Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 II 249



Urteilskopf

134 II 249

30. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Procap
gegen Y. AG, Gemeinderat Grub und Departement Bau und Umwelt des Kantons
Appenzell A.Rh. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_48/2008 vom 9. Juli 2008

Regeste

Art. 8 Abs. 2, Art. 35 Abs. 3, Art. 190 BV; Behindertengleichstellungsgesetz
(BehiG); Art. 117 BauG/AR; Erneuerung von öffentlich zugänglichen Bauten oder
Anlagen. Auslegung des Begriffs des Zugangs gemäss Art. 2 Abs. 3 BehiG bei
Bauten und Anlagen im Sinne von Art. 3 lit. a BehiG (E. 3.3). Verhältnis von
Art. 3 lit. a zu Art. 7 Abs. 1 BehiG (E. 3.4 und 3.5). Umfang der
Anpassungspflicht nach Art. 7 Abs. 1 lit. a BehiG, wenn nur ein Teil der
öffentlich zugänglichen Bereiche des Gebäudes bzw. der entsprechenden Anlagen
erneuert wird (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 250

BGE 134 II 249 S. 250
Die Y. AG ist Eigentümerin einer Badeanstalt in der Gemeinde Grub (AR). Der für
das Publikum bestimmte Eingang erschliesst das Innenbad im Erdgeschoss, das
Aussenbad und einen Saunabetrieb im Untergeschoss (im Folgenden: alte Sauna).
Am 12. Mai 2006 erteilte der Gemeinderat Grub der Y. AG die Baubewilligung für
einen Um- und Anbau im Untergeschoss; in diesem Rahmen soll - auf der
gegenüberliegenden Seite der alten Sauna - ein weiterer Saunabetrieb (im
Folgenden: neue Sauna) eingerichtet werden. Das Publikum gelangt zur neuen
Sauna ausschliesslich über eine vorbestehende Treppe ab dem Innenbad.
Im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens für die neue Sauna verlangte die Procap
(ehemals: Schweizerischer Invaliden-Verband) die uneingeschränkte und
ungehinderte Zugänglichkeit und Benützbarkeit der ganzen Anlage für
Mobilitätsbehinderte und Sinnesbehinderte und legte eine entsprechende
Einsprache ein. Der Gemeinderat erachtete das Anliegen für den Bereich der
neuen Sauna und unter Berücksichtigung des eingerichteten Plattformlifts für
die Treppe zwischen neuer Sauna und Innenbad als erfüllt; insoweit erklärte er
die Einsprache am 12. Mai 2006 für gegenstandslos. Gleichzeitig lehnte er das
Begehren ab, soweit es das Erdgeschoss betraf.
Die Procap rekurrierte gegen den kommunalen Entscheid an das Departement Bau
und Umwelt des Kantons Appenzell A.Rh. Mit Entscheid vom 15. August 2006 hiess
das Departement den Rekurs teilweise gut. Es erwog zusammengefasst, nicht nur
der Anbau selbst, sondern auch alle der Nutzung dieses Gebäudeteils dienenden
Bereiche des Hauptbaus hätten behindertengerechten Anforderungen zu
entsprechen. Dies sei jedoch bei den bestehenden Badeanlagen nicht der Fall;
sie müssten nicht angepasst werden.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Appenzell A.Rh. wies die gegen den
Rekursentscheid erhobene Beschwerde der Procap mit Urteil vom 30. Mai 2007 in
der Sache ab. Dabei stellte es fest, dass insoweit nur noch die Forderung nach
Einstieghilfen in das Innen- und das Aussenbad umstritten war.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Procap gegen das
verwaltungsgerichtliche Urteil ab.
BGE 134 II 249 S. 251

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Die Beschwerde wirft die Frage auf, ob es eine Diskriminierung von
Mobilitätsbehinderten bedeutet, wenn die Bauherrschaft im Rahmen des Projekts
für die neue Sauna nicht verpflichtet wird, auch die vorbestehenden Becken des
Hallen- und des Freibads mit geeigneten Einstieghilfen auszustatten. Dabei
macht die Beschwerdeführerin ausschliesslich eine Verletzung von Bundesrecht
geltend. Ihre Rügen betreffen das Diskriminierungsverbot nach Art. 8 Abs. 2 BV
sowie Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 2002 über die
Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen
(Behindertengleichstellungsgesetz, BehiG; SR 151.3). Derartige Rügen sind nach
Art. 95 lit. a BGG zulässig (vgl. BGE 133 I 201 E. 1 S. 203).

