Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 IV 36



Urteilskopf

134 IV 36

  4. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S.
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen X. (Beschwerde in
Strafsachen)
  6B_89/2007 vom 24. Oktober 2007

Regeste

  Art. 81 und 95-98 BGG; Beschwerderecht und Rügemöglichkeiten der
Staatsanwaltschaft.

  Voraussetzung der Verfahrensteilnahme vor Vorinstanz gemäss Art. 81 Abs. 1
lit. a BGG in Bezug auf die Staatsanwaltschaft (E. 1.3).

  Der Staatsanwaltschaft steht das Beschwerderecht in Strafsachen nach Art.
81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG ohne Einschränkung zu. Sie kann alle
Beschwerdegründe nach Art. 95-98 BGG vorbringen (E. 1.4).

Sachverhalt

  A.- Am frühen Nachmittag des 8. August 2005 war X. mit ihren Hunden an der
Stogelenstrasse in Pfäffikon/ZH zwischen dem Strandbad und dem Tharnhof am
Spazieren. Plötzlich sprang ein Reh aus dem Gebüsch. Ihr Collie rannte ihm
auf einer Strecke von ca. 30 bis 40 Metern hinterher. Sie rief ihren Hund
zurück, und dieser kehrte sofort um. Es wird ihr vorgeworfen, den Hund nicht
angeleint zu haben.

  B.- Am 22. Juni 2006 sprach der Einzelrichter in Strafsachen des
Bezirksgerichts Pfäffikon X. des fahrlässigen Wildernlassens ihres Hundes im
Sinne von Art. 18 Abs. 1 lit. d und Art. 18 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom
20. Juni 1986 über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel
(Jagdgesetz, JSG; SR 922.0) schuldig und bestrafte sie mit einer Busse von
Fr. 200.-. Auf ihre Berufung hin wurde sie am 25. Januar 2007 vom
Obergericht des Kantons Zürich vom erwähnten Vorwurf freigesprochen.

  C.- Dagegen erhebt die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich
Beschwerde in Strafsachen, mit der sie die Aufhebung des obergerichtlichen
Urteils und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung verlangt.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

  1.  Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit bzw. die Zulässigkeit
eines Rechtsmittels von Amtes wegen mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [BGG; SR 173.110];
BGE 133 I 185 E. 2).

  1.1  Gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden
gegen Entscheide in Strafsachen. Der Begriff "Entscheide in Strafsachen"
umfasst sämtliche Entscheidungen, denen materielles Strafrecht oder
Strafprozessrecht zu Grunde liegt. Mit anderen Worten kann grundsätzlich
jeder Entscheid, der die Verfolgung oder die Beurteilung einer Straftat
betrifft und sich auf Bundesrecht oder auf kantonales Recht stützt, mit der
Beschwerde in Strafsachen angefochten werden (Botschaft des Bundesrates vom
28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege; BBl 2001 S.
4313). Diese tritt an die Stelle der früheren Nichtigkeitsbeschwerde an den
Kassationshof des Bundesgerichts (Art. 268 ff. aBStP) sowie, teilweise, der
früheren staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 84 ff. OG).

  1.2  Gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen
berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder

keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten (lit. a) und ein rechtlich
geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen
Entscheides hat (lit. b). Zum Kreis der beschwerdebefugten Parteien zählt
namentlich die Staatsanwaltschaft (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG).
Vorliegend ist zunächst zu klären, ob die Beschwerdeführerin im Sinne von
Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat (E.
1.3), bevor in einem zweiten Schritt darüber zu entscheiden ist, zu welchen
Rügen sie zuzulassen ist (E. 1.4).

  1.3
  1.3.1  Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich wähnt sich zur
Beschwerde berechtigt, obwohl sie nach eigenen Angaben nicht am
vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat. Partei vor Vorinstanz sei das
Statthalteramt Pfäffikon gewesen. Gestützt auf § 6 lit. m der Verordnung vom
27. Oktober 2004 über die Organisation der Oberstaatsanwaltschaft und der
Staatsanwaltschaften (LS 213.21; im Folgenden: kantonale
Organisationsverordnung) sei jedoch die Oberstaatsanwaltschaft und nicht das
Statthalteramt Pfäffikon zur Vertretung der Anklage vor Bundesinstanzen
befugt.

