Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 I 12



Urteilskopf

134 I 12

  2. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.X. und
B.X. gegen Konkursamt K. (Beschwerde in Zivilsachen)
  5A_447/2007 vom 13. Dezember 2007

Regeste

  Unentgeltliche Rechtsverbeiständung (Art. 29 Abs. 3 BV).

  Für die vom Konkursamt im Rahmen der Verwertung eines Miteigentumsanteils
an einem Grundstück durchzuführende Einigungsverhandlung mit den
pfandberechtigten Gläubigern hat der Schuldner keinen Anspruch auf einen
unentgeltlichen Rechtsbeistand (E. 2).

Sachverhalt ab Seite 12

  Mit öffentlich beurkundetem Kaufvertrag vom 3. September 1999 erwarben die
Ehegatten A.X. und B.X. von der Y. AG eine 4 1/2 Zimmerwohnung und zwei
Abstellplätze in S. zu Miteigentum. Zur Begleichung des Kaufpreises gewährte
die Verkäuferin den Käufern kurz zuvor ein Darlehen von Fr. 535'000.-,
welches durch zwei Inhaberschuldbriefe gesichert wurde.

  Am 25. April 2006 eröffnete der Bezirksrichter von Dielsdorf den Konkurs
über A.X. Er wird im summarischen Verfahren durchgeführt. Die Y. AG meldete
am 30. Oktober 2006 ihre Darlehensforderung von Fr. 517'956.79 nebst Zins
sowie weitere Forderungen an. Mit Schreiben vom 24. November 2006 teilte das
Konkursamt dem Vertreter des Gemeinschuldners mit, im Hinblick auf die
Verwertung des in die Konkursmasse fallenden Miteigentumsanteils habe eine
Einigungsverhandlung stattzufinden.

  Nachdem der Präsident des Obergerichts auf das Begehren der Ehegatten X.
um unentgeltliche Prozessführung für das Konkursverfahren nicht eingetreten
war, wurde ein entsprechendes Gesuch vom Konkursamt abgewiesen. Das
Bezirksgericht Dielsdorf sowie das Obergericht des Kantons Zürich, als obere
kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, wiesen
die dagegen erhobene Beschwerde am 10. Mai 2007 bzw. den Rekurs am 6. August
2007 ab.

  Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 22. August 2007 sind A.X. und B.X. an
das Bundesgericht gelangt. Sie beantragen die Aufhebung des
obergerichtlichen Beschlusses und die Ernennung ihres Rechtsanwaltes als
unentgeltlichen Rechtsbeistand.

  Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

  2.

  2.1  Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Frage nach der
Notwendigkeit eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes im Konkursverfahren. Im
Vordergrund stehen dabei die Einigungsverhandlungen des Konkursamtes im
Hinblick auf die Verwertung von Miteigentumsanteilen an einer Wohnung und
zwei Abstellplätzen.

  Findet sich in der Konkursmasse ein als Ganzes belastetes Grundstück vor,
so hat das Konkursamt nach den Regeln für die Verwertung eines
Miteigentumsanteils vorzugehen (Art. 130e der Verordnung des Bundesgerichts
vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken [VZG; SR
281.42]). Gemäss dem hierfür massgebenden Art. 73e VZG versucht das
Konkursamt vor Ansetzung der Versteigerung, durch Verhandlungen mit den am
Grundstück als solchem pfandberechtigten Gläubigern und mit den andern
Miteigentümern eine Aufteilung der betreffenden Pfandlasten auf die
einzelnen Anteile herbeizuführen und bei solidarischer Verpflichtung des
Schuldners mit dem andern Miteigentümer eine Aufteilung der Schuldpflicht zu
erreichen. Führen die Verhandlungen zum Erfolg, so sind die erforderlichen
Änderungen im Grundbuch vorzunehmen, das Lastenverzeichnis anzupassen und
der Anteil des Schuldners auf dieser Grundlage zu versteigern (Abs. 2). Das
Konkursamt kann auch versuchen, durch Verhandlungen mit den Beteiligten die
Aufhebung des Miteigentums zu erreichen und aus dem Ergebnis die Gläubiger
ganz oder teilweise zu befriedigen (Abs. 3). Soweit das

Ergebnis der Verhandlungen eine Änderung zivilrechtlicher Verhältnisse nach
sich zieht und damit die Mitwirkung des Schuldners erfordert, tritt das
Konkursamt an seine Stelle (Abs. 4).