2.2 Die Normen des BehiG geben - von hier nicht betroffenen Ausnahmen abgesehen
- lediglich grundsätzliche Regeln und Rahmenbedingungen zur Umschreibung des
Diskriminierungsverbots gegenüber Behinderten vor; diese Bestimmungen erfordern
kantonalrechtliche materielle Bauvorschriften, um im konkreten Fall anwendbar
zu sein (vgl. BGE 132 I 82 E. 2.3.2 und 2.3.3 S. 84 f.). Das angefochtene
Urteil stützt sich denn auch zur Hauptsache auf die kantonale Baugesetzgebung.
Das kantonale Baugesetz vom 12. Mai 2003 (BauG/AR; bGS 721.1) ist - wie das
BehiG - am 1. Januar 2004 in Kraft getreten. In Art. 117 BauG/AR sind
Vorschriften für eine behindertengerechte Bauweise, unter anderem für Bauten
mit Publikumsverkehr und öffentlichem Zugang, verankert. Nach Art. 117 Abs. 1
BauG/AR sind derartige Bauten und Anlagen so zu gestalten, dass ihre Benützung
auch Personen mit Behinderungen möglich ist. Mit Bezug auf Umbauten regelt Art.
117 Abs. 2 BauG/AR, dass auf eine behindertengerechte Bauweise verzichtet
werden kann, wenn der Aufwand und die Mehrkosten unverhältnismässig wären oder
denkmalpflegerische Gründe dagegen sprechen. Die Beschwerdeführerin geht mit
dem angefochtenen Urteil so weit einig, dass das einschlägige kantonale Recht
im Hinblick auf die Forderung, auch die Becken des Heilbads nachzurüsten, nicht
über die in Art. 8 Abs. 2 BV bzw. im BehiG enthaltenen Mindestvorgaben
hinausgeht.

2.3 Die Auslegung von Art. 8 Abs. 2 BV und des BehiG prüft das Bundesgericht
frei. In diesem Zusammenhang ist aber Art. 190 BV zu beachten, wonach
Bundesgesetze für das Bundesgericht
BGE 134 II 249 S. 252
massgebend sind. Das schliesst die Anwendung allgemein anerkannter
Auslegungsprinzipien nicht aus (vgl. BGE 133 II 305 E. 5.2 S. 310 mit
Hinweisen). Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung.
Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so
muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller
Auslegungselemente. Dabei dienen die Gesetzesmaterialien als Hilfsmittel, um
den Sinn der Norm zu erkennen. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von
Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein
auf das grammatische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die
sachlich richtige Lösung ergab (vgl. BGE 133 V 9 E. 3.1 S. 10 f. mit
Hinweisen). Sind mehrere Lösungen denkbar, ist jene zu wählen, die der
Verfassung entspricht. Allerdings findet die verfassungskonforme Auslegung -
auch bei festgestellter Verfassungswidrigkeit - im klaren Wortlaut und Sinn
einer Gesetzesbestimmung ihre Schranke (vgl. BGE 131 II 217 E. 2.3 S. 221, BGE
131 II 697 E. 4.1 S. 703, je mit Hinweisen).

3.

3.1 Das Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV) verbietet dem Staat, Menschen
wegen ihrer Behinderung qualifiziert ungleich zu behandeln, indem an das
Merkmal der Behinderung eine Benachteiligung geknüpft wird, die als
Herabwürdigung oder Ausgrenzung zu verstehen ist (vgl. BGE 134 I 105 E. 5 S.
108 mit Hinweisen). Am Ausgangspunkt der vorliegenden Auseinandersetzung steht
indessen nicht eine staatliche Diskriminierung; der Streit betrifft vielmehr
die behördliche Schutzpflicht im Verhältnis unter Privaten. Geklärt werden
soll, in welchem Umfang - mittels Auflagen im Rahmen einer Baubewilligung -
eine faktische Benachteiligung von Behinderten auszugleichen ist, damit diese
ein zwar öffentlich zugängliches, aber privates Gebäude benutzen können. Im
Unterschied zu Art. 8 Abs. 3 BV (Gleichberechtigung von Mann und Frau) enthält
das Diskriminierungsverbot von Art. 8 Abs. 2 BV kein Egalisierungsgebot (BGE
126 II 377 E. 6a S. 392; vgl. auch BGE 134 I 105 E. 5 S. 109 mit weiteren
Hinweisen). Nach Art. 35 Abs. 3 BV haben die Behörden dafür zu sorgen, dass die
Grundrechte, soweit sie sich dazu eignen, auch unter Privaten wirksam werden.
Die Frage nach der Tragweite dieser Verfassungsbestimmung geht hier in der
Frage nach der richtigen Anwendung des BehiG auf. Der Bundesgesetzgeber hat im
Rahmen dieses Erlasses den Mindestumfang der gerichtlich durchsetzbaren
Ansprüche auf Abbau
BGE 134 II 249 S. 253
architektonischer Hindernisse bei bestehenden privaten Gebäuden verankert und
dabei ausdrücklich an das Baubewilligungsverfahren angeknüpft.

