Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 I 2



Urteilskopf

134 I 2

  1. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. SRG
SSR idée suisse Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft gegen
Kessler und Mitb. sowie Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und
Fernsehen (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
  2C_335/2007 vom 25. Oktober 2007

Regeste

  Art. 17 Abs. 1, Art. 34 und 93 BV; Art. 3-5 RTVG 1991; rundfunkrechtliche
Zulässigkeit der Ausstrahlung des Porträts eines amtierenden Staatsrats
unmittelbar vor Erneuerungswahlen ("Freiburger Original in der Regierung").

  Tragweite des Programmauftrags und der Programmautonomie bzw. des
Sachgerechtigkeits- und Vielfaltsgebots bei Ausstrahlungen im Vorfeld von
Wahlen und Abstimmungen (E. 3).

  Ein personenbezogenes, wohlwollendes Porträt eines Politikers mit
unkonventionellem Werdegang unmittelbar vor Wahlen ist geeignet, die
Meinungsbildung des Publikums sowie die politische Chancengleichheit der
Kandidaten zu beeinträchtigen; eine entsprechende Ausstrahlung verletzt
deshalb das rundfunkrechtliche Sachgerechtigkeits- und Vielfaltsgebot (E. 2
und 4).

Sachverhalt

  Das Schweizer Fernsehen DRS porträtierte am 30. Oktober 2006 im Rahmen der
Sendung "Schweiz Aktuell" unter dem Titel "Freiburger Original in der
Regierung" den parteilosen Freiburger Staatsrat Pascal Corminboeuf. Der
Beitrag dauerte rund 3 Minuten und 40 Sekunden und wurde mit der Passage
eingeleitet:

   "Das gibt es selten: Einen Politiker, über den fast niemand ein böses
    Wort sagt. Im Kanton Freiburg gibt es einen, einen parteilosen Bauern,
    der schon seit zehn Jahren in der Regierung sitzt: Pascal Corminboeuf:
    Als Mischung zwischen Bauer und Philosoph ist er über die Parteigrenzen
    hinweg beliebt. Mit 62 steigt er unverdrossen noch einmal in den
    Wahlkampf (...)".

  Der anschliessende Filmbericht zeigt Pascal Corminboeuf in der Altstadt
von Freiburg, in seinem Regierungsbüro und in Düdingen. Anhand von
Archivaufnahmen wird sein politischer Werdegang illustriert, der ihn "vom
Aussenseiter zum führenden Regierungsmitglied" habe aufsteigen lassen.

  Gegen diesen Beitrag gelangten Erwin Kessler, Präsident des Vereins gegen
Tierfabriken (VgT), und 25 Mitunterzeichner am 12. Januar 2007 an die
Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI), welche ihre
Eingabe am 30. März 2007 guthiess, soweit sie darauf eintrat, und
feststellte, dass der Beitrag die Programmbestimmungen verletzt habe.

  Das Bundesgericht weist die von der Schweizerischen Radio- und
Fernsehgesellschaft (SRG) hiergegen eingereichte Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

  2.

  2.1  Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen ist davon
ausgegangen, dass die Programmautonomie gemäss Art. 5 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG 1991; AS
1992 S. 601 ff.) den Veranstaltern erlaube, persönlich gefärbte Porträts von
Politikern auszustrahlen, ohne dabei auf geübte politische Kritik im
Einzelnen eingehen zu müssen. Im Vorfeld von Wahlen gelte es indessen, die
Informationsgrundsätze von Art. 4 RTVG 1991 und die damit verbundenen
erhöhten journalistischen Sorgfaltspflichten zu beachten, um die
Chancengleichheit der Kandidierenden nicht zu gefährden. Zwar habe es sich
beim beanstandeten Porträt nicht um einen eigentlichen Wahlbeitrag
gehandelt, doch sei es nur gerade sechs Tage vor den Staatsratswahlen
ausgestrahlt worden und damit grundsätzlich geeignet gewesen, die
Meinungsbildung des Publikums im Kanton Freiburg nicht nur über Pascal
Corminboeuf als Person, sondern auch als Politiker und Kandidat für seine
eigene Nachfolge zu beeinflussen. Da die 16 anderen Kandidierenden, welche
sich für die sieben Sitze in der Freiburger Regierung beworben hätten, nicht
in vergleichbarer Weise vorgestellt worden seien, habe Pascal Corminboeuf
mit dem beanstandeten Beitrag über eine "einmalige Plattform" unmittelbar
vor den Wahlen verfügt, was die Informationsgrundsätze von Art. 4 Abs. 1
RTVG 1991 und das Vielfaltsgebot verletzt habe.

