Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 III 467



Urteilskopf

134 III 467

75. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. K. gegen S.
und B. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_74/2008 vom 25. Juni 2008

Regeste

Art. 78 Abs. 1 IPRG; Anerkennung einer ausländischen Adoption. Eine
ausländische Adoption kann im Erbteilungsprozess vorfrageweise anerkannt
werden, wenn sie im Staat des Wohnsitzes oder im Heimatstaat der adoptierenden
Person oder der adoptierenden Ehegatten ausgesprochen wurde, nicht hingegen,
wenn sie im Staat des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes oder im
Heimatstaat der adoptierten Person erfolgt ist (E. 2-4).

Sachverhalt ab Seite 467

BGE 134 III 467 S. 467
Die Ehegatten A. und B., beide aus dem Kanton Bern mit Wohnsitz ab 1989 in
Spanien, adoptierten 1992 das Kind K., geboren 1981, in Brasilien nach
brasilianischem Recht. Auf das Gesuch der Ehegatten A.-B., die Adoption in der
Schweiz anzuerkennen respektive zu wiederholen, trat die Justizdirektion des
Kantons Bern wegen fehlender (internationaler/örtlicher) Zuständigkeit am 7.
September 1992 nicht ein. Die Ehegatten A.-B. lebten damals gemeinsam mit K.,
dem ebenfalls adoptierten Sohn S. und der früh verstorbenen Adoptivtochter T.
in Spanien. Bei einem Aufenthalt in der Schweiz
BGE 134 III 467 S. 468
im Sommer 1996 kam es zwischen den Ehegatten A.-B. und K. zu
Auseinandersetzungen. Während die Ehegatten an ihren Wohnsitz in Spanien
zurückkehrten, blieb K. in der Schweiz. Es wurde ihr am 4. Dezember 1996 ein
Vertretungsbeistand bestellt. Die Gerichte des Kantons Freiburg hiessen die
Unterhaltsklage von K. gegen die Ehegatten A.-B. gut. Auf deren Berufung trat
das Bundesgericht nicht ein.
A. starb 2004 an seinem Wohnort in Spanien. Verfügungen von Todes wegen liegen
nicht vor. Die Ehefrau B. und der Adoptivsohn S. sind die gesetzlichen Erben
und die Beklagtenpartei im Erbteilungsprozess, den K. einleitete. Das Verfahren
wurde auf die Frage der Erbberechtigung der Klägerin K. beschränkt. Die
Gerichte des Kantons Bern verneinten die Erbberechtigung und wiesen die Klage
ab. Das Bundesgericht weist die Beschwerde von K. ab, soweit darauf einzutreten
ist.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

2. Die gesetzliche Erbfolge stellt ausschliesslich auf formelle
familienrechtliche Beziehungen ab und legt innerhalb der Familie eine bestimmte
Stufenfolge fest. Ob die Beziehung tatsächlich gelebt wurde, ist ebenso
unerheblich wie eine tatsächlich gelebte Beziehung (z.B. Konkubinat,
Pflegeverhältnis u.ä.), die ohne formelle familienrechtliche Bande keine
gesetzliche Erbberechtigung verschaffen kann (vgl. DRUEY, Grundriss des
Erbrechts, 5. Aufl., Bern 2002, § 5 N. 9-12 S. 44 f.; z.B. BGE 124 III 1 E. 2
S. 2 ff.). Nächste Erben des Erblassers sind gemäss Art. 457 ZGB seine
Nachkommen (Abs. 1), d.h. seine zu gleichen Teilen erbenden Kinder (Abs. 2) und
deren Nachkommen, die an die Stelle vorverstorbener Kinder treten (Abs. 3). Den
Kindern des Erblassers rechtlich gleichgestellt sind kraft Gesetzes seine
Adoptivkinder (Art. 267 Abs. 1 ZGB). Dass eine ausländische Adoption
Rechtswirkungen im Inland erlangt, setzt ihre Anerkennung voraus. Darüber haben
die kantonalen Gerichte hier im Erbteilungsprozess vorfrageweise nach den
Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1987 über das Internationale
Privatrecht (IPRG; SR 291) entschieden. Streitig und zu prüfen sind einzig die
im Zusammenhang mit Art. 78 IPRG aufgeworfenen Fragen. Mehr oder anderes
verlangt die Beschwerdeführerin nicht (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 1
BGG; vgl. BGE 134 III 102 E. 1.1 S. 104 f.).
BGE 134 III 467 S. 469

