Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 I 293



Urteilskopf

134 I 293

34. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X.
gegen Kanton Thurgau (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_73/2008 vom 26. September 2008

Regeste

Art. 49 Abs. 1 BV; Art. 38, 44 und 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG; Art. 641a und 896
ZGB; persönliche Freiheit; Eigentumsgarantie; Änderung des thurgauischen
Gesetzes vom 5. Dezember 1983 über das Halten von Hunden. Die angefochtene
Bestimmung im kantonalen Hundegesetz, welche den Einzug eines Hundes bzw.
dessen Fremdplatzierung als Mittel zur Durchsetzung der finanziellen
Verpflichtungen des Hundehalters vorsieht, stellt keine in den Regelungsbereich
des Schuldbetreibungsrechts eingreifende, unmittelbar der Vollstreckung der
Geldleistungspflicht dienende Massnahme, sondern ein indirektes Druckmittel im
Sinne eines administrativen Rechtsnachteils dar (E. 3 und 4.1); kein Verstoss
gegen das bundesrechtliche Pfändungs- und Retentionsverbot von Heimtieren (E.
4.2). Vereinbarkeit dieser Massnahme mit der persönlichen Freiheit und der
Eigentumsgarantie (E. 5).

Sachverhalt ab Seite 294

BGE 134 I 293 S. 294
Im Zuge von Massnahmen gegen gefährliche Hunde ergänzte der Grosse Rat des
Kantons Thurgau mit Beschluss vom 12. September 2007 das kantonale Gesetz vom
5. Dezember 1983 über das Halten von Hunden (HundeG) durch Einführung
zusätzlicher Verpflichtungen der Hundehalter sowie entsprechender behördlicher
Kontrollmöglichkeiten. Unter der Überschrift "Zwangsmassnahmen" wurde als § 7a
folgende neue Bestimmung in das Gesetz aufgenommen:
^1 Kommt ein Hundehalter trotz vorgängiger Mahnung seinen finanziellen
Verpflichtungen im Zusammenhang mit seiner Hundehaltung nicht nach, kann der
Hund bis zur Erfüllung dieser Verpflichtung auf Kosten des Hundehalters
eingezogen und untergebracht werden.
^2 Zu den finanziellen Verpflichtungen eines Hundehalters gehören insbesondere:
1. der Abschluss einer Haftpflichtversicherung gemäss § 1a;
2. die Bezahlung eines verlangten Kostenvorschusses und der Kosten für
Massnahmen gemäss § 7;
3. die Bezahlung der Hundesteuer;
4. die Bezahlung der Kosten für die Kennzeichnung gemäss § 8.
^3 Werden die finanziellen Verpflichtungen innert angemessener Frist nicht
erfüllt, kann der Hund fremdplatziert werden.
^4 Lässt ein Hundehalter seinen Hund nicht vorschriftsgemäss kennzeichnen, wird
eine Ersatzvornahme auf Kosten des Hundehalters durchgeführt."
X. führt mit Eingabe vom 25. Januar 2008 beim Bundesgericht Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, die Absätze 1-3 von § 7a
des geänderten Gesetzes aufzuheben; eventuell seien lediglich die Ziffern 3 und
4 von § 7a Absatz 2 aufzuheben. Er rügt vorab eine Verletzung von Art. 49 Abs.
1 BV (Vorrang des Bundesrechts; Verstoss gegen das Pfändungs- und
Retentionsverbot von Heimtieren), ferner einen Verstoss gegen die
Tierschutzgesetzgebung, gegen die Eigentumsgarantie, gegen die Rechtsgleichheit
und das Willkürverbot sowie gegen die persönliche Freiheit. Das Bundesgericht
weist die Beschwerde im Sinne der Erwägungen ab.
BGE 134 I 293 S. 295