  1.3.2  Fest steht, dass die Oberstaatsanwaltschaft nicht unmittelbar am
obergerichtlichen Verfahren beteiligt war. Nach den Vorschriften des
kantonalen Prozessrechts wird die Anklage im Übertretungsstrafverfahren vom
zuständigen Statthalteramt vertreten (§ 74 des Gerichtsverfassungsgesetzes
vom 24. September 1978 [GVG/ZH; LS 211.1]; § 334 und § 344 Abs. 2 des
Gesetzes vom 4. Mai 1919 betreffend den Strafprozess [Strafprozessordnung,
StPO/ZH; LS 321]; NIKLAUS SCHMID, in: Andreas Donatsch/Niklaus Schmid
[Hrsg.], Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Zürich 1996,
§ 344 StPO/ZH N. 3). Im kantonalen Rechtsmittelverfahren ist die
Staatsanwaltschaft neben dem Statthalteramt zur Beschwerde legitimiert (§
395 Ziff. 1 StPO/ZH). Die Staatsanwaltschaft kann am Rechtsmittelverfahren
auch teilnehmen, wenn das Rechtsmittel allein von der Verwaltungsbehörde
ergriffen wurde (SCHMID, a.a.O., § 395 StPO/ZH N. 7). Als Aufsichtsbehörde
hat die Oberstaatsanwaltschaft ein allgemeines sowie ein einzelfallbezogenes
Weisungsrecht (§ 89 GVG/ZH; § 6 lit. e und g der kantonalen
Organisationsverordnung).

  Die Teilnahme vor Vorinstanz ist eine Legitimationsvoraussetzung, die sich
aus Bundesrecht ergibt. Es ist deshalb nicht von Bedeutung, dass die
Oberstaatsanwaltschaft nach § 6 lit. m der erwähnten

kantonalen Organisationsverordnung für die Verfahrensführung vor
Bundesgericht verantwortlich ist. Mit der bundesrechtlichen Voraussetzung
der Verfahrensteilnahme nach Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG soll verhindert
werden, dass sich Personen, die im kantonalen Verfahren in keiner Form am
Prozess mitgewirkt oder daran ein Interesse bekundet haben, erstmals vor
Bundesgericht ins Verfahren einschalten können. Dies trifft auf die
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich im vorliegenden Fall jedoch nicht
zu. Sie hat das Rechtsmittelverfahren nicht selbst geführt, sondern die
Anklage von einer ihr untergeordneten Behörde vertreten und damit ihre
Interessen mittelbar wahrnehmen lassen. Als oberste Anklagebehörde im Kanton
behielt sie aber jederzeit die Möglichkeit, über ihre Aufsichts- und
Weisungsbefugnisse auf das Rechtsmittelverfahren Einfluss zu nehmen. Sie war
somit im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG verfahrensbeteiligt vor
Vorinstanz.

  1.4  Die beschwerdeführende Oberstaatsanwaltschaft rügt Willkür in der
Beweiswürdigung und offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellungen
durch die Vorinstanz. Nachfolgend ist zu entscheiden, ob sie zur Erhebung
dieser Rügen berechtigt ist.

  1.4.1  Gemäss Art. 95 BGG sind die drei Einheitsbeschwerden (Beschwerde in
Zivilsachen, Beschwerde in Strafsachen und Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) unter anderem zulässig wegen
Verletzung von Bundesrecht oder Völkerrecht (Art. 95 lit. a und b BGG). Zum
Begriff "Bundesrecht" im Sinne von Art. 95 lit. a BGG gehört auch
Bundesverfassungsrecht (Botschaft, a.a.O., S. 4335). Sodann kann die
Feststellung des Sachverhalts gerügt werden, allerdings nur, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 BGG). Da eine im Ergebnis
offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts gegen das
Willkürverbot gemäss Art. 9 BV verstösst (Botschaft, a.a.O., S. 4338),
stellt sie ebenfalls eine Verletzung von Bundesrecht bzw.
Bundesverfassungsrecht dar.

  1.4.2  Unter der Herrschaft des früheren Verfahrensrechts stand dem
öffentlichen Ankläger des Kantons lediglich das (prinzipale) Rechtsmittel
der Nichtigkeitsbeschwerde zu. Verletzte seiner Meinung nach der
angefochtene Entscheid Bundesrecht, war er durch diesen beschwert und ohne
Rücksicht auf seine Stellungnahme vor

der kantonalen Instanz zur Nichtigkeitsbeschwerde sowohl zu Ungunsten als
auch zu Gunsten eines Angeklagten legitimiert (BGE 124 IV 106 E. 1).

