Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 II 108



Urteilskopf

134 II 108

9. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte des Kantons Zug (Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_699/2007 vom 30. April 2008

Regeste

Art. 12 lit. a und c BGFA; Disziplinaraufsicht über die Rechtsanwälte;
Doppelvertretungsverbot; Motorfahrzeughaftpflichtversicherung. Umschreibung der
disziplinwidrigen anwaltlichen Doppelvertretung (E. 3). Besteht bloss die
abstrakte Möglichkeit eines Interessenkonflikts zwischen Versicherer und
Versichertem, so verstösst der Rechtsanwalt, der beide Parteien in einem
Prozess gegen einen Dritten vertritt, nicht gegen das Doppelvertretungsverbot
(E. 4). Kein unzulässiges Prozessieren gegen die eigene Klientschaft, wenn sich
zwei Versicherungsgesellschaften, für welche beide der Rechtsanwalt tätig ist,
im gleichen Verfahren gemeinsam in der Beklagtenrolle finden (E. 5).

Sachverhalt ab Seite 109

BGE 134 II 108 S. 109
Am 25. September 2006 reichte Y., welcher im Herbst 2001 bei einem
Verkehrsunfall auf der Nationalstrasse A14 die Sicherheitsgurte nicht getragen
hatte und verletzt worden war, Schadenersatzklage beim Kantonsgericht Zug ein.
Zum einen fasste er den Lenker, mit dem er als Passagier mitgefahren war, und
die Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft (als
Motorfahrzeughaftpflichtversicherung der Halterin des betreffenden Fahrzeugs)
ins Recht. Zum anderen belangte er Z., der als Lenker eines Drittfahrzeugs den
Unfall - in angetrunkenem Zustand am Steuer einschlafend - ausgelöst hatte, und
die Winterthur Schweizerische Versicherungsgesellschaft (als dessen
Motorfahrzeughaftpflichtversicherung). Anwaltlich vertreten war Y. dabei durch
Rechtsanwalt Dr. A., während Z. und die Winterthur Schweizerische
Versicherungsgesellschaft (heute: AXA Versicherungen AG) Rechtsanwalt Prof. Dr.
X. mit der Wahrung ihrer Interessen betraut hatten.
Am 23. Januar 2007 gelangte Rechtsanwalt A. an die Aufsichtskommission über die
Rechtsanwälte im Kanton Zug und erstattete Anzeige gegen Rechtsanwalt X. wegen
unzulässiger Doppelvertretung. Im daraufhin eröffneten Disziplinarverfahren kam
die Aufsichtskommission zum Schluss, Rechtsanwalt X. habe gegen Art. 12 lit. c
BGFA verstossen, und erteilte ihm einen Verweis (Beschluss vom 13. November
2007).
Das Bundesgericht heisst die von Rechtsanwalt X. hiergegen eingereichte
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gut.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

