Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 III 71



Urteilskopf

134 III 71

  12. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Bank X.
gegen Y. und Z. (Beschwerde in Zivilsachen)
  5A_481/2007 vom 6. November 2007

Regeste

  Art. 82 Abs. 1 SchKG; Schuldbrief als provisorischer Rechtsöffnungstitel.

  In der Betreibung auf Grundpfandverwertung ist der Schuldbrief
Rechtsöffnungstitel für das Grundpfandrecht und auch für die
Grundpfandforderung, soweit der betriebene Schuldner im Titel aufgeführt ist
(E. 3).

Sachverhalt

  Die Bank X. betrieb Y. und Z. auf Grundpfandverwertung. Als
Forderungsurkunde nannte sie einen ihr sicherungsübereigneten
Namenschuldbrief.

  Der erstinstanzliche Richter gewährte die provisorische Rechtsöffnung,
jedoch nur für die Forderung gestützt auf die Darlehensverträge, nicht aber
für das Pfandrecht mit der Begründung, Y. und Z. seien im Schuldbrief nicht
als Schuldner aufgeführt.

  Mit kantonaler Beschwerde machte die Bank geltend, es sei Rechtsöffnung
auch für das Grundpfandrecht zu erteilen. Das Obergericht des Kantons Aargau
wies die Beschwerde ab.

  Dagegen hat die Bank Beschwerde in Zivilsachen erhoben mit dem Begehren um
Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung für das Pfandrecht.

  Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

  2.  Das Obergericht hat erwogen, die Bank habe Betreibung auf
Grundpfandverwertung eingeleitet und als Rechtsöffnungstitel den
sicherungsübereigneten Namenschuldbrief im 1. Rang angerufen. Der dort
aufgeführte Schuldner stimme nicht mit den Betriebenen überein und es liege
auch keine schriftliche Schuldübernahmeerklärung für die
Schuldbriefforderung vor, weshalb richtigerweise auch für die
Grundpfandforderung keine Rechtsöffnung hätte gewährt werden dürfen.
Diesbezüglich hätten indes Y. und Z. Beschwerde führen müssen. Weil sich das
Grundpfandrecht aber auf die Grundpfandforderung und nicht auf die
Grundforderung beziehe bzw. zwischen Grundpfandforderung und Grundpfandrecht
eine strenge Einheit bestehe, sei jedoch die Rechtsöffnung für das
Grundpfandrecht zu Recht verweigert worden und könne sie auch in
appellatorio nicht erteilt werden.

  Die Bank sieht in diesen Erwägungen Bundesrecht verletzt. Sie macht
geltend, indem die Gegenpartei auf ein Rechtsmittel verzichtet habe, sei die
Rechtsöffnung für die Forderung in Rechtskraft

erwachsen. Da Rechtsöffnung immer in einer bestimmten Betreibung erteilt
werde, sei diese rechtskräftig nicht für die Grund-, sondern für die
Grundpfandforderung erteilt worden. Ob die rechtliche Begründung hierfür
zutreffend sei, könne nicht massgeblich sein; vielmehr hätte das Obergericht
als Folge der Rechtskraft des erstinstanzlichen Entscheides bezüglich der
Grundpfandforderung die Frage, was für eine Art von Rechtsöffnungstitel
hierfür erforderlich sei, gar nicht mehr aufwerfen dürfen, sondern zwingend
auch für das Grundpfandrecht die Rechtsöffnung erteilen müssen.

Erwägung 3

  3.  Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es prüft mit anderen Worten, ob der angefochtene Entscheid angesichts
der vorgetragenen Beanstandungen (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG) vor Bundesrecht
standhält, und es ist dabei insbesondere nicht an die materiellen Erwägungen
im angefochtenen Entscheid gebunden.

  Wird als Sicherheit für eine - beispielsweise im Rahmen eines Darlehens
bestehende - Grundforderung ein Schuldbrief übereignet, so wird der
Empfänger Gläubiger der Grundpfandforderung und des Grundpfandrechts sowie
Eigentümer des Grundpfandtitels (STAEHELIN, Basler Kommentar, N. 15 zu Art.
855 ZGB); dabei wird das Grundverhältnis nicht noviert, weil die
Sicherungsabrede einen Novationsausschluss gemäss Art. 855 Abs. 2 ZGB
beinhaltet (STAEHELIN, a.a.O., N. 11 zu Art. 855 ZGB; STÜCHELI, Die
Rechtsöffnung, Diss. Zürich 2000, S. 378). Der Fiduziar ist dann
gleichzeitig Gläubiger der parallel bestehenden Forderung aus dem
Grundverhältnis und der Grundpfandforderung (BGE 119 III 105 E. 2a S. 107;
LEEMANN, Berner Kommentar, N. 12 zu Art. 855 ZGB; STAEHELIN, a.a.O., N. 11
zu Art. 855 ZGB), und er hat - unter Vorbehalt des beneficium excussionis
realis (BGE 106 III 6; STAEHELIN, a.a.O., N. 23 zu Art. 855 ZGB; STÜCHELI,
a.a.O., S. 379) - die Wahl, für die Grundforderung die Betreibung auf
Pfändung einzuleiten und als Rechtsöffnungstitel den gegengezeichneten
Darlehensvertrag vorzulegen oder für die Grundpfandforderung und das
Grundpfandrecht die Betreibung auf Grundpfandverwertung anzuheben. Im
letzteren Fall kann er als Rechtsöffnungstitel für die Grundpfandforderung
und das Grundpfandrecht den Schuldbrief einreichen; wurde dieser nicht durch
den Schuldner selbst unterzeichnet, ist er doch eine öffentliche Urkunde
(FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht,
Bd. I, Zürich 1984, § 20, Rz. 2), weshalb er gegenüber dem in der Skriptur
bezeichneten

