Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 I 105



Urteilskopf

134 I 105

12. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. C. gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
I 725/06 vom 6. März 2008

Regeste

Art. 8 EMRK; Art. 8 Abs. 2 und 4, Art. 14 und 190 BV; Art. 21 Abs. 2 und 4 IVG;
Art. 14 IVV; Art. 2 HVI; Ziff. 14.01, 14.04 und 14.05 HVI Anhang;
Kostenübernahme für behinderungsgerechte Anpassungen an einer zweiten Wohnung.
Der 1991 geborene Sohn ist seit 2003 Paraplegiker. Er wohnt bei der Mutter in
M. und verbringt jedes zweite Wochenende und einen Teil seiner Schulferien in
S. bei Vater und Schwester. Die Invalidenversicherung hat sich auch an den
Kosten der Anpassungen am Wohnhaus in S. zu beteiligen, wenn ohne
behinderungsgerechten Umbau der grundrechtlich geschützte Aufenthalt beim Vater
völlig verunmöglicht würde. Da es sich um die zweite vom Versicherten benutzte
Wohnung handelt, besteht nur Anspruch auf Anpassung in einfachster Ausführung,
welche unter Berücksichtigung der dem Vater zumutbaren Hilfestellungen den
Aufenthalt im Haus gerade noch ermöglicht (E. 4-8).

Sachverhalt ab Seite 106

BGE 134 I 105 S. 106
A. Der 1991 geborene C. ist seit einem Unfall im Jahr 2003 Paraplegiker. Er
wohnt bei der seit 2001 vom Vater A. geschiedenen Mutter L. in M. wo er auch
die Schule besucht. Der Vater und die 1987 geborene Schwester J. wohnen in S.
Im August 2003 wurde C. von der Mutter zum Bezug von Leistungen der
Invalidenversicherung angemeldet. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen klärte
die Notwendigkeit baulicher Änderungen am Wohnhaus der Mutter in M., am
Schulhaus in M. und am Wohnhaus des Vaters in S. ab. Sie übernahm die Kosten
der Anpassungen am Wohnhaus der Mutter und am Schulhaus. Das Schweizer
Paraplegiker-Zentrum veranschlagte die Kosten für diverse behinderungsgerechte
Anpassungen am Wohnhaus des Vaters auf insgesamt Fr. 91'152.60. Im Dezember
2004 befand das Hilfsmittel-Zentrum der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft
Hilfsmittelberatung für Behinderte und Betagte (nachfolgend: SAHB) gegenüber
der IV-Stelle, die vom Paraplegiker-Zentrum vorgeschlagenen Anpassungen am
Wohnhaus in S. seien zum Teil überdimensioniert und bei Abstellen auf
Erfahrungswerte der SAHB wäre ein einfacher und zweckmässiger Umbau auf Fr.
40'856.75 zu stehen gekommen. Mit Verfügung vom 28. April 2005 verweigerte die
IV-Stelle die Übernahme der Kosten der baulichen Änderungen am Haus des Vaters,
weil sich die Aufenthalte des Versicherten auf Ferien und Besuche beschränkten.
Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 26. September 2005
ab.
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B. Die gegen den Einspracheentscheid eingereichte Beschwerde wies das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen ab (Entscheid vom 20. Juni 2006).

C. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt C. beantragen, es sei unter
Aufhebung des kantonalen und des Einspracheentscheides Kostengutsprache für die
baulichen Änderungen des Hauses in S. zu erteilen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Vorinstanz und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf
Vernehmlassung.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

