Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 IV 1



Urteilskopf

134 IV 1

  1. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S.
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft gegen X. (Beschwerde in
Strafsachen)
  6B_103/2007 vom 12. November 2007

Regeste

  Bedingte und teilbedingte Strafe gemäss Art. 42 und 43 StGB;
Strafenkombination gemäss Art. 42 Abs. 4 StGB.

  Bei Freiheitsstrafen zwischen einem und zwei Jahren ist der Strafaufschub
nach Art. 42 Abs. 1 StGB die Regel, von der nur bei ungünstiger oder höchst
ungewisser Prognose abgewichen werden darf (E. 4.2.2). Der teilbedingte
Vollzug bildet dazu die Ausnahme. Vorgängig ist zu prüfen, ob der bedingte
Strafvollzug, kombiniert mit einer Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse (Art. 42
Abs. 4 StGB), spezialpräventiv ausreichend ist (E. 5.5.2).

  Bei der Strafenkombination gemäss Art. 42 Abs. 4 StGB liegt das
Hauptgewicht auf der bedingten Freiheitsstrafe, während der unbedingten
Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Sie
soll nicht zu einer Straferhöhung führen (E. 4.5.2).

  Die subjektiven Voraussetzungen von Art. 42 StGB müssen auch bei der
Anwendung von Art. 43 StGB gelten (E. 5.3.1). Je günstiger die Prognose und
je kleiner die Vorwerfbarkeit der Tat, desto grösser muss der auf Bewährung
ausgesetzte Strafteil sein (E. 5.6).

Sachverhalt

  A.- Mit Urteil vom 5. Januar 2006 erklärte das Strafgericht
Basel-Landschaft X. der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern (Art.
187 Ziff. 1 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von
2 Jahren.

  B.- In teilweiser Gutheissung der Appellation von X. sprach das
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, diesen mit
Urteil vom 13. Februar 2007 der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern
(Art. 187 Ziff. 1 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu einer
Freiheitsstrafe von 18 Monaten, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von
zwei Jahren, sowie zu einer unbedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen à Fr.
130.-.

  C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft führt Beschwerde
in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des Kantonsgerichts

des Kantons Basel-Landschaft vom 13. Februar 2007 sei abzuändern und X. sei
zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu verurteilen. Die Strafe sei
gemäss Art. 43 Abs. 1 StGB teilweise aufzuschieben, wobei der unbedingt
vollziehbare Teil der Strafe zwölf Monate (ev. sechs Monate) betragen solle.
Die Probezeit für den bedingt vollziehbaren Teil der Strafe sei gemäss Art.
44 Abs. 1 StGB auf zwei Jahre festzulegen. Eventualiter sei das Urteil des
Kantonsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 13. Februar 2007 aufzuheben
und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

  Das Kantonsgericht Basel-Landschaft und der Beschwerdegegner beantragen
die Abweisung der Beschwerde. Eventualiter stellt der Beschwerdegegner den
Antrag, er sei in Gutheissung der Beschwerde mit einer Freiheitsstrafe von
zwei Jahren zu bestrafen, wobei der Vollzug der Strafe gestützt auf Art. 42
Abs. 1 StGB ganz aufzuschieben sei.

  Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in Strafsachen gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

  2.  Die Beschwerdeführerin wendet sich ausschliesslich gegen die
Strafzumessung.

  2.1  Die Vorinstanz hat erwogen, in Gesamtwürdigung der Tat- und
Täterkomponenten sei von einem schweren Verschulden des Beschwerdegegners
auszugehen. In Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils erscheine deshalb -
wenngleich am oberen Rand liegend - eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren als
grundsätzlich angemessen. Da beim Beschwerdegegner keine Anzeichen
ersichtlich seien, welche die Vermutung der günstigen Prognose im Sinne von
Art. 42 Abs. 1 StGB widerlegen würden, sei der bedingte Strafvollzug zu
gewähren. Die alleinige Verhängung einer bedingten Freiheitsstrafe werde
jedoch dem schweren Verschulden des Beschwerdegegners nicht gerecht. In
Anbetracht aller wesentlichen Umstände des konkreten Falls, so insbesondere
des fortgeschrittenen Alters (Jahrgang 1941) und der angeschlagenen
Gesundheit des Beschwerdegegners, seines guten Leumunds und der fehlenden
Rückfallgefahr, sei es sinnvoller, die bedingte Freiheitsstrafe gestützt auf
Art. 42 Abs. 4 StGB mit einer unbedingten Geldstrafe zu verbinden, statt den
Vollzug der Freiheitsstrafe gemäss Art. 43 StGB nur teilweise aufzuschieben.
Dem schweren Verschulden des Beschwerdegegners entsprechend

erscheine es geboten, einen Viertel der grundsätzlich als angemessen
qualifizierten Freiheitsstrafe von zwei Jahren in die Form der unbedingten
Geldstrafe zu kleiden. Im Ergebnis sei der Beschwerdegegner zu 18 Monaten
Freiheitsstrafe, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren,
sowie zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à Fr. 130.- (insgesamt Fr.
23'400.-) zu verurteilen.