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2. Bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit eines kantonalen Erlasses im
Rahmen der abstrakten Normenkontrolle ist nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichts massgebend, ob der betreffenden Norm nach anerkannten
Auslegungsregeln ein Sinn beigemessen werden kann, der sie mit den angerufenen
Verfassungsgarantien vereinbar erscheinen lässt. Das Bundesgericht hebt eine
kantonale Norm nur auf, wenn sie sich jeder verfassungskonformen (bzw. mit dem
höherstufigen Bundesrecht vereinbaren) Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn
sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich bleibt (BGE 133 I 77 E. 2 S.
79, BGE 133 I 286 E. 4.3 S. 295, je mit Hinweisen). Erscheint eine
generell-abstrakte Regelung unter normalen Verhältnissen, wie sie der
Gesetzgeber voraussetzen durfte, als verfassungsrechtlich zulässig, so vermag
die ungewisse Möglichkeit, dass sie sich in besonders gelagerten Einzelfällen
als verfassungswidrig auswirken könnte, ein Eingreifen des Verfassungsrichters
im Stadium der abstrakten Normenkontrolle im Allgemeinen noch nicht zu
rechtfertigen; den Betroffenen verbleibt die Möglichkeit, eine allfällige
Verfassungswidrigkeit bei der Anwendung im Einzelfall geltend zu machen (BGE
122 I 222 E. 8 S. 235; BGE 120 Ia 286 E. 2b S. 290, je mit Hinweis).

3.

3.1 Der Beschwerdeführer erblickt in der in § 7a Abs. 1 und 3 HundeG
vorgesehenen Möglichkeit, zur Durchsetzung finanzieller Verpflichtungen des
Hundehalters den Hund wegzunehmen und fremdzuplatzieren, einen Verstoss gegen
den Vorrang des Bundesrechtes (Art. 49 Abs. 1 BV), da eine solche Regelung das
in Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG bzw. Art. 896 ZGB verankerte Pfändungs- und
Retentionsverbot von Heimtieren missachte. Fällige Hundesteuern seien auf dem
Betreibungswege einzutreiben, wobei die Nichtbezahlung dieser Abgabe trotz
erfolgter Mahnung gemäss § 17 HundeG zudem noch mit einer Busse bestraft werden
könne. Nach dem seit 1. April 2003 in Kraft stehenden Art. 641a ZGB seien Tiere
keine Sache mehr und nur als solche zu behandeln, soweit keine besonderen
Regelungen bestünden. Gemäss der gleichzeitig beschlossenen neuen Bestimmung
von Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG seien Tiere, die im häuslichen Bereich und
nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, unpfändbar, womit an
solchen Tieren grundsätzlich auch kein Retentionsrecht mehr ausgeübt werden
könne (Art. 896 ZGB). Auch wenn die angefochtene kantonale
BGE 134 I 293 S. 296
Regelung nicht darauf abziele, durch Verwertung des Hundes einen Erlös zu
erzielen, kollidiere die Wegnahme eines unpfändbaren Tieres zur Erzwingung
einer finanziellen Leistung doch mit der genannten Bestimmung des SchKG. Zwar
werde nicht direkt der Hund gepfändet und zwecks Befriedigung des Gläubigers
versilbert, doch werde der Schutz, den das Schuldbetreibungsrecht der Beziehung
zwischen dem Hundehalter und seinem Tier zukommen lassen wolle, durch die
beanstandete kantonale Gesetzgebung vereitelt.