Schuldner - soweit dieser aufgeführt ist, was nur bei den bis 31. Dezember
1996 errichteten Schuldbriefen durchwegs der Fall ist - als
Rechtsöffnungstitel im Sinn von Art. 82 Abs. 1 SchKG gilt (STAEHELIN,
a.a.O., N. 6 zu Art. 856 ZGB; STÜCHELI, a.a.O., S. 380 f.; VOLLENWEIDER, Die
Sicherungsübereignung von Schuldbriefen als Sicherungsmittel der Bank, Diss.
Freiburg 1994, S. 144). Stimmt der im Schuldbrief bezeichnete Schuldner
nicht mit dem Rechtsöffnungsgegner überein, weil ein späterer
Schuldnerwechsel im Papier nicht nachgetragen worden ist, so gebricht es an
der notwendigen Identität zwischen dem Betriebenen mit dem Verpflichteten
und der Schuldbrief allein ist als Rechtsöffnungstitel für die
Grundpfandforderung ungenügend. Diesfalls gilt er aber im Sinn einer
zusammengesetzten Urkunde gemeinsam mit der gegengezeichneten
Sicherungsvereinbarung als Rechtsöffnungstitel, sofern darin die persönliche
Schuldpflicht aus dem sicherungsübereigneten Schuldbrief anerkannt worden
ist (STÜCHELI, a.a.O., S. 381; VOLLENWEIDER, a.a.O., S. 149). Gleiches gilt
für Schuldbriefe, die nach dem 1. Januar 1997 errichtet worden sind und den
Schuldner nicht aufführen; hat kein Schuldnerwechsel stattgefunden, kann der
Gläubiger als Alternative beim Grundbuchamt eine beglaubigte Kopie des
Errichtungsaktes besorgen, in dem das Schuldbekenntnis enthalten ist
(STAEHELIN, a.a.O., N. 7 zu Art. 858 ZGB).

  Wie die Bank selbst festhält, hat sie vorliegend die Grundpfandforderung
geltend gemacht; etwas anderes könnte im Verfahren auf Grundpfandverwertung
auch gar nicht in Betreibung gesetzt werden. Sodann anerkennt sie,
jedenfalls sinngemäss, dass hierfür der Darlehensvertrag nicht als
Rechtsöffnungstitel in Frage kommt, sondern zufolge der Verkörperung der
Grundpfandforderung im Schuldbrief einzig dieser selbst, allenfalls in
Verbindung mit einer - nach expliziter Sachverhaltsfeststellung nicht
vorliegenden - schriftlichen Schuldübernahmeerklärung für die
Grundpfandforderung in einem anderen Dokument. Die Bank macht geltend, dies
alles sei aber insofern belanglos, als ihr mangels Anfechtung des
erstinstanzlichen Entscheides durch die Gegenpartei für die im Schuldbrief
inkorporierte Grundpfandforderung rechtskräftig Rechtsöffnung erteilt worden
sei und ihr als notwendige Folge davon in zweiter Instanz auch für das
Grundpfandrecht Rechtsöffnung erteilt werden müsse. Dieser Standpunkt ist
mit materiellem Bundesrecht unvereinbar:

  Beim Schuldbrief bilden die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht
eine strikte Einheit; sie werden durch den Grundbucheintrag und die
Verbriefung in einem Wertpapier in identischem Betrag erzeugt und sind
fortan untrennbar verbunden; keines der beiden Elemente kann ohne das andere
oder in ungleicher Höhe bestehen; vielmehr bilden sie eine notwendige
Schicksalsgemeinschaft (vgl. BGE 64 II 284 E. 2a S. 286; Urteil 5C.36/2006
vom 1. Juni 2006, E. 3.3; STAEHELIN, a.a.O., N. 5 zu Art. 842 ZGB; GUHL, Vom
Schuldbrief, in: ZBJV 92/1956 S. 10 ff.). Zufolge dieser
materiell-bundesrechtlichen Ausgestaltung des Schuldbriefes und des
Umstandes, dass der Schuldbrief notwendiger und hinreichender
Rechtsöffnungstitel für die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht
bildet, ist von vornherein ausgeschlossen, dass die Rechtsöffnung für das
eine Element vorab in Rechtskraft erwachsen könnte und gestützt hierauf für
das andere Element in zweiter Instanz aus rein prozessualen Gründen die
Rechtsöffnung erteilt werden müsste. Es wäre daher wohl angezeigt gewesen,
dass das Obergericht aus seinen zutreffenden Erwägungen die Konsequenzen
gezogen und den erstinstanzlichen Entscheid von Amtes wegen kassiert hätte.
Jedenfalls hat es aber nach dem Gesagten und vor dem Hintergrund, dass das
Vorliegen eines gültigen Rechtsöffnungstitels von Amtes wegen zu prüfen ist,
kein Bundesrecht verletzt, wenn es die Rechtsöffnung für das Grundpfandrecht
verweigert hat, nachdem für die Grundpfandforderung unbestrittenermassen nie
ein tauglicher Rechtsöffnungstitel vorgelegt worden war.