Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 IV 246



Urteilskopf

134 IV 246

26. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Amt für
Justizvollzug des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
6B_556/2007 vom 4. Juli 2008

Regeste

Änderung und Aufhebung ambulanter Massnahmen; Begutachtung. Die Vollzugsbehörde
ist zuständig zur Anpassung ambulanter Massnahmen, soweit die Änderung dem
Zweck der ursprünglich angeordneten Massnahme entspricht und sich die neue
Massnahme in den Rahmen der Behandlung einfügt, wie er im Strafurteil
vorgezeichnet ist. Solche Anordnungen sind in Verfügungsform zu erlassen (E.
3.3). Erachtet die Vollzugsbehörde die Fortführung der ambulanten Behandlung
als aussichtslos, so stellt sie deren Scheitern mittels anfechtbarer Verfügung
fest (vgl. Art. 63a Abs. 2 lit. b StGB). Erwächst diese Verfügung in
Rechtskraft, obliegt es dem Gericht zu entscheiden, ob die aufgeschobene
Freiheitsstrafe zu vollziehen (Art. 63b Abs. 2 StGB) oder eine stationäre
therapeutische Massnahme anzuordnen ist (Art. 63b Abs. 5 StGB). Für das
Aussprechen einer anderen ambulanten Massnahme besteht kein Raum (E. 3.4). Aus
Art. 56 Abs. 3 StGB ist zu folgern, dass Änderungsentscheide im Sinne von Art.
63b Abs. 2 und 5 StGB gestützt auf ein Gutachten einer sachverständigen Person
zu treffen sind. Soweit ein früheres Gutachten mit Ablauf der Zeit und zufolge
veränderter Verhältnisse an Aktualität eingebüsst hat, ist eine neuerliche
Begutachtung unabdingbar (E. 4.3).

Sachverhalt ab Seite 247

BGE 134 IV 246 S. 247

A. Am 15. März 2002 sprach das Obergericht des Kantons Zürich X. als erste
Instanz unter anderem des mehrfachen Raubes schuldig und bestrafte ihn mit 3^3
/^4 Jahren Gefängnis, unter Anrechnung von 125 Tagen Polizei- und
Untersuchungshaft. Ferner ordnete es eine ambulante Massnahme im Sinne von Art.
43 Ziff. 1 Abs. 1 aStGB an und schob den Vollzug der Strafe zugunsten der
Massnahme auf.
BGE 134 IV 246 S. 248
Sodann erklärte das Gericht die mit Entscheid der Jugendanwaltschaft Zürich vom
10. September 1997 wegen Raufhandels ausgefällte Strafe von fünf Tagen
Einschliessung für vollziehbar und schob den Vollzug ebenfalls zugunsten der
Massnahme auf.

B. Mit Verfügung vom 27. September 2006 stellte der Bewährungsdienst Zürich IV
des Justizvollzugs des Kantons Zürich (nachfolgend als "Bewährungsdienst"
bezeichnet) den Vollzug der angeordneten ambulanten Massnahme ein. In der
Rechtsmittelbelehrung wurde X. darauf hingewiesen, dass er gegen diesen
Entscheid innert 30 Tagen schriftlich Rekurs bei der Direktion der Justiz und
des Innern des Kantons Zürich einreichen könne. Des Weiteren beantragte der
Bewährungsdienst dem Obergericht, nach Eintritt der Rechtskraft der Verfügung
sei der Vollzug der beiden aufgeschobenen Strafen von 3^3 /^4 Jahren Gefängnis,
abzüglich 125 Tage Polizei- und Untersuchungshaft, und fünf Tagen
Einschliessung anzuordnen.

C. X. focht die Verfügung des Bewährungsdiensts vom 27. September 2006 nicht
an, so dass diese in Rechtskraft erwuchs. Mit Eingabe vom 12. Februar 2007 an
das Obergericht beantragte X., es sei erneut eine ambulante Massnahme
anzuordnen, und der Vollzug der beiden Strafen sei weiterhin aufzuschieben.
Eventuell sei eine stationäre Massnahme anzuordnen, und die vorgenannten
Strafen seien zu diesem Zweck aufzuschieben. Ferner sei er psychiatrisch zu
begutachten.