3.2 Der Geltungsbereich des BehiG erfasst öffentlich zugängliche Bauten und
Anlagen, für welche nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Bewilligung für den
Bau oder für die Erneuerung der öffentlich zugänglichen Bereiche erteilt wird
(Art. 3 lit. a BehiG).

3.2.1 Wie sich aus Art. 2 lit. c der Verordnung vom 19. November 2003 über die
Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen
(Behindertengleichstellungsverordnung, BehiV; SR 151.31) und den Erläuterungen
des Bundesamts für Justiz vom November 2003 zu dieser Verordnung
(Erläuterungen, ad Art. 2 lit. c BehiV, S. 2) ablesen lässt, stimmt der Begriff
der öffentlich zugänglichen Gebäude und Anlagen nach Art. 3 lit. a BehiG im
vorliegenden Sachzusammenhang mit dem bundesrätlichen Entwurf überein (vgl. die
Botschaft vom 11. Dezember 2000, BBl 2001 S. 1715 ff., 1178). Darunter fallen
auch Hallen- und Strandbäder, zu denen grundsätzlich alle Zugang haben, sofern
sie die allenfalls bestehenden Voraussetzungen wie die Bezahlung einer
Eintrittsgebühr erfüllen.

3.2.2 Was die Erneuerung bestehender Gebäude angeht, so weicht der Gehalt von
Art. 3 lit. a BehiG vom bundesrätlichen Entwurf ab. Dieser Entwurf machte den
gesetzlichen Geltungsbereich bei bestehenden Bauten noch vom finanziellen
Umfang der Erneuerung abhängig (40 Prozent des Neuwerts des Gebäudes, vgl. Art.
2 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 lit. a E-BehiG, BBl 2001 S. 1778, 1841). Der Ständerat
stimmte diesem Entwurf zunächst am 2. Oktober 2001 mit einer redaktionellen
Präzisierung zu (AB 2001 S 615, 617 f.). Der Nationalrat beschloss dann am 17.
Juni 2002 die ersatzlose Streichung von Art. 2 Abs. 5 E-BehiG (vgl. AB 2002 N
932, 938 zu Art. 2 Abs. 5 und AB 2002 N 938-944 zu Art. 3 lit. a). Bei der
Differenzbereinigung wählten die eidgenössischen Räte jedoch einen anderen
Ansatz: Sie weiteten den gesetzlichen Geltungsbereich einerseits aus, indem nun
kein minimales Investitionsvolumen mehr vorgeschrieben ist. Anderseits
definierten sie diesen Geltungsbereich enger: Er ist auf bewilligungspflichtige
Erneuerungen beschränkt; zudem muss die bewilligte Erneuerung die öffentlich
zugänglichen Bereiche bzw. Räume betreffen. Wie der Berichterstatter im
Ständerat anschaulich ausführte, kann nicht verlangt werden, dass auch der
Eingang umgebaut wird, wenn eine (nicht öffentlich
BGE 134 II 249 S. 254
zugängliche) neue Küche installiert oder das Dach saniert wird (AB 2002 S 710).
Dem entsprechenden Beschluss des Ständerats vom 23. September 2002 stimmte der
Nationalrat am 25. November 2002 zu (AB 2002 N 1725 f.).