  2.2  Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Aufteilung einer als
angemessen erachteten Freiheitsstrafe von zwei Jahren in eine Geld- und
Freiheitsstrafe verletze Bundesrecht. Art. 42 Abs. 4 StGB sei so auszulegen,
dass eine Geldstrafe nur zusätzlich zu einer Freiheitsstrafe ausgesprochen
werden könne. Eine Geldstrafe könne nicht Bestandteil der Freiheitsstrafe
sein, da es sich um zwei unterschiedliche Sanktionsarten handle. Der
Umrechnungsschlüssel von Art. 36 Abs. 1 Satz 2 StGB, wonach ein Tagessatz
Geldstrafe einem Tag Freiheitsstrafe entspricht, könne nur dort gelten, wo
die kurze Freiheitsstrafe nicht möglich sei, d.h. im Bagatellbereich. Der
Gesetzgeber habe nicht die Absicht verfolgt, mehrjährige Freiheitsstrafen
auch nur teilweise mit Geldstrafen zu ersetzen. Insbesondere könne es nicht
dem Sinn und Zweck der Regelung entsprechen, mit der Geldstrafe
gewissermassen den Strafrahmen der Freiheitsstrafe einzuschränken. Aufgrund
des schweren Verschuldens des Beschwerdegegners sei vorliegend eine
teilbedingte Strafe auszusprechen.

Erwägung 3

  3.  Am 1. Januar 2007 ist die Revision des Allgemeinen Teils des
Strafgesetzbuches in Kraft getreten. Sie brachte eine grundlegende
Neuordnung des Sanktionensystems (Botschaft des Bundesrates zur Änderung des
Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. September 1998 [im Folgenden:
Botschaft 1998]; BBl 1999 S. 1984). Zentrales Anliegen der Revision war das
Zurückdrängen der kurzen Freiheitsstrafe, die Einführung alternativer
Sanktionen wie der Geldstrafe oder der gemeinnützigen Arbeit als
eigenständige Sanktionsform sowie die Ausdehnung des bedingten
Strafvollzuges (Botschaft 1998, S. 2017 ff., 2024 ff., 2032 ff., 2048 ff.).
Daneben wurde die sog. teilbedingte Strafe als Mittellösung zwischen dem
vollständigen Aufschub der Strafe und deren Vollzug eingeführt.

Erwägung 4

  4.

  4.1  Art. 42 StGB ("bedingte Strafen") regelt die Gewährung des bedingten
Strafvollzuges: Das Gericht schiebt den Vollzug einer Freiheitsstrafe von
mindestens sechs Monaten und höchstens zwei

Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig
erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen
abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB). Eine bedingte Strafe kann mit einer
unbedingten Geldstrafe oder mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden
werden (Art. 42 Abs. 4 StGB).

  4.2  In subjektiver Hinsicht hat das Gericht für die Gewährung des
bedingten Strafvollzuges wie bisher eine Prognose über das zukünftige
Verhalten des Täters zu stellen.

  4.2.1  Die vom Bundesgericht entwickelten Prognosekriterien bleiben
weiterhin massgebend. Bei der Prüfung, ob der Verurteilte für ein dauerndes
Wohlverhalten Gewähr bietet, ist eine Gesamtwürdigung aller wesentlichen
Umstände vorzunehmen. In die Beurteilung mit einzubeziehen sind neben den
Tatumständen auch das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren
Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die
Aussichten seiner Bewährung zulassen. Für die Einschätzung des
Rückfallrisikos ist ein Gesamtbild der Täterpersönlichkeit unerlässlich.
Relevante Faktoren sind etwa strafrechtliche Vorbelastung,
Sozialisationsbiographie und Arbeitsverhalten, das Bestehen sozialer
Bindungen, Hinweise auf Suchtgefährdungen usw. Dabei sind die persönlichen
Verhältnisse bis zum Zeitpunkt des Entscheides mit einzubeziehen. Es ist
unzulässig, einzelnen Umständen eine vorrangige Bedeutung beizumessen und
andere zu vernachlässigen oder überhaupt ausser Acht zu lassen. Wie bei der
Strafzumessung (Art. 50 StGB) müssen die Gründe im Urteil so wiedergegeben
werden, dass sich die richtige Anwendung des Bundesrechts überprüfen lässt
(BGE 128 IV 193 E. 3a; 118 IV 97 E. 2b).

  4.2.2  Die Anforderungen an die Prognose der Legalbewährung für den
Strafaufschub liegen allerdings unter neuem Recht etwas tiefer. Früher
setzte der Aufschub der Strafe voraus, dass zu erwarten ist, der Verurteilte
werde sich durch eine bedingt vollziehbare Strafe von weiteren Delikten
abhalten lassen (Art. 41 Ziff. 1 aStGB). Die Erwartung künftigen
Wohlverhaltens hatte eine sehr bestimmte zu sein. Der Täter musste
zureichende Gewähr für eine dauernde Besserung bieten, um auf eine positive
Prognose schliessen zu können (BGE 100 IV 9 E. 2 S. 11). Eine bloss
unbestimmte Hoffnung, er werde sich künftig wohl verhalten, genügte für die
Gewährung des bedingten Strafvollzugs nicht (BGE 100 IV 133).