D. Mit Beschluss vom 7. August 2007 ordnete das Obergericht des Kantons Zürich
den Vollzug der Strafe von 3^3 /^4 Jahren Gefängnis, abzüglich 125 Tage
Polizei- und Untersuchungshaft, an. Hingegen entschied es, die Strafe von fünf
Tagen Einschliessung werde nicht mehr vollzogen.

E. X. führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, der Beschluss des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 7. August 2007 sei aufzuheben, und die
Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner sei ihm
die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
Das Obergericht des Kantons Zürich hat auf eine Stellungnahme zur Beschwerde
verzichtet. Der Bewährungsdienst hat sich in seiner Vernehmlassung dem Antrag
des Beschwerdeführers angeschlossen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
BGE 134 IV 246 S. 249

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Die Vorinstanz hat in ihrem Beschluss vom 7. August 2007, mit welchem sie
den Vollzug der zugunsten einer ambulanten Massnahme im Sinne von Art. 43 Ziff.
1 Abs. 1 aStGB aufgeschobenen Freiheitsstrafe anordnete, erwogen, die bisherige
ambulante Massnahme habe ihren Zweck nicht erfüllt. Sie führt aus, zur
Beurteilung des Gesundheitszustands des Beschwerdeführers könne weiterhin auf
das Gutachten von Dr. med. P., Spezialarzt FMH Psychiatrie und Psychotherapie,
vom 16. Oktober 2001 abgestellt werden, denn weder der Beschwerdeführer noch
sein Therapeut Dr. med. T., Spezialarzt FMH Psychiatrie und Psychotherapie,
machten geltend, dass sich die damalige Prognose rückblickend als unzutreffend
erwiesen habe. Ein Anlass für die Erstellung eines neuen Gutachtens sei daher
nicht gegeben. Gemäss dem Gutachten von Dr. med. P. sei der zeitweise
Kokainkonsum des Beschwerdeführers Ausdruck einer adoleszentären Problematik.
Der Konsum sei von geringem Ausmass, so dass kein schädlicher Gebrauch und erst
recht keine Abhängigkeit vorliege. Es sei nicht davon auszugehen, dass der
Drogenkonsum das deliktische Verhalten begünstigt habe.
Die Vorinstanz hält sodann fest, da der Beschwerdeführer nicht (mehr) in der
Lage gewesen sei, die Termine bei Dr. med. T. regelmässig wahrzunehmen, wäre
die Anordnung einer anderen ambulanten Massnahme kaum erfolgversprechend.
Ebenso wenig seien die Voraussetzungen zur nachträglichen Anordnung einer
stationären therapeutischen Behandlung von psychischen Störungen im Sinne von
Art. 59 Abs. 1 StGB erfüllt, da das beim Beschwerdeführer diagnostizierte
Krankheitsbild gemäss Dr. med. P. nicht in einer psychiatrischen Institution
behandelt werden könne. Ferner komme auch eine stationäre Suchtbehandlung
gemäss Art. 60 Abs. 1 StGB nicht in Frage, stünden doch die Anlasstaten des
Beschwerdeführers nicht in Zusammenhang mit seiner Kokainabhängigkeit. Überdies
habe er eine stationäre Massnahme gegenüber der Vollzugsbehörde ausdrücklich
abgelehnt. Da für den Beschwerdeführer daher keine Massnahme mehr angeordnet
werden könne, sei die mit Urteil vom 15. März 2002 aufgeschobene Strafe von 3^3
/^4 Jahren Gefängnis, abzüglich 125 Tage Polizei- und Untersuchungshaft, zu
vollziehen.