  2.2  Das Obergericht hat die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung
für die Einigungsverhandlung verneint. Dabei betonte es die Stellung des
Konkursamtes, welches weder als Vertreter des Gläubigers noch des Schuldners
auftrete, und sich einer unabhängigen, unparteiischen und jeden
Interessenkonflikt vermeidenden Amtsführung zu befleissigen habe. Eine
Einigungsverhandlung diene einem besseren Verwertungsergebnis, sofern die
Beteiligten zu Zugeständnissen bereit seien, wozu sie jedoch nicht gezwungen
werden könnten. Sei dies nicht der Fall, so versuche das Konkursamt dieses
Ziel alleine zu erreichen, wogegen die Beteiligten nichts ausrichten
könnten. Insoweit bleibe die Einigungsverhandlung letztlich ohne Konsequenz.
Andere Gründe, welche einen Rechtsbeistand als notwendig erscheinen lassen,
wie die gesundheitliche Verfassung der Gesuchsteller oder ihre Fähigkeit,
sich im Verfahren zurechtzufinden, sah das Obergericht nicht gegeben.

  2.3  Die Beschwerdeführer werfen dem Obergericht nicht vor, die
allgemeinen Voraussetzungen für die Notwendigkeit einer anwaltlichen
Vertretung falsch umschrieben zu haben. Hingegen rügen sie die im Ergebnis
unhaltbare Anwendung von § 16 VRG/ZH und berufen sich auf Art. 29 Abs. 3 BV,
ohne jedoch darzutun, dass ihnen das kantonale Recht unter leichteren
Bedingungen einen unentgeltlichen Rechtsbeistand verschaffen würde. Die
Beschwerde ist damit ausschliesslich unter dem Gesichtswinkel von Art. 29
Abs. 3 BV zu beurteilen, womit das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht
frei überprüfen kann, ob der Anspruch auf Gewährung des Armenrechts
missachtet worden ist. Auf Willkür beschränkt ist die Prüfungsbefugnis,
soweit tatsächliche Feststellungen beanstandet werden (BGE 130 I 180 E.
2.1).

  2.4  Nach Ansicht der Beschwerdeführer ist der Kaufvertrag vom 3.
September 1999 nichtig, da die darin aufgenommene Rückkaufsklausel einem
Eigentumsvorbehalt gleichkomme, den das Immobiliarsachenrecht nicht kenne.
Über die zivilrechtlichen Konsequenzen des nichtigen Rechtsgeschäfts liege
bis jetzt kein rechtskräftiges Urteil vor, weshalb diese zuerst geprüft
werden müssten, damit sie an den Einigungsverhandlungen überhaupt einen
Standpunkt zur Aufteilung der Pfandbelastung und allenfalls der
Solidarschuld einnehmen

könnten. Dabei handle es sich um schwierige Fragen, deren Klärung einen
Rechtsbeistand erfordere.

  2.5  Mit dieser Sichtweise verkennen die Beschwerdeführer die Bedeutung
der Einigungsverhandlungen im Rahmen der Zwangsverwertung von
Miteigentumsanteilen. In die Konkursmasse fallen einzig die Anteile des
Gemeinschuldners an der Wohnung und den beiden Abstellplätzen. Die
Beschwerdeführer haften jedoch als Miteigentümer für die Grundpfandschuld
solidarisch, welche Verpflichtung die Eintragung eines Gesamtpfandes
ermöglicht hatte. Im Falle einer Verwertung von Miteigentumsanteilen sind
diese zuerst mit einem Teilbetrag zu belasten, um ein gesetzlich nicht
zulässiges Gesamtpfand zu verhindern (Art. 798 Abs. 1 und 2 ZGB). In diesem
Zusammenhang stellt sich konkret die Frage, ob die Beschwerdeführerin die
Miteigentumsanteile des Gemeinschuldners erwerben und die darauf lastende
Grundpfandschuld übernehmen möchte und kann. Allenfalls drängt sich auch
eine Aufteilung des Gesamtpfandes und der damit verbundenen Solidarschuld
auf. Es ist Aufgabe des Konkursamtes, hier eine dem konkreten Fall
angepasste Lösung aufzuzeigen, um eine bestmögliche Verwertung zu erreichen.
Hingegen trifft es im Rahmen von Einigungsverhandlungen keine
vollstreckungsrechtlichen Anordnungen und entscheidet nicht über
materiell-rechtliche Fragen, deren Beurteilung dem Richter zusteht (vgl. BGE
132 III 539 E. 3.2). Führen diese nicht zum Erfolg, so fährt das Konkursamt
mit der Verwertung der Miteigentumsanteile fort. Daraus folgt, dass sich das
Konkursamt in keinem Fall über die Gültigkeit des Kaufvertrages
auszusprechen hat, auch nicht vorfrageweise. Insoweit gehen die Vorbringen
der Beschwerdeführer an der Sache vorbei. Sie haben im Jahre 1999 gemeinsam
Grundeigentum erworben und sind damit zusammenhängende Verpflichtungen
eingegangen. Durch den Konkurs des Beschwerdeführers gelangen seine
Miteigentumsanteile zur Verwertung. Zu den sich nunmehr stellenden Fragen
können die Beschwerdeführer sich ebenso ohne unentgeltlichen Rechtsbeistand
äussern wie sie für die Verhandlungen zum Abschluss des Kaufvertrags und des
Darlehensvertrages keinen solchen benötigt haben.