  Das (subsidiäre) Rechtsmittel der staatsrechtlichen Beschwerde wegen
Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG) konnte der
Staatsanwalt hingegen nicht ergreifen. Die staatsrechtliche Beschwerde stand
Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen
zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende
Rechtsverletzungen erlitten haben (Art. 88 OG). Die Beschränkung auf
persönliche Interessen des Beschwerdeführers schloss die "Popularbeschwerde"
oder die Geltendmachung allgemeiner öffentlicher Interessen aus. Der
öffentliche Ankläger in Strafsachen war aus diesem Grund von der Ergreifung
der staatsrechtlichen Beschwerde ausgeschlossen (BGE 133 I 33 E. 1.1;
eingehend schon BGE 48 I 106 E. 1).

  Die frühere Verfahrensordnung hatte zur Folge, dass der Staatsanwalt nicht
vorbringen konnte, der ergangene Freispruch oder Schuldspruch des kantonalen
Gerichts verletze den aus Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK
abgeleiteten Grundsatz "in dubio pro reo" oder beruhe auf einer
willkürlichen Sachverhaltsfeststellung oder einer willkürlichen Anwendung
des kantonalen Prozessrechts. Die Möglichkeit, den kantonalen Entscheid auf
seine Verfassungsmässigkeit hin überprüfen zu lassen, war ihm prozessual
verwehrt. Damit blieb seine Beschwerdebefugnis hinter jener des
Beschuldigten, aber auch jener des Opfers, dem eine auf materiell-rechtliche
Fragen erweiterte Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde zukam (BGE
128 I 218 E. 1.1), zurück.

  1.4.3  Unter der neuen Verfahrensordnung wird der Staatsanwaltschaft das
Beschwerderecht in Strafsachen ausdrücklich und dem Wortlaut nach ohne
Einschränkung zuerkannt (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG). Die
Legitimation leitet sich aus dem staatlichen Strafanspruch ab, den sie zu
vertreten hat. Daher verfügt sie grundsätzlich über ein rechtlich
geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen
Entscheids, das zur Erhebung der Beschwerde in Strafsachen berechtigt. Im
Unterschied zur früheren staatsrechtlichen Beschwerde setzt das
Beschwerderecht nicht voraus, dass der Beschwerdeführer vom angefochtenen
Entscheid persönlich betroffen ist. Das wäre für den Staatsanwalt auch gar
nicht denkbar, weil er am Verfahren als staatliches Organ beteiligt ist und

gerade in dieser Eigenschaft zur Beschwerdeführung in Strafsachen ermächtigt
wird.

  Systematisch getrennt vom Legitimationserfordernis (Art. 81 BGG) vereinigt
das Gesetz die Beschwerdegründe der bisherigen Rechtsmittel zur
Einheitsbeschwerde (Art. 95-98 BGG). Wer zur Beschwerde in Strafsachen
legitimiert ist, kann grundsätzlich jede Rechtsverletzung geltend machen,
die bei der Anwendung von materiellem Strafrecht oder Strafprozessrecht
begangen wird, mithin auch eine Verletzung von Bundesverfassungsrecht als
Teil des Bundesrechts (E. 1.1.3). Für die Staatsanwaltschaft gilt das
gleichermassen wie für die anderen beschwerdeführenden Parteien. Bereits der
Bundesrat hielt in seiner Botschaft fest - und ist in den eidgenössischen
Räten nicht in Frage gestellt worden -, dass der Staatsanwalt berechtigt
ist, ein kantonales Strafurteil wegen willkürlicher Beweiswürdigung,
aktenwidriger Sachverhaltsfeststellung (Botschaft, a.a.O., S. 4318) oder
willkürlicher Anwendung des kantonalen Prozessrechts (Botschaft, a.a.O., S.
4335) anzufechten. Seine fehlende Legitimation zur früheren
Verfassungsbeschwerde wird ausdrücklich als Lücke im Rechtsschutz bezeichnet
(Botschaft, a.a.O., S. 4215 f.). Es entspricht somit der klaren Absicht des
Gesetzgebers, dass Verfassungsrügen des Staatsanwaltes nicht mehr von der
Hand gewiesen werden können mit der Begründung, diese stünden nur Privaten
als Träger verfassungsmässiger Rechte zu. Selbstredend macht er auch gar
nicht geltend, er sei in seinen eigenen Grundrechtspositionen
beeinträchtigt, sondern nur, Bundesverfassungsrecht sei objektiv verletzt,
was einem zulässigen Beschwerdegrund entspricht.