2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, die gesetzliche Konzeption des
Massnahmenrechts werde vom Grundgedanken beherrscht, dass einem Täter die
adäquate Behandlung zur Verhinderung
BGE 134 IV 246 S. 250
weiterer Straftaten zukommen müsse. Das Scheitern einer ambulanten Massnahme
führe daher nicht automatisch zum Vollzug der aufgeschobenen Strafe, sondern
könne auch den Wechsel zu einer anderen ambulanten oder einer stationären
therapeutischen Massnahme zur Folge haben, falls dies der Verbrechensverhütung
besser diene. Dieser Entscheid, ob eine aufgeschobene Strafe zu vollziehen oder
eine andere Massnahme anzuordnen sei, müsse bei veränderten Verhältnissen auf
der Grundlage einer erneuten Begutachtung erfolgen. Vorliegend bestünden
ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass das Gutachten von Dr. med. P. nicht mehr
aktuell sei. Dieser habe die bereits damals bestehende Drogenproblematik
offensichtlich unterschätzt und sich auf die fehlende Persönlichkeitsreifung
konzentriert. Der Beschwerdeführer führt aus, seine Persönlichkeit wie auch
sein Umfeld hätten sich in den letzten Jahren erheblich verändert, und die
zunehmende Kokainabhängigkeit habe sein Verhalten im Verlauf der Zeit immer
stärker beeinflusst. Die verschärfte Suchtproblematik erkläre auch, weshalb es
schliesslich zum Therapieabbruch gekommen sei. Sein bisheriger Therapeut, Dr.
med. T., habe bei ihm mit Arztbericht vom 27. November 2006 eine
Persönlichkeitsstörung mit unreifen Zügen sowie ein Kokainabhängigkeitssyndrom
mit ständigem Substanzgebrauch diagnostiziert und einen Wechsel des Therapeuten
als angezeigt erachtet. Der Beschwerdeführer betont, aufgrund des gewachsenen
Leidensdrucks sei er in der Zwischenzeit bereit, sich einer stationären
Massnahme zu unterziehen. Vor diesem Hintergrund aber - so der Beschwerdeführer
weiter - hätte die Vorinstanz zwingend seine erneute Begutachtung anordnen
müssen, welche mutmasslich ergeben hätte, dass mit einer therapeutischen
ambulanten oder stationären Behandlung seiner Drogensucht der Gefahr weiterer
Delikte besser begegnet werden könnte als mit dem Vollzug der Freiheitsstrafe.

3.

3.1 Der Beschwerdeführer beantragt somit vorab, an Stelle der gescheiterten
ambulanten Psychotherapie zur Behandlung seiner Adoleszentenkrise sei eine
ambulante Suchtbehandlung anzuordnen. Die Vorinstanz erachtet den Wechsel zu
einer anderen ambulanten Massnahme ebenfalls als grundsätzlich möglich -
verwirft dies jedoch im konkreten Fall.
Die Rechtslage stellt sich insoweit wie folgt dar:

3.1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in
anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass
BGE 134 IV 246 S. 251
der Täter nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn er eine mit
Strafe bedrohte Tat verübt, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht (Art.
63 Abs. 1 lit. a StGB), und zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr
weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen
(Art. 63 Abs. 1 lit. b StGB). Das Gericht kann den Vollzug einer zugleich
ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe zugunsten einer ambulanten
Behandlung aufschieben, um der Art der Behandlung Rechnung zu tragen (Art. 63
Abs. 2 StGB). Die ambulante Behandlung wird durch die zuständige Behörde
namentlich aufgehoben, wenn die Fortführung der Behandlung als aussichtslos
erscheint (Art. 63a Abs. 2 lit. b StGB). Ist dies der Fall, ist die
aufgeschobene Freiheitsstrafe entweder zu vollziehen (Art. 63b Abs. 2 StGB)
oder eine stationäre therapeutische Massnahme nach den Art. 59-61 StGB
anzuordnen. Eine stationäre therapeutische Massnahme ist indiziert, wenn zu
erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer, mit dem Zustand des
Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen (Art. 63b
Abs. 5 StGB).