3. Der Bundesrat hat in Art. 14 der Verordnung vom 17. Januar 1961 über die
Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) die ihm durch Art. 21 Abs. 2 und 4 des
Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG; SR
831.20) übertragene Befugnis, einschliesslich derjenigen zum Erlass näherer
Bestimmungen über Beiträge an die Kosten invaliditätsbedingter Anpassungen von
Geräten und Immobilien, an das Eidg. Departement des Innern subdelegiert,
welches die Verordnung vom 29. November 1976 über die Abgabe von Hilfsmitteln
durch die Invalidenversicherung (HVI; SR 831.232.51) erlassen hat. Die
beantragten Eingliederungsmassnahmen fallen grundsätzlich unter Ziff. 14.01,
14.04 und 14.05 HVI Anhang. Fraglich ist, ob solche Hilfsmittel für die
Selbstsorge in einer zweiten Wohnung, in der der Versicherte einen Teil seines
Lebens verbringt, ebenfalls bezahlt werden müssen. Aus Ziff. 14 HVI Anhang
ergibt sich nicht ausdrücklich, ob die Leistungen nur für eine Wohnung oder
allenfalls auch für zwei erbracht werden können. Die Frage ist in erster Linie
im Lichte von Art. 21 Abs. 2 IVG bzw. Art. 2 HVI zu beantworten: Die
vorinstanzliche Argumentation, dass die Hilfsmittelregelung nicht eine
optimale, sondern nur eine Grundversorgung deckt, entspricht der gesetzlichen
Regelung, denn auch Leistungen, die im Anhang aufgeführt sind, werden nicht
ohne weiteres, sondern nur soweit erforderlich und nur in einfacher und
zweckmässiger Ausführung erbracht (Art. 21 Abs. 2 IVG; Art. 2 Abs. 4 HVI). Die
Invalidenversicherung ist, auch im Bereich der Hilfsmittel, keine umfassende
Versicherung, welche sämtliche durch die Invalidität verursachten Kosten
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abdecken will; das Gesetz will die Eingliederung lediglich soweit
sicherstellen, als diese im Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist und
zudem der voraussichtliche Erfolg der Eingliederungsmassnahme in einem
vernünftigen Verhältnis zu ihren Kosten steht (Art. 8 Abs. 1 IVG; BGE 131 V 9
E. 3.6 S. 19; BGE 130 V 163 E. 4.3.3 S. 173; BGE 121 V 258 E. 2c; ZAK 1986 S.
336, E. 2d, I 480/84). Auch im Wohnbereich werden nicht alle
behinderungsbedingten Mehrkosten entschädigt, sondern nur bestimmte,
abschliessend aufgezählte Massnahmen (BGE 131 V 9 E. 3.4.2 S. 14; BGE 121 V 258
E. 2b S. 260; BGE 104 V 88 E. 3d), was grundsätzlich gesetz- und
verfassungsmässig ist (Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts I 566/03 vom 24.
April 2003, E. 4, und I 267/00 vom 15. Januar 2001, E. 5).

4. Die Vorinstanz hat die Übernahme der Kosten in erster Linie mit dem Argument
verweigert, es bestehe kein Anspruch auf Hilfsmittelversorgung in einem Haus,
in dem der Versicherte nur jedes zweite Wochenende und einen Teil seiner
Schulferien verbringe. Der Beschwerdeführer erblickt darin eine Verletzung des
Diskriminierungsverbots (Art. 8 Abs. 2 der Bundesverfassung vom 18. April 1999
[BV; SR 101]) und des Rechts auf Familienleben (Art. 14 BV, Art. 8 der
Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten [EMRK; SR 0.101]).