3.2 Geldforderungen sind auf dem Wege der Schuldbetreibung zu vollstrecken
(Art. 38 SchKG). Die Kantone sind nicht befugt, hierfür eigene
Vollstreckungsmassnahmen vorzusehen (BGE 108 II 180 E. 2a S. 182; BGE 86 II 291
E. 2 S. 295; BGE 85 II 194 E. 2 S. 196; 78 II 89 E. 2 S. 92). Das gilt
grundsätzlich auch für öffentlich-rechtliche Geldforderungen; unmittelbar auf
die Eintreibung solcher Forderungen ausgerichtete Vollstreckungsmassnahmen
richten sich ausschliesslich nach den Bestimmungen des
Schuldbetreibungsrechtes, soweit nicht besondere straf- oder fiskalrechtliche
Bestimmungen über die Verwertung beschlagnahmter Gegenstände zum Zuge kommen
(Art. 44 SchKG; BGE 131 III 652 E. 3.1 S. 656; BGE 126 I 97 E. 3d S. 108 f.;
BGE 115 III 1 E. 3 S. 2 ff.; Urteil 2A.705/2006 vom 24. April 2007, E. 3.5;
ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, Bd. II, Neuenburg 1984, S. 635 f.;
MAX IMBODEN/RENÉ A. RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I, 5.
Aufl., Basel 1976, Nr. 50 B; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich 2006, Rz. 1152 f.; MARCEL OGG,
Die verwaltungsrechtlichen Sanktionen und ihre Rechtsgrundlagen, Diss. Zürich
2002, S. 14 f., 102; KARL SPÜHLER, Probleme bei der Schuldbetreibung für
öffentlichrechtliche Geldforderungen, in: ZBl 100/1999 S. 256 f.). Für ein
besonderes kantonales Vollstreckungsverfahren für öffentlich-rechtliche
Geldforderungen besteht insoweit kein Raum (HEINRICH ANDREAS MÜLLER, Der
Verwaltungszwang, Diss. Zürich 1975, S. 53). Dem zuständigen Gesetzgeber bleibt
es aber unverwehrt, die Nichtbezahlung öffentlich-rechtlicher Forderungen -
nebst allfälligen Verwaltungsstrafen - durch administrative Rechtsnachteile zu
sanktionieren, um den Schuldner (indirekt) auf diese Weise zu veranlassen,
seiner Zahlungspflicht nachzukommen (vgl. HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz.
1208 ff.; PIERRE TSCHANNEN/ULRICH ZIMMERLI, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2.
Aufl., Bern 2005, § 32 Rz. 37 ff. S. 292 ff.; MÜLLER, a.a.O., S. 57 ff.; OGG,
a.a.O., S. 47 ff.; ferner: TOBIAS JAAG, Sanktionen im Verwaltungsrecht, in:
BGE 134 I 293 S. 297
Jürg-Beat Ackermann/Andreas Donatsch/Jörg Rehberg [Hrsg.], Wirtschaft und
Strafrecht, Festschrift für Niklaus Schmid, Zürich 2001, S. 567 ff.). Solche
administrativen Sanktionen bedürfen in der Regel einer besonderen gesetzlichen
Grundlage und müssen, was den mit dem Eingriff verbundenen Nachteil für den
Betroffenen anbelangt, das Gebot der Verhältnismässigkeit respektieren (HÄFELIN
/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 1211-1218). Die Nichterfüllung
öffentlich-rechtlicher Geldforderungen kann insbesondere die Verweigerung von
davon abhängigen bzw. im Austauschverhältnis zu erbringenden
Verwaltungsleistungen nach sich ziehen. Diese Sanktion fällt namentlich in
Betracht beim Verzug in der Bezahlung von Benutzungsgebühren, soweit es sich
nicht um die Belieferung mit für den betroffenen Privaten lebenswichtigen
Gütern wie etwa die Energie- und Wasserzufuhr handelt (IMBODEN/RHINOW, a.a.O.,
Nr. 56 B III.; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 1217 f.; MÜLLER, a.a.O., S.
67 f.). Ebenso kann bei Nichtbezahlung der Gebühr für eine vorgeschriebene
polizeiliche Kontrolle die entsprechende Bewilligung verweigert werden (BGE 49
I 496 [betreffend Filmzensur]). Als unzulässig erachtete das Bundesgericht
jedoch eine kantonale Vorschrift, wonach der Rückstand in der Bezahlung der
Steuern die Einstellung im Stimmrecht nach sich zog (BGE 53 I 30). Ebenso wenig
darf die Abmeldebestätigung durch die Einwohnerkontrolle von der Begleichung
offener Steuerschulden abhängig gemacht werden (BGE 127 I 97). Gegen das Verbot
des Schuldverhaftes (vormals Art. 59 Abs. 3 aBV, in der aktuellen
Bundesverfassung nicht mehr ausdrücklich erwähnt, jedoch aus dem Schutz der
Menschenwürde [Art. 7 BV] und der persönlichen Freiheit [Art. 10 Abs. 2 BV]
abgeleitet [BGE 130 I 169 E. 2.2 S. 171]) verstiess die in einem kantonalen
Steuererlass vorgesehene Pflicht, unbezahlt gebliebene Militärsteuern durch
Arbeitsleistung in einer Kaserne abzuverdienen (BGE 22 S. 24 ff.; vgl. auch BGE
116 IV 386 E. 2c/bb S. 388 f. in Bezug auf den Militärpflichtersatz), ebenso
die Umwandlung von unbezahlten Prozesskosten in Haft (BGE 10 S. 213 ff.;
ferner: BGE 130 I 169 E. 2.3/2.4 S. 172 f. mit weiteren Hinweisen); ein blosses
Wirtshausverbot für säumige Steuerschuldner galt dagegen als mit der genannten
Garantie noch vereinbar (BGE 10 S. 469 f.; 12 S. 526; vgl. zum Gesagten auch
WALTHER BURCKHARDT, Kommentar der schweizerischen Bundesverfassung vom 29. Mai
1874, 3. Aufl., Bern 1931, S. 564 f.).