  Nach Art. 42 Abs. 1 StGB hat das Gericht neu den Vollzug der Strafe in der
Regel aufzuschieben, "wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig

erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen
abzuhalten". Das bedeutet natürlich nicht, dass das Gericht eine
Wirkungsprognose darüber abzugeben hat, ob eine unbedingte Strafe zur
Verhinderung künftiger Delinquenz geeignet und notwendig ist (siehe dazu
GÜNTER STRATENWERTH, Das künftige System der Sanktionen im
Erwachsenenstrafrecht - ein kriminalpolitischer Fortschritt?, in: Zwischen
Mediation und Lebenslang, Zürich 2002, S. 375). Die Neufassung hat eine
andere Bedeutung: Während früher eine günstige Prognose erforderlich war,
genügt nunmehr das Fehlen einer ungünstigen Prognose (Botschaft 1998, S.
2049). Die Lehre spricht in diesem Zusammenhang von einer Vermutungsumkehr,
mit der das Hauptgewicht weiter zu Gunsten des bedingten Vollzuges verlagert
werden soll (ESTHER OMLIN, Strafgesetzbuch, Revision des Allgemeinen Teils,
Basel 2006, S. 9; GEORGES GREINER, Bedingte und teilbedingte Strafen,
Strafzumessung, in: Zur Revision des Allgemeinen Teils des Schweizerischen
Strafrechts und zum neuen materiellen Jugendstrafrecht, Felix
Bänziger/Annemarie Hubschmid/Jürg Sollberger [Hrsg.], 2. Aufl., Bern 2006,
S. 99; BRIGITTE TAG, Strafgesetzbuch: Ein Überblick über die Neuerungen,
Plädoyer 2007 1 S. 38). Die Gewährung des Strafaufschubes setzt mit anderen
Worten nicht mehr die positive Erwartung voraus, der Täter werde sich
bewähren, sondern es genügt die Abwesenheit der Befürchtung, dass er es
nicht tun werde. Der Strafaufschub ist deshalb die Regel, von der
grundsätzlich nur bei ungünstiger Prognose abgewichen werden darf. Er hat im
breiten Mittelfeld der Ungewissheit den Vorrang (Botschaft 1998, S. 2049;
GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, 2.
Aufl., Bern 2006, § 5 Rz. 38 S. 139).

  4.2.3  Eine Besonderheit in der Prognosebildung gilt für den Fall, dass
der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer
Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder einer Geldstrafe von
mindestens 180 Tagessätzen verurteilt worden ist (Art. 42 Abs. 2 StGB).
Liegt ein Rückfall im Sinne dieser Bestimmung vor, ist der Aufschub nur
zulässig, "wenn besonders günstige Umstände vorliegen". Darunter sind solche
Umstände zu verstehen, die ausschliessen, dass die Vortat die Prognose
verschlechtert (Botschaft 1998, S. 2050). Bei Art. 42 Abs. 2 StGB gilt
demnach die Vermutung einer günstigen Prognose bzw. des Fehlens einer
ungünstigen Prognose nicht. Vielmehr kommt der früheren Verurteilung
zunächst die Bedeutung eines Indizes für die Befürchtung zu, dass der Täter
weitere

Straftaten begehen könnte (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, a.a.O.,
§ 5 Rz. 42 S. 141). Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kommt daher
nur in Betracht, wenn eine Gesamtwürdigung aller massgebenden Faktoren den
Schluss zulässt, dass trotz der Vortat eine begründete Aussicht auf
Bewährung besteht. Dabei ist zu prüfen, ob die indizielle Befürchtung durch
die besonders günstigen Umstände zumindest kompensiert wird (ähnlich:
GREINER, a.a.O., S. 101). Das trifft etwa zu, wenn die neuerliche Straftat
mit der früheren Verurteilung in keinerlei Zusammenhang steht, oder bei
einer besonders positiven Veränderung in den Lebensumständen des Täters
(Botschaft 1998, S. 2050; GREINER, a.a.O., S. 101; STRATENWERTH, a.a.O., § 5
Rz. 42 S. 141). Jedenfalls ist bei eindeutig günstiger Prognose der
Strafaufschub stets zu gewähren (vgl. STRATENWERTH, a.a.O., § 5 Rz. 42 S.
141).

  Die Vorschrift von Art. 42 Abs. 2 StGB stellt klar, dass der Rückfall für
sich genommen den bedingten Strafvollzug nicht auszuschliessen vermag, im
Gegensatz zum früheren Recht (Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB). Danach war der
Aufschub unzulässig, wenn der Verurteilte innerhalb der letzten fünf Jahre
vor der Tat wegen eines vorsätzlich begangenen Verbrechens oder Vergehens
eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verbüsst hat. Die neue
Regelung begünstigt den bedingten Strafvollzug damit in zweifacher Hinsicht.
Zum einen ist das Strafmass, das gegen eine günstige Prognose spricht,
praktisch verdoppelt worden (auf sechs Monate). Zum anderen stellt selbst
die Verurteilung von dieser Tragweite keinen objektiven Ausschlussgrund mehr
dar, sondern ist in jedem Fall in die Prognosebildung miteinzubeziehen
(STRATENWERTH, a.a.O., § 5 Rz. 40 ff. S. 140 f.; zu den eher theoretischen
Verschärfungen: GREINER, a.a.O., S. 100 f.).

  4.2.4  Bei der Prognose über das künftige Legalverhalten ist als weiteres
Indiz zu berücksichtigen, ob der Täter die zumutbare Schadenbehebung
unterlassen hat (Art. 42 Abs. 3 StGB). Zu denken ist etwa an Fälle, in denen
der Täter nach einer behördlichen Aufforderung oder einer Schuldanerkennung
sich trotz Ersatzfähigkeit weigert, den verursachten Schaden zu ersetzen
(OMLIN, a.a.O., S. 10; vgl. BGE 77 IV 136 E. 2).

  4.3  In objektiver Hinsicht setzt der Aufschub einer Freiheitsstrafe
einzig eine Untergrenze (mindestens sechs Monate) und eine Obergrenze
(höchstens zwei Jahre) voraus, womit die Zulässigkeitsschranke

des bedingten Strafvollzuges von bisher 18 Monaten angehoben wurde.