3.3 Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel, dass das betroffene Gebäude
öffentlich zugänglich ist und das fragliche Umbauvorhaben an sich Art. 3 lit. a
BehiG untersteht. Aus dem Gesetzeswortlaut geht allerdings nicht hervor,
inwiefern mit dem Zugang im Sinne von Art. 2 Abs. 3 BehiG auch die
Benützbarkeit der öffentlich zugänglichen Bereiche eines Gebäudes bzw. einer
Anlage hergestellt werden muss. Nach den erwähnten Erläuterungen zur BehiV hat
der Bundesrat bewusst darauf verzichtet, den Begriff des Zugangs im Katalog der
Definitionen von Art. 2 BehiV zu umschreiben. Dabei hatte er aber die Meinung,
dass bei öffentlich zugänglichen Teilen von Gebäuden der vorliegenden Art die
Benützbarkeit im Zugang inbegriffen ist (Erläuterungen, S. 4). Entsprechend
statuiert Art. 117 Abs. 1 BauG/AR ausdrücklich, dass die Benützung von
öffentlich zugänglichen Bauten und Anlagen mit Publikumsverkehr ermöglicht
werden muss. Zu Recht haben die kantonalen Instanzen im Rahmen der hier zur
Diskussion stehenden Baubewilligung Auflagen angeordnet, damit unter anderem
Mobilitätsbehinderte die neuen Saunaanlagen und die dieser Nutzung dienenden
Anlagen im unveränderten Altbau selbstständig benützen können. Folglich lassen
sich auch die umstrittenen Einstieghilfen in die Badebecken unter den Begriff
des Zugangs einordnen.

3.4 Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht die Frage, inwiefern bauliche
Anpassungen auch verlangt werden können, soweit sie nicht zwingend mit dem
Umbauprojekt bzw. der bewilligungspflichtigen Erneuerung zusammenhängen. Die
Beschwerdeführerin bezeichnet die Auslegung von Art. 3 lit. a BehiG in dieser
Perspektive als Hauptthema ihrer Beschwerde. Streitentscheidend ist jedoch Art.
7 Abs. 1 BehiG. Die letztgenannte Norm enthält die Rechtsansprüche, die
durchgesetzt werden können, sofern ein Bauprojekt unter das BehiG fällt.

3.5 Art. 2 lit. a BehiV bestimmt, dass Art. 3 lit. a BehiG die Erstellung und
die Änderung von Bauten und Anlagen betrifft, soweit sie einem kantonalen
Bewilligungsverfahren unterstellt sind. Der Inhalt dieser Verordnungsbestimmung
ist mehrdeutig. Das "soweit" kann gelesen werden als "sofern" oder als
"insoweit"; auch eine
BGE 134 II 249 S. 255
Konsultation der Erläuterungen zur BehiV bringt keine Klärung. Die Tragweite
von Art. 3 lit. a BehiG muss gedankenlogisch weiter gehen als das - unter
Umständen nicht oder nicht vollständig behindertengerecht ausgestaltete -
Umbauprojekt. Davon geht auch das Verwaltungsgericht aus. Grundsätzlich erfasst
Art. 3 lit. a BehiG in einer ersten Grobbetrachtung das ganze Gebäude mit den
nicht erneuerten Teilen. Eine andere Frage ist aber - und dies räumt auch die
Beschwerdeführerin ein -, welche Rechtsfolgen daraus zu ziehen sind. Das
Verwaltungsgericht begrenzt die Tragweite von Art. 3 lit. a BehiG im Ergebnis
auf den Umfang der Anpassungen, die nach seiner Auslegung im Rahmen von Art. 7
Abs. 1 BehiG zu gewährleisten sind. Diese Auffassung überzeugt und ist mit Art.
2 lit. a BehiV vereinbar. Der Gehalt von Art. 3 lit. a und von Art. 7 Abs. 1
BehiG erweist sich mithin als deckungsgleich. Dies hat indessen den Nachteil,
dass sich der Geltungsbereich des BehiG bei einem bestehenden Gebäude nicht
leicht lokalisieren lässt, sondern erst am Schluss der Rechtsanwendung
feststeht. Zu bestimmen bleibt somit, welche Rechtsansprüche Art. 7 Abs. 1
BehiG verleiht.

4.