3. In materieller Hinsicht geht es um die Frage, ob der Beschwerdeführer gegen
die Berufspflicht von Art. 12 lit. c des Bundesgesetzes
BGE 134 II 108 S. 110
vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA; SR
935.61) verstossen hat. Gemäss dieser Bestimmung haben die Rechtsanwälte "jeden
Konflikt zwischen den Interessen ihrer Klientschaft und den Personen, mit denen
sie geschäftlich oder privat in Beziehung stehen", zu vermeiden. Die
entsprechende Treuepflicht gegenüber dem Klienten ist umfassender Natur und
erstreckt sich auf alle Aspekte des Mandatsverhältnisses (vgl. Urteil 2P.318/
2006 vom 27. Juli 2007, E. 11.1). Sie steht im Zusammenhang mit der
Generalklausel von Art. 12 lit. a BGFA, gemäss welcher die Rechtsanwälte "ihren
Beruf sorgfältig und gewissenhaft auszuüben" haben, wie auch mit Art. 12 lit. b
BGFA, der sie zur Unabhängigkeit verpflichtet (vgl. BGE 130 II 87 E. 4.2 S.
95). Aus dieser umfassenden Treue- und Unabhängigkeitspflicht ergibt sich
insbesondere auch ein Verbot von Doppelvertretungen: Der Anwalt darf nicht in
ein und derselben Streitsache Parteien mit gegenläufigen Interessen vertreten,
weil er sich diesfalls weder für den einen noch für den anderen Klienten voll
einsetzen könnte. Eine unzulässige Doppelvertretung muss nicht zwingend das
gleiche formelle Verfahren oder allfällige mit diesem direkt zusammenhängende
Nebenverfahren betreffen. Besteht zwischen zwei Verfahren ein Sachzusammenhang,
so verstösst der Rechtsanwalt dann gegen Art. 12 lit. c BGFA, wenn er in diesen
Klienten vertritt, deren Interessen nicht gleichgerichtet sind. Dabei ist
grundsätzlich unerheblich, ob das erste, den gleichen Sachzusammenhang
betreffende Verfahren bereits beendet oder noch hängig ist, zumal die
anwaltliche Treuepflicht in zeitlicher Hinsicht unbeschränkt ist (vgl. MARTIN
STERCHI, Kommentar zum bernischen Fürsprechergesetz, Bern 1992, N. 5b zu Art.
13; vgl. auch ANDREAS BAUMANN, Interessenkonflikte des Rechtsanwaltes, in:
Aargauischer Anwaltsverband [Hrsg.], Festschrift 100 Jahre Aargauischer
Anwaltsverband, Zürich 2005, S. 442; FELIX WOLFFERS, Der Rechtsanwalt in der
Schweiz, Diss. Bern 1986, S. 142). Gestützt auf Art. 12 lit. c BGFA ist es dem
Anwalt weiter grundsätzlich untersagt, gerichtlich gegen einen Klienten
vorzugehen, für den er zur gleichen Zeit ein anderes (hängiges) Mandat führt
(vgl. GIOVANNI ANDREA TESTA, Die zivil- und standesrechtlichen Pflichten des
Rechtsanwaltes gegenüber dem Klienten, Diss. Zürich 2000, S. 103 und 107). In
persönlicher Hinsicht ist das Verbot von Doppelvertretungen nicht auf Verfahren
begrenzt, zwischen denen ein Sachzusammenhang besteht, sondern erfasst
überhaupt jede Form von sich widersprechenden Interessen (vgl. WALTER FELLMANN,
in: Fellmann/Zindel [Hrsg.],
BGE 134 II 108 S. 111
Kommentar zum Anwaltsgesetz, Zürich/Basel/Genf 2005, N. 103 zu Art. 12 BGFA).

4.

4.1 Gemäss dem angefochtenen Beschluss hat sich der Beschwerdeführer zunächst
insoweit eine disziplinwidrige Doppelvertretung zuschulden kommen lassen, als
er im Haftpflichtprozess vor dem Kantonsgericht Zug zugleich die Winterthur
Schweizerische Versicherungsgesellschaft wie auch deren Versicherten vertreten
hat. Obschon sich die Interessenlage des Motorfahrzeughaftpflichtversicherers
regelmässig gleich präsentiere wie jene von dessen Versicherten, seien
Interessenkollisionen möglich. Der Versicherer könne allenfalls den Schaden
gegen den Willen des Versicherten übernehmen wollen oder umgekehrt seine
Ersatzpflicht verneinen, obschon der Versicherte auf eine Befriedigung des
Geschädigten dränge. Weiter sei nicht auszuschliessen, dass der Versicherer zu
einem späteren Zeitpunkt Rückgriff auf den Versicherten nehmen wolle und dieser
alsdann das Gefühl habe, im Erstprozess nur ungenügend vertreten worden zu
sein. Ferner sei denkbar, dass der Versicherer durch den gemeinsamen
Rechtsanwalt zu Informationen über den Versicherten komme, welche er nicht
hätte erhalten können, wenn die Interessen des Versicherten von dessen eigenem
Rechtsanwalt wahrgenommen würden. Gestützt auf diese Überlegungen kam die
Aufsichtskommission zum Schluss, die gleichzeitige Vertretung von Z. und der
Winterthur Schweizerische Versicherungsgesellschaft verstosse gegen Art. 12
lit. c BGFA.