  4.4  Mit der Umschreibung der subjektiven und objektiven Voraussetzungen
des bedingten Strafvollzuges hat der Gesetzgeber ein insgesamt erfolgreiches
Institut ausgebaut. Dabei hat er die Ungewissheit in der Prognosestellung
berücksichtigt, in der Erkenntnis, dass sich 90 Prozent der verurteilten
Personen während der Probezeit bewähren, und geleitet vom Grundgedanken,
dass auf die Vollstreckung der Strafe (vorerst) verzichtet werden soll, wenn
dies unter spezialpräventiven Gesichtspunkten als sinnvoll erscheint
(Botschaft 1998, S. 2048, 2052).

  4.5
  4.5.1  Aufgrund einer nachträglichen Gesetzesanpassung wurde Art. 42 Abs.
4 StGB eingeführt, der eine Strafenkombination erlaubt. Dadurch soll im
Bereich der Massendelinquenz die Möglichkeit geschaffen werden, eine
spürbare Sanktion zu verhängen. Die Bestimmung dient vorab dazu, die
Schnittstellenproblematik zwischen der unbedingten Busse (für Übertretungen)
und der bedingten Geldstrafe (für Vergehen) zu entschärfen (Botschaft des
Bundesrates zur Änderung des Strafgesetzbuches in der Fassung vom 13.
Dezember 2002 vom 29. Juni 2005 [im Folgenden: Botschaft 2005]; BBl 2005 S.
4689, 4695, 4699 ff.). Insoweit, also im Bereich der leichten Kriminalität,
übernimmt sie auch Aufgaben der Generalprävention.

  4.5.2  Darüber hinaus erhöht die Strafenkombination ganz allgemein die
Flexibilität des Gerichts bei der Auswahl der Strafart. Sie kommt in
Betracht, wenn man dem Täter den bedingten Vollzug der Freiheitsstrafe
gewähren möchte, ihm aber dennoch in gewissen Fällen mit der Auferlegung
einer zu bezahlenden Geldstrafe oder Busse einen spürbaren Denkzettel
verabreichen möchte. Die Strafenkombination dient hier spezialpräventiven
Zwecken. Das Hauptgewicht liegt auf der bedingten Freiheitsstrafe, während
der unbedingten Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse nur untergeordnete
Bedeutung zukommt. Diese soll nicht etwa zu einer Straferhöhung führen oder
eine zusätzliche Strafe ermöglichen. Sie erlaubt lediglich innerhalb der
schuldangemessenen Strafe eine täter- und tatangemessene Sanktion, wobei die
an sich verwirkte Freiheitsstrafe und die damit verbundene Geldstrafe bzw.
Busse in ihrer Summe schuldangemessen sein müssen (BGE 124 IV 134 E. 2c/bb).
Die Strafenkombination, wie sie Art. 42 Abs. 4 StGB vorsieht, ist im
Verlaufe der Revision als "sursis qualitativement partiel" bezeichnet
worden.

Erwägung 5

  5.

  5.1  Mit Art. 43 StGB (dt. "teilbedingte Strafen"; frz. "sursis partiel à
l'exécution de la peine; ital. "pene con condizionale parziale") wird für
die schweizerische Rechtsordnung ein bislang unbekanntes Institut
eingeführt: Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von
mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren nur teilweise aufschieben,
wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu
tragen (Art. 43 Abs. 1 StGB). Der unbedingt vollziehbare Teil darf die
Hälfte der Strafe nicht übersteigen (Art. 43 Abs. 2 StGB); sowohl der
aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil der Freiheitsstrafe muss
mindestens sechs Monate betragen (Art. 43 Abs. 3 StGB).

  5.2  Die Grundidee der teilbedingten Strafe ist in erster Linie auf den
teilweisen Aufschub bzw. Vollzug von Freiheitsstrafen zugeschnitten. Das
Gericht kann einen (kleinen) Teil der Strafe als unbedingt vollziehbar
erklären, während der Vollzug des anderen (grösseren) Teils zur Bewährung
ausgesetzt wird. Der Bundesrat hat dieses Rechtsinstitut "trotz Bedenken"
vorgeschlagen im Wesentlichen aus folgenden Überlegungen: (1.) Das Gericht
steht mit dem sursis partiel nicht mehr vor dem Entscheid "Alles oder
Nichts", sondern erhält einen grösseren Ermessensspielraum und kann die
Strafe besser individualisieren. (2.) Der sursis partiel kann dazu
beitragen, dass die Richter bei Strafen zwischen 18 und 36 Monaten eher zu
einer günstigen Prognose neigen, wenn ein Teil der Strafe unbedingt
vollzogen werden kann. Damit wird der Befürchtung begegnet, die Richter
würden bei einer Anhebung des bedingten Strafvollzuges auf 36 Monate
vermehrt unbedingte Strafen ausfällen (sog. ergebnisorientierte
Sanktionsentscheidungen), was eine spürbare Mehrbelastung des Strafvollzuges
zur Folge haben könnte. (3.) Der sursis partiel kann dazu führen, dass
Freiheitsstrafen zwischen zwölf und achtzehn Monaten, die sonst unbedingt
ausgesprochen würden, teilbedingt verhängt werden (Botschaft 1998, S. 2052
f.).