4.1 Nach Art. 7 Abs. 1 lit. a BehiG kann bei der Erneuerung einer Baute oder
Anlage im Sinne von Art. 3 lit. a BehiG verlangt werden, "dass die
Benachteiligung [ergänze hier: im Hinblick auf die Benützbarkeit] unterlassen
wird" ("qu'on s'abstienne de l'inégalité"; "che si rinunci allo svantaggio").
Es fällt auf, dass in Art. 7 Abs. 1 lit. a BehiG nicht das Wort "beseitigt"
verwendet wird. Im Gegensatz dazu steht dieses Wort in Art. 7 Abs. 1 lit. b
BehiG; diese letztere Norm bezieht sich auf das Zivilverfahren, mit dem die
Beseitigung ("l'élimination"; "l'eliminazione") baulicher Hindernisse
ausnahmsweise nach Realisierung des Bauvorhabens erwirkt werden kann. Bereits
aus der Gegenüberstellung der beiden Bestimmungen lässt sich ableiten, dass es
bei der Formulierung von Art. 7 Abs. 1 lit. a BehiG nicht um eine Beseitigung
aller vorbestehender architektonischer Hindernisse in einem Gebäude bzw. einer
Anlage gehen kann. Diese Annahme wird bei Durchsicht der Materialien bestätigt.

4.2 Gemäss dem bundesrätlichen Entwurf, der noch einer ganz anderen Konzeption
verpflichtet war (vgl. E. 3.2.2 hiervor), hätte gestützt auf Art. 7 Abs. 1
E-BehiG erwirkt werden können, dass der Gebäudeeigentümer die "Benachteiligung
beseitigt" (BBl 2001 S. 1781, 1842). In der ersten ständerätlichen Beratung,
die dem
BGE 134 II 249 S. 256
bundesrätlichen Entwurf zustimmte (vgl. ebenfalls E. 3.2.2 hiervor), wurde
diese Wendung erweitert auf "Benachteiligung beseitigt oder unterlässt" (AB
2001 S 619; dem stimmte der Nationalrat zu: AB 2002 N 944). Entsprechend wurde
auch im Zweckartikel von Art. 1 Abs. 1 ergänzt, dass mit dem Erlass nicht nur
Benachteiligungen verringert oder beseitigt, sondern auch verhindert werden
sollen (AB 2001 S 614; AB 2002 N 931 f.).
Als dann bei der Differenzbereinigung im Parlament der gesetzliche
Geltungsbereich geändert worden ist, findet sich bereits nach der Fassung des
Ständerats vom 23. September 2002 in Art. 7 Abs. 1 der Aspekt der Beseitigung
nicht mehr (AB 2001 S 710 f.). Die weitere Differenzbereinigung drehte sich
nicht mehr um diese Streichung, sondern nur noch um die Frage, inwiefern das
erwähnte nachträgliche Zivilverfahren eröffnet werden sollte. Dabei ging es
ebenfalls nicht um alle vorbestehenden Hindernisse im Gebäude, sondern nur um
jene, die aus dem bewilligungspflichtigen Bauprojekt resultieren. Der Ständerat
stand dem nachträglichen Zivilverfahren ablehnend gegenüber (vgl. das Votum von
Bundesrätin Metzler in AB 2002 N 1728), während der Nationalrat daran festhielt
(AB 2002 N 1726-1728). Daraufhin lenkte der Ständerat am 2. Dezember 2002 ein
und schlug die heute in Art. 7 Abs. 1 lit. b BehiG enthaltene Lösung vor (AB
2002 S 1071 f.). Dieser schloss sich der Nationalrat - mit Vorbehalten zum
Wortsinn, die hier nicht von Bedeutung sind - am 4. Dezember 2002 an (AB 2002 N
1942-1944).

4.3. Aus den vorstehend beschriebenen Einzelheiten der parlamentarischen
Beratung ergibt sich folgendes Gesamtbild: Nach dem bundesrätlichen Entwurf
ging der Anspruch gemäss Art. 7 Abs. 1 lit. a BehiG ursprünglich auf
Beseitigung aller baulichen Hindernisse in einem Gebäude, wenn die
40-Prozent-Schwelle erreicht war. Ein solcher Anspruch hätte deshalb weit über
das Bauprojekt hinausgewiesen. Aus Anlass dieser Erneuerung hätten auch alle
übrigen Gebäudeteile hindernisfrei umgestaltet werden müssen. Anstatt einer
solchen Alles-oder-Nichts-Lösung entschied sich die Bundesversammlung -
offenbar mit Billigung der Behindertenorganisationen - für eine etappierte
Anpassungspflicht bei bestehenden Gebäuden. Diese erfasst nur die Gebäude- und
Anlagenteile, die vom bewilligungspflichtigen Bauvorhaben berührt sind (vgl.
CAROLINE KLEIN, Die Rolle der Behindertenorganisationen bei der Schaffung des
Behindertengleichstellungsrechts, in: Gesetzgebung & Evaluation [LeGes] 2004 S.
81 ff., 90). Dem Bundesgericht steht es nicht zu, sich im
BGE 134 II 249 S. 257
Anwendungsfall über diese gesetzgeberische Absicht hinwegzusetzen.

