Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 III 524



Urteilskopf

134 III 524

82. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Bank Z. gegen
X. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_695/2007 vom 18. April 2008

Regeste

Feststellung des neuen Vermögens; Summarentscheid nach Art. 265a Abs. 1 SchKG;
Qualifikation als Endentscheid in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen (Art. 72
Abs. 2 lit. a und Art. 90 BGG); Streitwertgrenze (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG);
Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs (Art. 75 Abs. 1 BGG); nicht oberes
kantonales Gericht als Vorinstanz (Art. 75 Abs. 2 BGG). Entscheide nach Art.
265a Abs. 1 SchKG sind Endentscheide in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen
(E. 1.1) und unterstehen der Streitwertgrenze nach Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG
(E. 1.2). Soweit eine bestimmte Rüge durch den Entscheid im ordentlichen
Verfahren nach Art. 265a Abs. 4 SchKG behandelt und ein allfälliger Mangel
behoben werden kann, ist ein Entscheid nach Art. 265a Abs. 1 SchKG mangels
Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs nicht gesondert anfechtbar.
Letztinstanzlichkeit ist hingegen mit Blick auf die Rüge von Verletzungen des
rechtlichen Gehörs gegeben (E. 1.3). Im Verfahren nach Art. 265a Abs. 1 SchKG
entscheidet ein nicht oberes kantonales Gericht endgültig (E. 1.4).

Sachverhalt ab Seite 525

BGE 134 III 524 S. 525
Die Bank Z. (nachfolgend: Beschwerdeführerin) betrieb X. (nachfolgend:
Beschwerdegegner) in Prosequierung des Arrestes Nr. 622874 für Fr.
42'479'696.95 und Fr. 3'983'596.- sowie Arrestkosten von Fr. 887.40 und Kosten
des Zahlungsbefehls von Fr. 410.-. In dieser Betreibung erhob der
Beschwerdegegner am 6. August 2007 Rechtsvorschlag mit der Begründung, nicht zu
neuem Vermögen gekommen zu sein. Am 4. September 2007 legte das Betreibungsamt
des Seebezirks diesen Rechtsvorschlag dem Präsidenten des Zivilgerichts des
Seebezirks zur Bewilligung vor. Mit Entscheid vom 31. Oktober 2007 bewilligte
der Präsident des Zivilgerichts den Rechtsvorschlag des Beschwerdegegners.
Mit Beschwerde vom 26. November 2007 beantragt die Beschwerdeführerin dem
Bundesgericht die Aufhebung des Entscheids des Präsidenten des Zivilgerichts
sowie die Feststellung, dass der Beschwerdegegner zu neuem Vermögen gekommen
sei, eventualiter die Rückweisung an die Vorinstanz.
BGE 134 III 524 S. 526
Der Beschwerdegegner schliesst in seiner Vernehmlassung vom 12. März 2008 auf
Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

1. Erhebt ein Schuldner Rechtsvorschlag mit der Begründung, er sei nicht zu
neuem Vermögen gekommen, so legt das Betreibungsamt den Rechtsvorschlag dem
Richter des Betreibungsortes vor, welcher die Parteien anhört und endgültig
entscheidet (Art. 265a Abs. 1 SchKG). In diesem gerichtlichen Verfahren wird
summarisch geprüft, ob neues Vermögen vorliegt oder nicht (Botschaft, BBl 1991
III 158). Der Schuldner und der Gläubiger können innert 20 Tagen nach der
Eröffnung des Entscheides über den Rechtsvorschlag auf dem ordentlichen
Prozessweg beim Richter des Betreibungsortes Klage auf Bestreitung oder
Feststellung des neuen Vermögens einreichen (Art. 265a Abs. 4 SchKG).
Angefochten ist ein Entscheid im Verfahren nach Art. 265a Abs. 1 SchKG.

1.1 Wie ein Rechtsöffnungsentscheid nach Art. 80 bzw. 82 SchKG (vgl. dazu BGE
134 III 141 E. 2 S. 143; BGE 133 III 399 E. 1.2 S. 399, E. 1.4 S. 400) stellt
auch ein Entscheid nach Art. 265a Abs. 1 SchKG einen Endentscheid in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen gemäss Art. 72 Abs. 2 lit. a und Art. 90
BGG dar (so bereits unter der Herrschaft des OG BGE 126 III 110 E. 1b S. 111;
implizit Urteile 5D_28/2007 und 5D_30/2007 je vom 11. April 2007).

1.2 Gemäss Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG ist die Beschwerde in Zivilsachen
unabhängig vom Streitwert zulässig, wenn ein Bundesgesetz eine einzige
kantonale Instanz vorschreibt. Die Regelung in Art. 265a Abs. 1 SchKG, wonach
der Richter endgültig entscheidet, führt im Ergebnis zu einer einzigen
kantonalen Instanz, sind doch von Bundesrechts wegen jegliche kantonalen
Rechtsmittel ausgeschlossen (BGE 131 I 24 E. 2.2 S. 28; BGE 126 III 110 E. 1b
S. 112).
Indes hat Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG - entsprechend der bisherigen Regelung in
Art. 45 lit. a und c OG - diejenigen Fälle im Auge, in welchen das Bundesrecht
spezialgesetzlich, namentlich auf dem Gebiete des Immaterialgüterrechts,
explizit eine einzige kantonale Instanz vorschreibt, so dass das Bundesgericht
als einzige und letzte Rechtsmittelinstanz entscheidet (Art. 64 Abs. 3
Urheberrechtsgesetz [SR
BGE 134 III 524 S. 527
231.1], Art. 58 Abs. 3 Markenschutzgesetz [SR 232.11], Art. 37 Designgesetz [SR
232.12], Art. 76 Abs. 1 Patentgesetz [SR 232.14], Art. 42 Abs. 1
Sortenschutzgesetz [SR 232.16], Art. 14 Abs. 1 Kartellgesetz [SR 251], Art. 23
Kernenergiehaftpflichtgesetz [SR 732.44]; siehe Botschaft, BBl 2001 S. 4311).
Demgegenüber erfolgt der Ausschluss kantonaler Rechtsmittel beim Entscheid über
den Rechtsvorschlag nach Massgabe von Art. 265a Abs. 1-3 SchKG mit Blick
darauf, dass, wer mit dem Bewilligungsentscheid nicht einverstanden ist, nach
Art. 265a Abs. 4 SchKG den ordentlichen Prozessweg beschreiten kann (Botschaft,
BBl 1991 III 159). Dies rechtfertigt es, Beschwerden gegen Entscheide nach
Massgabe von Art. 265a Abs. 1-3 SchKG nicht der Regelung in Art. 74 Abs. 2 lit.
b BGG, sondern der Streitwertgrenze nach Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG zu
unterstellen (in diesem Sinne Urteile 5D_28/2007 und 5D_30/2007 je vom 11.
April 2007). Vorliegend beträgt der Streitwert mehr als Fr. 30'000.-.