3.3 Die Anordnung ambulanter Massnahmen erfolgt mithin durch das urteilende
Gericht (Art. 63 Abs. 1 StGB). Alle den Vollzug betreffenden Fragen liegen
dagegen in der Kompetenz der Vollzugsbehörde (vgl. BGE 130 IV 49 E. 3.1). Diese
bestimmt insbesondere die Person des Therapeuten. Zeigt sich im Laufe der
Behandlung die Notwendigkeit einer Anpassung der Massnahme, ist hierfür
ebenfalls die Vollzugsbehörde zuständig, soweit die Änderung dem Zweck der
ursprünglich angeordneten Massnahme entspricht und sich die neue Massnahme in
den Rahmen der Behandlung einfügt, wie er im Strafurteil vorgezeichnet ist
(vgl. Marianne Heer, Basler Kommentar, StGB I, 2. Aufl. 2007, Art. 63b StGB N.
7). Soll hingegen (ausnahmsweise) durch die Anordnung einer anderen ambulanten
Massnahme von dem durch das Strafurteil vorgegebenen Rahmen abgewichen werden,
so hat hierüber das Gericht zu befinden.
Die grundsätzliche Zuständigkeit der Vollzugsbehörde ist deshalb sachgerecht,
weil diese in der Regel besser in der Lage ist, zu beurteilen, ob sich eine
Modifikation des Vollzugs aufdrängt, als das urteilende Gericht, welches keinen
direkten Kontakt mit dem Betroffenen hat. Überdies wäre es mit grossem Aufwand
verbunden, wenn bei jeder Anpassung im Vollzug eine Abänderung des Strafurteils
erfolgen müsste (BGE 130 IV 49 E. 3.3). Demzufolge sollte die Gerichtsbehörde
im Urteilsspruch die angeordnete ambulante
BGE 134 IV 246 S. 252
Massnahme zwar spezifizieren (HEER, a.a.O., Art. 63 StGB N. 65), den
Entscheidungsspielraum der Vollzugsbehörde bei der Umsetzung jedoch nicht
unnötig einengen. Namentlich ist eine nähere inhaltliche Ausgestaltung der
therapeutischen Behandlung, soweit diese zum ordentlichen Tätigkeitsbereich des
Therapeuten gehört, nicht gesondert anzuordnen (vgl. HEER, a.a.O., Art. 63 StGB
N. 66). Dieses Konzept liegt insbesondere auch den Art. 4-6 der Richtlinien des
Strafvollzugskonkordats der Nordwest- und Innerschweiz für den Vollzug der
ambulanten Behandlung vom 4. November 2005 zugrunde. Folgerichtig wird der
Therapeutenwechsel implizit als zulässig erachtet, d.h. er wird vom
Einverständnis der Vollzugsbehörden abhängig gemacht.
Sämtliche Anordnungen, welche die persönliche Freiheit der sich im
Massnahmenvollzug befindlichen Person über das übliche Mass des normalen
Tagesablaufs hinaus beschränken, sind aus Gründen des Rechtsschutzes in
Verfügungsform zu erlassen (vgl. BENJAMIN F. BRÄGGER, Der neue Allgemeine Teil
des Schweizerischen Strafgesetzbuches, in: Schweizerische Zeitschrift für
Kriminologie 1/2008 S. 26-33, 28). Da gerade Änderungen ambulanter Massnahmen
für den Betroffenen mit einschneidenden Konsequenzen verbunden sein können und
daher dessen Rechte tangieren, sind diese von der Vollzugsbehörde zu verfügen,
so dass dem Betroffenen die Möglichkeit offensteht, die Anordnungen auf dem
Verwaltungsweg anzufechten.

3.4 Erachtet die Vollzugsbehörde die Fortführung der ambulanten Behandlung als
aussichtslos, so stellt sie deren Scheitern mittels anfechtbarer Verfügung fest
(vgl. Art. 63a Abs. 2 lit. b StGB). Gegen eine solche Verfügung steht nach
Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs die Beschwerde in Strafsachen offen
(Art. 78 Abs. 2 lit. b BGG; vgl. zum alten Recht auch BGE 119 IV 190 E. 1).
Erwächst die Verfügung in Rechtskraft, hat ein Gericht auf Antrag der
Vollzugsbehörde über die Konsequenzen zu befinden (HEER, a.a.O., Art. 63b StGB
N. 27). Dem Gericht obliegt es mithin zu entscheiden, ob die aufgeschobene
Freiheitsstrafe zu vollziehen (Art. 63b Abs. 2 StGB) oder eine stationäre
therapeutische Massnahme nach den Art. 59-61 StGB anzuordnen ist (Art. 63b Abs.
5 StGB). Für das Aussprechen einer anderen ambulanten Massnahme besteht kein
Raum (HEER, a.a.O., Art. 63b StGB N. 7 und 27; vgl. zum Ganzen auch CHRISTIAN
SCHWARZENEGGER/MARKUS HUG/DANIEL JOSITSCH, Strafrecht II, Strafen und
Massnahmen, 8. Aufl. 2007, S. 246 f.)
BGE 134 IV 246 S. 253
.

