Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 III 520



Urteilskopf

134 III 520

81. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Kanton Solothurn (subsidiäre Verfassungsbeschwerde)
5D_139/2007 vom 10. April 2008

Regeste

Definitive Rechtsöffnung; subsidiäre Verfassungsbeschwerde; Anwaltsmonopol;
Art. 40 Abs. 1, Art. 72 Abs. 1 und 2 lit. a BGG. Das Anwaltsmonopol gilt im
Anwendungsbereich der subsidiären Verfassungsbeschwerde in Zivil- und
Strafsachen, dagegen nicht in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (E. 1.2).
Da nach neuem Recht die SchKG-Angelegenheiten nach Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG
der Beschwerde in Zivilsachen zugewiesen werden, gilt für sie auch das
Anwaltsmonopol gemäss Art. 40 Abs. 1 BGG (E. 1.5).

Sachverhalt ab Seite 521

BGE 134 III 520 S. 521

A. In der vom Kanton Solothurn (im Folgenden: Beschwerdegegner) gegen X. (im
Folgenden: Beschwerdeführer) eingeleiteten Betreibung Nr. 1... des
Betreibungsamtes A. erteilte der Einzelrichter im summarischen Verfahren am
Bezirksgericht Zürich mit Verfügung vom 15. August 2007 definitive
Rechtsöffnung für Fr. 8'348.05 nebst Zinsen und Kosten. Dagegen erhob der
Beschwerdeführer, vertreten durch die Treuhand Y., beim Obergericht des Kantons
Zürich (III. Zivilkammer) Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, der
Beschwerdeführer sei "für das Jahr 2002 nur durch einen Kanton zu besteuern"
und "die Aufteilung der Steuerrechnung 2002 den Kantonen Solothurn und Zürich
zu überlassen". Mit Beschluss vom 19. Oktober 2007 wurde die
Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen, soweit auf sie einzutreten war.

B. Der Beschwerdeführer, vertreten durch die Treuhand Y., hat mit Eingabe vom
24. November 2007 die Sache an das Bundesgericht weitergezogen. Er beantragt im
Wesentlichen, der obergerichtliche Entscheid sei aufzuheben und es sei
festzustellen, dass die Besteuerung nur durch einen Kanton erfolgen könne.
Das Bundesgericht tritt auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht ein.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

1. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 133 III 645 E. 2 mit
Hinweis).

1.1 Gemäss Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG unterliegen der Beschwerde in Zivilsachen
auch Entscheide in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen. Beim vorliegenden
Entscheid über die definitive Rechtsöffnung handelt es sich um einen solchen
Entscheid (BGE 133 III 399 E. 1). In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist
die Beschwerde nur zulässig, wenn der Streitwert mindestens 30'000 Franken
beträgt
BGE 134 III 520 S. 522
(Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG), es sei denn, dass ein vorliegend nicht gegebener
Ausnahmegrund nach Art. 74 Abs. 2 BGG besteht. Da die Streitwertgrenze
offensichtlich nicht erreicht wird, ist nur die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde nach Art. 113 ff. BGG zulässig.

1.2 Im vorliegenden Fall stellt sich vorab die Frage, ob ein Treuhandbüro den
Beschwerdeführer vor Bundesgericht gültig vertreten kann. Nach Art. 40 Abs. 1
BGG können in Zivil- und Strafsachen Parteien vor Bundesgericht nur von
Anwälten und Anwältinnen vertreten werden, die nach dem Anwaltsgesetz oder
einem Staatsvertrag berechtigt sind, Personen vor schweizerischen
Gerichtsbehörden zu vertreten. Es ist deshalb zu prüfen, in welchen Fällen im
Anwendungsbereich der subsidiären Verfassungsbeschwerde eine Zivil- oder
Strafsache vorliegt.
In der Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege (BBl 2001 S. 4202 ff.) war dieses Rechtsmittel noch nicht
vorgesehen. Auf Vorschlag des Vorstehers des EJPD wurde eine Arbeitsgruppe
gebildet, die anregte, die drei ordentlichen Beschwerden (die Beschwerde in
Zivilsachen, die Beschwerde in Strafsachen sowie die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) durch eine subsidiäre
Verfassungsbeschwerde zu ergänzen. Diese soll dort zur Verfügung stehen, wo die
ordentlichen Einheitsbeschwerden nach dem 3. Kapitel (Art. 72-89 BGG)
ausgeschlossen sind (Fälle unterhalb der Streitwertgrenze bzw. im
Ausschlussbereich). Diese Erweiterung des Rechtsmittelsystems wurde von beiden
Räten ohne Änderungen akzeptiert (AB 2004 N S. 1614 f. und AB 2005 S S. 139).
In Art. 113 BGG wird als Grundsatz festgehalten, dass dieser Rechtsmittelweg
offensteht, soweit keine Beschwerde nach Art. 72-89 BGG zulässig ist. Das
heisst, dass die subsidiäre Verfassungsbeschwerde die Einheitsbeschwerde
ersetzt, wenn eine für die jeweilige Einheitsbeschwerde aufgestellte
Voraussetzung nicht gegeben ist. Daraus folgt, dass die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde auch ein Rechtsmittel "in Zivilsachen" im Sinne von Art.
72 ff. BGG ist, wenn sie an Stelle der Beschwerde in Zivilsachen erhoben werden
muss. Mit dem Begriff "subsidiäre Verfassungsbeschwerde" werden lediglich die
zulässigen Rügen thematisiert, nämlich die Verletzung von verfassungsmässigen
Rechten gemäss Art. 116 BGG. Dies bedeutet, dass das Anwaltsmonopol im
Anwendungsbereich der subsidiären Verfassungsbeschwerde gleich weit reicht wie
bei der Einheitsbeschwerde: In Zivil- und Strafsachen ist es gegeben, in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht.
BGE 134 III 520 S. 523