4.2 Die grundsätzlichen Bedenken, welche die Aufsichtskommission einer
gleichzeitigen Vertretung von Motorfahrzeughaftpflichtversicherer und
Fahrzeuglenker durch denselben Rechtsanwalt entgegenbringt, erscheinen zwar
nicht völlig unbegründet, vermögen jedoch keine Verletzung von Art. 12 lit. c
BGFA darzutun:

4.2.1 Unbestrittenermassen sind die Interessen von Versicherer und Versichertem
in der Regel deckungsgleich und lassen sich daher gewöhnlich gleichzeitig von
ein und demselben Rechtsanwalt wahrnehmen. Allerdings ist eine gleichzeitige
Vertretung von Versicherer und Versichertem durch einen einzigen Rechtsanwalt
mangels gleichgerichteter Interessen dann ausgeschlossen, wenn Differenzen
zwischen den Parteien des Versicherungsvertrags bestehen - sei es, weil der
Deckungsumfang der Versicherung streitig ist, der Versicherer dem Versicherten
eine Verletzung seiner Anzeigepflicht vorwirft (vgl.
BGE 134 II 108 S. 112
Art. 4 ff. des Bundesgesetzes vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag
[VVG; SR 221.229.1]), die Versicherungsprämien (trotz Mahnung) nicht bezahlt
worden sind (Art. 20 VVG) oder allenfalls das Vorliegen eines Kürzungsgrunds
(etwa ein Selbstverschulden) in Frage steht (vgl. zum Ganzen HANS BÄTTIG/
CHRISTOPH GRABER/ANTON SCHNYDER, in: Münch/Geiser [Hrsg.], Schaden - Haftung -
Versicherung, Basel 1999, Rz. 8.43 ff.). Ist ein derartiger Konflikt bereits
bei der ersten Kontaktnahme mit dem Rechtsanwalt absehbar, so darf dieser nur
entweder die Versicherung oder den Versicherten als Klienten akzeptieren.
Treten die Differenzen erst nach der Mandatierung des Rechtsanwalts zutage, so
hat dieser beide Mandate niederzulegen (vgl. Verein Zürcherischer Rechtsanwälte
[Hrsg.], Handbuch über die Berufspflichten des Rechtsanwaltes im Kanton Zürich,
Zürich 1988, S. 133; TESTA, a.a.O., S. 109 f.) und darf künftig in Fragen,
welche mit dem betreffenden Versicherungsfall in einem Sachzusammenhang stehen,
weder die Versicherung noch den Versicherten vertreten. Das entsprechende
Vertretungsverbot gilt ohne weiteres auch für allfällige Prozesse gegen Dritte,
selbst wenn Versicherer und Versicherter in diesen den gleichen
Rechtsstandpunkt einnehmen sollten.

4.2.2 An gleichgerichteten Interessen, welche die Vertretung beider
Vertragspartner erlauben, fehlt es beispielsweise auch dann, wenn Versicherer
und Versicherter unterschiedliche Ansichten über die Ersatzpflicht bzw. die
Befriedigung des Geschädigten haben; der Vorinstanz ist insoweit Recht zu
geben, als in solchen Fällen die gleichzeitige Vertretung von Versicherer und
Versichertem ausgeschlossen ist. Die Aufsichtskommission verkennt jedoch, dass
die blosse abstrakte Möglichkeit des Auftretens von Differenzen zwischen den
Vertragsparteien nicht ausreicht, um auf eine unzulässige Doppelvertretung zu
schliessen (so auch: HANS NATER, Interessenkonflikte: Theoretisches
Konfliktsrisiko genügt nicht, in: SJZ 104/ 2008 S. 172, mit Hinweis auf ein
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich). Ansonsten wäre es einem
Rechtsanwalt überhaupt nie möglich, zwei Personen zugleich zu vertreten, da
immer denkbar ist, dass es zwischen diesen auf die eine oder die andere Art zu
Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Streitgegenstands kommt.

