Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 134 III 390



Urteilskopf

134 III 390

65. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Y.
AG und A. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_499/2007 vom 13. Mai 2008

Regeste

Vertrauenshaftung; Verjährung. Ansprüche aus Vertrauenshaftung unterliegen der
Verjährungsfrist von Art. 60 OR (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 390

BGE 134 III 390 S. 390

A. Die Y. AG (Beschwerdegegnerin 1) bezweckt die Übernahme und Durchführung von
Prüfungs-, Beratungs- und Treuhandmandaten sowie aller damit direkt oder
indirekt zusammenhängenden
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Aufgaben und Tätigkeiten. Sie hat auf dem Wege der Fusion die Z. AG übernommen;
diese war die statutarische Revisionsstelle des Sportvereins D. A.
(Beschwerdegegner 2) war ehemals Finanzchef des Sportvereins D.
Die X. AG (Beschwerdeführerin) war seit Mitte des Jahres 2000 Hauptsponsorin
des Sportvereins D. Im Jahre 2001 wurde ein neuer Vereinspräsident für den
Sportverein D. gesucht. E., einziger Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin, kam
öffentlich ins Gespräch für dieses Amt. Am 11. September 2001 wurde er zum
Präsidenten gewählt. Im Frühling 2002 erhielt der Sportverein D. trotz massiver
finanzieller Probleme und des gescheiterten Versuchs eines Nachlassverfahrens
die Lizenz für den Spielbetrieb 2002/2003 in der Challenge League. Im Februar
2003 wurde erneut ein Nachlassverfahren eröffnet, in dessen Folge ein
Nachlassvertrag zustande kam, der vom zuständigen Einzelrichter im Juli 2003
genehmigt und für verbindlich erklärt wurde.
Die Beschwerdeführerin machte in der Folge geltend, E. habe vor seinem
Engagement als Präsident des Sportvereins D. detaillierte Auskünfte über die
finanzielle Situation des Vereins verlangt. Als ihm die Beschwerdegegnerin 1
und der Beschwerdegegner 2 (nachfolgend gemeinsam: Beschwerdegegner) -
insbesondere mittels der revidierten Bilanz und Erfolgsrechnung per 30. Juni
2001 - zugesichert hätten, die Vereinsschulden würden Fr. 200'000.-, höchstens
aber Fr. 500'000.- betragen, hätte er unmittelbar vor oder nach seiner Wahl zum
Vereinspräsidenten namens der Beschwerdeführerin versprochen, dass die
Beschwerdeführerin für die Schulden des Sportvereins D. mindestens bis zur
Saison 2002/2003 aufkommen und für den Erhalt einer Challenge-League-Lizenz
besorgt sein werde. Ende Februar 2002 habe sich indessen gezeigt, dass der
Sportverein D. Schulden in der Höhe von rund Fr. 1,8 Mio. gehabt habe. In der
Folge habe die Beschwerdeführerin, an ihr Zahlungsversprechen gebunden, diverse
Zahlungen leisten müssen. Diese Zahlungen fordert sie von den Beschwerdegegnern
zurück mit der Begründung, diese hätten sie über die schlechte Finanzlage des
Sportvereins D. getäuscht. E. hätte sich niemals zum Präsidenten wählen lassen
und die Beschwerdeführerin hätte kein Zahlungsversprechen abgegeben, wenn die
Finanzlage korrekt offengelegt worden wäre. Die beiden Beschwerdegegner
verwahren sich gegen jegliche Haftung und erheben zudem die Einrede der
Verjährung.
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B. Die von der Beschwerdeführerin erhobene Klage gegen die Beschwerdegegner auf
Zahlung von Fr. 1,2 Mio. zuzüglich Zins von 5 % seit 7. Juli 2003 wies das
Handelsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 12. Oktober 2007 ab.