  Die vom Bundesrat vorgeschlagene Anhebung der Obergrenze beim bedingten
Strafvollzug von achtzehn Monaten auf drei Jahre wurde vom Parlament als zu
weitgehend empfunden, und es reduzierte die Obergrenze auf zwei Jahre (Art.
42 Abs. 1 StGB). In der parlamentarischen Beratung wurde dabei
verschiedentlich Bezug genommen auf die Einführung des sursis partiel (Voten
Cina, Leuthard und de Dardel, AB 2001 N 561 f.; zum Zusammenhang:
KARL-LUDWIG KUNZ, Zur Neugestaltung der Sanktionen des Schweizerischen
Erwachsenenstrafrechtes,

ZStrR 117/1999 S. 248; ANDRÉ KUHN, Le sursis et le sursis partiel selon le
nouveau Code pénal, ZStrR 121/2003 S. 273).

  Die Abgrenzung zwischen dem bedingten und dem teilbedingten Strafvollzug
blieb im Gesetzgebungsprozess unklar. Nach der bundesrätlichen Botschaft war
darauf abzustellen, ob der Aufschub der Strafe nicht notwendig erscheint, um
den Täter von weiteren Verbrechen und Vergehen abzuhalten, bzw. ob der
Teilvollzug unter dem nämlichen Gesichtspunkt als notwendig erscheint (Art.
43 gemäss Botschaft 1998, S. 2309). Im Auftrag der Rechtskommission des
Ständerates erarbeitete die Verwaltung in der Folge einen Vorschlag zum
sursis partiel, der sich nicht nur auf Freiheitsstrafen, sondern auf alle
Strafarten beziehen sollte. Bei dieser Gelegenheit wurde der Gesetzestext
neu gefasst und die sog. Verschuldensklausel eingeführt (Art. 43 Abs. 1
StGB). Die Voraussetzungen des "Verschuldens" wurden nicht mehr schriftlich
begründet und auch in der Rechtskommission des Ständerates nicht mehr
angesprochen. Der Vorschlag wurde Gesetz - und blieb damit in einem
entscheidenden Punkt ohne nähere Begründung (GREINER, a.a.O., S. 114 und
Anm. 42; FRANZ RIKLIN, Strafen und Massnahmen im Überblick, in: Die Revision
des Strafgesetzbuches Allgemeiner Teil, Brigitte Tag/Max Hauri [Hrsg.],
Zürich 2006, S. 90 f.).

  5.3
  5.3.1  Grundvoraussetzung für die teilbedingte Strafe im Sinne von Art. 43
StGB ist, dass eine begründete Aussicht auf Bewährung besteht. Zwar fehlt
ein entsprechender Verweis auf Art. 42 StGB, doch ergibt sich dies aus Sinn
und Zweck von Art. 43 StGB. Wenn und soweit die Legalprognose des Täters
nicht schlecht ausfällt, verlangt die Bestimmung, dass zumindest ein Teil
der Strafe auf Bewährung ausgesetzt wird. Umgekehrt gilt, dass bei einer
Schlechtprognose auch ein bloss teilweiser Aufschub der Strafe nicht
gerechtfertigt ist. Denn wo keinerlei Aussicht besteht, der Täter werde sich
in irgendeiner Weise durch den - ganz oder teilweise - gewährten
Strafaufschub beeinflussen lassen, muss die Strafe in voller Länge vollzogen
werden. Die Auffassung, dass die subjektiven Voraussetzungen von Art. 42
StGB auch für die Anwendung von Art. 43 StGB gelten müssen, entspricht ganz
überwiegender Lehrmeinung (statt vieler STRATENWERTH, a.a.O., § 5 Rz. 50 S.
144; GREINER, a.a.O., S. 111 ff.; SCHWARZENEGGER/HUG/JOSITSCH, Strafrecht
II, 8. Aufl., Zürich 2007, S. 130 ff.; a.M. KUHN, a.a.O., ZStrR 121/2003 S.
273 und Anm. 36).

  5.3.2  Die objektiven Voraussetzungen der beiden Bestimmungen stimmen
hingegen nicht überein, wodurch sich der bedingte Strafvollzug (Art. 42
StGB) vom teilbedingten Vollzug (Art. 43 StGB) abgrenzt. Teilbedingte
Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr sind unzulässig. Für Strafen bis zu zwei
Jahren ergibt sich ein überschneidender Anwendungsbereich mit Art. 42 StGB,
während für Strafen von zwei bis drei Jahren ausschliesslich Art. 43 StGB
zur Anwendung gelangt. Rechtsvergleichend ist an dieser Stelle festzuhalten,
dass die Schweiz praktisch als einzige europäische Rechtsordnung (mit
Ausnahme von Österreich) für den bedingten und den teilbedingten
Strafvollzug verschiedene zeitliche Begrenzungen kennt (GREINER, a.a.O., S.
110 und 119 ff.).

  5.3.3  Die Voraussetzung, dass eine teilbedingte Strafe nach Art. 43 StGB
notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen,
d.h. in angemessener Weise (so der französische Wortlaut: de façon
appropriée), ist weitgehend unklar. Unter dem Begriff des Verschuldens ist
das Mass der Vorwerfbarkeit des Rechtsbruchs zu verstehen, er umfasst den
gesamten Unrechts- und Schuldgehalt der konkreten Straftat (BGE 129 I 6 E.
6.1). Der Begriffsinhalt richtet sich nach der Legaldefinition von Art. 47
Abs. 2 StGB. Gemeint ist die Strafzumessungsschuld. Das Verschulden ist
daher zunächst und vor allem ein Bemessungskriterium bei der Strafzumessung.

