Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 III 417



Urteilskopf

134 III 417

68. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen
Z. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_617/2007 vom 8. April 2008

Regeste

Art. 53 SchKG, Art. 932 Abs. 1 OR; perpetuatio fori bei der Konkurseröffnung
ohne vorgängige Betreibung; massgeblicher Zeitpunkt. Bei der Konkurseröffnung
ohne vorgängige Betreibung führt die Sitzverlegung einer im Handelsregister
eingetragenen Gesellschaft nur dann zu einer Änderung der örtlichen
Zuständigkeit des Konkursrichters, wenn der bisherige Sitz im Zeitpunkt der
Zustellung der Vorladung zur Konkursverhandlung im Handelsregister gelöscht
worden ist. Massgebend ist dabei das Datum des Tagebucheintrags der Löschung,
nicht die Uhrzeit der Einschreibung (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 417

BGE 134 III 417 S. 417

A. Die X. AG (nachfolgend: Beschwerdeführerin) verlegte ihren Sitz von A. nach
B., was im Handelsregister C. am 2. August 2007
BGE 134 III 417 S. 418
eingetragen wurde. Die Löschung im Handelsregister D. wurde am 8. August 2007
(Tagebuchdatum) vorgenommen. Die Publikation der Sitzverlegung erfolgte im
Schweizerischen Handelsamtsblatt vom 8. August 2007 (Eintragung im
Handelsregister C.) bzw. 14. August 2007 (Löschung im Handelsregister D.).

B. Mit Eingabe vom 2. August 2007 ersuchte die Z. AG (nachfolgend:
Beschwerdegegnerin) um Konkurseröffnung über die Beschwerdeführerin und
Aufnahme eines Güterverzeichnisses. Am 23. August 2007 eröffnete der
Gerichtspräsident des Gerichtskreises E. über die Beschwerdeführerin mit
Wirkung ab Donnerstag, 23. August 2007, 10.50 Uhr, den Konkurs.

C. Mit Eingabe vom 24. August 2007 appellierte die Beschwerdeführerin beim
Obergericht des Kantons Bern gegen das Urteil des Gerichtspräsidenten und
beantragte die Feststellung der Nichtigkeit der Konkurseröffnung, eventualiter
die Aufhebung des Konkurses. Mit Entscheid vom 20. September 2007 bestätigte
das Obergericht die Konkurseröffnung.

D. Die Beschwerdeführerin hat beim Bundesgericht am 22. Oktober 2007 Beschwerde
in Zivilsachen eingereicht. Die Beschwerdegegnerin schliesst in ihrer
Vernehmlassung vom 7. Dezember 2007 auf Abweisung der Beschwerde. Das
Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zu neuer
Beurteilung im Sinne der Erwägungen an das Obergericht zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

4. Die im Handelsregister eingetragenen juristischen Personen und
Gesellschaften sind an ihrem Sitze zu betreiben (Art. 46 Abs. 2 SchKG).
Verändert der Schuldner seinen Wohnsitz, nachdem ihm die Konkursandrohung
zugestellt worden ist, so wird die Betreibung gemäss Art. 53 SchKG am
bisherigen Orte fortgesetzt (perpetuatio fori).
Diese Bestimmung ist auch auf die Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung
anwendbar. Der Richter, der im Zeitpunkt der Zustellung der Vorladung zur
Konkursverhandlung an den Schuldner örtlich zuständig ist, bleibt es auch dann,
wenn dieser in der Folge sein Domizil wechselt (BGE 121 III 13 E. 1b S. 14).
Eine Sitzverlegung einer im Handelsregister eingetragenen Gesellschaft führt in
diesem Fall nur dann zu einer Änderung der örtlichen
BGE 134 III 417 S. 419
Zuständigkeit des Konkursrichters, wenn der bisherige Sitz im Zeitpunkt der
Zustellung der Vorladung zur Konkursverhandlung im Handelsregister gelöscht
worden ist (vgl. BGE 123 III 137 E. 3a S. 138 mit Hinweis auf BGE 116 III 1 E.
2 S. 4). Für die Bestimmung des Zeitpunkts der Eintragung dieser Löschung ist
deren Einschreibung in das Tagebuch massgebend (Art. 932 Abs. 1 OR).
Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, wird die Uhrzeit einer
Eintragung im Handelsregister nicht festgehalten (ECKERT, Basler Kommentar, N.
18 zu Art. 932 OR; KÜNG, Berner Kommentar, N. 138 zu Art. 932 OR). Mit der
Genehmigung durch das Eidgenössische Amt für das Handelsregister werden die
Eintragungen im Handelsregister rückwirkend auf den Tag der Eintragung in das
Tagebuch rechtswirksam (ECKERT, a.a.O., N. 19 zu Art. 932 OR; so ausdrücklich
Art. 34 der Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 [HRegV; SR 221.411],
welche auf das vorliegende Verfahren noch nicht anwendbar ist, vgl. Art. 173
Abs. 2 i.V.m. Art. 182 HRegV). Im Interesse der Rechtssicherheit ist für die
Wirksamkeit einer Eintragung daher auf das Datum des Tagebucheintrags
abzustellen (ECKERT, a.a.O., N. 18 zu Art. 932 OR). Die Uhrzeit der
Einschreibung ist nicht massgeblich. Somit stösst die Argumentation der
Beschwerdegegnerin ins Leere, die körperliche Eintragung im Handelsregister sei
erst im Laufe des 8. August 2007 erfolgt und es könne nicht festgestellt
werden, ob zuerst die Beschwerdeführerin im Handelsregister D. gelöscht oder
ihr die Vorladung zur Konkursverhandlung zugestellt worden sei. Auch sprechen
weder Gründe der Praktikabilität noch der Schutz der Gläubiger gegen einen
Wechsel der örtlichen Zuständigkeit des Konkursgerichts.
Sofern die Beschwerdeführerin tatsächlich ihren Sitz von A. nach B. verlegt
hat, hat die Vorinstanz somit Bundesrecht verletzt, indem sie die Zuständigkeit
des Konkursgerichts bejaht hat.