  2.2  Die SRG bestreitet diese Ausführungen: Bei "Schweiz Aktuell" handle
es sich um eine Sendung, die nicht nur das wahlberechtigte Publikum im
Kanton Freiburg angesprochen, sondern sich an die Zuschauer in der ganzen
Deutschschweiz gerichtet habe. Es sei beim beanstandeten Porträt darum
gegangen, über die Kantonsgrenzen hinaus, einen "unkonventionellen
Kantonalpolitiker" vorzustellen. Gegenstand des Beitrags habe der Mensch und
nicht der Politiker Corminboeuf gebildet. Die Kritik des Vereins gegen
Tierfabriken sei nicht geeignet gewesen, dieses Bild zu beeinflussen, zumal
im Hinblick auf die zitierten Quellen gegen dessen Anschuldigungen gewisse
Vorbehalte bestanden hätten. "Schweiz Aktuell" sei keine politische Sendung
im eigentlichen Sinn, sondern ein Journal mit Nachrichten, Reportagen sowie
Interviews über aktuelle Ereignisse aus Politik, Wirtschaft, Kultur und
Sport aus den Regionen. Auf solche Sendungen fänden die strengen Regeln
bezüglich eigentlicher Abstimmungs- und Wahlbeiträge keine Anwendung, da sie
von

vornherein nicht geeignet seien, die politische Willensbildung des Publikums
zu beeinflussen. Sie verfüge - so die SRG weiter - als Veranstalterin im
Rahmen ihrer Autonomie über eine "grosse Freiheit", "Neuigkeiten,
Geschichten und Anekdoten aus einem Wahlkampf eigenständig auf ihre
publizistische Relevanz hin zu prüfen und sie im Hinblick auf eine
Verwendung im Programm eigenständig zu gewichten"; es könne nicht das Ziel
der Informationsgrundsätze sein, "mit der Stoppuhr die Erwähnungen der
Kandidaten in der Berichterstattung zu messen" und "die Berichterstattung
komplett zu sterilisieren".

Erwägung 3

  3.

  3.1  Nach Art. 3 und 4 RTVG 1991, welche Art. 93 BV konkretisieren, tragen
Radio und Fernsehen insgesamt zur freien Meinungsbildung, zu einer
allgemeinen, vielfältigen und sachgerechten Information der Zuhörer und
Zuschauer sowie zu deren Bildung und Unterhaltung bei. Das Gesamtangebot an
Programmen in einem Versorgungsgebiet darf nicht einseitig bestimmten
Parteien, Interessen oder Weltanschauungen dienen (Art. 3 Abs. 2 RTVG 1991).
Ereignisse sollen sachgerecht dargestellt werden; deren Vielfalt und jene
der Ansichten muss angemessen zum Ausdruck kommen (Art. 4 Abs. 1 RTVG 1991).
Die SRG hat in der Gesamtheit ihrer Programme die Eigenheiten des Landes und
die Bedürfnisse der Kantone zu berücksichtigen (Art. 26 Abs. 2 RTVG 1991)
und durch eine ausgewogene Programmgestaltung zur freien Meinungsbildung,
namentlich durch sachgerechte Informationen, beizutragen (Programmauftrag;
Art. 26 Abs. 2 lit. b RTVG 1991; BGE 125 II 497 E. 2a S. 501; FRANZ ZELLER,
Öffentliches Medienrecht, Bern 2004, S. 237 f.).