1.3 Gemäss Art. 72 Abs. 1 BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden in
Zivilsachen. Nach Art. 72 Abs. 2 BGG unterliegen der Beschwerde in Zivilsachen
auch Entscheide in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen (lit. a) und
öffentlich-rechtliche Entscheide, die in unmittelbarem Zusammenhang mit
Zivilrecht stehen (lit. b). Es ist daher zu prüfen, ob Art. 40 BGG nur die
Zivilsachen gemäss Art. 72 Abs. 1 BGG umfasst oder vielmehr verfahrensrechtlich
in dem Sinn zu verstehen ist, dass für sämtliche Materien, die der Beschwerde
in Zivilsachen unterliegen, das Anwaltsmonopol gemäss Art. 40 BGG gilt. Das
Bundesgericht hat sich in einem Registerstreit für Marken, welcher den
vorausgesetzten Streitwert erreichte und der gemäss Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff.
2 BGG der Beschwerde in Zivilsachen unterliegt, dafür entschieden, dass das
Anwaltsmonopol für sämtliche Beschwerden in Zivilsachen, also auch für
diejenigen nach Art. 72 Abs. 2 BGG gilt (Urteil des Bundesgerichts 4A_161/2007
vom 18. Juli 2007, E. 3). An dieser Auffassung ist nach erneuter Prüfung auch
für die Schuldbetreibungs- und Konkurssachen festzuhalten.

1.4 Der Bundesrat sah in seinem Entwurf eine umfassende Geltung des
Anwaltsmonopols vor (Art. 37 Abs. 1 E-BGG; vgl. auch Botschaft, a.a.O., S.
4293). Absicht des Bundesrats war, mit dem Anwaltsmonopol den Zugang zum
Bundesgericht zu erschweren. Der Nationalrat lehnte in der Herbstsession 2004
diese Ausweitung des Anwaltsmonopols auf die öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Bestreben deutlich ab, an der damals geltenden
Rechtslage nichts zu ändern: Zivil- und Strafsachen sollten vom Anwaltsmonopol
erfasst und öffentlich-rechtliche Angelegenheiten nicht erfasst sein (AB 2004 N
S. 1589 ff.). Die Frage, ob das Anwaltsmonopol auch auf SchKG-Belange
ausgedehnt werden solle, bildete nicht Gegenstand der Diskussionen in den
beiden Räten. Dagegen wurde wiederholt auf den bisherigen Art. 29 OG
(gelegentlich fälschlicherweise als Art. 27 OG bezeichnet) verwiesen. Auch der
Ständerat, der vorher der Ansicht des Bundesrats gefolgt war, schwenkte auf die
Meinung des Nationalrats um und stimmte für die Beibehaltung des Status quo (AB
2005 S S. 122 ff.).

1.5 Nach Art. 29 OG fiel das betreibungsrechtliche Beschwerdeverfahren nicht
unter die Zivilsachen; der Rechtsweg wurde durch Art. 19 aSchKG und Art. 76 ff.
OG abgedeckt. Aber Art. 29 OG wurde stets verfahrensrechtlich in dem Sinn
verstanden, dass auf die Art des vor Bundesgericht einzureichenden
Rechtsmittels abgestellt wurde: Zivilsachen im Sinne dieser Bestimmung waren
der direkte
BGE 134 III 520 S. 524
Prozess, die Berufung, die zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde sowie die
Revision und Erläuterung gegen diesbezügliche Entscheide (W. BIRCHMEIER,
Bundesrechtspflege, S. 31; JEAN-FRANÇOIS POUDRET, Commentaire de la loi
fédérale d'organisation judiciaire, N. 3.1 zu Art. 29 OG, S. 161). Das Gleiche
gilt nach dem Gesagten für Art. 40 BGG. Da nach neuem Recht sämtliche
SchKG-Angelegenheiten nach Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG generell der Beschwerde in
Zivilsachen zugewiesen werden, gilt für sie auch das Anwaltsmonopol gemäss Art.
40 BGG.