3.3 Zur (indirekten) Durchsetzung der Erfüllung von Abgabepflichten kann das
Gesetz auch Massnahmen vorsehen, durch die dem
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säumigen Schuldner die (weitere) Benutzung bestimmter Sachen untersagt oder
verunmöglicht wird. So kann etwa der Fahrzeugausweis (einschliesslich des
Kontrollschildes) für ein Motorfahrzeug entzogen werden, wenn und solange der
Halter die kantonalen Verkehrssteuern oder -gebühren nicht bezahlt hat (Art. 16
Abs. 4 lit. b SVG, Art. 106 Abs. 2 lit. c und Abs. 3 der Verordnung vom 27.
Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr
[Verkehrszulassungsverordnung, VZV; SR 741.51]) oder die erforderliche
Haftpflichtversicherung nicht mehr besteht (vgl. Art. 68 Abs. 2 letzter Satz in
Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 SVG, Art. 7 Abs. 2 der
Verkehrsversicherungsverordnung vom 20. November 1959 [VVV; SR 741.31]). Die
Möglichkeit dieser Vorkehr sieht die Bundesgesetzgebung heute zudem für den
Fall der Nichtbezahlung der Schwerverkehrsabgabe vor (Art. 14a lit. a des
Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1997 über eine leistungsabhängige
Schwerverkehrsabgabe [Schwerverkehrsabgabegesetz, SVAG; SR 641.81] bzw. Art. 16
Abs. 5 lit. a SVG), um die Entrichtung dieser Abgaben auch gegenüber
zahlungsunwilligen oder -unfähigen Unternehmern wirksam zu gewährleisten und
Wettbewerbsverzerrungen im Transportgewerbe zu vermeiden (Botschaft vom 22.
November 2006 zum Bundesgesetz über Massnahmen zur Verbesserung der Verfahren
im Bereich der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe, BBl 2006 S. 9543).

4.

4.1 Die angefochtene neue Regelung des thurgauischen Hundegesetzes, wonach ein
Hund bei Nichterfüllung der dem Halter aus der Hundehaltung erwachsenden
finanziellen Verpflichtungen eingezogen und fremdplatziert werden kann, stellt
keine unmittelbar der Vollstreckung der Geldleistungspflicht dienende Massnahme
dar; insbesondere wird der Hund nicht zwecks Verwertung behändigt, sondern
lediglich als (indirektes) Druckmittel der Obhut des Halters entzogen. Die
angefochtene Gesetzesbestimmung greift insoweit nicht in den Regelungsbereich
des Schuldbetreibungsrechtes ein, sondern will im Sinne eines administrativen
Rechtsnachteils den säumigen Hundehalter indirekt zur Erfüllung seiner
finanziellen Verpflichtungen veranlassen. Dies wird an sich auch vom
Beschwerdeführer eingeräumt. Er hält aber dafür, dass die vom kantonalen
Gesetzgeber für den Fall der Nichterfüllung finanzieller Verpflichtungen
vorgesehene Möglichkeit der Konfiszierung von Hunden angesichts des heute für
Heimtiere gemäss Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a
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SchKG bzw. Art. 896 ZGB geltenden Pfändungs- und Retentionsverbotes gegen Sinn
und Geist des Bundesrechts und damit gegen Art. 49 Abs. 1 BV verstosse.