C. Gegen das handelsgerichtliche Urteil hat die Beschwerdeführerin beim
Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie beantragt zur Hauptsache
die Aufhebung des handelsgerichtlichen Urteils sowie die Gutheissung der Klage.
Die Beschwerdegegner beantragen in ihren Vernehmlassungen die kostenfällige
Abweisung der Beschwerde. Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung
verzichtet.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten wird.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

4. Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Ansprüche aus Vertrauenshaftung
(Art. 2 ZGB) bzw. unerlaubter Handlung (Art. 41 OR) werden von den
Beschwerdegegnern bestritten. Zudem erheben sie die Einrede der Verjährung. Die
Vorinstanz hat daher - ohne darauf einzugehen, ob im konkreten Fall überhaupt
von einer Vertrauenshaftung auszugehen wäre - die Frage der Verjährung vorab
geprüft und erwogen, dass auch Ansprüche aus Vertrauenshaftung der
Verjährungsfrist von Art. 60 OR unterliegen. Entsprechend hat sie sämtliche von
der Beschwerdeführerin geltend gemachten Ansprüche - sei es aus
Vertrauenshaftung oder aus unerlaubter Handlung - als verjährt erachtet und die
Klage abgewiesen.

4.1 Die Beschwerdeführerin wendet dagegen zunächst ein, auf die
Vertrauenshaftung sei die zehnjährige Verjährungsfrist nach Art. 127 OR,
eventuell analog die fünfjährige Frist gemäss Art. 760 Abs. 2 OR anwendbar.
Auszugehen sei von einer fallspezifischen Rechtsprechung über die
Vertrauenshaftung, wobei im vorliegenden Fall eine rechtliche Nähe zu einem
Vertragsverhältnis bestehe. Die Vertrauenshaftung, so die Beschwerdeführerin
weiter, müsse der vertraglichen Haftung gleichgestellt werden. Angesichts der
rechtlichen Nähe zum Vertragsrecht sei die Anwendung von Deliktsrecht
gesetzeswidrig. Die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie Art. 127 OR
für nicht anwendbar erachtet habe. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ergebe
sich im Übrigen bereits aus deren Wortlaut. Da Art. 60 OR die Vertrauenshaftung
nicht erfasse und das Bundeszivilrecht auch sonst keine Ausnahmen vorsehe,
komme die
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zehnjährige Frist von Art. 127 OR im Sinne eines Regel- und Auffangtatbestands
zur Anwendung. Die Vertrauenshaftung habe zudem nichts mit Art. 41 ff. OR zu
tun, weshalb die Anwendung von Art. 60 OR auch aus diesem Grund entfalle.

4.2 Die Beschwerdegegnerin 1 macht demgegenüber geltend, die Vorinstanz sei mit
ausführlicher und überzeugender Begründung zum Schluss gelangt, dass die
Vertrauenshaftung nicht auf einem gewollten Zusammenwirken von zwei Personen
beruhe, wie es einer vertraglichen Verbindung innewohne, sondern auf einem
Verhältnis, das rechtlich näher beim Delikt anzusiedeln sei. Die Begründung der
Vorinstanz stimme zudem mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung überein, die
an die Haftung aus erwecktem und enttäuschtem Vertrauen strenge Anforderungen
knüpfe. Entsprechend könne das vorvertragsähnliche Verhältnis, das der
Rechtsfigur der Vertrauenshaftung zugrunde liege, auch unter dem Gesichtspunkt
der Verjährung nicht den gleichen Schutz verdienen wie ein vertragliches
Verhältnis.
Der Beschwerdegegner 2 stellt sich ebenfalls auf den Standpunkt, dass bei der
Vertrauenshaftung die deliktische Verjährungsfrist gemäss Art. 60 OR zur
Anwendung kommen müsse, und verweist im Weiteren auf die Ausführungen der
Vorinstanz.

4.3 Das Bundesgericht hatte bislang nicht zu entscheiden, ob Ansprüche aus
Vertrauenshaftung der zehnjährigen Verjährungsfrist (Art. 127 OR) oder der
einjährigen Deliktsverjährung (Art. 60 OR) zu unterstellen sind. Obwohl
fraglich ist, ob vorliegend tatsächlich von einem Anwendungsfall der
Vertrauenshaftung auszugehen wäre, ist die Verjährungsfrage nachfolgend zu
prüfen, zumal die Vorinstanz die Abweisung der Klage zur Hauptsache damit
begründet hat, sämtliche Ansprüche der Beschwerdeführerin - ob aus
Vertrauenshaftung oder aus unerlaubter Handlung - seien nach Art. 60 OR
verjährt.