3. Auf Grund der bisher durchgeführten Verfahren stellt sich zuerst die Frage,
inwiefern über die Anerkennung der im Ausland erfolgten Adoption heute noch
entschieden werden darf.

3.1 Die Beschwerdeführerin erneuert ihren Einwand, das Kantonsgericht Freiburg
habe in den Erwägungen zu seinem Unterhaltsurteil die Adoption anerkannt und
damit mit Rechtskraftwirkung über die Anerkennung entschieden. Wie die
Erwägungen des Kantonsgerichts im Einzelnen zu verstehen sind, kann
dahingestellt bleiben. Die Beschwerdeführerin räumt ein, dass das
Kantonsgericht die Anerkennung nur vorfrageweise in den Erwägungen geprüft und
bejaht, aber nicht im Dispositiv festgestellt hat. Der zivilprozessuale
Grundsatz, dass nur das Entscheiddispositiv in Rechtskraft erwächst (BGE 121
III 474 E. 4a S. 477 f.; BGE 123 III 16 E. 2a S. 18/19), gilt auch im sogenannt
unselbstständigen Anerkennungsverfahren. Die bloss vorfrageweise Beurteilung
entfaltet Rechtskraft nur innerhalb des jeweiligen Verfahrens (vgl. BGE 105 II
1 E. 2 S. 3 f.; BERTI/DÄPPEN, Basler Kommentar, 2007, N. 14 zu Art. 29 IPRG; G.
WALTER, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 4. Aufl., Bern 2007, § 9
/III/2b/aa S. 412). Das Obergericht hat den Einwand der Beschwerdeführerin
deshalb für unbegründet erklären dürfen.

3.2 Umgekehrt stellt sich die Frage, wie es sich mit dem vor den Behörden des
Kantons Bern ergangenen Entscheid vom 7. September 1992 verhält. Der in einem
selbstständigen Anerkennungsverfahren ergehende Entscheid, der sich über die
Anerkennung einer ausländischen Adoption ausspricht, ist feststellender Art mit
bindender Wirkung auch für allfällige andere Rechtsstreitigkeiten (vgl. G.
WALTER, a.a.O., § 9/III/2b/aa S. 413). Die kantonale Justizdirektion hat sich
nicht über die Anerkennung ausgesprochen, sondern ist in ihrem Entscheid, auf
das Gesuch, die Adoption der Beschwerdeführerin in der Schweiz anzuerkennen
respektive zu wiederholen, wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit nicht
eingetreten. In materielle Rechtskraft erwachsen grundsätzlich nur Sachurteile,
Prozessurteile höchstens hinsichtlich der beurteilten Zulässigkeitsfrage (vgl.
BGE 115 II 187 E. 3a S. 189; BGE 127 I 133 E. 7a S. 139). Dies bedeutet, dass
die klagende Partei in einem späteren Verfahren - vor dem gleichen Gericht und
gestützt auf denselben Sachverhalt - nicht mehr behaupten kann, der frühere
Entscheid, mit dem die örtliche Zuständigkeit verneint wurde, sei unrichtig
(vgl. HABSCHEID, Droit judiciaire privé suisse, 2. Aufl., Bern 1981, S. 306 f.,
und STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, Zürich 2008, § 24 N. 10
BGE 134 III 467 S. 470
S. 413). Im vorliegenden Verfahren steht weder eine Bestreitung der
Unzuständigkeit der kantonalen Justizdirektion in Frage, noch geht es um
aufeinanderfolgende Zuständigkeitsentscheide der gleichen Behörde. Es kann
zudem ergänzt werden (Art. 105 Abs. 2 BGG), dass dem in den Akten liegenden
Entscheid vom 7. September 1992 eine Unzuständigkeit gemäss Art. 76 IPRG
zugrunde liegt, während es im vorliegenden Verfahren einzig um die
Zuständigkeit im Sinne von Art. 78 IPRG geht (E. 2 hiervor). Eine
Rechtskraftwirkung des früheren Unzuständigkeitsentscheids auf das vorliegende
Verfahren haben die kantonalen Gerichte deshalb zutreffend ausgeschlossen
(weiterführend: BERTI, Zur Rechtskraft der negativen Prozessurteile, Etudes de
procédure et d'arbitrage en l'honneur de Jean-François Poudret, Lausanne 1999,
S. 3 ff., 13 f.).