3.5 Vorliegend hat der Bewährungsdienst mit Verfügung vom 27. September 2006
den Vollzug der mit dem Urteil des Obergerichts vom 15. März 2002 angeordneten
ambulanten Massnahme nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 aStGB eingestellt, da diese
aufgrund des Therapieverlaufs als gescheitert gelten müsse. Gleichzeitig hat er
dem Obergericht beantragt, nach Eintritt der Rechtskraft der Verfügung sei der
Vollzug der beiden aufgeschobenen Strafen anzuordnen. Der Beschwerdeführer hat
diese Verfügung nicht mittels Rekurs bei der Direktion der Justiz und des
Innern des Kantons Zürich angefochten. In einem allfälligen Rekursverfahren
hätte er sich insbesondere gegen die Einstellung der ambulanten Massnahme zur
Wehr setzen und vorbringen können, die Massnahme könne nicht als gescheitert
gelten, sondern sei zugunsten einer ambulanten Suchtbehandlung abzuändern.
Im Verfahren vor der Vorinstanz und dementsprechend auch im bundesgerichtlichen
Verfahren konnte bzw. kann der Beschwerdeführer diesen rechtskräftig gewordenen
Entscheid hingegen nicht mehr zur Diskussion stellen. Der Beschwerdeführer hat
seinen Antrag, es sei eine ambulante Suchtbehandlung durchzuführen, mithin
verspätet gestellt, ist doch gemäss Art. 63b Abs. 2 und 5 StGB nach der
rechtskräftigen Feststellung des Scheiterns der ambulanten Behandlung einzig
noch darüber zu befinden, ob die aufgeschobene Freiheitsstrafe zu vollziehen
oder ob stattdessen eine stationäre therapeutische Massnahme nach den Art.
59-61 StGB anzuordnen ist.
Auf die Beschwerde kann insoweit nicht eingetreten werden.

4.

4.1 Die Vorinstanz hat ihren Beschluss, die aufgeschobene Freiheitsstrafe sei
zu vollziehen, auf das Gutachten von Dr. med. P. vom 16. Oktober 2001
abgestützt. Der Beschwerdeführer stellt sich, wie dargelegt, auf den
Standpunkt, ein solch gewichtiger Entscheid, ob an Stelle des Strafvollzugs
eine stationäre therapeutische Massnahme anzuordnen sei, müsse zwingend
gestützt auf ein aktuelles Gutachten getroffen werden. Das Gutachten aus dem
Jahre 2001 genüge diesen Anforderungen nicht und hätte der Vorinstanz daher
nicht als (einzige) Entscheidgrundlage dienen dürfen.

4.2 Gemäss Art. 56 Abs. 3 StGB stützt sich das Gericht namentlich beim
Entscheid über die Anordnung einer Massnahme nach den Art. 59-61 und 63 StGB
auf eine sachverständige Begutachtung ab. Diese äussert sich über die
Notwendigkeit und die
BGE 134 IV 246 S. 254
Erfolgsaussichten einer Behandlung des Täters (lit. a), die Art und
Wahrscheinlichkeit weiterer möglicher Straftaten (lit. b) und die Möglichkeiten
des Vollzugs der Massnahme (lit. c).