  Für die Beurteilung, ob eine teilbedingte Strafe wegen des Verschuldens
des Täters und unter Berücksichtigung seiner Bewährungsaussichten als
notwendig erscheint, kann es indessen auf die Strafzumessungsschuld nicht
mehr in gleicher Weise ankommen. Denn im Zeitpunkt, in dem das Gericht über
die Gewährung des Strafaufschubes befindet, muss die Strafhöhe bereits
feststehen, und es geht nur noch um die angemessene Vollzugsform. Allerdings
verknüpft das Gesetz die Frage nach der schuldangemessenen Strafe und jene
nach deren Aufschub insoweit, als es den bedingten Strafvollzug für Strafen
ausschliesst, die zwei Jahre übersteigen. Die Notwendigkeit einer
teilbedingten Freiheitsstrafe ergibt sich dann als Folge der Schwere des
Verschuldens, das sich in einer Strafhöhe zwischen zwei und drei Jahren
niederschlägt. Darin liegt ein Anhaltspunkt für die Bedeutung der
Verschuldensklausel.

  5.4  Zu klären ist, ob für Freiheitsstrafen bis zwei Jahre (im
überschneidenden Anwendungsbereich von Art. 42/43 StGB) eine ähnliche

Verknüpfung im Hinblick auf anerkannte Strafzwecke zu erfolgen hat.

  5.4.1  Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind die Strafzwecke
gegeneinander abzuwägen und in eine Rangfolge zu bringen, wobei dem Anliegen
der Spezialprävention grundsätzlich ein Vorrang zukommt. Zum einen dient das
Strafrecht in erster Linie nicht der "Vergeltung", sondern der
Verbrechensverhütung (BGE 129 IV 161 E. 4.2 S. 164 mit Hinweisen). Dies
bringt der Gesetzgeber nicht nur mit der Bezeichnung der Resozialisierung
als Ziel des Strafvollzuges zum Ausdruck (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 StGB),
sondern insbesondere auch mit der Ausweitung des bedingten Strafvollzugs als
ausgesprochen spezialpräventive Einrichtung (HANS SCHULTZ, Einführung in den
Allgemeinen Teil des Strafrechts, Zweiter Band, 4. Aufl., Bern 1982, S. 96).
Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass im Konfliktsfall ein "Vorrang" der
Generalprävention spezialpräventive Ziele zu vereiteln droht, die
Bevorzugung der Spezialprävention hingegen die generalpräventiven Wirkungen
einer Sanktion nicht zum Vornherein ausschliesst, sondern höchstens in einer
schwer messbaren Weise abschwächt. Die Strafzwecke bilden ein komplexes
Verhältnis wechselseitiger Ergänzung, wobei je nach Sachzusammenhang das
eine oder das andere Kriterium stärker hervortritt (BGE 124 IV 246 E. 2b S.
248; 120 IV 1 E. 2b S. 4, je mit Hinweisen).

  5.4.2  Der Sinn des Instituts der teilbedingten Freiheitsstrafen ist vor
dem Hintergrund der kriminalpolitischen Auseinandersetzung um die kurze
Freiheitsstrafe zu verstehen. Vereinfachend lässt sich diese auf zwei
Argumentationsmodelle zurückführen. Nach dem einen dient der Teilvollzug zur
Abschreckung Dritter oder zur exemplarischen Bestrafung bei weit
verbreiteten Delikten der kleineren und mittleren Kriminalität (z.B.
SVG-Delikte), orientiert sich also vornehmlich an generalpräventiven und
Vergeltungszwecken. Der Gefahr, dass der bedingte Strafvollzug seine
Warnwirkung verliere, sei mit einer spürbaren Reaktion in Form eines kurzen
Freiheitsentzuges zu begegnen (sog. short sharp shock). Das zweite Modell
betont den Strafzweck der Spezialprävention und zielt auf eine Milderung
strafrechtlicher Eingriffsintensität hin. Der Teilvollzug soll nur zur
Anwendung gelangen, wenn eine unbedingte Freiheitsstrafe ohnehin
unumgänglich ist, und dadurch einen Beitrag zur Zurückdrängung des
Freiheitsentzuges und zur Entlastung der Gefängniskapazitäten leistet (zum
Ganzen MARKUS HANS KNÜSEL, Die teilbedingte Freiheitsstrafe, Diss. Bern
1995, S. 92, 124, 175 ff. und passim).