4.2 Im Zuge der neuen zivilrechtlichen Regelung über den Status der Tiere (Art.
641a ZGB) wurden Heimtiere, die vom Schuldner nicht zu Vermögens- oder
Erwerbszwecken gehalten werden, im Hinblick auf die oftmals starken emotionalen
Bindungen zwischen Mensch und Tier und auf den meist geringen, zum affektiven
Wert in keinem Verhältnis stehenden Verwertungserlös von der Möglichkeit der
Pfändung und Verwertung ausgenommen (Bericht der Kommission für Rechtsfragen
des Ständerates vom 25. Januar 2002 betreffend Parlamentarische Initiative: Die
Tiere in der schweizerischen Rechtsordnung, BBl 2002 S. 4173, Ziff. 3.6;
ANTOINE F. GOETSCHEL/ GIERI BOLLIGER, Das Tier im Recht, Zürich 2003, S. 139
f.). Diese schuldbetreibungsrechtliche Regelung schliesst anderweitige
rechtliche Schranken, welche der Tierhaltung entgegenstehen können, nicht aus;
sie garantiert weder ein absolutes Recht auf Haltung von Heimtieren noch
befreit sie von der Erfüllung der mit der Tierhaltung verbundenen finanziellen
(und sonstigen) Verpflichtungen gegenüber dem Staat und Dritten. Das vom
Beschwerdeführer angerufene bundesrechtliche Pfändungs- und Retentionsverbot
für Heimtiere besagt lediglich, dass Heimtiere nicht zur Befriedigung von
Geldforderungen (beliebigen Ursprungs) der Zwangsverwertung zugeführt werden
dürfen; es schliesst nicht aus, dass der zuständige Gesetzgeber die
Nichterfüllung der mit der Tierhaltung verbundenen finanziellen (und sonstigen)
Pflichten durch administrative Rechtsnachteile und Verwaltungsstrafen
sanktioniert, wie dies nach dem Gesagten auch in anderen Regelungsbereichen der
Fall sein kann. Schranken für solche Massnahmen ergeben sich nicht aus dem
Schuldbetreibungsrecht, sondern vorab aus allenfalls berührten Grundrechten. Es
ist ferner auch nicht ersichtlich und rechtsgenüglich dargetan, inwiefern die
angefochtene kantonale Gesetzesbestimmung gegen die eidgenössische
Tierschutzgesetzgebung verstossen soll. Die Rüge der Verletzung von Art. 49
Abs. 1 BV vermag nicht durchzudringen.

5. Zu prüfen bleibt, ob die streitige Regelung vor den angerufenen Grundrechten
standhält. Der Beschwerdeführer erblickt in der vorgesehenen Möglichkeit, Hunde
wegen Nichterfüllung finanzieller Verpflichtungen zu beschlagnahmen, einen
Verstoss sowohl gegen die persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) und die
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Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) wie auch gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV) und
die Rechtsgleichheit (Art. 8 BV).

5.1 Die angefochtenen Bestimmungen sind in einem formellen Gesetz enthalten.
Das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage (Art. 36 Abs. 1 BV) ist damit
erfüllt.

5.2 Die Beschlagnahme eines Hundes, zu dem der Halter eine enge emotionale
Beziehung hat, kann einen Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit
darstellen (Art. 10 Abs. 2 BV; BGE 133 I 249 E. 2 S. 252 f.; Urteil 2P.24/2006
vom 27. April 2007, E. 3.2), was alsdann voraussetzt, dass überwiegende
öffentliche Interessen die Massnahme rechtfertigen und als verhältnismässig
erscheinen lassen (Art. 36 Abs. 2 und 3 BV).