3.3 Schliesslich ist die Frage zu prüfen, welche Wirkungen eine Anerkennung zum
heutigen Zeitpunkt entfaltet, namentlich mit Rücksicht darauf, dass der
Erblasser, zu dem kraft Adoption im Ausland ein Kindesverhältnis bestehen soll,
bereits gestorben ist. Mit der Anerkennung eines ausländischen Urteils duldet
der ersuchte Staat die Geltung fremder Rechtsakte auf seinem Hoheitsgebiet
(vgl. BGE 120 II 83 E. 3a/cc S. 86). Eine im Ausland ergangene Entscheidung
kann dabei in der Schweiz grundsätzlich keine weitergehenden Wirkungen
entfalten als im Urteilsstaat. Denn die Anerkennung kann nur Wirkungen
erstrecken, nicht aber neue schaffen (vgl. BGE 129 III 626 E. 5.2.3 S. 635).
Die Anerkennung einer ausländischen Adoption begründet deshalb kein neues
Kindesverhältnis, sondern erstreckt die Wirkungen der bereits im Ausland
erfolgten Adoption auf die Schweiz. Gesuche um Anerkennung ausländischer
Adoptionen werden denn auch häufig im Zusammenhang mit einem Erbfall gestellt,
weil oft erst in diesem Zeitpunkt ein Interesse an der Anerkennung entsteht
(z.B. BGE 113 II 106). Die kantonalen Gerichte sind deshalb richtig davon
ausgegangen, die vorfrageweise Prüfung der Anerkennung der ausländischen
Adoption im Rahmen des Erbteilungsprozesses sei zulässig und die allfällige
Anerkennung bedeute nicht etwa die rückwirkende Begründung eines
Kindesverhältnisses zu einem Verstorbenen, sondern die Ausdehnung der Wirkungen
der zu Lebzeiten des Erblassers erfolgten Adoption im Ausland auf den
schweizerischen Rechtsraum.

4. Nach Art. 78 IPRG werden ausländische Adoptionen in der Schweiz anerkannt,
wenn sie im Staat des Wohnsitzes oder im Heimatstaat der adoptierenden Person
oder der adoptierenden
BGE 134 III 467 S. 471
Ehegatten ausgesprochen worden sind (Abs. 1). Ausländische Adoptionen oder
ähnliche Akte, die von einem Kindesverhältnis im Sinne des schweizerischen
Rechts wesentlich abweichende Wirkungen haben, werden in der Schweiz nur mit
den Wirkungen anerkannt, die ihnen im Staat der Begründung zukommen (Abs. 2).

4.1 Art. 78 Abs. 1 IPRG regelt die sog. Anerkennungszuständigkeit im Sinne der
Art. 25 f. IPRG und beantwortet die Frage, von welcher ausländischen Behörde
die Entscheidung ausgegangen sein muss, damit sie in der Schweiz Wirkung
erlangen und anerkannt werden kann (vgl. BGE 120 II 87 E. 4 S. 90). Die
Adoption wurde 1992 in Brasilien von den dortigen Behörden und damit am
Wohnsitz der adoptierten Beschwerdeführerin ausgesprochen, während die
adoptierenden Ehegatten ihren Wohnsitz in Spanien hatten und die schweizerische
Nationalität besassen. Von seinem Wortlaut her ist der Tatbestand von Art. 78
Abs. 1 IPRG somit nicht erfüllt.