4.2.3 Weiter übersieht die Aufsichtskommission, dass sich der Rechtsanwalt, der
in der gleichen Angelegenheit zwei Mandanten vertritt, stets bewusst sein muss,
dass deren Interessen zwar im Moment gleichgerichtet sein mögen, es zwischen
ihnen künftig aber
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jederzeit zu Unstimmigkeiten mit gegensätzlichen Standpunkten kommen kann. Er
hat deshalb alles zu unterlassen, was in einem allfälligen späteren Konflikt
die Stellung eines Mandanten zum Vorteil des anderen schwächen könnte. Mit der
Aufsichtskommission ist diesbezüglich festzuhalten, dass der Rechtsanwalt
sensible Informationen, die einer der Klienten nur ihm anvertraut hat und die
in der Folge nicht in den Prozess eingebracht und damit allen Beteiligten
bekannt wurden, nicht unnötig dem anderen Klienten zur Kenntnis bringen darf.
Eine entsprechende Verhaltensregel ergibt sich ohne weiteres aus der
allgemeinen Verpflichtung des Rechtsanwalts zur sorgfältigen und gewissenhaften
Berufsausübung, so dass ihre Missachtung disziplinarisch als Verstoss gegen
Art. 12 lit. a BGFA geahndet werden kann. Deshalb ist nicht angezeigt, allein
wegen der theoretischen Möglichkeit solcher Berufspflichtverletzungen die
gleichzeitige Wahrung der Interessen von Versicherer und Versichertem generell
als unzulässige Doppelvertretung zu qualifizieren. Die Gefahr einer
Beeinträchtigung der Interessen der Klienten wegen der gleichzeitigen
Vertretung mehrerer Personen erscheint im Haftpflichtrecht jedenfalls geringer
als etwa bei der Vertretung von mehreren Mittätern im Strafprozess; in der
Literatur wird einzig in diesem Bereich ein generelles Verbot von
Doppelvertretung erwogen (weil das Mass des Verschuldens des einen Täters
regelmässig von jenem des anderen abhängt; vgl. WOLFFERS, a.a.O., S. 142;
BAUMANN, a.a.O., S. 445; TESTA, a.a.O., S. 111 ff.; differenziert: FELLMANN,
a.a.O., N. 107 zu Art. 12 BGFA; offenbar gegen ein generelles Verbot: Verein
Zürcherischer Rechtsanwälte, a.a.O., S. 132 f.).

4.2.4 Gegen die von der Aufsichtskommission vertretene extensive Auslegung von
Art. 12 lit. c BGFA sprechen schliesslich Gründe der Prozessökonomie, der
Wirtschaftlichkeit und der Waffengleichheit: Der Rechtsanwalt wird für seine
Aufwendungen im Zusammenhang mit Streitigkeiten aus dem Bereich der
Motorfahrzeughaftpflichtversicherung regelmässig von der
Versicherungsgesellschaft entschädigt. Der Versicherungsnehmer kommt so
kostenlos in den Genuss einer rechtskundigen Vertretung. Wird es den
Rechtsanwälten untersagt, in Haftpflichtprozessen gleichzeitig Versicherer und
Versicherte zu vertreten, so haben Letztere künftig entweder als Laien ohne
Rechtsbeistand selber zu prozessieren oder aber einen eigenen Anwalt zu
mandatieren, der alsdann allein ihre Interessen vertritt. Wird ein weiterer
Anwalt in den Prozess involviert, so führt dies zu Mehraufwand, ohne dass eine
bessere Interessenvertretung
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garantiert ist. Zudem können die Aufwendungen für die Entschädigung des eigenen
Vertreters des Versicherungsnehmers bei diesem zu einer beträchtlichen
finanziellen Belastung führen.