  1.4.4  Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (REGINA
KIENER/MATHIAS KUHN, Das neue Bundesgerichtsgesetz - eine [vorläufige]
Würdigung, ZBl 107/2006 S. 152) stellt die fehlende Grundrechtsträgerschaft
des öffentlichen Anklägers unter der Einheitsbeschwerde kein
Legitimationsproblem dar. Die Frage, ob dieser eine Verfassungsverletzung
(z.B. eine Verletzung des Willkürverbotes) geltend machen kann, betrifft
vielmehr nur den Geltungsbereich der angerufenen Verfassungsnorm und damit
ein materiell-rechtliches Grundrechtsproblem (vgl. dazu bereits WALTER
KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl., Bern 1994,
S. 224). Das Willkürverbot gemäss Art. 9 BV beispielsweise räumt dem
Einzelnen einen Anspruch auf willkürfreies Handeln der Behörden ein (BGE 133
I 185 E. 4.1). Darüber hinaus beansprucht es aber Geltung als objektives
Grundprinzip, das die

gesamte Staatstätigkeit bindet, wie Grundrechte überhaupt (JÖRG PAUL MÜLLER,
Elemente einer schweizerischen Grundrechtstheorie, Bern 1982, S. 5 f. und
passim). Das Willkürverbot gilt daher für staatliche Organe umfassend als
objektives Recht, und zwar nicht nur gegenüber dem einzelnen Bürger, sondern
auch im Verhältnis zu anderen Staatsorganen, und es verbietet sowohl die
willkürliche Benachteiligung als auch die willkürliche Begünstigung von
Privaten (FELIX UHLMANN, Das Willkürverbot [Art. 9 BV], Habilitationsschrift
Bern 2005, Rz. 295 ff., 415). Gestützt auf den objektiv-rechtlichen Gehalt
von Art. 9 BV oder anderen Grundrechtsnormen kann die Staatsanwaltschaft
nunmehr geltend machen, die Vorinstanz habe deren Tragweite zu Gunsten oder
zu Ungunsten der privaten Prozesspartei (Angeklagter oder Opfer) verkannt.
Eine verfassungsrechtliche Sicht steht dem nicht entgegen.

  1.4.5  Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die Gleichstellung der
Staatsanwaltschaft mit den übrigen Prozessparteien des Strafprozesses auch
in der Sache gerechtfertigt erscheint. Im kontradiktorischen Hauptverfahren
kommen die Standpunkte des Anklägers und der Verteidigung voll zur Geltung,
was Gewähr für eine umfassende Darstellung des Prozessstoffes bietet (ROBERT
HAUSER/ERHARD SCHWERI/KARL HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6.
Aufl., Basel 2005, § 80 Rz. 2 S. 409). Es ist daher nur konsequent und
entspricht dem aus Art. 6 EMRK abgeleiteten Grundsatz der Waffengleichheit,
wenn die Parteien im Verfahren vor Bundesgericht über die gleichen
prozessualen Rechte verfügen. Andernfalls könnte die Staatsanwaltschaft
selbst als Beschwerdegegnerin nicht geltend machen, der Vorwurf der falschen
Rechtsanwendung sei zwar zutreffend, der Entscheid im Ergebnis aber dennoch
richtig, weil das Gericht den Sachverhalt willkürlich festgestellt habe
(vgl. BGE 122 I 253 E. 6d S. 256). Das frühere Rechtsmittelsystem war auch
insofern unbefriedigend, als nur das Opfer rügen konnte, die Vorinstanz habe
die Tragweite des in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten
strafprozessualen Grundsatzes "in dubio pro reo" zu Gunsten des Angeklagten
verkannt, während die Staatsanwaltschaft von der Rügemöglichkeit
ausgeschlossen war. Dies war nur mit den Besonderheiten der
staatsrechtlichen Beschwerde zu erklären und stand im Widerspruch dazu, dass
der Strafanspruch ausschliesslich dem Staat zukommt. Unter der neuen
Verfahrensordnung lässt sich das prozessuale Ungleichgewicht nicht mehr
aufrechterhalten. Denn die Beschwerde in Strafsachen ist

nicht nur ein Rechtsmittel der Privaten, sondern dient auch dem Staatsanwalt
zur Durchsetzung des objektiven Bundesrechts, um den Strafanspruch zu
wahren.

  1.5  Auf die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft ist deshalb einzutreten
und die von ihr erhobenen Verfassungs- und Sachverhaltsrügen sind zu
behandeln.