4.3.1 Zur Frage der für die Vertrauenshaftung massgebenden Verjährungsfrist
werden in der Literatur verschiedene Meinungen vertreten. Während die einen
eine Verjährung nach Art. 127 OR für sachgerecht halten (GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/
REY, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 8. Aufl.,
Zürich 2003, Rz. 982l; PETER LOSER, Die Vertrauenshaftung im schweizerischen
Schuldrecht, Bern 2006, Rz. 1124 ff.; DÄPPEN, Basler Kommentar, N. 4a zu Art.
60 OR; EUGEN BUCHER, Vertrauenshaftung: Was?
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Woher? Wohin?, in: Richterliche Rechtsfortbildung in Theorie und Praxis,
Festschrift für Hans Peter Walter, Bern 2005, S. 259; HANS PETER WALTER,
Vertrauenshaftung: Unkraut oder Blume im Garten des Rechts-, in: ZSR 20/2001 I
S. 99; PICHONNAZ, Commentaire romand, N. 22 zu Art. 127 OR; THÉVENOZ,
Commentaire romand, N. 29 zu Art. 97-109 OR; JÖRG SCHMID, Vertrauenshaftung bei
Formungültigkeit, in: Richterliche Rechtsfortbildung [...], a.a.O., S. 423;
MOSER/BERGER, Vertrauenshaftung auch im Bankgeschäft - zur Haftungsgrundlage
und zu den Grenzen von Aufklärungspflichten, in: AJP 1999 S. 545), sprechen
sich andere für die kürzere Deliktsverjährung nach Art. 60 OR aus (BAUMANN,
Zürcher Kommentar, N. 191 und 229 zu Art. 2 ZGB; PIERRE TERCIER, Abus de
confiance?, in: La responsabilité fondée sur la confiance/Vertrauenshaftung,
Journée de la responsabilité civile 2000, Zürich 2001, S. 75; WERRO,
Commentaire romand, N. 6 zu Art. 60 OR; SYLVAIN MARCHAND, Un ornithorynque
juridique, in: La responsabilité [...], a.a.O., Zürich 2001, S. 174; VITO
ROBERTO, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Zürich 2002, Rz. 289 f.).
Die Befürworter der Zehnjahresfrist begründen deren Anwendbarkeit unter anderem
mit dem Wortlaut von Art. 127 OR, weshalb mangels gesetzlicher
Sondervorschriften die zehnjährige Verjährungsfrist als Regelfrist zur
Anwendung kommen müsse. Dabei sei zu bedenken, dass Rechtsverlust durch
Verjährung oder Verwirkung nur bei klarer positivrechtlicher Grundlage
eintreten dürfe (BUCHER, a.a.O., S. 259). Weiter wird vorgebracht, da nach
geltendem Recht nur die Wahl zwischen der Einjahresfrist (Art. 60 OR) und der
Zehnjahresfrist (Art. 127 OR) bestehe, sei die längere Frist vorzuziehen. Für
diese Lösung spreche auch der Umstand, dass die Verjährung die für das
Privatrecht charakteristische Stabilität und Kontinuität der einmal begründeten
Rechtsverhältnisse durchbreche und der Verjährung im weitesten Sinne
enteignende Wirkung zukomme. Angesichts des Ausnahmecharakters des
Verjährungsinstituts solle eine kurze Frist nur dort eingreifen, wo es
notwendig sei. Diese Notwendigkeit habe der historische Gesetzgeber beim
typischen Zufallskontakt als gegeben erachtet; für die Verantwortlichkeit wegen
Vertrauens in rechtsgeschäftsbezogene Sonderverbindungen fehle diese indessen
(LOSER, a.a.O., S. 1125).
Die Befürworter der kürzeren Verjährungsfrist nach Art. 60 OR weisen
demgegenüber darauf hin, dass die Vertrauenshaftung weder auf der Verletzung
allgemeiner Verhaltenspflichten noch auf der
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Verletzung vertraglicher Pflichten beruhe. Die Frage nach den Modalitäten
dieser Schadenersatzpflicht sui generis sei daher für jede Modalität gesondert
zu beantworten, wobei bezüglich der Verjährung die Einjahresfrist nach Art. 60
OR angemessen sei (TERCIER, a.a.O., S. 75; BAUMANN, a.a.O., N. 191 und 229 zu
Art. 2 ZGB).
Wiederum andere Lehrmeinungen sprechen sich in Bezug auf die
Haftungsmodalitäten für eine differenzierte Betrachtungsweise nach dem
konkreten Einzelfall aus (REY, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 4. Aufl.,
Zürich 2008, Rz. 37a; HAUSHEER/JAUN, Die Einleitungsartikel des ZGB, Bern 2003,
N. 86 zu Art. 2 ZGB) oder wollen einheitlich auf deliktische oder vertragliche
Grundsätze abstellen, je nachdem ob die verletzte Schutzpflicht eine generelle
ist, die sich auf eine Vielzahl unbestimmter Personen erstreckt, oder aber eine
besondere, die sich auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt (CHRISTINE
CHAPPUIS, Les règles de la bonne foi entre contrat et délit, in: Pacte,
convention, contrat, Festschrift für Bruno Schmidlin, Basel/Frankfurt a.M.
1998, S. 242).