4.4 Der Beschwerdeführerin kann daher nicht gefolgt werden, wenn sie sinngemäss
behauptet, Art. 7 Abs. 1 lit. a BehiG setze keinen direkten Sachzusammenhang
zwischen dem Bauprojekt und jener Bereiche voraus, die behindertengerecht
nachgebessert werden müssten. Es vermag ihr nicht zu helfen, wenn sie sich für
diese Meinung auf eine Lehrmeinung beruft (ALAIN GRIFFEL, Bauen im
Spannungsfeld zwischen Eigentumsgarantie und Bauvorschriften, in: ZBl 103/2002
S. 169 ff., 184 f.); es gilt zu berücksichtigen, dass jene Äusserung vor dem
Erlass des BehiG erfolgt ist. Bereits aus demselben Grund erübrigt sich auch
eine Auseinandersetzung mit dem von ihr erwähnten Entscheid des Zürcher
Verwaltungsgerichts vom 17. November 1998 zur behindertengerechten Sanierung
eines bestehenden Gebäudes bei einem Umbauprojekt (publ. in:
Baurechtsentscheide Kanton Zürich [BEZ] 19/1999 Nr. 2 S. 9).

4.5 Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht die einklagbaren Massnahmen bzw.
Auflagen zu Recht nicht nur auf den direkt erneuerten oder angebauten
Gebäudeteil selbst beschränkt. Da der Anbau vorliegend über keinen eigenen
öffentlichen Eingang von aussen verfügt, mussten auch die übrigen Bereiche
einbezogen werden, soweit Letztere in diesem Rahmen eine Nutzungs- bzw.
Zweckänderung erfahren. Auf diese Weise ist die gesetzliche Wendung
"Benachteiligung unterlassen" richtigerweise ausdehnend zu interpretieren, ohne
dass der verbindliche gesetzliche Rahmen überschritten wird. Die am Ausgang des
kommunalen und kantonalen Verfahrens feststehenden Auflagen bezüglich des
Altbaus beruhen auf dem Umstand, dass der Zweck der betroffenen Gebäudeteile
aufgrund des Bauprojekts teilweise ändert. Die Beschwerdegegnerin räumt ein,
dass ihr diese Auflagen im Vergleich zu den Investitionen für das Anbauprojekt
keinen übermässigen Aufwand verursachen. Wenn sie sich diesen Auflagen
unterzogen hat, so erfüllt sie nicht mehr als den ihr ohnehin obliegenden
Umfang der Anpassungspflicht.

5. Anhand der ermittelten Grundsätze ist zu beurteilen, ob die
Beschwerdegegnerin im Rahmen ihres Bauprojekts verpflichtet ist, die
umstrittenen Einstieghilfen zu erstellen.

5.1 Beim Bauprojekt werden Hallen- und Freibad baulich nicht verändert. Zu
prüfen ist höchstens, ob das Bauprojekt eine
BGE 134 II 249 S. 258
Nutzungsänderung bei diesen Bädern bewirkt. Die Beschwerdeführerin streicht den
engen konstruktiven und funktionellen Zusammenhang zwischen dem Hauptbad und
der neuen Sauna heraus. Sie weist darauf hin, dass sich die Besucher in den
Umkleidekabinen umziehen und im Badeanzug durch die Halle, neben dem
Hauptbecken des Innenbads vorbei, zum Abgang zur neuen Sauna begeben. Das
Verwaltungsgericht hat diese Gegebenheiten nicht übersehen. Es erwog jedoch,
die neue Sauna besitze im Untergeschoss eigene Fussbäder, Duschen, einen
Eiscrash sowie einen eigenen Ruheraum. Die Benutzer der neuen Sauna seien auf
die Benutzung von Innen- und Aussenbad nicht angewiesen. Ausserdem bleibe die
vorbestehende, alte Sauna weiter in Betrieb. Die Einrichtung einer zweiten
Saunalandschaft erweitere somit die Nutzungsmöglichkeiten des Hauptbades nicht.
Daran ändere nichts, dass das Eintrittsticket derzeit zum Zugang zu allen
Teilen der Anlage berechtige. Die Beschwerdegegnerin stimmt dem
Verwaltungsgericht zu. Ihrer Ansicht nach gehören die bestehenden Bäder nicht
zum zwingenden Angebot einer Sauna.

