Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 IV 53



Urteilskopf

134 IV 53

  7. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S.
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen X. (Beschwerde in Strafsachen)
  6B_43/2007 vom 12. November 2007

Regeste

  Begründungspflicht (Art. 50 StGB); Verbindung von bedingter
Freiheitsstrafe mit Busse (Art. 42 Abs. 4 StGB).

  Hat die Staatsanwaltschaft den teilbedingten Vollzug explizit beantragt
und lassen frühere Verurteilungen zumindest Zweifel an der Legalbewährung
des Täters aufkommen, verletzt die Vorinstanz ihre Begründungspflicht, wenn
sie nicht darlegt, weshalb sie den teilbedingten Vollzug als nicht notwendig
einstuft (E. 5.1).

  Wird eine bedingte Strafe mit einer unbedingten Geldstrafe oder mit einer
Busse verbunden, so haben die beiden Sanktionen in ihrer Summe
schuldangemessen zu sein (E. 5.2).

Sachverhalt

  A.- X. fuhr am 23. Dezember 2003 in alkoholisiertem Zustand mit seinem
Personenwagen mit übersetzter Geschwindigkeit und verursachte einen
Selbstunfall, bei welchem ein Mitfahrer getötet und zwei weitere verletzt
wurden.

  B.- Mit Urteil vom 10. August 2005 sprach das Bezirksgericht Baden X. der
fahrlässigen Tötung (Art. 117 StGB), der fahrlässigen Körperverletzung (Art.
125 Abs. 1 StGB), der groben Missachtung der allgemeinen
Höchstgeschwindigkeit (Art. 32 Abs. 2 SVG und Art. 4a Abs. 1 lit. a der
Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 [VRV; SR 741.11] i.V.m. Art.
90 Ziff. 2 SVG) und des Führens eines Personenwagens in fahrunfähigem
Zustand (Art. 31 Abs. 2 SVG und Art. 2 VRV i.V.m. Art. 91 Abs. 1 SVG)
schuldig und verurteilte ihn zu 2 1/2 Jahren Gefängnis.

  C.- Die von X. gegen diesen Entscheid erhobene Berufung wies das
Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 11. Januar 2007 im Schuldpunkt
ab. Im Strafpunkt hiess es die Berufung dagegen teilweise gut und
verurteilte X. zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, bedingt vollziehbar
bei einer Probezeit von drei Jahren, und zu einer Busse von Fr. 1'000.-.

  D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau führt Beschwerde in
Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau
vom 11. Januar 2007 sei aufzuheben und die Freiheitsstrafe sei teilbedingt
auszusprechen, dies mit einem zu verbüssenden Anteil von 10 Monaten.
Eventualiter sei die Sache zur Anordnung des teilbedingten Strafvollzugs an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

  Das Obergericht und der Beschwerdegegner beantragen die Abweisung der
Beschwerde. Eventualiter stellt der Beschwerdegegner den Antrag, die Sache
sei zur ergänzenden Begründung des Urteils an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

  5.  Im zu beurteilenden Fall stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:

  5.1  Die Vorinstanz hat sich im angefochtenen Urteil nicht mit der Frage
des teilbedingten Vollzugs auseinandergesetzt, obwohl der Beschwerdegegner
vorbestraft ist wegen Missachtens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sowie
Nichttragens des Sicherheitsgurtes und wegen grober Verletzung von
Verkehrsregeln und obgleich

ihm der Führerausweis innert kurzer Zeit insgesamt vier Mal entzogen worden
ist. Vorliegend kann offengelassen werden, ob das Gericht sich bei
Freiheitsstrafen im überschneidenden Anwendungsbereich von Art. 42 und 43
StGB bei zweifelsfreier Bejahung der Voraussetzungen des bedingten Vollzugs
in jedem Fall ausdrücklich mit Art. 43 StGB zu befassen hat oder ob sich
dessen Nicht-Anwendung nicht auch stillschweigend ergeben kann. In Fällen
jedenfalls, in welchen die Staatsanwaltschaft den teilbedingten Vollzug
explizit beantragt und frühere Verurteilungen zumindest Zweifel an der
Legalbewährung des Täters aufkommen lassen, hat es zu begründen, weshalb es
den teilbedingten Vollzug als nicht notwendig einstuft.

  Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich nicht, ob die Vorinstanz die
Möglichkeit des teilbedingten Strafvollzugs überhaupt in Betracht gezogen
hat. Vielmehr ist ebenso denkbar, dass sie - trotz des ausdrücklichen
Antrags der Beschwerdeführerin - in Verkennung der Rechtslage von der
falschen Annahme ausgegangen ist, dass sich bei Bejahung der Voraussetzungen
des bedingten Strafvollzugs die Frage des teilbedingten Vollzugs im
vorliegenden Fall gar nicht stellt.

  Im Ergebnis hat die Vorinstanz folglich die ihr obliegende
Begründungspflicht verletzt. Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen und das
angefochtene Urteil insoweit aufzuheben. Bei ihrer Neubeurteilung wird die
Vorinstanz zu prüfen haben, ob der teilweise Vollzug der Freiheitsstrafe für
die Erhöhung der Bewährungsaussichten des Beschwerdegegners unumgänglich
erscheint.

  5.2  Die Aufhebung des angefochtenen Entscheids ist überdies aus einem
weiteren Grund geboten:
  Die Vorinstanz hat im Rahmen ihrer Ausführungen zur Strafzumessung
geschlossen, sie erachte eine Freiheitsstrafe von 20 Monaten als dem
Verschulden des Beschwerdegegners angemessen. Alsdann hat sie gefolgert, in
Anbetracht des schwerwiegenden Verschuldens sei gestützt auf Art. 42 Abs. 4
StGB zusätzlich eine Busse nach Art. 106 StGB in der Höhe von Fr. 1'000.-
auszufällen.

  Wie dargelegt, darf im Rahmen der Strafkombination von Art. 42 Abs. 4 StGB
die unbedingte Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse nicht zu einer Straferhöhung
führen oder eine zusätzliche Strafe ermöglichen. Bewertet das Gericht ein
Strafmass von 20 Monaten als insgesamt schuldangemessen und erachtet es in
Anwendung von Art. 42

Abs. 4 StGB eine Strafenkombination als sachgerecht, so haben die beiden
Sanktionen in ihrer Summe schuldangemessen zu sein. Hieraus folgt, dass bei
Verhängung einer Busse von Fr. 1'000.- eine bedingte Freiheitsstrafe von
weniger als 20 Monaten auszusprechen ist.

  Die Vorinstanz hat demnach Art. 42 Abs. 4 StGB unrichtig angewendet.