4.3.2 Die Haftung aus erwecktem Vertrauen ist zwischen Vertrag und Delikt
angesiedelt. Sie erfasst als Oberbegriff die Haftung aus culpa in contrahendo
und die weiteren interessenmässig gleich gelagerten Tatbestandsgruppen, wie
etwa die Haftung für falsche Auskunft (BGE 130 III 345 E. 2.1; BGE 121 III 350
E. 6c S. 355; BGE 120 II 331 E. 5a S. 336 f.). Die Vertrauenshaftung setzt nach
bundesgerichtlicher Rechtsprechung voraus, dass die Beteiligten in eine so
genannte "rechtliche Sonderverbindung" zueinander getreten sind, die erst
rechtfertigt, die aus Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) hergeleiteten Schutz- und
Aufklärungspflichten greifen zu lassen (BGE 130 III 345 E. 2.2 S. 349; BGE 120
II 331 E. 5a S. 336).
Da es sich bei der Vertrauenshaftung um eine eigenständige Haftungsgrundlage
zwischen Vertrag und Delikt handelt, ist die Frage nach der Rechtsnatur dieser
- gesetzlich nicht geregelten - Rechtsfigur im Hinblick auf die massgebende
Verjährungsfrist nicht zielführend (BUCHER, a.a.O., S. 244; vgl. bereits
SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, N. 595 zu Art. 1 OR). Auch im Rahmen
der Culpa-Haftung, die sich in der neueren Rechtsprechung als Erscheinungsform
der Vertrauenshaftung herausgestellt hat (BGE 130 III 345 E. 2.1; BGE 121 III
350 E. 6c S. 355; BGE 120 II 331 E. 5a S. 336), hatte sich das Bundesgericht
hinsichtlich deren Rechtsnatur seit einiger Zeit nicht mehr festgelegt (BGE 121
III 350 E. 6c S. 354 f.; BGE 108 II 419
BGE 134 III 390 S. 396
E. 5 S. 422; BGE 101 II 266 E. 4c S. 269). Es geht dabei in ständiger
Rechtsprechung davon aus, dass sich die Verjährung von Ansprüchen aus culpa in
contrahendo nach Art. 60 OR richtet (BGE 121 III 350 E. 6c S. 354 f.; BGE 108
II 419 E. 5 S. 422; BGE 101 II 266 E. 4c S. 269 f.). Dies wird im Wesentlichen
damit begründet, dass es mit der Rechtssicherheit nicht vereinbar wäre, eine
Partei, die Vertragsverhandlungen geführt hat, während der zehnjährigen Frist
von Art. 127 OR Schadenersatzansprüchen auszusetzen. Vielmehr seien die
Ansprüche aus culpa in contrahendo innert angemessener Frist zu regeln. Die
Verjährungsbestimmung von Art. 60 OR werde den Interessen der Beteiligten
gerecht. So sei es einerseits dem Geschädigten zumutbar, innerhalb der
Jahresfrist von Art. 60 OR zu klagen oder die Verjährung auf andere Art -
insbesondere durch Schuldbetreibung - zu unterbrechen. Der anderen Partei sei
es demgegenüber nicht zuzumuten, während einer übertrieben langen Dauer mit
Ansprüchen konfrontiert zu werden, wenn der Geschädigte vom Schaden und der
Person des Geschädigten Kenntnis habe (BGE 101 II 266 E. 4c S. 269).
Diese Rechtsprechung ist auch in neuerer Zeit von einem beachtlichen Teil der
Lehre kritisiert worden (BUCHER, Basler Kommentar, N. 94 zu Art. 1 OR; ders.,
Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Zürich 1988, S.
287 f.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY, a.a.O., Rz. 971 f.; ENGEL, Traité des
obligations en droit suisse, 2. Aufl., Bern 1997, S. 753; KRAMER, Berner
Kommentar, N. 141 der Allg. Einleitung in das Schweizerische OR; BERTI, Zürcher
Kommentar, N. 38 ff. zu Art. 127 OR; WIEGAND, Basler Kommentar, N. 11 der
Einleitung zu Art. 97-109 OR; DÄPPEN, Basler Kommentar, N. 4 zu Art. 60 OR;
PICHONNAZ, a.a.O., N. 22 zu Art. 127 OR; THÉVENOZ, a.a.O., N. 29 zu Art. 97-109