5. Das Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV) verbietet dem Staat (und
allenfalls im Rahmen von Art. 35 BV anderen Trägern staatlicher Aufgaben),
Menschen wegen ihrer Behinderung gegenüber anderen Personen in vergleichbarer
Situation qualifiziert ungleich zu behandeln, indem an das Merkmal der
Behinderung eine Benachteiligung geknüpft wird, die als Herabwürdigung oder
Ausgrenzung zu verstehen ist (BGE 132 I 49 E. 8.1 S. 65, BGE 133 V 167 E. 3 S.
169; BGE 130 I 352 E. 6.1.2 S. 357). Eine derartige Herabwürdigung liegt nicht
vor: Der Beschwerdeführer wird nicht vom Staat wegen seiner Behinderung
benachteiligt gegenüber anderen Personen in vergleichbarer Situation.
Benachteiligt wird er durch das Schicksal, d.h. durch die Folgen eines
eingetretenen sozialen Risikos; der Staat unterstützt ihn vielmehr und erbringt
ihm Leistungen, welche Nicht-Behinderte nicht erhalten. Es geht von vornherein
nicht um eine staatliche Diskriminierung, sondern um die Frage, wieweit der
Staat verpflichtet ist, eine - nicht vom Staat verursachte - faktische
Benachteiligung auszugleichen. Ein solcher Leistungsanspruch ergibt sich aus
dem Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV) grundsätzlich nicht; dieses
verbürgt keinen
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individualrechtlichen, gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Herstellung
faktischer Gleichheit (vgl. BGE 126 II 377 E. 6a S. 392 mit Hinweis; Urteil
2P.77/2000 vom 30. November 2000, E. 4b); es kann deshalb nicht schon dadurch
verletzt sein, dass der Staat nicht jegliche schicksalsbedingte Benachteiligung
vollständig ausgleicht. Einschlägig dafür ist vielmehr Art. 8 Abs. 4 BV, der
indessen nur einen Gesetzgebungsauftrag, aber keine unmittelbar justiziablen
Ansprüche enthält (BGE 131 V 9 E. 3.5.1.2 S. 16; Urteile des Eidg.
Versicherungsgerichts I 566/03 vom 24. April 2003, E. 4.5; I 68/02 vom 18.
August 2005, E. 5.2.1; Margrith Bigler-Eggenberger, in: Die schweizerische
Bundesverfassung [St. Galler Kommentar], Zürich 2002, N. 102 zu Art. 8 BV;
Giovanni Biaggini, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
Zürich 2007, N. 36 zu Art. 8 BV; Regula Kiener/Walter Kälin, Grundrechte, Bern
2007, S. 371, 377). Die Frage einer Diskriminierung im Sinne von Art. 8 Abs. 2
BV würde sich nur dann stellen, wenn der Staat bei der Ausgestaltung seiner
Leistungen Unterschiede schafft, die an eines der in Art. 8 Abs. 2 BV
genannten, verpönten Unterscheidungsmerkmale anknüpfen (Herkunft, Rasse,
Geschlecht, Alter, Sprache, soziale Stellung, Lebensform, religiöse,
weltanschauliche oder politische Überzeugung oder körperliche, geistige oder
psychische Behinderung; vgl. BGE 133 V 569 E. 5.5 S. 573, BGE 133 V 472 E.
5.3.1 S. 474 f.; BGE 131 V 9 E. 3.5.1.1 S. 16; BGE 127 V 121 E. 3b S. 127; BGE
126 V 70 E. 4c S. 73 f.; Urteil 2P.77/2000 vom 30. November 2000, E. 4d; siehe
auch die bei EDGAR IMHOF, Die Bedeutung menschenrechtlicher
Diskriminierungsverbote für die Soziale Sicherheit, in: Jusletter vom 7.
Februar 2005, Ziff. II.5 zitierten Entscheide des Europäischen Gerichtshofes
für Menschenrechte [EGMR]). Vorliegend wird indessen der Beschwerdeführer nicht
wegen eines der in Art. 8 Abs. 2 BV genannten Kriterien schlechter behandelt
als andere Versicherte in vergleichbarer Lage, sondern er verlangt im Gegenteil
mit Rücksicht auf seine besondere Situation eine bevorzugte Behandlung, nämlich
die Finanzierung von baulichen Änderungen in mehr als einer Wohnung. Damit ist
Art. 8 Abs. 2 BV offensichtlich nicht verletzt.

6. Der Beschwerdeführer rügt sodann eine Verletzung des Grundrechts auf Familie
und Achtung des Familienlebens (Art. 14 BV und Art. 8 EMRK). Die Grundrechte
richten sich in erster Linie als Abwehrrechte gegen den Staat und geben nur
ausnahmsweise und punktuell verfassungsunmittelbare Leistungsansprüche
BGE 134 I 105 S. 110
(Andreas Auer/Giorgio Malinverni/Michel Hottelier, Droit constitutionnel
suisse, Bd. II, 2. Aufl., Bern 2006, S. 77 f.; Kiener/Kälin, a.a.O., S. 33;
Ulrich Häfelin/Walter Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 6. Aufl.,
Zürich 2005, S. 80 ff.; BGE 129 I 12 E. 8.4 S. 23; BGE 127 I 84 E. 4b S. 88;
BGE 126 II 300 E. 5 S. 314 f.). Namentlich liegt keine Verletzung von
Grundrechten darin, dass die Sozialversicherung nicht alle durch die
Behinderung verursachten Kosten übernimmt (BGE 131 V 9 E. 3.4.2 S. 14; ZAK 1986
S. 336, E. 2d, I 480/84). Auch aus dem Grundrecht auf Achtung des
Familienlebens kann grundsätzlich kein direkter Anspruch auf positive
staatliche Leistungen abgeleitet werden, welche die Ausübung des Familienlebens
ermöglichen (BGE 120 V 1 E. 2a S. 4; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H
310/93 vom 17. Februar 1994, E. 4b/aa). Jedoch ist bei der Auslegung
sozialversicherungsrechtlicher Leistungsnormen sowie bei der
Ermessenshandhabung den Grundrechten und verfassungsmässigen Grundsätzen
Rechnung zu tragen, soweit dies im Rahmen von Art. 190 BV, wonach Bundesgesetze
und Völkerrecht für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden
Behörden massgebend sind, möglich ist (BGE 126 V 334 E. 2d S. 340; BGE 118 V
206 E. 5b S. 211; BGE 113 V 22 E. 4d S. 32; Urteile des Eidg.
Versicherungsgerichts I 750/04 vom 5. April 2006, E. 5.2, und I 68/02 vom 18.
August 2005, E. 3.2). Es ist alsdann abzuwägen zwischen den grundrechtlich
geschützten Positionen des Versicherten und dem Anliegen der Einfachheit und
Zweckmässigkeit; auch unter grundrechtlichem Aspekt besteht kein Anspruch auf
eine bestmögliche Eingliederung (BGE 118 V 206 E. 5c S. 212; CHRISTIAN SCHÜRER,
Grundrechtsbeschränkungen durch Nichtgewähren von
Sozialversicherungsleistungen, in: AJP 1997 S. 8).