  3.2
  3.2.1  Der verfassungsrechtlich garantierten Programmautonomie (vgl. Art.
17 Abs. 1 und Art. 93 Abs. 3 BV; Art. 5 Abs. 1 RTVG 1991) ist bei der
Beurteilung der einzelnen Sendung Rechnung zu tragen. Im Rahmen des
Leistungsauftrags ist es jedem Veranstalter erlaubt, sich kritisch mit den
verschiedensten Bereichen des staatlichen, gesellschaftlichen, kulturellen
und religiösen Lebens auseinanderzusetzen. Grundsätzlich gibt es kein Thema,
das einer - allenfalls auch provokativen und polemischen - Darstellung am
Fernsehen entzogen wäre. Dem Zuschauer darf jedoch nicht durch angeblich
objektive, tatsächlich aber unvollständige Fakten die Meinung bzw. Ansicht
des Journalisten als (absolute) Wahrheit und eigene Überzeugung suggeriert
werden. Als Ausfluss der Medien-, Programm- und Informationsfreiheit

besteht indessen nur ausnahmsweise ein "Recht auf Antenne", d.h. ein
Anspruch darauf, dass ein Veranstalter eine bestimmte Information oder
Auffassung auch gegen seinen Willen ausstrahlen muss (BGE 125 II 624 E. 3a;
123 II 402 E. 2b/cc und 3b; 119 Ib 241 E. 4, 250 E. 3b; PHILIPP MÄDER, Das
Verbot politischer Werbung im Fernsehen, Zürich 2007, S. 247 ff.).

  3.2.2  Ein aufsichtsrechtliches Eingreifen des Staates in den
pluralistischen Meinungsbildungsprozess rechtfertigt sich nur im Rahmen
einer Interessenabwägung zwischen der Programmfreiheit des Veranstalters
einerseits und der Informationsfreiheit des Publikums bzw. anderer
verfassungsmässiger Rechte andererseits (BGE 133 II 136 E. 5.1; vgl. auch
URS THÖNEN, Politische Radio- und Fernsehwerbung in der Schweiz,
Basel/Genf/München 2004, S. 41 ff.). Eingriffe in die Rechtsstellung der
(öffentlich-rechtlichen oder privaten) Rundfunkveranstalter sollen nicht
über das hinausgehen, was zur Realisierung des Programmauftrags und des
pluralistischen Wettbewerbs der Meinungen nötig erscheint. Die
Programmaufsicht hat sich auf eine Rechtskontrolle zu beschränken und darf
nicht in eine Fachaufsicht verfallen (BGE 131 II 253 E. 3.4). Eine
rundfunkrechtlich relevante Sorgfaltspflichtverletzung liegt nicht schon
dann vor, wenn im Nachhinein und losgelöst von jedem zeitlichen Druck
festgestellt werden kann, dass ein Beitrag anders und überzeugender hätte
gestaltet werden können, sondern nur, wenn die programmrechtlichen
Mindestanforderungen bezüglich des Sachgerechtigkeits-, Transparenz- und
Vielfaltsgebots bzw. des kulturellen Mandats verletzt worden sind. Andere,
untergeordnete Unvollkommenheiten fallen in die redaktionelle Verantwortung
des Veranstalters und sind durch dessen Programmautonomie gedeckt (BGE 131
II 253 E. 3.4 S. 263 f.).

  3.3
  3.3.1  Im Rahmen des Sachgerechtigkeitsgebots muss der Zuschauer durch die
vermittelten Fakten und Auffassungen in die Lage versetzt werden, sich eine
eigene Meinung zu bilden. Ein Beitrag darf insgesamt nicht manipulativ
wirken, was der Fall ist, wenn der (mündige) Zuschauer in Verletzung
journalistischer Sorgfaltspflichten unsachgemäss informiert wird; er sich
gestützt auf die gelieferten Informationen oder deren Aufarbeitung kein
eigenes sachgerechtes Bild mehr machen kann, weil wesentliche Umstände
verschwiegen oder "Geschichten" durch das Fernsehen "inszeniert" werden. Der
Umfang der erforderlichen Sorgfalt hängt von den Umständen, insbesondere vom
Charakter und den Eigenheiten des Sendegefässes sowie

dem jeweiligen Vorwissen des Publikums ab (BGE 132 II 290 E. 2.1 S. 292).