OR; NIKLAUS LÜCHINGER, Die Verjährung von Ansprüchen aus culpa in contrahendo,
SJZ 102/2006 S. 197 ff.; HANS-ULRICH BRUNNER, Die Anwendung deliktsrechtlicher
Regeln auf die Vertragshaftung, Diss. Freiburg 1991, Rz. 625 ff.; GUHL/KOLLER/
SCHNYDER/DRUEY, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., Zürich 2000, §
13 N. 6). Diejenigen Stimmen, die eine Anwendbarkeit von Art. 127 OR nicht mit
der (vermeintlich vertraglichen) Rechtsnatur der culpa in contrahendo
begründen, bringen im Wesentlichen auch diesbezüglich vor, dass der Verlust
ausgewiesener Rechtspositionen durch Zeitablauf nur aufgrund klarer,
eindeutiger und dem Rechtssuchenden zweifelsfrei erkennbarer Gesetzesgrundlagen
eintreten dürfe. Aufgrund des Wortlauts von Art. 127 OR müsse der Anspruch aus
culpa in contrahendo, da er sich nicht
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eindeutig als Deliktshaftung qualifizieren lasse, der allgemeinen
Zehnjahresfrist unterstellt werden. Zudem wird die Einjahresfrist von Art. 60
OR als zu kurz erachtet (statt vieler: BUCHER, Basler Kommentar, N. 94 zu Art.
1 OR; ders., Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, S. 287 f.).
Das Bundesgericht hat an seiner Rechtsprechung jedoch in Kenntnis der in der
Literatur geäusserten Kritik auch in neuerer Zeit festgehalten (BGE 121 III 350
E. 6c S. 354 f.; Urteile 4C.409/2005 vom 21. März 2006, E. 3.1, SJ 2006 I S.
437; 4C.354/2004 vom 9. November 2005, E. 2.3). Wie die Befürworter der
einjährigen Verjährungsfrist nach Art. 60 OR zutreffend vorbringen, handelt es
sich bei der culpa in contrahendo um einen Haftungstatbestand eigener Art, der
richtigerweise auch eigenen Gesetzmässigkeiten zu unterwerfen ist, wozu eine
den besonderen Verhältnissen angemessene Regelung der Verjährungsfrage gehört
(BAUMANN, a.a.O., N. 189 f. zu Art. 2 ZGB). Die bundesgerichtliche
Rechtsprechung trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass die Haftung für culpa in
contrahendo dem Schutz des rechtlichen Verkehrs dient, dass dieser Schutz aber
nicht durch eine übermässige zeitliche Ausdehnung gefährdet werden darf. Dem
Gebot der Rechtssicherheit ist daher grosse Bedeutung beizumessen, weshalb kein
Anlass besteht, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen (so im Ergebnis
auch BAUMANN, a.a.O., N. 190 f. zu Art. 2 ZGB; WERRO, a.a.O., N. 6 zu Art. 60
OR; TERCIER, a.a.O., S. 75; MARCHAND, a.a.O., S. 174; STEPHAN HARTMANN, Die
vorvertraglichen Informationspflichten und ihre Verletzung, Diss. Freiburg
2001, Rz. 314; NICOLAS KUONEN, La responsabilité précontractuelle, Diss.
Freiburg, Zürich 2007, Rz. 1709 f.; BREHM, Berner Kommentar, N. 12c zu Art. 60
OR; VITO ROBERTO, a.a.O., Rz. 569; vgl. bereits SPIRO, Die Begrenzung privater
Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, Bern 1975, S. 706;
ders., Die Haftung für Abschluss- und Verhandlungsgehilfen, in: ZSR 105/1986 I
S. 645; HANS MERZ, Vertrag und Vertragsschluss, 2. Aufl., Freiburg 1992, Rz.
153; ders., Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre
1975, in: ZBJV 113/1977 S. 183 f.; PAUL PIOTET, La culpa in contrahendo
aujourd'hui, in: SJZ 77/1981 S. 242; ders., Culpa in contrahendo, Bern 1963, S.
63; KELLER/SCHÖBI, Das Schweizerische Schuldrecht, Bd. I, Basel/Frankfurt a.M.
1988, S. 44; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, a.a.O., N. 595 zu Art. 1 OR).