5.2 Hallenbad, Freibad und die beiden Saunaanlagen sind auch bei gemeinsamem
Eingang baurechtlich einer getrennten Betrachtungsweise zugänglich. Die Halle
des Innenbads erfährt insoweit eine Zweckänderung, als sie neben dem
vorbestehenden Durchgang zum Freibad zusätzlich auch einen solchen zur neuen
Sauna zu gewährleisten hat. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt
hat, tangiert diese zusätzliche Raumnutzung der Badehalle die Badebecken selbst
nicht in relevanter Weise. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das
Verwaltungsgericht eine Anpassungspflicht bezüglich Innen- und Aussenbad
abgelehnt hat. Damit bleibt es dabei, dass sich Mobilitätsbehinderte für die
Nutzung der neuen Sauna zwingend durch die Badehalle begeben müssen, ohne auch
die darin befindlichen Badebecken selbstständig benutzen zu können. In ihrem
subjektiven Empfinden dürfte allerdings die Ausgrenzung von der Badenutzung
stärker augenfällig werden als vor der Realisierung des Umbaus, als ein
hindernisfreier Zugang zum Gebäude noch nicht verlangt war. Dies gilt umso
mehr, als z.B. Sinnesbehinderte im Gegensatz zu Mobilitätsbehinderten auf
derartige Einstieghilfen nicht angewiesen sind; die Benützbarkeit der
Gesamtanlage geht deswegen für verschiedene Kategorien von Behinderten nun
unterschiedlich weit. In dieser Hinsicht mag das Ergebnis als unbefriedigend
erscheinen. Es ergibt sich indessen aus der bundesgesetzlichen Regelung, an die
das Bundesgericht gebunden ist.
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5.3 Wie aus den Ausführungen bei E. 4.2 hiervor folgt, wäre einer Zivilklage
nach Art. 7 Abs. 1 lit. b BehiG auf Erstellung von Einstieghilfen in die
bestehenden Bäder ebenfalls kein Erfolg beschieden. Diese Bestimmung erfasst
lediglich die Beseitigung von Benachteiligungen, die aus dem Bauprojekt selbst
hervorgehen.
Die Beschwerdeführerin stört sich vor allem daran, dass die Eintrittskarte für
das ganze Bad gilt. Wie es sich mit der Tarifgestaltung verhält, hat das
Verwaltungsgericht nicht im Einzelnen abgeklärt. Es spricht zwar einiges dafür,
dass die Unmöglichkeit, ein separates bzw. billigeres Billett für die neue
Sauna zu lösen, Mobilitätsbehinderte benachteiligen würde, weil sie die übrigen
Angebote im Gebäudekomplex nicht selbstständig in Anspruch nehmen können. Diese
Frage ist aber hier nicht weiter zu untersuchen und sie kann auch nichts am
Ausgang des Verfahrens ändern. Im Rahmen einer Zivilklage nach Art. 8 Abs. 3
i.V.m. Art. 6 BehiG liesse sich nicht einmal eine allfällige Diskriminierung
bei den Eintrittspreisen beseitigen; noch viel weniger wäre das Begehren, auch
die Badebecken nutzen zu können, durchsetzbar. Die Klage nach Art. 8 Abs. 3
BehiG kann nur auf Entschädigung gehen; die Entschädigung beträgt höchstens Fr.
5'000.- (Art. 11 Abs. 2 BehiG). Der im Nationalrat gestellte Antrag, im Rahmen
dieser Klage auch einen Beseitigungsanspruch vorzusehen, konnte sich nicht
durchsetzen (AB 2002 N 944 f.; der Ständerat diskutierte die Frage in der Folge
nicht mehr, vgl. AB 2002 S 711).
Das hier verfolgte Anliegen der Beschwerdeführerin vermag demzufolge mit den
Rechtsansprüchen, die nach Art. 7 Abs. 1 lit. a BehiG hinsichtlich des
Baubewilligungsverfahrens gegeben sind, ebenso wenig durchzudringen.