  3.3.2  Das Vielfaltsgebot will seinerseits einseitige Tendenzen in der
Meinungsbildung durch Radio und Fernsehen verhindern. Es verpflichtet das
audiovisuelle Mediensystem als Ganzes, die politisch weltanschauliche
Vielfalt widerzuspiegeln, und bezieht sich primär auf die Programme in ihrer
Gesamtheit. Strenger gilt das Vielfaltsgebot aus staatspolitischen Gründen
im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen: In diesem Zusammenhang soll der
Grundsatz verhindern, dass die öffentliche Meinungsbildung einseitig
beeinflusst und das Wahl- oder Abstimmungsergebnis möglicherweise verfälscht
wird (ZELLER, a.a.O., S. 263; STUDER/MAYR VON BALDEGG, Medienrecht für die
Praxis, 2. Aufl., Zürich 2001, S. 188). Die verfassungsrechtlich garantierte
Wahl- und Abstimmungsfreiheit umfasst den Anspruch darauf, "dass kein
Abstimmungs- oder Wahlresultat anerkannt wird, das nicht den freien Willen
der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt" (vgl. Art.
34 BV). Der Entscheid der Stimmenden soll gestützt auf einen möglichst
freien und umfassenden Meinungsbildungsprozess erfolgen (vgl. BGE 124 I 55
E. 2a und 5a; GEROLD STEINMANN, in: St. Galler Kommentar zur BV, Rz. 10 ff.
zu Art. 34 BV). Der rundfunkrechtliche Leistungsauftrag verlangt deshalb
ebenfalls, dass Kandidaten und Parteien der Zugang zu den audiovisuellen
Medien nach sachlichen Kriterien gewährt wird (rundfunkrechtlich: BGE 97 I
731 E. 3; 119 Ib 250 E. 3c; 125 II 497 E. 3; stimmrechtlich: BGE 98 Ia 73
ff.; 113 Ia 291 E. 3; 124 I 55 ff.). Je ausgeprägter der Wahl- oder
Abstimmungscharakter eines Beitrags ist, desto strikter sind im Vorfeld
entsprechender Volksentscheide die journalistischen Sorgfaltspflichten zu
wahren (BGE 98 Ia 73 ff.). Dabei kommt es nicht auf die subjektive
Einschätzung des Veranstalters bezüglich der Natur des Sendegefässes oder
der Zielsetzung seines Beitrags an, sondern auf dessen objektiv
abzuschätzende Wirkung auf das Publikum. Je später vor dem Urnengang und je
intensiver eine Stellungnahme zu einer Wahl oder Abstimmung an Radio und
Fernsehen erfolgt, umso strikter soll jede Einseitigkeit und Manipulation
ausgeschlossen werden.

Erwägung 4

  4.

  4.1  Der umstrittene Beitrag wurde in "Schweiz Aktuell" - einer Sendung
mit Nachrichten, Reportagen und Interviews über aktuelle Ereignisse aus
Politik, Wirtschaft, Kultur sowie Sport aus den Regionen - nur gerade sechs
Tage vor den Staatsratswahlen im Kanton

Freiburg ausgestrahlt. In An- wie Abmoderation wurde ausdrücklich auf diese
Bezug genommen und - unter Nennung der bisherigen parteipolitischen
Sitzverteilung - darauf hingewiesen, dass am "nächsten Sonntag" im Kanton
Freiburg Wahlen stattfänden, jedoch mit keinen markanten
Kräfteverschiebungen gerechnet werde. Das Porträt von Staatsrat Corminboeuf
war ausgesprochen positiv abgefasst. Bereits in der Einleitung wurde
festgestellt, dass es kaum einen Politiker gebe, über den fast niemand ein
böses Wort sage - der Kanton Freiburg kenne indessen einen solchen, "einen
parteilosen Bauern, der schon seit zehn Jahren in der Regierung sitzt:
Pascal Corminboeuf." Als Mischung zwischen Bauer und Philosoph sei er über
die Parteigrenzen hinweg beliebt. Mit 62 steige dieser "aussergewöhnliche
Politiker" noch einmal in den Wahlkampf.

  In der Folge wird auf das Leben von Pascal Corminboeuf als Student,
Philosoph und Bauer eingegangen, der vor zehn Jahren "als parteiloser
Aussenseiter seine überraschende Wahl in die Freiburger Kantonsregierung"
habe feiern können; seither sei es mit ihm "nur noch aufwärts gegangen". In
zwei Legislaturen sei er "vom Aussenseiter zum führenden Regierungsmann
geworden", der sich "mit der schwierigen Zusammenlegung der Freiburger
Gemeinden und der neuen Kantonsverfassung [...] einen Namen gemacht habe. In
seine dritte Wahlkampagne steige Pascal Corminboeuf "mit der Gelassenheit
des bestgewählten Staatsrats", der "er vor fünf Jahren war", entsprechend
"bescheiden sei denn auch der Aufwand für seine Wahlkampagne".