4.3 Die Aufsichtskommission hat in Bezug auf den Haftpflichtprozess vor dem
Kantonsgericht Zug keinen konkreten Interessenkonflikt zwischen der Winterthur
Schweizerische Versicherungsgesellschaft und Z. festgestellt. Sie wirft dem
Beschwerdeführer auch kein eigentliches Fehlverhalten bei der Vertretung seiner
Mandanten vor. Vielmehr erachtet sie die gleichzeitige Vertretung von
Versicherung und Versicherungsnehmer per se als unzulässig, was nach dem
Gesagten auf einer unrichtigen Auslegung von Art. 12 lit. c BGFA beruht. Der
Beschwerdeführer hat sich insoweit keine Verletzung der Berufspflichten
zuschulden kommen lassen.
Dass die Winterthur Schweizerische Versicherungsgesellschaft, falls der Klage
von Y. stattgegeben und sie (zumindest teilweise) ersatzpflichtig erklärt
würde, dannzumal allenfalls erwägen könnte, auf Z. wegen grobfahrlässigen
Verhaltens Regress zu nehmen, ändert nichts. Es versteht sich von selbst, dass
der Beschwerdeführer in einem allfälligen Regressverfahren weder die Winterthur
Schweizerische Versicherungsgesellschaft noch Z. vertreten dürfte. Mit Blick
auf die Möglichkeit eines solchen Verfahrens, in dem sich die beiden
gegenwärtigen Mandanten des Beschwerdeführers als Prozessgegner gegenüberstehen
würden, reicht die Generalklausel von Art. 12 lit. a BGFA zur Wahrung der
Interessen der Klientschaft aus; der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner
Verpflichtung zur sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung bereits heute
gehalten, alles zu unterlassen, was den Ausgang eines allfälligen späteren
Regressverfahrens beeinflussen könnte (vgl. E. 4.2.3).

5.

5.1 Den zweiten Fall einer disziplinwidrigen Doppelvertretung sieht die
Aufsichtskommission darin, dass der Beschwerdeführer, der im Haftpflichtprozess
vor dem Kantonsgericht Zug u.a. die Winterthur Schweizerische
Versicherungsgesellschaft vertritt, in einem anderen rechtshängigen
Gerichtsverfahren die Interessen der Schweizerischen Mobiliar
Versicherungsgesellschaft wahrnehme. Zwar würden die beiden von Y. belangten
Motorfahrzeughaftpflichtversicherer ihre Haftung im fraglichen Prozess je mit
dem Hinweis auf das grobe Selbstverschulden von Y. bestreiten. Auch wenn sie
insoweit keine gegensätzlichen Positionen verträten, nähmen sie hinsichtlich
einer
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allfälligen Verantwortlichkeit der Lenker der bei ihnen versicherten Fahrzeuge
letztlich doch rechtliche Standpunkte ein, die sich nicht vereinbaren liessen.
Unter diesen Voraussetzungen vermöge der Beschwerdeführer, welcher hier für die
Winterthur Schweizerische Versicherungsgesellschaft tätig sei, aber ein anderes
Gerichtsverfahren für die Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft
führe, objektiv keine Gewähr dafür zu bieten, dass im interessierenden
Haftpflichtprozess alle seine Handlungen nur von den Interessen seiner
Mandantin bestimmt seien.