7. Im Lichte des Dargelegten greift die Argumentation von Vorinstanz und
Beschwerdegegnerin, es bestehe kein Anspruch auf Hilfsmittel in einer zweiten
Wohnung, in dieser apodiktischen Fassung zu kurz. Sie trifft zweifellos zu für
Ferienwohnungen oder andere Wohnungen, in denen sich jemand nur ganz sporadisch
aufhält. Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer
einen durch das Grundrecht auf Familie geschützten Anspruch auf Verkehr mit
seinen beiden Eltern hat, dies auch dann, wenn die Beziehung zwischen den
Eltern beendet ist, die Eltern nicht mehr zusammenleben oder geschieden sind
(Urteil des EGMR i.S. Ciliz gegen Niederlande vom 11. Juli 2000, Recueil
CourEDH 2000-VIII S. 291, Ziff. 59 mit Hinweisen; JENS MEYER-LADEWIG,
BGE 134 I 105 S. 111
Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 2. Aufl., Baden-Baden
2006, N. 19 zu Art. 8 EMRK; Urteil des Bundesgerichts 1C_219/2007 vom 19.
Oktober 2007, E. 2.3). Der Anspruch kann faktisch nicht verwirklicht werden,
wenn der Beschwerdeführer infolge seiner Behinderung im Haus des Vaters nicht
leben kann. Dieser Umstand ist bei der Beurteilung mit zu berücksichtigen.

8. Die Vorinstanz hat einen Anspruch auf bauliche Änderungen in einer
Zweitwohnung zwar grundsätzlich abgelehnt, aber subsidiär auch damit, dass der
Aufwand nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Eingliederungserfolg stünde:
Der Beschwerdeführer wohne nur jedes zweite Wochenende und während eines Teils
der Schulferien beim Vater, was nicht zu dem durch die Invalidenversicherung zu
deckenden Grundbedarf gehöre.

8.1 Auch im Lichte einer grundrechtlichen Würdigung sind die Grundsätze der
Einfachheit, Angemessenheit und Verhältnismässigkeit der Hilfsmittelversorgung
zu beachten (E. 3), ebenso der Grundsatz der zumutbaren
Schadenminderungspflicht (E. 8.2).

8.2 Als Richtschnur gilt, dass die Anforderungen an die
Schadenminderungspflicht zulässigerweise dort strenger sind, wo eine erhöhte
Inanspruchnahme der Invalidenversicherung (namentlich durch Bezug einer Rente
oder bei einer grundlegend neuen Eingliederung) in Frage steht. Wo es hingegen
um die Zusprechung oder Anpassung einzelner Eingliederungsleistungen im Rahmen
von Verhältnissen geht, welche auf grundrechtlich geschützte Betätigungen des
Versicherten zurückzuführen sind, ist bei der Berufung auf die
Schadenminderungspflicht Zurückhaltung geboten. Vorbehalten bleiben Fälle, in
denen die Dispositionen des Versicherten nach den Umständen als geradezu
unvernünftig oder rechtsmissbräuchlich betrachtet werden müssen (BGE 113 V 22
E. 4d S. 32 f.). Auf Grund der Schadenminderungspflicht kann in der Regel nicht
zugemutet werden, einen anderen Wohnort zu suchen (BGE 119 V 255 E. 2 S. 259).
In BGE 113 V 22 E. 4e S. 33 sprach das Eidg. Versicherungsgericht einem
Versicherten einen Anspruch auf Amortisationsbeiträge für ein Auto zu, weil er
seinen Wohnsitz verlegte und nun für den Arbeitsweg ein Auto benötigte. Wie das
Gericht erwog, wird der Grundsatz der Schadenminderung überspannt, wenn einem
knapp 40-jährigen Teilerwerbstätigen der Anspruch auf die Beiträge für sein
Auto mit dem Argument verweigert wird, es sei ihm zumutbar, während der ganzen
verbleibenden
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Aktivitätsdauer von über zwanzig Jahren am bisherigen Wohnort wohnhaft zu
bleiben. Die Verlegung des Wohnsitzes war aber auch deswegen kein Verstoss
gegen die Schadenminderungspflicht, weil der Versicherte angesichts seiner
Behinderung bei jeder Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort auf ein
Motorfahrzeug mit Automat angewiesen war. In BGE 118 V 255 wurden ebenfalls
Kosten an ein Auto zugesprochen, welches der Versicherte für seinen Arbeitsweg
an den neuen Arbeitsort benötigte. Wie das Gericht erwog, folgt aus der
Schadenminderungspflicht angesichts der grundrechtlich geschützten
Betätigungsmöglichkeiten in der Lebensgestaltung nicht die Pflicht, den Wohnort
zu verlegen.