  4.2  Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass dieser Beitrag wenige
Tage vor dem Urnengang den Wahlausgang in unzulässiger Weise beeinflussen
konnte:
  4.2.1  Entgegen den Einwänden der SRG gelten die gesteigerten
Sorgfaltspflichten nicht nur im Rahmen eigentlicher Wahl- und
Abstimmungssendungen, sondern hinsichtlich aller redaktioneller Beiträge mit
einem konkreten Bezug zu einem unmittelbar bevorstehenden Volksentscheid.
Die Redaktion von "Schweiz Aktuell" kannte den Wahltermin im Kanton
Freiburg, strahlte sie das beanstandete Porträt doch gerade mit Blick
hierauf (noch) am 30. Oktober 2006 aus, obwohl es - so die Stellungnahme der
SRG an die UBI - schon seit mehreren Tagen bereit gewesen sei. Zum Zeitpunkt
der Ausstrahlung musste ihr die im Kanton Freiburg vom VgT breit angelegte
Kampagne gegen die Wiederwahl von Regierungsrat Corminboeuf

bewusst gewesen sein, dennoch wurde mit keinem Wort darauf eingegangen; auch
kamen in einer für die Wahlberechtigten im Kanton Freiburg besonders
sensiblen Periode keine anderen kritischen Stimmen zu Wort. Im Gegenteil:
Pascal Corminboeuf wurde als Politiker dargestellt, der "zupacke" und
praktisch alles richtig mache; die befragten Staatsratskollegen würdigten
ihn als "Vaterfigur" bzw. als Persönlichkeit, welche die bäuerische Sicht in
die Freiburger Politik einbringe. Kein einziger der übrigen 16 Kandidaten,
welche sich für die 7 Sitze in der Freiburger Regierung bewarben, wurde in
"Schweiz Aktuell" bzw. in einer anderen Sendung des Schweizer Fernsehens in
vergleichbarer Weise vorgestellt. Der Beitrag war deshalb geeignet, die
Chancengleichheit der Kandidaten zu beeinträchtigen, indem dem Zuschauer
keine Elemente in die Hände gegeben wurden, um sich ein umfassendes Bild
machen zu können.

  4.2.2  Was die Beschwerdeführerin hiergegen weiter einwendet, überzeugt
nicht: Zu beanstanden ist nicht die Tatsache, dass sie ein personenbezogenes
Porträt über einen Politiker mit unkonventionellem Werdegang zeigen wollte,
sondern der von ihr hierfür gewählte Zeitpunkt im unmittelbaren Vorfeld der
(Wieder-)Wahl, ohne dabei anderweitig eine minimale Ausgewogenheit
hinsichtlich der Wählerinformation sicherzustellen. Obwohl die Redaktion von
"Schweiz Aktuell" die persönliche Seite von Pascal Corminboeuf in den
Vordergrund rücken wollte, enthielt der Beitrag zahlreiche (wohlwollende)
Aussagen über ihn als Politiker. Seit dem Aufkommen des politischen
Marketings lassen sich persönliche Porträts im Vorfeld von Wahlen praktisch
auch kaum (mehr) vom eigentlichen Wahlkampf trennen; sie bilden Teil von
diesem und dem damit verbundenen Bestreben nach erhöhter Medienpräsenz und
Steigerung des Bekanntheitsgrads.

  4.2.3  Zwar richtet sich die Sendung "Schweiz Aktuell" an ein Zielpublikum
in der ganzen Deutschschweiz, doch wird sie - was nicht bestritten ist -
auch im Kanton Freiburg empfangen, wo das beanstandete Porträt geeignet war,
kurz vor der Wahl die Meinungsbildung (noch) zu beeinflussen und andere
Kandidaten - insbesondere nicht etablierte - aufgrund der unausgewogenen
Berichterstattung zu benachteiligen. Ob die Sendung tatsächlich solche
Auswirkungen hatte, ist im vorliegenden Zusammenhang - anders als bei einer
Stimmrechtsbeschwerde - nicht von Belang, da im Rahmen des Streitgegenstands
nur beurteilt werden muss, ob die Beschwerdeführerin als
Programmveranstalterin ihre journalistischen Sorgfaltspflichten