5.2 Mit Blick auf das begründete Treueverhältnis ist schon das Prozessieren des
Rechtsanwalts gegen einen ehemaligen Klienten nicht unproblematisch; mit Art.
12 lit. c BGFA unvereinbar ist es - unabhängig von einem allfälligen
Sachzusammenhang zwischen den Verfahren - jedenfalls dann, wenn die Gefahr
besteht, dass gegen den ehemaligen Klienten Kenntnisse aus dem zuvor für diesen
geführten Mandat verwendet werden (Näheres bei TESTA, a.a.O., S. 116 ff.), oder
wenn dem betroffenen Rechtsanwalt die Sonderstellung eines Vertrauensanwalts
zukam. Umso weniger vereinbar mit der Treuepflicht ist das gerichtliche
Vorgehen gegen einen gegenwärtigen Klienten. Für Versicherungsgesellschaften,
bei denen das Führen von Prozessen zum Tagesgeschäft gehört, dürften zwar im
konkreten Fall für die Auswahl des Rechtsvertreters dessen einschlägigen
Spezialkenntnisse im Vordergrund stehen; der Umstand, ob der am geeignetsten
erscheinende Anwalt allenfalls in einer anderen Angelegenheit für eine nun als
Prozessgegnerin auftretende andere Versicherungsgesellschaft tätig (gewesen)
ist, dürfte regelmässig zweitrangig sein. Wieweit es sich im Hinblick hierauf
rechtfertigen könnte, das Doppelvertretungsverbot im Verhältnis zwischen
Versicherungsunternehmen - die zudem häufig als Zweiggesellschaften mit
verschiedenen Tätigkeitsbereichen organisiert sind - weniger streng zu
handhaben als in jenem zwischen privaten Klienten, braucht hier jedoch aus
folgendem Grund nicht weiter untersucht zu werden:

5.3 Wie der Beschwerdeführer nämlich zu Recht geltend macht, geht er gar nicht
gerichtlich gegen die Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft vor.
Vielmehr findet sich Letztere im Haftpflichtprozess vor dem Kantonsgericht Zug
- gleich wie die Winterthur Schweizerische Versicherungsgesellschaft, deren
Interessen er im fraglichen Verfahren vertritt - als Beklagte wieder; die
beiden Versicherungsgesellschaften stehen als einfache Streitgenossenschaft dem
Kläger Y. gegenüber und bestreiten ihre Haftung je mit dem
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Hinweis auf dessen grobes Selbstverschulden. Allein der Umstand, dass sich die
beiden Gesellschaften dann, wenn der von ihnen gemeinsam vertretene
Rechtsstandpunkt das Gericht nicht überzeugen und die Klage von Y. ganz oder
teilweise Erfolg haben sollte, untereinander über eine Aufteilung des zu
bezahlenden Schadenersatzes verständigen müssten, vermag beim Beschwerdeführer
keine unzulässige Interessenkollision zu begründen. Unerheblich ist
diesbezüglich, ob die Versicherungen - was das Selbstverschulden der Lenker der
bei ihnen versicherten Fahrzeuge betrifft - tatsächlich schon im hängigen
Haftpflichtprozess unterschiedliche Standpunkte einnehmen. Der Einwand des
Beschwerdeführers, der Ausgang des von Y. angestrengten ersten Verfahrens
vermöge nach den einschlägigen Bestimmungen der Zuger Zivilprozessordnung eine
allfällige spätere gerichtliche Auseinandersetzung zwischen den beteiligten
Versicherungsgesellschaften nicht zu präjudizieren, ist unbestritten geblieben.
Damit ist nach dem Gesagten nicht ersichtlich, inwiefern die Interessen der
Winterthur Schweizerische Versicherungsgesellschaft vorliegend beeinträchtigt
sein könnten. Von selbst versteht sich im Übrigen, dass, sollte es in der
Zukunft zu einem konkreten Interessenkonflikt zwischen den beiden
Versicherungsgesellschaften kommen, der Beschwerdeführer im betreffenden
Verfahren - gleich wie im Verhältnis zwischen Motorhaftpflichtversicherer und
Versicherungsnehmer (vgl. E. 4.2.1. i.f.) - weder die eine noch die andere
Partei vertreten dürfte.