4.3.3 Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Haftung aus culpa in
contrahendo, sondern auch für die Vertrauenshaftung im
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Allgemeinen. Es handelt sich bei dieser Haftungsgrundlage nicht um eine
gesetzlich geregelte, sondern eine von der Rechtsprechung entwickelte
Rechtsfigur, auf welche die vom Gesetzgeber vorgesehene allgemeine
Verjährungsbestimmung nach Art. 127 OR nicht unbesehen angewendet werden kann.
Das Bundesgericht hat jeweils betont, dass die Vertrauenshaftung keinesfalls zu
einer Haftung gegenüber jedermann ausufern und die Anerkennung dieser
Haftungsgrundlage nicht dazu führen darf, dass das Rechtsinstitut des Vertrags
ausgehöhlt wird (BGE 133 III 449 E. 4.1; BGE 130 III 345 E. 3.2 S. 353). Das
Bundesgericht knüpft die Haftung aus erwecktem Vertrauen daher an strenge
Voraussetzungen (BGE 133 III 449 E. 4.1 S. 451; BGE 124 III 297 E. 6a S. 303;
BGE 121 III 350 E. 6c S. 355; BGE 120 II 331 E. 5a S. 336). Die
Rechtssicherheit gebietet, eine ungerechtfertigte Ausdehnung der
Vertrauenshaftung, die weder auf einer Verletzung einer Vertragspflicht noch
auf einem Verstoss gegen allgemeine gesetzliche Gebote oder Verbote beruht,
auch in zeitlicher Hinsicht zu vermeiden. Unter diesem Gesichtspunkt wäre zudem
eine einzelfallspezifische Beurteilung der Verjährungsfrage - je nachdem, ob im
konkreten Fall von einer rechtlichen Nähe zu einem Vertragsverhältnis
auszugehen ist -, wie sie von der Beschwerdeführerin und einzelnen
Lehrmeinungen postuliert wird, nicht zu rechtfertigen. Auch der Umstand, dass
sich Art und Umfang der sich aus Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) ergebenden
Verhaltenspflichten nach den gesamten Umständen des Einzelfalls beurteilen (BGE
130 III 345 E. 2.2 S. 350 f.; BGE 120 II 331 E. 5a S. 337), verlangt -
angesichts der damit verbundenen Beweisschwierigkeiten infolge Zeitablaufs -
nach einer zeitlichen Nähe der Klärung derartiger Ansprüche. Es wäre mit dem
Gebot der Rechtssicherheit unvereinbar, die aus Vertrauenshaftung in Anspruch
genommene Partei während zehn Jahren möglichen Haftungsansprüchen auszusetzen.
Vielmehr sind Ansprüche aus Vertrauenshaftung, nachdem der Geschädigte vom
Eintritt des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt
hat, innert angemessener Frist zu regeln. Ansprüche aus Vertrauenshaftung
verjähren somit nach Art. 60 OR.