4.2 Die Beschwerdeführerin wendet ein, die Adoption sei gleichwohl
anzuerkennen, weil Art. 78 Abs. 1 IPRG lückenhaft und von seinem Zweck her
gegen den nur vermeintlich klaren Wortlaut auszulegen sei. Zum Zweck der
Zuständigkeitsregelung in Art. 78 Abs. 1 IPRG lässt sich den Materialien nur
entnehmen, dass das schweizerische Recht, dem Grundsatz favor recognitionis
folgend, ausländische Adoptionen und ausländische Rechtsakte weitgehend
anerkennen will (Botschaft zum IPR-Gesetz, BBl BGE 1983 I 263, S. 372/373;
diskussionslose Zustimmung in den Räten: AB 1985 S 151 und AB 1986 N 1349).
Dieser Grundsatz wird nach dem Gesetz indessen insofern nur teilweise
verwirklicht, als die im Staat des Wohnsitzes oder im Heimatstaat der
adoptierten Person ausgesprochenen Adoptionen gerade nicht anerkannt werden.
Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin ist die Einschränkung aber deswegen
nicht sinn- und zwecklos. Denn die Behörden am Wohnsitz oder allenfalls am
Heimatort der Adoptiveltern dürften weit besser als die Behörden am
Aufenthaltsort des zu adoptierenden Kindes feststellen und beurteilen können,
ob die nachgesuchte Adoption dem Kindeswohl entspricht und dabei namentlich, ob
die Gesuchsteller als künftige Adoptiveltern geeignet sind (vgl. BGE 113 II 106
E. 3b S. 110 ff.; SIEHR, Zürcher Kommentar, 2004, N. 9 zu Art. 78 IPRG). Hinter
dem Vorrang der Zuständigkeit an einem Ort, zu dem die Person des oder der
Adoptierenden eine Beziehung - Wohnsitz oder Heimat - hat, steht die
gesetzgeberische Wertung, dass die Adoption auf einer bestmöglichen Abklärung
des Kindeswohls
BGE 134 III 467 S. 472
beruhen und nicht gleichsam "blanko" statuiert werden soll (vgl. VOLKEN,
Adoptionen mit Auslandbeziehungen, in: Beiträge zur Anwendung des neuen
Adoptionsrechts, St. Gallen 1979, S. 75 ff., 98). Der Gesetzestext gibt den mit
der einschränkenden Regelung verfolgten Zweck richtig wieder. Bei dieser
Rechtslage aber verbietet sich sowohl eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut
der Bestimmung (BGE 133 III 497 E. 4.1 S. 499) als auch die Annahme einer Lücke
(BGE 134 V 15 E. 2.3 S. 16 ff.; siehe auch DUTOIT, Droit international privé
suisse, 4. Aufl., Basel 2005, N. 2, und URWYLER/HAUSER, Basler Kommentar, 2007,
N. 6, je zu Art. 78 IPRG).
Während Adoptionen in der Regel im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des
Kindes ausgesprochen werden, verlangt Art. 78 Abs. 1 IPRG, dass ausländische
Adoptionen im zukünftigen Lebensumfeld des Kindes oder im Heimatstaat der
Adoptierenden erfolgen, um anerkannt zu werden. Ausserhalb dieser
Konstellationen muss die Adoption in der Schweiz "wiederholt" werden (vgl.
SIEHR, Das internationale Privatrecht der Schweiz, Zürich 2002, S. 99 f. Ziff.
4a; siehe auch Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 6.
Dezember 2006, in: Rechenschaftsbericht an den Kantonsrat [RB/ZH] 2006 Nr. 31
S. 88 ff.; BGE 104 Ib 6; VPB 45/1981 Nr. 80 S. 436 ff.; Urteil 5A.20/2005 vom
21. Dezember 2005, E. 3.4, publ. in: FamPra.ch 2006 S. 468 f., betreffend eine
einfache Adoption in Bosnien-Herzegowina; Urteil 5P.148/2005 vom 31. August
2005, E. 3.2, publ. in: FamPra.ch 2006 S. 180 ff., betreffend "petite adoption"
der Demokratischen Republik Kongo).
Im Übrigen kritisiert der von der Beschwerdeführerin in diesem Kontext zitierte
Autor das Gesetz aus heutiger Sicht als "particulièrement rigide", plädiert
aber nicht etwa für die Annahme einer Lücke (A. BUCHER, L'enfant en droit
international privé, Basel 2003, N. 295 S. 105; siehe auch ders., Droit
international privé suisse, tome II: Personnes, famille, successions, Basel
1992, N. 749 S. 248).