  5.4.3  Erklärtes Ziel der Revision war, mit teilbedingten Strafen im Sinne
von Art. 43 StGB die Sanktion in erhöhtem Masse zu individualisieren und den
Strafvollzug zu entlasten, namentlich dort, wo früher eine unbedingte Strafe
verhängt werden musste. Das gilt ohne Einschränkung für zwei Jahre
übersteigende Freiheitsstrafen, wobei die Möglichkeit zur Individualisierung
durch die Obergrenze des bedingten Strafvollzugs (Art. 42 Abs. 1 StGB) bzw.
die Verschuldensklausel (Art. 43 Abs. 1 StGB) begrenzt wird. Wohl trifft zu,
dass solche Freiheitsstrafen, selbst wenn deren Aufschub unter
spezialpräventiven Gesichtspunkten vorzuziehen wäre, immerhin zum
Schuldausgleich teilweise vollstreckt werden müssen. Etwas anderes muss
jedoch für Freiheitsstrafen gelten, die zwei Jahre nicht überschreiten (in
diesem Sinn SCHWARZENEGGER/HUG/JOSITSCH, a.a.O., S. 126 ff., 131, 139 ff.;
MARKUS HUG, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, 17. Aufl., Zürich 2006, zu
Art. 43 StGB; a.M. offenbar STRATENWERTH, a.a.O., § 5 Rz. 50 S. 144; vgl.
aber ders., Die Wahl der Sanktionen, insbesondere nach revidiertem AT StGB,
in: Strafjustiz und Rechtsstaat, Marcel Alexander Niggli/Nicolas Queloz
[Hrsg.], Zürich 2003, S. 12). Das Gesetz statuiert hier nämlich die Regel
von Art. 42 StGB, die vorgeht. Daran knüpft sich die Erwartung, der
Verurteilte werde sich unter dem Eindruck des drohenden Strafvollzuges (und
allfälliger Weisungen und Bewährungshilfen) in Freiheit selbst bessern, ohne
dass ein unmittelbarer Zugriff zum Ausgleich des bewirkten Unrechts
angeordnet werden dürfte. Der Strafzweck des Schuldausgleichs (das
Vergeltungsprinzip) besagt denn auch nur, dass die Strafe der Grösse der
Schuld entsprechen soll, was eine drastische Bestrafung des Täters bei
geringem Verschulden verbietet (CLAUS ROXIN, Strafrecht, Allgemeiner Teil,
Bd. I, 4. Aufl., München 2006, § 3 Rz. 2 ff., insbes. Rz. 7 S. 72). Über
diese begrenzende Funktion hinaus kommt ihm keine weitere Bedeutung zu,
nicht bei der Strafzumessung und erst recht nicht beim Vollzug, weil dieser
dem vorrangigen Anliegen der Spezialprävention dient. So hat das
Bundesgericht in Vollzugsfragen wiederholt auf den Grundsatz "nil nocere"
hingewiesen, der gebietet, den Verurteilten bei einer sich abzeichnenden
Resozialisierung möglichst wenig zu gefährden (BGE 121 IV 97 E. 2c mit
Hinweis).

  Ebenso wenig kann massgebend sein, ob die teilweise Vollstreckung der
Strafe unter generalpräventiven Gesichtspunkten als geboten erscheint, um
andere von der Begehung von Verbrechen oder Vergehen abzuhalten. Eine solche
Vorbehaltsklausel, wie sie das Strafgesetzbuch

Österreichs zum Zwecke der Generalprävention kennt (§ 43 Abs. 1 österr.
StGB), sieht Art. 43 StGB nicht vor. Auf eine entsprechende Anpassung des
Gesetzestextes wurde ausdrücklich verzichtet (Botschaft 2005, S. 4708).
Hinzuzufügen ist, dass der Gesetzgeber dem Konzept des short sharp shock
eine Absage erteilt hat mit der Vorschrift, dass mindestens sechs Monate der
Freiheitsstrafe (Art. 43 Abs. 3 StGB) zu vollziehen sind (RIKLIN, a.a.O., S.
87; ders., Die Sanktionierung von Verkehrsdelikten nach der
Strafrechtsreform, ZStrR 122/2004 S. 171), was nicht zulässt, zur
Befriedigung generalpräventiver Bedürfnisse am individuellen Täter ein
Exempel zu statuieren. Aus diesen Gründen darf die Gewährung des bedingten
Strafvollzuges im Sinne von Art. 42 StGB nicht zugunsten anderer Strafzwecke
als jenen der Spezialprävention verweigert werden.

  5.5  Nach den dargelegten Grundsätzen ist der Anwendungsbereich der
teilbedingten Freiheitsstrafen im Sinne von Art. 43 StGB zu konkretisieren.

  5.5.1  Für Freiheitsstrafen, die über der Grenze für bedingte Strafen
liegen (zwischen zwei und drei Jahren), sieht Art. 43 StGB einen
eigenständigen Anwendungsbereich vor. An die Stelle des vollbedingten
Strafvollzuges, der hier ausgeschlossen ist (Art. 42 Abs. 1 StGB), tritt der
teilbedingte Vollzug, wenn die subjektiven Voraussetzungen dafür gegeben
sind. Der Zweck der Spezialprävention findet seine Schranke am gesetzlichen
Erfordernis, dass angesichts der Schwere des Verschuldens wenigstens ein
Teil der Strafe zu vollziehen ist. Hierin liegt die "hauptsächliche
Bedeutung" bzw. der "Hauptanwendungsbereich" von Art. 43 StGB
(SCHWARZENEGGER/HUG/JOSITSCH, a.a.O., S. 140; THOMAS MANHART, Bedingte und
teilbedingte Strafen sowie kurze unbedingte Freiheitsstrafen, in: Die
Revision des Strafgesetzbuches Allgemeiner Teil, Brigitte Tag/Max Hauri
[Hrsg.], Zürich 2006, S. 131).

  5.5.2  Für Freiheitsstrafen im überschneidenden Anwendungsbereich von Art.
42/43 StGB (zwischen einem und zwei Jahren) gilt Folgendes: Der
Strafaufschub nach Art. 42 StGB ist die Regel, die grundsätzlich vorgeht.
Der teilbedingte Vollzug bildet dazu die Ausnahme. Sie ist nur zu bejahen,
wenn der Aufschub wenigstens eines Teils der Strafe aus spezialpräventiver
Sicht erfordert, dass der andere Strafteil unbedingt ausgesprochen wird
(ROBERT JERABEK, in: Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Frank
Höpfel/Eckart Ratz [Hrsg.], 2. Aufl., Wien 2003, N. 11 zu § 43a Abs. 3).
Damit verhält es sich