im Rahmen des Leistungsauftrags verletzt und das Publikum mit dem
umstrittenen Beitrag unsachgerecht bzw. unausgewogen informiert hat. Es ist
nicht ersichtlich und wird nicht dargetan, weshalb das Porträt von Staatsrat
Pascal Corminboeuf als Bauer, Philosoph und Politiker nach den Wahlen bzw.
im Rahmen der Berichterstattung über deren Ausgang für ein weiteres Publikum
nicht ebenso interessant gewesen wäre. Der Beschwerdeführerin ist es -
entgegen ihrer Kritik - nicht untersagt, über "Neuigkeiten, Geschichten und
Anekdoten aus einem Wahlkampf" zu berichten. Um solche ging es hier indessen
nicht; zur Diskussion stand vielmehr ein Beitrag, der ohne objektiven Anlass
oder spezifischen, sachlichen Grund einem Kandidaten und bisherigen
Staatsrat im Wahlkampf eine bessere Ausgangslage verschaffen konnte als
seinen Konkurrenten. Die privaten und öffentlichen Interessen an der freien
Meinungsbildung des Publikums und der Wähler überwogen deshalb das Interesse
der konzessionierten und gebührenfinanzierten Beschwerdeführerin, ihre
Programmfreiheit wahren zu können.

  4.2.4  Die Empfehlung Nr. R (99) 15 vom 9. September 1999 des
Ministerkomitees des Europarats über die Massnahmen betreffend die
Berichterstattung der Medien über Wahlkampagnen sieht vor, dass die
Mitgliedstaaten Vorkehren treffen, "in Anwendung derer die öffentlichen und
privaten Rundfunkveranstalter während der Wahlperioden in ihren
Informations- und Aktualitätsprogrammen, einschliesslich der
Diskussionssendungen wie Interviews oder Debatten, besonders fair,
ausgewogen und unparteiisch" vorzugehen haben. Besondere Aufmerksamkeit sei
auch jenen Programmen zu schenken, die sich mit Informationen oder
Aktualitäten befassten und nicht direkt mit Wahlkampagnen verbunden seien,
aber dennoch geeignet erschienen, das Wählerverhalten zu beeinflussen (Ziff.
II.3 der Empfehlung Nr. R [99] 15). Dies war nach dem Gesagten hier der
Fall. Die Beschwerdeführerin scheint sich der Problematik von Beiträgen der
vorliegend beanstandeten Art vor Wahlen im Übrigen auch selber bewusst zu
sein: Nach den Leitlinien für ihre Mitarbeiter zu den Wahlen 2007 sind vor
Wahlen und Abstimmungen die Regeln der Vielfalt und der Fairness besonders
eng zu interpretieren, wobei als "Faustregel gilt: Je näher der Abstimmungs-
oder Wahltermin, desto höher die Anforderungen", was für alle Sendungen und
Abteilungen zu beachten sei; unter dem Titel "Themenkoordination" weisen die
internen Empfehlungen namentlich auch darauf hin, dass keine
unbeabsichtigten thematischen Schwerpunkte entstehen sollen,

in deren Rahmen einzelne Kandidierende und/oder Parteien ein Übergewicht
erhielten. Zwar standen die entsprechenden Richtlinien bei der Ausstrahlung
des vorliegend umstrittenen Beitrags noch nicht in Kraft; inhaltlich decken
sie sich indessen mit Ziffer 13 der allgemeinen Publizistischen Leitlinien
des Schweizer Fernsehens vom 25. Oktober 2005.

  4.3  Der Entscheid der UBI verletzt somit weder Bundesverfassungs- noch
Konventionsrecht: Der damit verbundene Eingriff in die Programmfreiheit der
SRG beruht auf einer durch die Rechtsprechung hinreichend konkretisierten
Verfassungs- bzw. Gesetzesgrundlage und liegt zur Wahrung der Wahl- und
Abstimmungsfreiheit im überwiegenden öffentlichen Interesse. Er ist
verhältnismässig, da nicht die Ausstrahlung des Porträts von Staatsrat
Corminboeuf als solches beanstandet, sondern ausschliesslich der Zeitpunkt
einer solchen Sendung im unmittelbaren Vorfeld einer bestimmten Wahl als
Verletzung programmrechtlicher Bestimmungen festgestellt worden ist.