4.3 Aus Art. 56 Abs. 3 StGB ist zu folgern, dass Änderungsentscheide im Sinne
von Art. 63b Abs. 2 und 5 StGB ebenfalls gestützt auf ein Gutachten einer
sachverständigen Person zu treffen sind. Berichte des Therapeuten genügen
nicht. Wie bei der ursprünglichen Anordnung einer stationären Massnahme sind
bei einem Abänderungsentscheid sämtliche Voraussetzungen der Massnahme einer
näheren Prüfung zu unterziehen (BGE 128 IV 241 E. 3.3; HEER, a.a.O., Art. 63b
StGB N. 4).
Die Vorinstanz verkennt diese Rechtslage nicht, hat sie doch bei ihrer
Beurteilung des Zustands des Beschwerdeführers ausdrücklich auf das Gutachten
von Dr. med. P. vom 16. Oktober 2001 abgestellt. Umstritten ist jedoch, ob die
Vorinstanz gehalten gewesen wäre, den Beschwerdeführer erneut begutachten zu
lassen.
Zur Beantwortung der Frage, ob ein früheres Gutachten hinreichend aktuell ist,
ist nicht primär auf das formelle Kriterium des Alters des Gutachtens
abzustellen. Massgeblich ist vielmehr die materielle Frage, ob Gewähr dafür
besteht, dass sich die Ausgangslage seit der Erstellung des Gutachtens nicht
gewandelt hat. Soweit ein früheres Gutachten mit Ablauf der Zeit und zufolge
veränderter Verhältnisse an Aktualität eingebüsst hat, sind neue Abklärungen
unabdingbar (BGE 128 IV 241 E. 3.4; HEER, a.a.O., Art. 56 StGB N. 67 ff. und
Art. 63b StGB N. 4).
Entscheidend ist daher, ob die ärztliche Beurteilung aus dem Jahr 2001
mutmasslich noch immer zutrifft, oder ob die Vorinstanz aufgrund der
seitherigen Entwicklung gehalten gewesen wäre, eine neuerliche Begutachtung des
Beschwerdeführers anzuordnen.

4.4 Gestützt auf den Bericht des behandelnden Therapeuten Dr. med. T. an die
ärztliche Leitung der psychiatrischen Universitätsklinik Zürich vom 27.
November 2006 leidet der Beschwerdeführer an einer Persönlichkeitsstörung mit
unreifen Zügen (ICD-10 F6) und an einem Kokainabhängigkeitssyndrom mit
ständigem Substanzgebrauch (ICD-10 F14.25). Dr. med. T. geht dabei davon aus,
dass sich der Kokainkonsum des Beschwerdeführers seit 2005 gesteigert hat, und
es diesem daher zunehmend Schwierigkeiten bereitet, den Alltag zu meistern.
Dieser ärztliche Befund spricht dafür, dass sich die Suchtproblematik des
Beschwerdeführers, wie von ihm
BGE 134 IV 246 S. 255
behauptet, seit 2001 in der Tat verschärft hat und deshalb - wie vom
Bewährungsdienst in seiner Vernehmlassung zur Beschwerde ausgeführt - eine
stationäre Therapie nach Art. 60 StGB in einer auf Dualerkrankungen
(Suchterkrankung und psychische Probleme) spezialisierten Einrichtung
zweckmässig sein könnte. Zudem weist der Beschwerdeführer zutreffend darauf
hin, dass das Gutachten von Dr. med. P. zu einem Zeitpunkt erstellt worden ist,
als er sich als junger Erwachsener in einer adoleszentären Krise und damit in
einer Phase befunden hat, in welcher die Möglichkeit einer Veränderung der
Persönlichkeit besonders ausgeprägt ist.
Infolge veränderter Verhältnisse kann das Gutachten von Dr. med. P. nicht mehr
als aktuell bezeichnet und deshalb nicht als (einzige) Entscheidgrundlage zur
Beantwortung der Frage herangezogen werden, ob die aufgeschobene
Freiheitsstrafe zu vollziehen (Art. 63b Abs. 2 StGB) oder an Stelle des
Strafvollzugs eine stationäre therapeutische Massnahme nach den Art. 59-61
anzuordnen ist (Art. 63b Abs. 5 StGB). Die Vorinstanz hat demzufolge Art. 56
Abs. 3 StGB verletzt, indem sie davon abgesehen hat, ein Ergänzungsgutachten
respektive ein Zweitgutachten einzuholen.