ähnlich wie bei der Beurteilung der Bewährungsaussichten im Fall eines
Widerrufs einer bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe (BGE 116 IV 97).
Ergeben sich - inbesondere aufgrund früherer Verurteilungen - ganz
erhebliche Bedenken an der Legalbewährung des Täters, die bei einer
Gesamtwürdigung aller Umstände eine eigentliche Schlechtprognose noch nicht
zu begründen vermögen, so kann das Gericht an Stelle des Strafaufschubs den
teilbedingten Vollzug gewähren. Auf diesem Wege kann es im Bereich höchst
ungewisser Prognosen dem Dilemma "Alles oder Nichts" entgehen. Art. 43 StGB
hat die Bedeutung, dass die Warnwirkung des Teilaufschubes angesichts des
gleichzeitig angeordneten Teilvollzuges für die Zukunft eine weitaus bessere
Prognose erlaubt. Erforderlich ist aber stets, dass der teilweise Vollzug
der Freiheitsstrafe für die Erhöhung der Bewährungsaussichten unumgänglich
erscheint. Das trifft nicht zu, solange die Gewährung des bedingten
Strafvollzugs, kombiniert mit einer Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse (Art.
42 Abs. 4 StGB), spezialpräventiv ausreichend ist. Diese Möglichkeit hat das
Gericht vorgängig zu prüfen.

  5.6  Schliesslich hat das Gericht, wenn es auf eine teilbedingte Strafe
erkennt, im Zeitpunkt des Urteils den aufgeschobenen und den zu
vollziehenden Strafteil festzusetzen und die beiden Teile in ein
angemessenes Verhältnis zu bringen. Nach Art. 43 muss der unbedingt
vollziehbare Teil mindestens sechs Monate betragen (Abs. 3), darf aber die
Hälfte der Strafe nicht übersteigen (Abs. 2). Im äussersten Fall
(Freiheitsstrafe von drei Jahren) kann das Gericht demnach Strafteile im
Ausmass von sechs Monaten Freiheitsstrafe unbedingt mit zweieinhalb Jahren
bedingt verbinden. Innerhalb des gesetzlichen Rahmens liegt die Festsetzung
im pflichtgemässen Ermessen des Gerichts. Als Bemessungsregel ist das
"Verschulden" zu beachten, dem in genügender Weise Rechnung zu tragen ist
(Art. 43 Abs. 1 StGB). Das Verhältnis der Strafteile ist so festzusetzen,
dass darin die Wahrscheinlichkeit der Legalbewährung des Täters einerseits
und dessen Einzeltatschuld anderseits hinreichend zum Ausdruck kommen. Je
günstiger die Prognose und je kleiner die Vorwerfbarkeit der Tat, desto
grösser muss der auf Bewährung ausgesetzte Strafteil sein. Der unbedingte
Strafteil darf dabei das unter Verschuldensgesichtspunkten (Art. 47 StGB)
gebotene Mass nicht unterschreiten.

Erwägung 6

  6.  Im zu beurteilenden Fall stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:

  6.1  Wie dargelegt bildet der teilbedingte Vollzug bei Freiheitsstrafen im
überschneidenden Anwendungsbereich von Art. 42/43 StGB

die Ausnahme, welche nur Anwendung findet, wenn der Aufschub wenigstens
eines Teils der Strafe aus spezialpräventiver Sicht erfordert, dass der
andere Strafteil unbedingt ausgesprochen wird. Insbesondere in Anbetracht
der Tatsache, dass der Beschwerdegegner nicht vorbestraft ist, bestehen
vorliegend keine ganz erheblichen Bedenken an dessen Legalbewährung, so dass
der teilweise Vollzug der Freiheitsstrafe für die Erhöhung der
Bewährungsaussichten nicht unumgänglich erscheint. Vielmehr ist entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin im zu beurteilenden Fall die Gewährung des
bedingten Strafvollzugs - allenfalls in Kombination mit einer
Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse (Art. 42 Abs. 4 StGB) - spezialpräventiv
ausreichend.

  6.2  Allerdings hat, wie ausgeführt, bei der Strafenkombination nach Art.
42 Abs. 4 StGB das Hauptgewicht auf der bedingten Freiheitsstrafe zu liegen,
während der unbedingten Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse nur untergeordnete
Bedeutung zukommt.

  Mit der Verhängung einer unbedingten Geldstrafe in der Höhe von 180
Tagessätzen bzw. eines Viertels der schuldangemessenen Gesamtstrafe hat die
Vorinstanz jedoch der Verbindungsstrafe einen zu gewichtigen Stellenwert
eingeräumt und damit Art. 42 Abs. 4 StGB unrichtig angewendet.

  6.3  Im Ergebnis ist die Beschwerde deshalb gutzuheissen und das
angefochtene Urteil aufzuheben. Bei ihrer Neubeurteilung wird die Vorinstanz
auf der Grundlage der vom Bundesgericht entwickelten Kriterien zu prüfen
haben, ob es dem Verschulden entspricht, den Beschwerdegegner zu einer
bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von 24 Monaten zu verurteilen, oder ob
es angemessener erscheint, in Anwendung von Art. 42 Abs. 4 StGB eine
Freiheitsstrafe von weniger als 24 Monaten, verbunden mit einer
(untergeordneten) unbedingten Geldstrafe oder Busse auszusprechen. Dabei
muss es sich insgesamt um die dem Verschulden entsprechende Sanktion
handeln.

  6.4  Dem Beschwerdegegner, der eventualiter die Gutheissung der Beschwerde
beantragt hat, sind keine Kosten aufzuerlegen. Die Beschwerdeführerin hat
keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).