4.3 Nach dem Gesagten gewährleistet die Zuständigkeitsregelung in Art. 78 Abs.
1 IPRG, dass ausländische Adoptionen in der Schweiz nur anerkannt werden, wenn
sie von Behörden ausgesprochen wurden, die geeignet waren, die wesentlichen
Umstände der Adoption abzuklären. Dabei haben die Behörden am Wohnsitz bzw. am
Heimatort der Adoptiveltern den Vorrang, weil sie besser in der Lage sind, die
im Lichte des Kindeswohls entscheidenden Voraussetzungen der Adoption
abzuklären, namentlich die Persönlichkeit und die
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Gesundheit der Adoptiveltern, deren erzieherischen Fähigkeiten, deren
wirtschaftlichen und familiären Verhältnisse und Beweggründe. Die
Beschwerdeführerin ist der Auffassung, diese Auslegung sei nicht
völkerrechtskonform. Sie beruft sich auf das Übereinkommen vom 20. November
1989 über die Rechte des Kindes (SR 0.107) und auf das Übereinkommen vom 29.
Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der
Internationalen Adoption (SR 0.211.221.311). Sie macht geltend, beide
Übereinkommen seien auf die vorliegende Adoption zwar nicht unmittelbar
anwendbar, ihrem Inhalt nach aber bei der Auslegung des einheimischen Rechts zu
berücksichtigen.
Ein Widerspruch zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes ist weder
ersichtlich noch dargetan. Danach ist bei allen Massnahmen, die Kinder
betreffen, das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu
berücksichtigen ist (Art. 3 Abs. 1). Für den Bereich der Adoption wird der
Vorrang des Kindeswohls in Art. 21 unter anderem dahin gehend umschrieben, dass
die Adoption eines Kindes nur durch die zuständigen Behörden bewilligt wird,
die nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften und Verfahren und auf der
Grundlage aller verlässlichen einschlägigen Informationen entscheiden (lit. a),
und dass das Kind im Fall einer internationalen Adoption in den Genuss der für
nationale Adoptionen geltenden Schutzvorschriften und Normen kommt (lit. c).
Dieses - von der Beschwerdeführerin angerufene - Diskriminierungsverbot wird
mit Bezug auf die Zuständigkeitsregelung und deren Zweck im Bereich der
internationalen Adoption (E. 4.2 soeben) offenkundig nicht verletzt, sieht doch
auch das nationale Recht die Zuständigkeit der Behörden am Wohnsitz der
Adoptiveltern vor (Art. 268 ZGB), die alle wesentlichen Umstände zu untersuchen
haben (Art. 268a ZGB).
Ein Widerspruch zum Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die
Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Internationalen Adoption ist weder
ersichtlich noch dargetan. Der angerufene Art. 24 weicht zwar von Art. 78 Abs.
1 IPRG ab und sieht weiter gehend vor, dass die Anerkennung einer Adoption in
einem Vertragsstaat nur versagt werden kann, wenn die Adoption seiner
öffentlichen Ordnung offensichtlich widerspricht, wobei das Wohl des Kindes zu
berücksichtigen ist. Diese Anerkennungspflicht besteht jedoch nur für
staatsvertragskonforme Adoptionen (Art. 23 Abs. 1). Zu den staatsvertraglich
geregelten Voraussetzungen gehört, dass sich
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Adoptionsgesuchsteller an die Zentrale Behörde im Staat ihres gewöhnlichen
Aufenthalts zu wenden haben (Art. 14). Diese Zentrale Behörde hat sich davon zu
überzeugen, dass die Antragsteller für eine Adoption in Betracht kommen und
dazu geeignet sind; sie hat darüber einen Bericht zu verfassen, namentlich über
die Eignung der Antragsteller zur Adoption, ihre persönlichen, familiären und
gesundheitlichen Umstände, ihr soziales Umfeld, ihre Beweggründe zu einer
internationalen Adoption usw. (Art. 15). Entgegen der Darstellung der
Beschwerdeführerin werden auch nach dieser Regelung ausländische Adoptionen,
die am Aufenthaltsort des zu adoptierenden Kindes ausgesprochen wurden, nur
unter Voraussetzungen anerkannt, wie sie die Zuständigkeitsregelung in Art. 78
Abs. 1 IPRG gerade zu gewährleisten bezweckt, nämlich nach Abklärung der
Verhältnisse der Adoptionsgesuchsteller durch die Behörden vor Ort.