5.2.1 Die Wegnahme und allfällige (definitive) Fremdplatzierung eines Hundes
zur Erzwingung der Bezahlung bzw. als administrative Sanktion für die
Nichtbezahlung einer relativ niedrigen Geldforderung des Staates erscheint
unter dem Gesichtswinkel der persönlichen Freiheit in der Tat nicht
unproblematisch. Die affektive Beziehung zu Heimtieren gilt nach heutiger
Anschauung als schützenswertes Rechtsgut, was unter anderem im vom
Bundesgesetzgeber beschlossenen Pfändungs- und Retentionsverbot für solche
Tiere zum Ausdruck kommt. Auch der kantonale Gesetzgeber kann sich beim Erlass
von Vorschriften, welche die Wegnahme und Konfiszierung von Hunden vorsehen,
über diesen Aspekt nicht hinwegsetzen. Dass solche Massnahmen den Schutzbereich
der persönlichen Freiheit des Halters berühren können, schliesst ihre
Zulässigkeit aber noch nicht aus. Das steht ausser Frage, soweit es sich um
Massnahmen gegen gefährliche Hunde handelt, die vorrangige Anliegen der
öffentlichen Sicherheit verfolgen, denen gegenüber das persönliche Interesse
des Halters zurückzutreten hat. Neben sicherheitspolizeilichen können aber auch
andere öffentliche Interessen genügend Gewicht besitzen, um die Wegnahme eines
Tieres zu rechtfertigen, so namentlich Gründe des Tierschutzes oder der Schutz
der Umgebung vor unzumutbaren Belästigungen.

5.2.2 Soweit die in der vorliegend angefochtenen Gesetzesbestimmung vorgesehene
Sanktion der Wegnahme und allfälligen Fremdplatzierung eines Hundes bezweckt,
den Halter zum Abschluss der vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung zu
veranlassen (§ 7a Abs. 2 Ziff. 1 in Verbindung mit § 1a HundeG), dient dieses
administrative Druckmittel der Erfüllung einer wesentlichen
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Sachverpflichtung, welche einen allfälligen Eingriff in die persönliche
Freiheit des Halters zu rechtfertigen vermag. Grundsätzlich dasselbe gilt, wenn
mit der erwähnten Sanktion erzwungen werden soll, dass ein Halter für den
Kostenvorschuss oder die Kosten für im Zusammenhang mit seiner Hundehaltung
stehende Kontroll- oder Abwehrmassnahmen aufkommt (§ 7a Abs. 2 Ziff. 2 in
Verbindung mit § 7). Auch hier geht es nicht in erster Linie um ein blosses
fiskalisches Interesse, sondern um die Wahrung von potentiell vorrangigen
öffentlichen Sachinteressen.

5.2.3 Dieser Erkenntnis verschliesst sich auch der Beschwerdeführer nicht
völlig, indem er der Regelung des kantonalen Gesetzgebers in den soeben
genannten beiden Punkten ein "gewisses Verständnis" entgegenbringt. Er stösst
sich vor allem daran, dass die Beschlagnahme als Mittel zur Eintreibung der
Hundesteuer sowie der Rechnung des Tierarztes für die Kennzeichnung verwendet
werden kann, und verlangt eventualiter wenigstens die Streichung der
betreffenden beiden Gesetzesbestimmungen von § 7a Abs. 2 Ziff. 3 und 4, wo es
um rein finanzielle Verpflichtungen und relativ geringe Beträge gehe. Zudem
handle es sich bei den Kosten der Kennzeichnung um eine zivilrechtliche
Forderung des Tierarztes, deren Durchsetzung keine staatliche Privilegierung
verdiene; für die Eintreibung dieser Forderung durch eine Verfügung der
Gemeinde fehle es an einer gesetzlichen Grundlage.
Dieser letztere Einwand übersieht, dass bei Unterlassung der vorgeschriebenen
Kennzeichnung durch den Tierhalter eine Ersatzvornahme durch die Behörde
durchgeführt wird (§ 7a Abs. 4). Bei den "Kosten für die Kennzeichnung", deren
Nichtbezahlung durch Beschlagnahme des Hundes sanktioniert werden kann, handelt
es sich, wie zwanglos angenommen werden darf, um die (öffentlich-rechtliche)
Forderung für die Kosten der allfällig durchgeführten oder durchzuführenden
Ersatzvornahme.