8.3 Im Lichte dieser Rechtsprechung kann die Eingliederungsmassnahme nicht
verweigert werden, wenn ohne sie der grundrechtlich geschützte Aufenthalt des
Beschwerdeführers beim Vater völlig verunmöglicht würde. Nicht zumutbar wäre
auch, wenn der Vater für die Besuche des Sohnes jeweils eine
behindertengerechte Wohnung oder ein Hotelzimmer mieten müsste. Umgekehrt ist
der Umstand zu berücksichtigen, dass der Aufenthaltsort beim Vater nicht der
dauernde Wohnsitz ist. Rechtsprechungsgemäss können Familienangehörigen im
Rahmen der familienrechtlichen Beistandspflicht im Einzelfall umfangreiche
Hilfestellungen zugemutet werden (AHI 2003 S. 218, E. 2.3.3, I 90/02; SZS 2005
S. 210, E. 3.1, I 3/04). Dies gilt umso mehr, wenn der behinderte Sohn nicht
regelmässig beim Vater lebt. Diesem können in dieser beschränkten Zeit
tendenziell mehr Hilfeleistungen zugemutet werden als den Eltern eines ständig
bei ihnen lebenden behinderten Kindes. Hinzu kommt, dass der Zustand
voraussichtlich nicht dauernd ist. Es geht hier primär um eine
Hilfsmittelversorgung für den Zeitraum zwischen dem Unfall im zwölften
Lebensjahr und dem Schulabschluss; zusätzlich bringt der Beschwerdeführer vor,
er werde die Berufslehre in S. absolvieren und während dieser Zeit permanent
beim Vater und der Schwester wohnen. Es bleibt aber offen, ob der
Beschwerdeführer auch später noch regelmässig beim Vater weilen wird.

9. Wie bereits dargelegt (E. 3), will das Gesetz die Eingliederung soweit
sicherstellen, als sie im Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist und
zudem der voraussichtliche Erfolg der Eingliederungsmassnahme in einem
vernünftigen Verhältnis zu ihren Kosten steht. Die Akten erlauben keine
abschliessende Würdigung dazu, ob mit den Anpassungen am Wohnhaus des Vaters in
S. den
BGE 134 I 105 S. 113
genannten Ansprüchen Genüge getan wird. Die vom Schweizer Paraplegiker Zentrum
veranschlagten Kosten für behinderungsgerechte Anpassungen von insgesamt Fr.
91'152.60 erachtet das SAHB Hilfsmittel-Zentrum als zu hoch, weil die
Anpassungen zum Teil überdimensioniert und bei Abstellen auf Erfahrungswerte
der SAHB ein einfacher und zweckmässiger Umbau auf Fr. 40'856.75 zu stehen
kommt. Nach dem in E. 8 Ausgeführten bildet unter den konkreten Verhältnissen
der letzterwähnte Betrag die oberste Grenze für die von der Beschwerdegegnerin
zu sprechende Eingliederungsmassnahme. Es ist aber offen, ob nicht auch bei dem
vom Hilfsmittel-Zentrum vorgeschlagenen Projekt noch gewisse
Selbsthilfemassnahmen denkbar sind, zum Beispiel um Türschwellen zu überwinden
oder das Badezimmer aufzusuchen. Die Sache ist zur näheren Abklärung an die
Invalidenversicherung zurückzuweisen. Angesichts des Umstands, dass es sich
beim Wohnhaus des Vaters um die zweite vom Beschwerdeführer benutzte Wohnung
handelt, besteht nur Anspruch auf einen behinderungsgerechten Umbau in
einfachster Ausführung, welcher unter Berücksichtigung der dem Vater zumutbaren
Hilfestellungen dem Beschwerdeführer den Aufenthalt in dessen Haus gerade noch
ermöglicht.