4.4 Aus den dargelegten Gründen führt die Auslegung von Art. 78 Abs. 1 IPRG
unter Berücksichtigung der genannten Übereinkommen zu keinem anderen Ergebnis.
Für eine Erweiterung der Anerkennungszuständigkeit besteht auch aufgrund der
konkreten Umstände des Einzelfalls kein sachlicher Grund. Vorliegend wurde nach
knapp drei Jahre dauerndem Pflegeverhältnis die Adoption in Brasilien
ausgesprochen und deren Anerkennung bzw. Wiederholung wenige Monate später in
der Schweiz beantragt. Der Entscheid, mit dem die in der Schweiz zuständigen
Behörden auf das entsprechende Gesuch nicht eintraten, wurde nicht angefochten.
Dass die ausländische Adoption in der Schweiz keine Rechtswirkungen hat, war
den Beteiligten damit von Beginn an klar. Eine Anerkennung der ausländischen
Adoption in Spanien oder eine neue Adoption in der Schweiz oder in Spanien
erfolgten nicht. Der für die Beschwerdeführerin unbefriedigende Zustand ist
somit auf das Verhalten der am ausländischen Adoptionsverhältnis beteiligten
Personen zurückzuführen, die ihre Absicht, durch Adoption ein in der Schweiz
rechtswirksames Kindesverhältnis zu begründen, nicht weiterverfolgt haben.
Derartige Fälle können sich bei internationalen Adoptionen, aber auch im Inland
ereignen, wenn es nach Beendigung des gesetzlich vorausgesetzten
Pflegeverhältnisses (Art. 264 ZGB) nicht zur Adoption kommt. Wie in dieser Lage
zu verfahren ist, beantwortet deshalb nicht das internationale Privatrecht als
blosses Kollisionsrecht, sondern das materielle Recht. Nach schweizerischem
Recht besteht kein klagbarer Anspruch des Kindes auf Begründung des
BGE 134 III 467 S. 475
Kindesverhältnisses durch Adoption. Der betroffenen Person stehen unter den
gesetzlichen Voraussetzungen lediglich Unterhalts-, Genugtuungs- und
Schadenersatzansprüche zu (vgl. HEGNAUER, Berner Kommentar, 1984, N. 14-17a zu
Art. 268 ZGB; STETTLER, Das Kindesrecht, Schweizerisches Privatrecht, Bd. III/
2, Basel 1992, § 9/II S. 147; CESCHI, Adoption ausländischer Kinder in der
Schweiz: Aufnahme, Vermittlung und Pflegeverhältnis, Diss. Zürich 1996, S. 236
ff., je mit Hinweisen).

4.5 Insgesamt kann die obergerichtliche Auslegung von Art. 78 Abs. 1 IPRG nicht
beanstandet werden. Die in Brasilien ausgesprochene Adoption der
Beschwerdeführerin durch die Beschwerdegegnerin und den Erblasser kann in der
Schweiz nicht anerkannt werden. Es fehlt damit an der formellen
familienrechtlichen Beziehung, die allein die gesetzliche Erbberechtigung
begründet.