5.2.4 Im Übrigen war, wie das Protokoll der Beratungen zeigt, auch der
Gesetzgeber sich der Problematik des vorgesehenen Druckmittels bewusst. Eine
Bestimmung, welche bei finanzieller Säumnis des Halters nebst der
Fremdplatzierung auch die Möglichkeit der Tötung des Hundes vorsah, wurde vom
Parlament fallen gelassen. In der Vernehmlassung des Regierungsrates wird
ausgeführt, es gehe bei dieser Bestimmung nicht darum, einer
unterstützungsbedürftigen Person den einzigen Hund, zu dem sie eine emotionale
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Beziehung habe, wegzunehmen, weil sie die Hundesteuer nicht bezahlen könne. Es
dürfe aber nicht sein, dass ausgepfändete Personen mehrere Hunde halten
könnten, ohne für die Hundesteuer aufkommen zu müssen, da Betreibungen
regelmässig zu einem Verlustschein führten.
Die Bestimmung enthält keinen Vorbehalt in dieser Richtung. Da sie aber als
Kann-Vorschrift formuliert ist, belässt sie der rechtsanwendenden Behörde die
Möglichkeit, den Umständen des jeweiligen Einzelfalles Rechnung zu tragen und
von einer Beschlagnahme eines Hundes, zu welchem der Betroffene eine
schutzwürdige starke emotionale Bindung hat, abzusehen, wenn die berührten
öffentlichen Interessen einen derartigen einschneidenden Eingriff als
unverhältnismässig erscheinen lassen. Der Kanton Thurgau ist auf den
diesbezüglich abgegebenen Erklärungen zu behaften. Anderseits kann auch nicht
gesagt werden, dass das Druckmittel der Beschlagnahme zur Eintreibung der
Hundesteuer zum vornherein in jedem Falle unzulässig wäre. Es wäre - nicht
zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit - in der Tat wenig
befriedigend, wenn Personen, die mangels pfändbarer Mittel auf dem
Betreibungsweg nicht belangt werden können, eine Mehrzahl oder Vielzahl von
Hunden halten könnten, ohne hierfür eine Hundesteuer zu entrichten. Personen,
die zur Bezahlung der Hundesteuer nicht in der Lage sind, werden ihren Tieren
häufig auch nicht die erforderliche Pflege und Ernährung zukommen lassen
können. Unter diesem Blickwinkel erlaubt es die angefochtene Regelung den
Behörden zugleich, bei mangelhafter Hundehaltung im Interesse des betroffenen
Tieres frühzeitig einzuschreiten, um drohenden tierschutzwidrigen Zuständen
zuvorzukommen. Der bei Nichtbezahlung trotz vorgängiger Mahnung in Aussicht
gestellte Rechtsnachteil vermag seine Wirkung als Druckmittel überdies auch
gegenüber Hundehaltern zu entfalten, welche zwar zahlungsfähig sind, die
geschuldete Hundesteuer jedoch aus Renitenz nicht begleichen. Dass die Behörde
von der Möglichkeit der Beschlagnahme und Fremdplatzierung allzuleicht Gebrauch
macht, ist schon darum nicht zu erwarten, weil die Unterbringung von Tieren in
einem Heim Kosten verursacht, welche den Betrag der Hundesteuer (jährlich Fr.
80.- für den ersten Hund und Fr. 130.- für jeden weiteren Hund im gleichen
Haushalt, § 10 HundeG) rasch übersteigen und beim verantwortlichen Halter
ebenfalls schwer einzubringen sein dürften. Entsprechendes gilt für die Kosten
der Kennzeichnung. Die
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angefochtene Bestimmung dürfte daher ihre Wirkung vor allem als Drohmittel
gegen säumige Hundehalter entfalten. Sie erlaubt als Kann-Vorschrift eine
praktische Anwendung, die mit dem Grundrecht der persönlichen Freiheit
vereinbar ist.

5.3 Aus der mitangerufenen Eigentumsgarantie ergeben sich unter dem
Gesichtswinkel des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit, auf
welche beiden Kriterien der Beschwerdeführer einzig Bezug nimmt, keine
weitergehenden Schranken, ebenso wenig aus dem Willkürverbot und dem
Rechtsgleichheitsgebot.