1.3 Gemäss Art. 75 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde zulässig gegen Entscheide
letzter kantonaler Instanzen und des Bundesverwaltungsgerichts. Dabei knüpft
der Begriff der Letztinstanzlichkeit an jenen von Art. 86 Abs. 1 OG an (Urteil
5A_678/2007 vom 8. Januar 2008, E. 3.1). Letztinstanzlichkeit gemäss Art. 75
Abs. 1 BGG bedeutet, dass der kantonale Instanzenzug für die Rügen, die dem
Bundesgericht vorgetragen werden, ausgeschöpft sein muss (Urteil 5A_678/ 2007
vom 8. Januar 2008, E. 3; Botschaft, BBl 2001 S. 4310).
Die Regelung in Art. 265a Abs. 1 SchKG, wonach der Richter endgültig darüber
entscheidet, ob ein Rechtsvorschlag bewilligt wird oder nicht, führt zwar zu
einem Ausschluss sämtlicher ordentlicher und ausserordentlicher Rechtsmittel
des kantonalen Rechts; indes beschneidet sie den Rechtsschutz der Parteien
nicht, da diese das ordentliche Verfahren gemäss Art. 265a Abs. 4 SchKG
einleiten können (Urteil 5P.117/2005 vom 13. Oktober 2005, E. 1.2, publ. in:
Pra 95/2006 Nr. 68 S. 492). Dementsprechend betrachtet die Lehre das zweite
ordentliche Verfahren als eine Art Fortsetzung des Summarverfahrens
(BRÖNNIMANN, Neuerungen bei ausgewählten Klagen des SchKG, in: ZSR 115/1996 I
S. 231) bzw. als zweite Stufe desselben Verfahrens (Botschaft, BBl BGE 1991 III
158 f.; HUBER, Basler Kommentar, N. 18 zu Art. 265a SchKG; GASSER,
Nachlassverfahren, Insolvenzerklärung und Feststellung des neuen Vermögens nach
rev.SchKG, in: ZBJV 132/1996 S. 18), in welcher der Richter die Funktion einer
BGE 134 III 524 S. 528
zweiten Instanz übernimmt (FÜRSTENBERGER, Einrede des mangelnden und
Feststellung neuen Vermögens nach revidiertem Schuldbetreibungs- und
Konkursgesetz, Diss. Basel 1999, S. 97). Im Ergebnis dient die Klage auf
Bestreitung bzw. auf Feststellung neuen Vermögens somit als Rechtsbehelf zur
Überprüfung des Entscheides über die Bewilligung bzw. Nichtbewilligung des
Rechtsvorschlages. Sie erfüllt im Verhältnis zum vorausgegangenen summarischen
Entscheid über den Rechtsvorschlag die Funktion eines Rechtsmittels (BGE 131 I
24 E. 2.2 S. 29, E. 2.4 S. 30). Soweit eine bestimmte Rüge durch den Entscheid
im ordentlichen Verfahren nach Art. 265a Abs. 4 SchKG behandelt und ein
allfälliger Mangel behoben werden kann, ist die gesonderte Anfechtung des
Summarentscheides mit der Voraussetzung der Letztinstanzlichkeit unvereinbar
(Urteil 5P.117/ 2005 vom 13. Oktober 2005, E. 1.2, a.a.O., S. 493).
Dies gilt nicht für die Rüge von Verletzungen des rechtlichen Gehörs, kann doch
die Klage auf Feststellung neuen Vermögens nach Art. 265a Abs. 4 SchKG in einem
nunmehr abgeschlossenen Verfahren begangene Gehörsverletzungen nicht heilen (
BGE 126 III 110 E. 1b S. 112). Letztinstanzlichkeit ist vorliegend somit nur
mit Blick auf die Gehörsrüge gegeben.

1.4 Nach Art. 75 Abs. 2 BGG setzen die Kantone als letzte kantonale Instanzen
obere Gerichte ein. Indes resultiert aus der spezialgesetzlichen Regelung des
Verfahrens betreffend Feststellung des neuen Vermögens, welche das
Summarverfahren (Art. 265a Abs. 1 SchKG) und das darauf folgende ordentliche
Verfahren (Art. 265a Abs. 4 SchKG) vorsieht, dass im Summarverfahren ein nicht
oberes kantonales Gericht endgültig entscheidet. Insofern wird im SchKG eine
Ausnahme zu Art. 75 Abs. 2 BGG geschaffen.
Das Gericht des Seebezirks erfüllt somit die Voraussetzungen einer Vorinstanz
nach Art. 75 BGG.