte
festgehalten werden müssen, welche Normen das Gericht als verletzt betrachte.
Es bliebe offen und unklar, welche Normen die Zivilgerichtspräsidentin als
glaubhaft verletzt erachtet habe. Dadurch werde der Beschwerdeführerin die
Durchsetzung ihrer Rechtsposition durch Anfechtung der Verfügung wesentlich
erschwert.

4.2.3 Die Rüge ist begründet. Die Verfügung der Zivilgerichtspräsidentin vom
16./17. August 2006 enthält keinen einzigen Hinweis,
BGE 134 I 83 S. 90
auf welche Gesetzesbestimmungen sich die darin ausgesprochenen Verbote stützen.
Ihre zur teilweisen Gutheissung des Gesuchs um vorsorgliche Massnahmen
führenden Erwägungen schloss die Zivilgerichtspräsidentin mit dem Befund, die
Marke und das Erscheinungsbild der BOTOINA-Produkte liessen beim Letztabnehmer
den Eindruck entstehen, dass zwischen der Marke BOTOINA und der Marke BOTOX
eine Verbindung bestehe bzw. dass in den Produkten der Marke BOTOINA der
"Wirkstoff Botox" enthalten sei, was unbestritten nicht der Fall sei. Damit sei
aber zumindest eine mittelbare Verwechslungsgefahr gegeben.
Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, kann immer nur mit Bezug zu einem
konkreten, angeblich beeinträchtigten immaterialgüterrechtlichen Anspruch des
Massnahmegesuchstellers beurteilt werden, namentlich einem ihm zustehenden
subjektiven Markenrecht oder einem Schutzanspruch, den ihm ein
lauterkeitsrechtlich relevanter Marktauftritt verschafft. Es ist für die
Nachvollziehbarkeit eines wegen Verwechslungsgefahr ausgesprochenen Verbots
unabdingbar, dass in der Begründung die Anspruchsgrundlage - unter Angabe der
einschlägigen Gesetzesbestimmungen - genannt wird, d.h. aus welchen Gründen der
Massnahmerichter den Bestand von welchen unter mehreren angerufenen, in
bestimmten Gesetzesbestimmungen gewährleisteten Schutzansprüchen und deren
Verletzung als glaubhaft gemacht betrachtet hat. Nur so kann der vom Verbot
Betroffene ein ausgesprochenes Verbot nachvollziehen und in einem allfälligen
Rechtsmittelverfahren substantiiert bestreiten, ohne dass er auf Spekulationen
darüber angewiesen ist, aus welchen Gründen der Richter gegen seine Anträge
entschieden hat.
Der in verschiedenen Bereichen des Immaterialgüterrechts vorkommende Begriff
der Verwechslungsgefahr ist zwar für das gesamte Kennzeichenrecht ein
einheitlicher (BGE 128 III 401 E. 5 S. 403). Es geht stets um die Beurteilung,
ob ein Zeichen einem anderen derart ähnlich ist, dass die massgebenden
Verkehrskreise Gefahr laufen, die gekennzeichneten Gegenstände zu verwechseln
oder falsche Zusammenhänge zu vermuten (BGE 128 III 146 E. 2a; BGE 127 III 160
E. 2b/c). Die Umstände, die im Übrigen die Gefahr falscher Individualisierung
oder falscher Assoziationen erheblich beeinflussen, unterscheiden sich jedoch
je nach dem Rechtsschutz, der für die Kennzeichen beansprucht wird. So sind
etwa für den lauterkeitsrechtlichen Kennzeichenschutz (Art. 3 lit. d UWG) - im
Gegensatz zum markenrechtlichen Schutz - Registereinträge nicht wesentlich
BGE 134 I 83 S. 91
(vgl. BGE 116 II 365 E. 4 S. 370 und zum Ganzen das Urteil 4C.169/ 2004 vom 8.
September 2004, E. 2.4, publ. in: sic! 3/2005 S. 221 ff.). Es ist demnach
schlechterdings nicht möglich, ein Verbot wegen einer Verwechslungsgefahr
nachvollziehbar zu begründen, wenn die einzelnen Voraussetzungen, die das MSchG
oder das UWG dafür aufstellen, wie vorliegend, nicht genannt und
auseinandergehalten werden.
Die Zivilgerichtspräsidentin begründet ihre Verfügung vorwiegend mit der Gefahr
der indirekten Verwechslung der Marke BOTOINA mit einer Marke BOTOX der
Beschwerdegegnerin und der mit diesen Marken bezeichneten Produkte, wenn sie am
Schluss ihrer Erwägungen zur Verwechslungsgefahr auch auf das
"Erscheinungsbild" der Produkte Bezug nimmt. Sie konkretisiert jedoch die
angeblich verletzten Markenrechte der Beschwerdegegnerin nicht, d.h. welche
subjektiven Markenrechte der Beschwerdegegnerin nach welchen Rechtsnormen
glaublich beeinträchtigt worden sein sollen. Ebenso wenig begründet sie die
Gefahr der Verwechslung mit Bezug auf die Waren, für welche die angeblich
verletzten Markenrechte beansprucht werden und für die der Verletzer sein
Zeichen verwendet, was bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ein
wesentliches Element darstellt. Dies wäre indes vorliegend namentlich deshalb
wichtig, weil die Beschwerdeführerin den Bestand eines Markenrechts BOTOX in
der Schweiz zur Bezeichnung von kosmetisch einsetzbaren Produkten bestreitet
und auch die Zivilgerichtspräsidentin selber feststellt, dass die Marke BOTOX
in der Schweiz zur Bezeichnung von kosmetisch einsetzbaren Produkten nicht
zugelassen sei. Anhaltspunkte dafür, dass die Zivilgerichtspräsidentin geprüft
hätte, ob die in der Schweiz für neurologische und ophthalmologische
Anwendungen zugelassene Marke BOTOX als berühmte Marke im Sinne von Art. 15
MSchG und damit über den Warengleichartigkeitsbereich hinaus gegen die
Bezeichnung von kosmetisch einsetzbaren Produkten mit einem verwechselbaren
Kennzeichen zu schützen ist, fehlen in der Begründung der angefochtenen
Verfügung. Schliesslich wird aus der Begründung der Verfügung insgesamt auch
nicht mit hinreichender Deutlichkeit ersichtlich, ob und inwiefern die
Zivilgerichtspräsidentin eine lauterkeitsrechtlich relevante Verwechslungs-
oder Irreführungsgefahr als glaubhaft gemacht erachtet haben könnte.

4.2.4 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Verfügung der
Zivilgerichtspräsidentin den verfassungsrechtlichen Anforderungen
BGE 134 I 83 S. 92
an die Begründung von Entscheiden nicht genügt. Die Beschwerdeführerin konnte
daraus nicht entnehmen, auf welche Überlegungen sich das darin ausgesprochene
Verbot stützt, so dass es ihr möglich gewesen wäre, die Verfügung in voller
Kenntnis der Sache anzufechten. Sie war bei der Anfechtung vielmehr auf
Spekulationen über die glaubhaft gemachte Anspruchsgrundlage angewiesen. Indem
das Appellationsgericht verneinte, dass die Zivilgerichtspräsidentin die
verfassungsrechtlichen Begründungsanforderungen missachtet habe, hat es
seinerseits den Gehörsanspruch (Art. 29 Abs. 2 BV) der Beschwerdeführerin
verletzt.